VPB 51.37
(Direktion für Völkerrecht, 6. Januar 1986)
Regeste Deutsch
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Fragestellung
Ausführungen
Zollabkommen über Behälter, von 1972. Ausschliessliche Zuständigkeit des Bundesrates für Abkommensänderungen gemäss dem besonderen staatsvertraglichen Änderungsverfahren.
Convention douanière relative aux conteneurs, de 1972. Compétence exclusive du Conseil fédéral pour des modifications de la convention conformément à la procédure spéciale de révision prévue par la convention même.
Convenzione doganale del 1972 concernente i contenitori. Competenza esclusiva del Consiglio federale per modificazioni della convenzione conformemente alla procedura speciale di revisione prevista dalla convenzione stessa.
Es stellte sich die Frage, ob Änderungsvorschläge zum Zollabkommen vom 2. Dezember 1972 über Behälter von 1972 (SR 0.631.250.112) in der Schweiz der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen sind, oder aber ob der Bundesrat in eigener Zuständigkeit die für die Änderungsverfahren gemäss Art. 21 und 22 dieses Abkommens nötigen Rechtsakte vornehmen kann.
Das Zollabkommen über Behälter von 1972 wurde anlässlich der im Rahmen der Vereinten Nationen (UNO) durchgeführten Weltkonferenz über den internationalen Behältertransport als offene multilaterale Handelsvereinbarung ausgehandelt und für die Schweiz, aufgrund der parlamentarischen Genehmigung gemäss BB vom 17. März 1976 (AS 1977 645) am 12. Oktober 1976 vom Bundesrat ratifiziert.
Für Konventionsergänzungen wurden spezielle Verfahren vereinbart, welche gewährleisten sollen, dass trotz der grossen Zahl von Vertragsparteien über beantragte Anpassungen infolge technischer und handelsrechtlicher Entwicklungen innert nützlicher Frist Klarheit geschaffen werden kann: die von einem speziellen Konventionsorgan, dem Verwaltungsausschuss des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesen, mit qualifiziertem Mehr verabschiedeten Konventionsergänzungen gelten als von den Vertragsstaaten genehmigt, wenn nicht innert zwölf Monaten Einspruch erhoben wird (sogenanntes «opting out»-Verfahren, Art. 21 Abs. l-4). Geht es um Änderungen der Anhänge, so hat eine Einsprache mindestens die Wirkung eines Vorbehalts zugunsten oder zulasten des opponierenden Staates (Art. 22 Abs. 6); geht es um Änderungen der Konvention selbst, so hat jeder Einspruch Veto-Wirkung (Art. 21 Abs. 5).
Nach schweizerischem Landesrecht ist die Frage zu beurteilen, wer - der Bundesrat oder die Bundesversammlung - darüber zu entscheiden hat, ob gegen einen Änderungsvorschlag von der Schweiz Einspruch zu erheben ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Unterschied zum ordentlichen Verfahren betreffend die Änderung von völkerrechtlichen Verträgen, wo nach Art. 85 Ziff. 5 BV die Bundesversammlung in der Regel ein Mitspracherecht hat, beim opting out-Verfahren die Vertragsänderungskompetenz, im Einvernehmen mit der Bundesversammlung, an ein internationales Konventionsorgan delegiert und lediglich ein negativ wirkendes Einspruchsrecht vorbehalten wurde. Dieses Einspruchsrecht fällt als einseitiger Akt des Völkerrechts nicht in den Geschäftskreis der Räte gemäss Art. 85 Ziff. 5 BV. Zum Einspracheentscheid und zur Vornahme der Einsprache ist ausschliesslich der Bundesrat, gestützt auf seine allgemeine Zuständigkeit zur Besorgung der auswärtigen Angelegenheiten der Schweiz gemäss Art. 102 Ziff. 8 BV, berufen.
Diese Rechtslage entspricht der ratio legis von opting out-Verfahren, wonach multilaterales Vertragsrecht mit vorwiegend technischem Inhalt zur Wahrung grösstmöglicher Sicherheit möglichst speditiv, unpolemisch und unpolitisch soll geändert werden können. Die Einspruchsfrist von bloss zwölf Monaten macht es ausserdem praktisch unmöglich, ein ordentliches parlamentarisches Genehmigungsverfahren regelmässig rechtzeitig zum Abschluss zu bringen.
Beim Zollabkommen über Behälter von 1972 war sich die Bundesversammlung dieser Rechtslage bewusst und hat ausdrücklich den Bundesrat ermächtigt, «alle für die Anwendung des Abkommens notwendigen Massnahmen zu treffen» (Art. 2 des BB vom 17. März 1976).
Vollständigkeitshalber sei erwähnt, auch wenn dies ohne ausschlaggebende rechtliche Bedeutung ist, dass die vorliegend zur Frage stehenden Konventionsänderungen für die Schweiz keine neuen Verpflichtungen begründen, bzw. keinen Verlust von bestehenden Rechten bewirken. Die Änderung von Anhang 6 hat rein kontrolltechnischen Charakter, ohne die Rechtsstellung der Vertragsparteien in irgendeiner Weise zu berühren. Desgleichen bedeutet die Anpassung von Art. 18 der Konvention, wo der Kreis potentieller Vertragsparteien umschrieben wird, an die handelsrechtliche Entwicklung keine Erweiterung oder Einschränkung der schweizerischen Rechtsstellung als Konventionspartei. Die Substitution einzelner Vertragsstaaten durch Zoll- oder Wirtschaftsunionen, auf welche diese Staaten ihre treaty-making-power in Materien aus dem Konventionsbereich übertragen haben, muss als notwendige Anpassungsmassnahme zur Erhaltung des rechtlichen status quo betrachtet werden.
Ob Zoll- und Wirtschaftsunionen mit internationaler Rechtspersönlichkeit, aber in der Regel ohne eigenes Hoheitsgebiet, alle oder nur einzelne Rechte und Pflichten aus der Konvention übernehmen können, ist solange und insofern unerheblich, als auch die Mitgliedstaaten dieser Unionen Vertragsparteien bleiben und die Kompetenzabgrenzung eine unionsinterne Angelegenheit bleibt.
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