Dies ist ein Dokument der alten Website. Zur neuen Website.

 Bund Verwaltungspraxis der Bundesbehörden

bund/vpb/51-4.html 

VPB 51.4

(Bundesamt für Justiz, 10. September 1986)


Regeste Deutsch
Résumé Français
Regesto Italiano
 
Fragestellung
 
Ausführungen
Ziffer 1.
Ziffer 2.
Ziffer 2.1.
Ziffer 2.2.
Ziffer 2.3.
Ziffer 3.
Ziffer 4.
Ziffer 5.
Ziffer 6.
 

Personalfürsorgeeinrichtungen. Freizügigkeitsleistungen im vor- und im überobligatorischen Bereich. Verzinsung bei verspäteter Überweisung an den Berechtigten. Analoge Anwendung der Bestimmungen über die obligatorische berufliche Altersvorsorge. Die Einrichtung schuldet einen Zins von 4%.


Institutions de prévoyance en faveur du personnel. Prestations de libre passage dans les domaines précédant et dépassant celui régi par l'assurance obligatoire. Versement d'un intérêt en cas de transfert tardif à l'ayant droit. Application par analogie des dispositions relatives à la prévoyance professionnelle obligatoire. L'institution est redevable d'un intérêt de 4%.


Istituzioni di previdenza in favore del personale. Prestazioni di libero passaggio nei settori che precedono e che oltrepassano quello retto dall'assicurazione obbligatoria. Corresponsione di un interesse in caso di versamento tardivo all'avente diritto. Applicazione per analogia delle disposizioni relative alla previdenza professionale obbligatoria. L'istituzione è debitrice di un interesse del 4%.




Die Frage, ob und bejahendenfalls zu welchem Satz die Personalvorsorgeeinrichtung die Freizügigkeitsleistungen zu verzinsen hat, wenn sie sie nicht unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses an den Berechtigten überweist, ist für den obligatorischen Bereich, wo die berufliche Altersvorsorge von Gesetzes wegen als Folge des Arbeitsvertrages besteht (vgl. Riemer Hans Michael, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, Bern 1985, S. 99 f.), positivrechtlich beantwortet: Die Freizügigkeitsleistungen sind von Gesetztes wegen bis zur tatsächlichen Erbringung zu verzinsen (Art. 11 Abs. 3 Bst. a V vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVV 2], SR 831.441.1), und zwar zu einem Zinssatz von mindestens 4% (vgl. Art. 12 BVV 2).

1. Für den vor- und den überobligatorischen Bereich ist die Frage nicht gesetzlich geregelt.

Die berufliche Vorsorge besteht in diesem Bereich aufgrund eines Vorsorgevertrages (vgl. Riemer, a.a.O., S. 101 f.). Dieser wird als Innominatvertrag qualifiziert und als solcher den Bestimmungen des Obligationenrechts unterstellt (vgl. Riemer, a.a.O., S. 101 f.; Schneiter René, Rechtsbeziehungen zwischen Dienst- und Vorsorgeverhältnis bei privatrechtlichen Wohlfahrtseinrichtungen, Diss., Zürich 1966, S. 21 f. und 37; Walser Hermann, Die Personalvorsorgestiftung, Diss., Zürich 1975, S. 117 f.; vgl. auch Schubiger Cyril, Die Rechtsstellung des vorsorgebeteiligten Destinatärs in der Personalvorsorgestiftung, Diss., Zürich 1976, S. 23).

Zur Regelung eines Innominatvertrags helfen aber die Bestimmungen des Allgemeinen Teils des Obligationenrechts oft nicht weiter oder erweisen sich als unpassend (vgl. Schluep Walter R., Innominatverträge, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/2, Basel 1979, S. 780). Dies trifft auch für den Vorsorgevertrag zu: Die Allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts bieten für den Vorsorgevertrag nur eine unvollkommene und lückenhafte Regelung (vgl. Walser, a.a.O., S. 118) und tragen oft wegen der Eigenart des Vorsorgeverhältnisses zur Regelung gewisser Probleme nichts bei (vgl. Schneiter, a.a.O., S. 37).

Zu prüfen wird deshalb zunächst sein, ob die Zinsfrage durch Anwendung der Bestimmungen des Obligationenrechts, insbesondere derjenigen über die Personalvorsorgeeinrichtungen (Art. 331a ff. OR) und derjenigen über den Schuldnerverzug (Art. 102 ff. OR) beantwortet werden kann. Anschliessend muss aber auch geprüft werden, ob die obligationenrechtliche Lösung befriedigend ist.

2. Der Verzug des Schuldners - also hier der Personalvorsorgeeinrichtung - ist gemäss Art. 102 Abs. 1 OR an zwei Voraussetzungen gebunden: Die Fälligkeit der Forderung - hier: auf Freizügigkeitsleistungen - und die Mahnung des Gläubigers - also hier des Arbeitnehmers, der die Personalvorsorgeeinrichtung vor Eintritt eines Vorsorgefalls verlässt.

2.1. In bezug auf die Fälligkeit der Forderung ist folgendes zu bemerken:

a. Art. 331c Abs. 2 OR, wonach die Fälligkeit der Forderungen auf künftige Vorsorgeleistungen vom Reglement der (früheren) Personalvorsorgeeinrichtung bestimmt wird, regelt nur die Fälligkeit des Anspruchs auf Leistungen beim Eintritt eines Vorsorgefalls (vgl. Lüthy Herbert, Die rechtliche Regelung der freiwilligen Personalvorsorge, Diss., Basel 1974, S. 78).

b. Die Fälligkeit der Freizügigkeitsleistungen ist in Art. 331a Abs. 1 und 331b Abs. l OR anvisiert: Danach hat der Arbeitnehmer, der eben keine Vorsorgeleistungen erhält, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Forderung gegen die Personalvorsorgeeinrichtung.

Eigentlich sollte das Gesetz auf die Beendigung des Vorsorgeverhältnisses und nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abstellen; denn es handelt sich hier um vorsorgevertragliche Ansprüche (vgl. Schneiter, a.a.O., S. 115; Suter André, Untersuchungen zur Rechtsstellung des Destinatärs von Personalvorsorgestiftungen - geltendes und werdendes Recht, in: Zeitschrift des bernischen Juristenvereins [ZBJV] 1973, S. 369 Anm. 117). Die Unterscheidung ist jedoch ohne praktische und rechtliche Relevanz, weil zwischen dem Arbeitsverhältnis und dem Vorsorgeverhältnis eine sehr enge Beziehung besteht: Das letztere setzt - abgesehen von den Verbandsversicherungen - das erstere als Grundverhältnis voraus (vgl. Schneiter, a.a.O., S. 18 und 50; Schubiger, a.a.O., S. 24; Suter, a.a.O., S. 353 Anm. 50; Walser, a.a.O., S. 101f.), und die Entstehung eines - vorsorgevertraglichen - Anspruchs auf Freizügigkeitsleistungen setzt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus (vgl. Hummel-Puerta Willi, Die Freizügigkeit in der freiwilligen beruflichen Vorsorge, St. Gallen 1983, S. 128; Schneiter, a.a.O., S. 115).

Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt eines Vorsorgefalls bringt somit automatisch die Beendigung des Vorsorgeverhältnisses wie auch die Fälligkeit der Freizügigkeitsleistungen mit sich (vgl. Hummel-Puerta, a.a.O., S.129 f., insbesondere zu den Fällen externer Mitgliedschaft; Schneiter, a.a.O., S. 41, 101 und 115; Walser, a.a.O., S. 102).

In der arbeitsrechtlichen Lehre ist denn auch unumstritten, dass Art. 339 Abs. 1 OR auch auf die Freizügigkeitsleistungen anwendbar ist, so dass auch diese mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werden (vgl. Brühwiler Jürg, Handkommentar zum Einzelarbeitsvertrag, Bern 1978, S. 221; Streiff Ullin, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, Zürich 1986, N 4 ad Art. 339 OR).

2.2. Dass der Schuldner grundsätzlich durch eine Mahnung des Gläubigers in Verzug gesetzt werden muss, wird so begründet: Bei unbestimmter oder dem Schuldner unbekannter Erfüllungszeit sollten die nachteiligen Folgen des Verzugs den Schuldner nur dann treffen, wenn der Gläubiger zum Ausdruck gebracht habe, dass er auf den Anspruch bestehe und die Leistung einfordere (so Bucher Eugen, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil ohne Deliktsrecht, Zürich 1979, S. 315; vgl. auch statt vieler: von Thur Andreas/Siegwart Alfred/Escher Arnold, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Zürich 1974, S. 136).

Der Wille, auf den Anspruch zu bestehen und die Leistung zu verlangen, kommt unseres Erachtens in der an die Personalvorsorgeeinrichtung gerichteten Erklärung deutlich zum Ausdruck (zu den Anforderungen, welchen eine Mahnung genügen muss, vgl. statt vieler: Oser Hugo/Schönenberger Wilhelm, Zürcher Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Bd. V, Das Obligationenrecht, 1. Teil, 2. Aufl., Zürich 1929, N 8 ad Art. 102 OR), dass das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer X auf den Zeitpunkt Y beendet ist oder enden wird: Wird nämlich eine solche Erklärung, die sich inhaltlich auf das Arbeitsverhältnis bezieht, an die Personalvorsorgeeinrichtung gerichtet, so kann dies für die Personalvorsorgeeinrichtung nach Treu und Glauben nur bedeuten, dass der Arbeitnehmer von ihr verlangt, was ihm infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zusteht, also dass er auf die Freizügigkeitsleistungen besteht.

Diese Aussage bedarf allerdings zweier Präzisierungen:

a. Die Mitteilung an die Personalvorsorgeeinrichtung geht in der Praxis häufig nicht vom Arbeitnehmer, also vom Gläubiger selbst, sondern vom Arbeitgeber aus.

Dies dürfte jedoch hier irrelevant sein; denn die Mahnung muss nicht unbedingt vom Gläubiger persönlich, sondern kann auch von einem dazu ermächtigten und gehörig legitimierten Vertreter des Gläubigers ausgehen (vgl. statt vieler: von Thur/Escher, a.a.O., S. 137 f.). Massgebend soll deshalb hier sein, dass die Personalvorsorgeeinrichtung nach Treu und Glauben die Mitteilung des Arbeitgebers als Mitteilung - und somit als Mahnung - des Arbeitnehmers verstehen muss.

Es kommt hinzu, dass der Arbeitgeber von Gesetzes wegen aufgrund seiner allgemeinen Fürsorgepflicht (vgl. Art. 328 Abs. 1 OR) die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers zu wahren hat (vgl. dazu: Rehbinder Manfred, Berner Kommentar, Bd. VI/2/2/1, Bern 1985, N 3 ad Art. 328 OR). Die Mitteilung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an die Personalvorsorgeeinrichtung dient sicher der Wahrung dieser Interessen und muss - was hier von Bedeutung ist - von der Personalvorsorgeeinrichtung nach Treu und Glauben in diesem Sinne verstanden werden.

b. Wird der Personalvorsorgeeinrichtung mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis auf einen künftigen Zeitpunkt enden wird, so bezieht sich die Mahnung auf eine noch nicht fällige Forderung.

In diesem Zusammenhang ist jedoch zu erwähnen, dass die Mahnung nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung und herrschender Lehre auch vorsorglich vor der Fälligkeit der Forderung erfolgen kann (vgl. BGE 103 II 104 f.; Bucher, a.a.O., S. 315; Gauch Peter/Schluep Walter R. /Jäggi Peter, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 3. Aufl., Zürich 1983, Bd. II, N 1731; anderer Meinung: Oser/Schönenberger, a.a.O., N 10 ad Art. 102 OR; von Thur/Escher, a.a.O., S. 136, Anm. 10).

2.3. Die Mahnung des Gläubigers ist nicht immer eine notwendige Voraussetzung des Schuldnerverzugs: Sie kann gemäss Art. 102 Abs. 2 OR ausbleiben, wenn die Parteien für die Erfüllung der Obligation einen bestimmten Verfalltag vereinbart haben oder wenn sich ein Verfalltag <infolge einer vorbehaltenen und gehörig vorgenommenen Kündigung> ergibt.

Die erste Voraussetzung könnte nur bei Arbeitsverträgen auf bestimmte Zeit erfüllt sein; denn bei den übrigen kann für die Freizügigkeitsleistungen kein bestimmter Verfalltag vereinbart werden. Die vertragliche Regelung der Kündigung des Vorsorgevertrages unabhängig vom Schicksal des Arbeitsvertrages kann als praxisfremd betrachtet werden, so dass auch die zweite Voraussetzung kaum erfüllt sein wird.

Es kann aber in diesem Zusammenhang noch geprüft werden, ob eine der beiden Voraussetzungen von Art. 102 Abs. 2 OR in bezug auf den Vorsorgevertrag schon deshalb als erfüllt gelten kann, weil das Arbeitsverhältnis - sei es infolge Ablaufs der bestimmten Vertragszeit, sei es infolge Kündigung - endet.

Dies ist unseres Erachtens zu verneinen, weil Arbeitsvertrag und Vorsorgevertrag - selbst wenn zwischen ihnen eine sehr enge Beziehung besteht und die Auflösung des ersten automatisch die Auflösung des zweiten bewirkt - zwei verschiedene Verträge sind, was bezüglich der Verzugsfolgen nicht unberücksichtigt bleiben darf.

Das Vorliegen zweier verschiedener Verträge bewirkt insbesondere, dass dem Arbeitnehmer zwei verschiedene Schuldner gegenüberstehen: Der Arbeitgeber für die Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis und die Personalvorsorgeeinrichtung für die Forderungen aus dem Vorsorgeverhältnis.

Und dies wirft einige Probleme auf:

a. Für die Forderungen aus dem Arbeitsvertrag hat die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäss Art. 102 Abs. 2 OR stets Verzugsfolgen, wenn dieses auf bestimmte Zeit eingegangen wurde; denn das Gesetz sieht - abgesehen vom Lehrvertrag - keine bestimmte Dauer des Arbeitsverhältnisses vor. Jede Befristung des Arbeitsvertrags beruht somit notwendigerweise auf einer Vereinbarung, so dass der Verfalltag dann stets ein vereinbarter ist (vgl. zur Notwendigkeit einer Vereinbarung des Verfalltags: von Büren Beat, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Zürich 1964, S. 367; Engel Pierre, Traité des obligations en droit suisse, Dispositions Générales du CO, Neuchâtel 1973, S. 202; Gauch/Schluep/Jäggi, a.a.O., N 1736 ff.; Oser/Schönenberger, a.a.O., N 20 ad Art. 120 OR; Rehbinder, a.a.O., N 24 ad Art. 323 OR).

Damit der Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer auch für die Personalvorsorgeeinrichtung Verzugsfolgen hat, sollte der Arbeitgeber als Vertreter der Personalvorsorgeeinrichtung gelten. Bei betriebsinternen Personalvorsorgeeinrichtungen kann dies sicher angenommen werden; bei den übrigen findet hingegen diese Konstruktion weder im Gesetz noch in den zwischen Arbeitgeber und Personalvorsorgeeinrichtung bestehenden Beziehungen einen Anhaltspunkt. Sie ist infolgedessen als zu allgemein abzulehnen.

b. In bezug auf die Forderungen, die aus einem auf unbestimmte Zeit eingegangenen Arbeitsverhältnis entstehen, kommt folgendes hinzu: In der Lehre besteht keine Einigkeit darüber, ob nur die vertragliche oder auch die gesetzliche Kündigung Verzugsfolgen hat. Nach einigen Autoren hat nur die vertraglich vorgesehene Kündigung Verzugsfolgen (vgl. von Büren, a.a.O., S. 367; Engel, a.a.O., S. 202; Gauch/Schluep/Jäggi, a.a.O., N 1741; Oser/Schönenberger, a.a.O., N 25 ad Art. 102 OR). Nach anderen Autoren spielt für die Frage der Verzugsfolgen keine Rolle, ob die Kündigungsmöglichkeit auf Gesetz oder auf Vertrag beruhe, weil Art. 102 Abs. 2 OR nur die Fälle ausnehmen wolle, in denen der Vertrag keine Kündigung zulasse (so Bucher, a.a.O., S. 317; gleicher Meinung sind Rehbinder, a.a.O., N 24 ad Art. 323 OR, und von Thur/Escher, a.a.O., S. 139 und Anm. 41; vgl. auch Brühwiler, a.a.O., S. 222, und Schweingruber Edwin, Kommentar zum Arbeitsvertrag, Bern 1974, S. 282, nach denen die Verzugsfolgen mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintreten, wenn das Arbeitsverhältnis gehörig gekündigt worden ist, andernfalls erst nach erfolgter Mahnung; für den Lohnanspruch vgl. auch Brühwiler, a.a.O., S. 74, und Streiff, a.a.O., N 3 ad Art. 323 OR).

Es wäre infolgedessen problematisch, wenn eine Wirkung, die schon beim gekündigten Vertrag selbst umstritten ist, auf einen anderen Vertrag ausgedehnt würde.

3. Wie ausgeführt, hätte die Personalvorsorgeeinrichtung bei Anwendung der obligationenrechtlichen Verzugsregelung die Freizügigkeitsleistungen nur dann zu verzinsen, wenn ihr der austretende Arbeitnehmer oder dessen Arbeitgeber mitgeteilt hat, dass das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist oder auf einen bestimmten Zeitpunkt enden wird. Im ersteren Fall wären die Verzugszinsen seit Erhalt der Mitteilung, im letzteren ab Datum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschuldet. Von Gesetzes wegen betrügen die Verzugszinsen 5% (Art. 104 Abs. 1 OR).

Diese Lösung gibt Anlass zu folgenden Bemerkungen:

- In der Praxis wird die Mitteilung an die Personalvorsorgeeinrichtung nur in seltenen Fällen vom austretenden Arbeitnehmer ausgehen; abzustellen wird somit regelmässig auf die Mitteilung sein, die der Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht vornehmen muss (vgl. oben, 2.2.a.). Verletzt der Arbeitgeber diese Pflicht, indem er die Mitteilung schuldhaft unterlässt oder verspätet vornimmt, ist er gegenüber dem Arbeitnehmer schadenersatzpflichtig (vgl. Rehbinder, a.a.O., N 3 ad Art. 328 OR), muss ihm also die auf die Freizügigkeitsleistungen fallenden Zinsen bezahlen.

- In all den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis fristlos aufgelöst wird, kann selbst die rascheste Mitteilung an die Personalvorsorgeeinrichtung - sei es durch den Arbeitnehmer selbst, sei es durch den Arbeitgeber - nicht verhindern, dass der Verzug nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintritt.

- Die Verzugsfolgen werden dann praktisch vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer getragen, obwohl weder der eine noch der andere Schuldner der Leistung ist und einen finanziellen Vorteil aus der verspäteten Auszahlung der Freizügigkeitsleistungen zieht und obwohl sich das Kapital bei der Personalvorsorgeeinrichtung befindet.

4. Diese Lösung entspricht durchaus der Grundidee der obligationenrechtlichen Verzugsregelung, welche bewusst den Schuldner gegenüber dem Gläubiger bevorzugt: Allfällige Zinsen aus der Investition der geschuldeten Gelder kommen für die Zeit zwischen der Fälligkeit der Forderung und der Mahnung allein dem Schuldner zugute, ja er kann selbst nach erfolgter Mahnung einen Gewinn erzielen, wenn diese Zinsen höher sind als die Verzugszinsen bzw. der Verspätungsschaden des Gläubigers.

Beim Vorsorgevertrag vermag jedoch diese Lösung nicht zu befriedigen, weil wir es hier nicht mit einem gewöhnlichen Schuldner, sondern mit einer Vorsorgeeinrichtung zu tun haben, weil hier die Forderung zweckgebunden ist und weil hier gesetzliche Anlagevorschriften des Bundes- und des kantonalen Rechts bestehen.

Die Lösung des Obligationenrechts scheint übrigens auch nicht unbedingt im Interesse der Personalvorsorgeeinrichtungen zu liegen; denn sie müssten im Verzugsfall Verzugszinsen von 5% bezahlen, während auch Investitionen zu einem niedrigeren Zinsfuss den erwähnten Anlagevorschriften genügen (vgl. insbes. Art. 51 BVV 2).

5. Führt die Anwendung der obligationenrechtlichen Verzugsregelung auf die Freizügigkeitsleistungen zu keinen überzeugenden und sachgerechten Ergebnissen, so ist nach einer anderen, befriedigenderen Lösung zu suchen.

Zu diesem Zweck scheint es naheliegend und angebracht, da es sich um eine Frage der beruflichen Vorsorge handelt, die Bestimmungen der BVV 2 analog anzuwenden.

Die entsprechende Lösung befriedigt durchaus in praktischer Hinsicht; denn sie vermeidet, dass die finanziellen Vorteile aus einer nicht sofortigen Überweisung fälliger Freizügigkeitsleistungen ungerecht verteilt werden (vgl. oben 3.), so insbesondere, dass sich die Personalvorsorgeeinrichtung aus der Investition von Geldern bereichert, die ihr nicht mehr zustehen.

In rechtlicher Hinsicht bedarf diese Lösung jedoch einer Erläuterung:

a. Die Bestimmungen des BG vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG, SR 831.40), welche im vor- und im überobligatorischen Bereich anwendbar sind, sind in zwei Katalogen aufgezählt: In demjenigen von Art. 49 Abs. 2 BVG für die registrierten Personalvorsorgeeinrichtungen des Privatrechts (für die öffentlich-rechtlichen Personalvorsorgeeinrichtungen vgl. Riemer, a.a.O., S. 84 ff.) und in demjenigen von Art. 89bis Abs. 6 ZGB für die nicht registrierten Personalvorsorgestiftungen (Riemer, a.a.O., S. 38 ff., bezeichnet die Aufzählung in Art. 49 Abs. 2 BVG als unbefriedigend und nicht ganz erschöpfend).

Da die Anwendbarkeit des BVG die Anwendbarkeit der Verordnungen zum BVG bestimmt (vgl. Riemer, a.a.O., S. 39) und die Bestimmungen des BVG über die Freizügigkeit (Art. 15 f. und 27 ff. BVG) in keinem der beiden Kataloge erscheinen, sind die Bestimmungen der BVV 2 über die Freizügigkeit (Art. 11 ff.) im vor- und im überobligatorischen Bereich grundsätzlich nicht anwendbar.

b. In diesem Zusammenhang ist allerdings hervorzuheben, dass auf den Vorsorgevertrag nach der Lehre sowohl die Bestimmungen des BG vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG, SR 831.10) und des BG vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG, SR 831.20) (vgl. Riemer, a.a.O., S. 102) wie auch diejenigen des BG vom 2. Apri1 1908 über den Versicherungsvertrag (VVG, SR 221.229.1) (vgl. Schneiter, a.a.O., S. 37 f.; Walser, a.a.O., S. 117) analog angewendet werden können, und dies, obwohl die letzten als ungeeignet bezeichnet werden.

Es scheint dann besser der Natur des Vorsorgevertrages zu entsprechen, wenn Probleme, die sich nicht über die Allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts befriedigend lösen lassen, durch analoge Heranziehung der Bestimmungen über die obligatorische berufliche Vorsorge gelöst werden.

c. Die analoge Anwendung der BVV 2 kann im konkreten Fall indirekt auch durch folgende Überlegung begründet werden: Im Sozialversicherungsrecht besteht grundsätzlich keine Pflicht, Verzugszinsen zu bezahlen; abgesehen von wirklichen Ausnahmefällen, sind Verzugszinsen nur dann geschuldet, wenn das Gesetz sie ausdrücklich vorsieht (vgl. Maurer Alfred, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. I, Bern 1979, S. 232 und 305 f.). Für die berufliche Vorsorge liegt nun eine Regelung vor, welche in doppelter Hinsicht Besonderheiten aufweist: Sie stellt nicht auf den Verzug ab, sondern anerkennt einen grundsätzlichen und dauernden Anspruch auf Zinsen, und sie knüpft nicht an den obligationenrechtlichen Verzugszins von 5% an, sondern sieht einen Zins von 4% vor. Diese Tatsache muss auch im vor- und im überobligatorischen Bereich berücksichtigt werden.

6. Zusammenfassend: Die Freizügigkeitsleistungen sind in analoger Anwendung der Art. 11 Abs. 3 Bst. a und 12 BVV 2 vom Zeitpunkt der Fälligkeit bis zur tatsächlichen Überweisung mit 4% zu verzinsen.





Dokumente des BJ

 

 

 

Beginn des Dokuments