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 Bund Verwaltungspraxis der Bundesbehörden

bund/vpb/56-49.html 

VPB 56.49

(Gemeinsame Stellungnahme des Bundesamtes für Justiz und der Direktion für Völkerrecht, Januar 1992)


Regeste Deutsch
Résumé Français
Regesto Italiano
 
   Ausführungen
ZUSTÄNDIGKEIT ZUR ERÖFFNUNG DIPLOMATISCHER MISSIONEN
1 . Einleitende Bemerkungen
2 . Kompetenzverteilung im auswärtigen Bereich
a . Allgemeines
b . Kompetenzen der Bundesversammlung
c . Kompetenzen des Bundesrates
d . Zusammenarbeit zwischen Exekutive und Legislative
e . Schlussfolgerungen
3 . Der Spezialfall von Art. 85 Ziff. 3 BV
a . Allgemeine Bemerkungen[32]
b . Botschaften als ständige Beamtungen
aa . Historische Betrachtungen[41]
bb . Die heutige Situation
c . Konsequenzen
4 . Die Mitsprachemöglichkeit der Bundesversammlung als Gewohnheitsrecht
a . Die Situation bis zum Jahr 1920
b . Zwischenkriegszeit und bis 1945
c . Nachkriegszeit
d . Schlussfolgerungen
5 . Ergebnis
 

Zuständigkeit zur Eröffnung von Botschaften.

Art. 85 Ziff. 3 BV kann heute nicht mehr zur Begründung des Erfordernisses einer parlamentarischen Mitwirkung herangezogen werden.

- Das Parlament hat mit dem Beamtengesetz und der Stellenplafonierung von seiner Befugnis betreffend die Errichtung ständiger Beamtungen umfassend Gebrauch gemacht.

- Im Gegensatz zu früher werden die Posten der diplomatischen Missionschefs seit langem mit Beamten der allgemeinen Bundesverwaltung besetzt, weshalb die Eröffnung einer Botschaft nicht zur Schaffung von Beamtungen führt.

- Mangels Beständigkeit und Rechtsüberzeugung ist die zeitweilige Praxis bezüglich der parlamentarischen Mitwirkung nicht zu Gewohnheitsrecht geworden.

Art. 102 Ziff. 8 BV und das VwOG begründen die Zuständigkeit des Bundesrates.

- Die Eröffnung von Botschaften fällt in den dem Bundesrat übertragenen Aufgabenbereich der Wahrung der völkerrechtlichen Beziehungen der Eidgenossenschaft.

- Organisationsrechtlich betrachtet sind die Botschaften Untereinheiten der Direktion für Verwaltungsangelegenheiten und Aussendienst des EDA, der die Stellung eines Bundesamtes zukommt.


Compétence relative à l'ouverture d'ambassades.

L'art. 85 ch. 3 Cst. ne peut plus servir aujourd'hui à justifier une participation du Parlement.

- En édictant le Statut des fonctionnaires et le plafonnement des effectifs, les Chambres ont fait plein usage de leur compétence relative à la création de fonctions fédérales permanentes.

- Contrairement à l'origine, les postes de chef de mission diplomatique sont depuis longtemps pourvus par des fonctionnaires de l'administration générale de la Confédération, si bien que l'ouverture d'une ambassade ne conduit pas à la création de fonctions.

- Faute de constance et de conviction juridique, la pratique temporaire relative à la participation du Parlement n'a pas établi de coutume.

L'art. 102 ch. 8 Cst. et la LOA fondent la compétence du Conseil fédéral.

- L'ouverture d'ambassades appartient au domaine des relations internationales de la Confédération, auxquelles le Conseil fédéral est chargé de veiller.

- Vues sous l'angle du droit d'organisation, les ambassades sont des sous-unités de la Direction administrative et du service extérieur du DFAE, direction qui a le statut d'office fédéral.


Competenza per l'apertura di ambasciate.

Oggigiorno l'art. 85 n. 3 Cost. non può più servire per motivare la necessità di una partecipazione parlamentare.

- Il Parlamento, con l'ordinamento dei funzionari e il blocco del personale, ha fatto pienamente uso della sua competenza in merito alla creazione di impieghi permanenti.

- Contrariamente a quanto avveniva prima, da parecchio tempo i posti di capi missione diplomatici sono occupati da funzionari dell'Amministrazione generale della Confederazione, per cui l'apertura di un'ambasciata non comporta la creazione di impieghi.

- In mancanza di stabilità e di convincimento giuridico, la prassi temporanea relativa alla partecipazione parlamentare non è divenuta diritto consuetudinario.

L'art. 102 n. 8 Cost. e la LOA motivano la competenza del Consiglio federale.

- L'apertura di ambasciate rientra nell'ambito dei compiti, conferiti al Consiglio federale, di salvaguardia delle relazioni di diritto internazionale pubblico della Confederazione.

- Dal punto di vista del diritto d'organizzazione, le ambasciate sono considerate sottounità della Direzione amministrativa e del servizio esterno del DFAE, la quale ha lo statuto di Ufficio federale.




ZUSTÄNDIGKEIT ZUR ERÖFFNUNG DIPLOMATISCHER MISSIONEN

1. Einleitende Bemerkungen

Die Entstehung zahlreicher neuer Staaten in Mittel- und Osteuropa stellt den Bundesrat vor die Notwendigkeit, sein diplomatisches Vertretungsnetz zu ergänzen. Nach sorgfältigen Abklärungen ergibt sich in der nächsten Zeit ein Bedarf für mehrere neue Botschaften und konsularische Posten.

Die Errichtung dieser Botschaften ist nicht durch das Ermächtigungsgesetz vom 9. März 1967[1] abgedeckt, das dem Bundesrat die Befugnis gibt, in Staaten, welche die Unabhängigkeit bis zum Inkrafttreten des Gesetzes oder sie bis Ende 1970 erlangen würden, diplomatische Vertretungen zu errichten. Es stellt sich deshalb erneut die Grundsatzfrage, welche Kompetenzen dem Parlament kraft Verfassung bei der Errichtung einer diplomatischen Vertretung zukommen. Verfügt es in solchen Fällen über seine Budgetkompetenz hinaus über ein Mitwirkungsrecht und ist damit für die Errichtung der Botschaften, wie etwa im Falle der Vertretungen der Schweiz in Bangla Desh, Angola, Mozambique, Zimbabwe und den Vereinigten Arabischen Ermiraten[2], ein Bundesgesetz erforderlich? Ein solches Erfordernis wurde in jüngerer Zeit gestützt auf Art. 85 Ziff. 3 BV bejaht. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten wirft diese Haltung jedoch einige Fragen auf. Es scheint deshalb angebracht, im Rahmen des vorliegenden Gutachtens grundsätzlich zu prüfen, welche Rechte dem Parlament bei der Eröffnung neuer diplomatischer Vertretungen zukommen. Besonders eingehend muss in diesem Zusammenhang die Tragweite von Art. 85 Ziff. 3 BV für den auswärtigen Bereich näher ausgeleuchtet werden.

2. Kompetenzverteilung im auswärtigen Bereich

a. Allgemeines

Die Gesamtheit der Beziehungen eines Staates nach aussen wird als auswärtige Angelegenheiten bezeichnet[3]. Diese lassen sich in drei Gruppen[4] aufgliedern: in Entscheidungen über Krieg und Frieden, die Abwicklung des völkerrechtlichen Verkehrs mit andern Staaten und schliesslich in die völkerrechtlichen Vertragsbeziehungen mit fremden Staaten.

Die Führung der auswärtigen Angelegenheiten obliegt in der schweizerischen Eidgenossenschaft kraft stillschweigender Verfassungskompetenz dem Bund[5]. Damit ist jedoch noch nichts über die konkrete Aufteilung dieser Verbandskompetenz im Rahmen des Gewaltengefüges gesagt.

b. Kompetenzen der Bundesversammlung

Die Bundesversammlung hat eine Reihe von Kompetenzen, welche sich auf die auswärtigen Beziehungen auswirken können; sie sind in Art. 85 BV aufgezählt[6]. Nebst der allgemeinen Gesetzgebungskompetenz[7] sind dies vor allem die folgenden Befugnisse:

- die Genehmigung von Staatsverträgen vorbehältlich des in Art. 89 Abs. 3-5 BV geregelten Staatsvertragsreferendums[8];

- Massnahmen zur Wahrung der äussern Sicherheit[9];

- die Budgethoheit[10];

- die Oberaufsicht über Verwaltung und Rechtspflege[11];

- die Errichtung bleibender Beamtungen und die Bestimmung ihrer Gehalte[12].

Einzelne Befugnisse stehen dem Parlament abschliessend zu, während in andern Domänen eine Zusammenarbeit mit dem Bundesrat verfassungsrechtlich vorgesehen ist[13]. Generell lässt sich jedoch sagen, dass - abgesehen von den Massnahmen für die Wahrung der äussern Sicherheit und der Errichtung bleibender Beamtungen - die Kompetenzen der Bundesversammlung im Vergleich mit denjenigen des Bundesrates[14] im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten eher allgemeiner Natur sind. Einzelne Befugnisse gehen allerdings weiter. Mit der Genehmigung der Staatsverträge etwa kann das Parlament die Regierung genau kontrollieren und kraft seiner Budgethoheit hat es das Recht, auch über die Ausgaben in auswärtigen Angelegenheiten verbindliche Beschlüsse zu fassen.

Diese insgesamt eher unverbindliche Ausgestaltung der parlamentarischen Kompetenzen hat immer wieder den Ruf nach vermehrten Einflussmöglichkeiten der Bundesversammlung auf den Gang der auswärtigen Angelegenheiten laut werden lassen[15]. Gerade in der heutigen Zeit wird das Parlament aufgefordert, seine Führungsverantwortung auch in der Aussenpolitik wahrzunehmen und deren wesentliche Grundzüge zu gestalten oder zumindest mitzuprägen. Lehre[16] und Parlament selber[17] sind der Ansicht, «Bundesrat und Bundesversammlung [seien] zu einer ständigen Kooperation und Koordination verpflichtet»[18]. Dabei wird aber auch betont, das Parlament habe sich nicht in das Tagesgeschäft einzumischen[19].

c. Kompetenzen des Bundesrates

Der Bundesrat vertritt völkerrechtlich gesehen die Schweiz nach aussen[20]. Ihm obliegt die eigentliche Führung der Aussenpolitik[21]. Nach Art. 102 Ziff. 8 BV wahrt er «die Interessen der Eidgenossenschaft nach aussen, wie namentlich ihre völkerrechtlichen Beziehungen, und besorgt die auswärtigen Angelegenheiten». Er wacht zudem «für die äussere Sicherheit, für die Behauptung der Unabhängigkeit und Neutralität der Schweiz» (Art. 102 Ziff. 9 BV). Diese Befugnisse räumen der Regierung einen ausgesprochen weiten Handlungsspielraum ein. Der gesamte völkerrechtliche Verkehr[22] wird zum Beispiel ohne direkte Einflussmöglichkeiten des Parlaments durch den Bundesrat abgewickelt. Es kommt ihm in diesem Bereich «als Kollegialorgan … die Rolle des Staatsoberhauptes zu. Nur er kann gegenüber ausländischen Staaten rechtsverbindliche Erklärungen abgeben»[23]. Aber auch die Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss völkerrechtlicher Verträge liegt in seiner Kompetenz.

d. Zusammenarbeit zwischen Exekutive und Legislative

Es wird in der Literatur besonders hervorgehoben, dass nach der schweizerischen Konzeption die auswärtigen Angelegenheiten nicht ausschliessliche Domäne der Regierung seien[24], sondern die Bundesverfassung eine Zusammenarbeit mit dem Parlament vorsehe[25]. Die grossen Linien der schweizerischen Aussenpolitik sollen vom Bundesrat und der Bundesversammlung gemeinsam gestaltet werden. Diese Forderung ergibt sich nicht zuletzt aus der Notwendigkeit, «die Aussenpolitik als Teil der gesamten Staatspolitik»[26] in diese zu integrieren.

Trotzdem war die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament im Rahmen der auswärtigen Angelegenheiten nicht immer frei von Spannungen. Unterschiedliche Ansichten über Zuständigkeitsabgrenzungen lassen sich bereits um die Jahrhundertwende nachweisen[27]. Die Diskussion um das Legalitätsprinzip führte dann zur Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage auch für das Handeln im Bereich der Aussenbeziehungen[28]. Heute scheint an die Stelle eines latenten Misstrauens zwischen Parlament und Bundesrat der Dialog getreten zu sein[29]. Dies schliesst eine stärkere Mitwirkung des Parlaments im Bereich der Aussenpolitik nicht aus[30].

e. Schlussfolgerungen

Wie die bisherigen Ausführungen zeigen, haben im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten Regierung und Parlament zusammenzuwirken. Im Rahmen der bestehenden verfassungsrechtlichen Ordnung bestehen durchaus Mitgestaltungsmöglichkeiten für das Parlament. Sie orientieren sich jedoch am Grundsatz, wonach das Parlament hauptsächlich bei der Erarbeitung der grossen Linien, bei der Festlegung der Leitplanken mitwirkt, die eigentliche Ausgestaltung innerhalb des vorgegebenen Rahmens jedoch dem Bundesrat überlässt. Welches diese grossen Linien sind, das heisst die Frage nach der Grösse des dem Bundesrat überlassenen Spielraums, beantwortet die Bundesverfassung nicht klar und eindeutig. Es bleibt diesbezüglich ein wesentliches gesetzgeberisches Ermessen.

Diese Interpretation der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung im Bereich der Aussenpolitik lässt sich durchaus mit den Forderungen des Parlaments vereinbaren, auch in auswärtigen Angelegenheiten vermehrt mitgestalten zu können. Seiner Funktion im Staatsgefüge entsprechend, soll das Parlament hier genau so wie in anderen Bereichen die grundlegenden Entscheide treffen, die Richtung staatlichen Handelns weisen. Mit der Ausführung und Konkretisierung dieser Vorgaben hat jedoch die Bundesverfassung über weite Strecken den Bundesrat beauftragt.

Aufgrund der Verfassungslage im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten drängt sich eine Mitwirkung des Parlaments bei der Eröffnung von Botschaften nicht auf, sie ist aber auch nicht verboten. Botschaftseröffnungen gehören nicht notwendigerweise zur Bestimmung der grossen Linien der Aussenpolitik. Die Errichtung einer neuen Botschaft ist sicher nicht von grösserer politischer Tragweite als die Anerkennung eines Staates, ein Recht, das nach der geltenden verfassungsrechtlichen Ordnung dem Bundesrat zukommt[31]. Mit der Anerkennung ergibt sich die Möglichkeit, diplomatische Beziehungen aufzunehmen, was unter anderem durch die Eröffnung einer Botschaft geschehen kann. Falls demnach eine parlamentarische Mitwirkung nach obigen Grundsätzen erfolgen soll, so müsste diese eigentlich sinnvollerweise bereits bei der Anerkennung von Staaten erfolgen. In beiden Fällen handelt es sich klarerweise um Aufgaben, die zur Pflege der völkerrechtlichen Beziehungen gehören, eine Domäne, die nach Art. 102 Ziff. 8 BV dem Bundesrat zugewiesen wurde. Einziger Unterschied und - wie noch zu zeigen sein wird - vermutlich ausschlaggebender Grund für die heutige Kompetenzverteilung bei der Errichtung von Botschaften, dürften finanzielle Erwägungen sein. Die Anerkennung von Staaten ist im Gegensatz zur Errichtung von Botschaften mit keinen direkten Folgekosten verbunden.

3. Der Spezialfall von Art. 85 Ziff. 3 BV

a. Allgemeine Bemerkungen[32]

Es wurde bereits dargestellt, dass sich eine Mitwirkung des Parlaments bei der Eröffnung neuer Botschaften nicht zwingend aus der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten ergibt. In diesem Kapitel gilt es nun zu untersuchen, ob allenfalls Art. 85 Ziff. 3 BV eine solche Mitwirkung erfordert. Gemäss Art. 85 Ziff. 3 BV fallen die Besoldung und Entschädigung der Mitglieder der Bundesbehörden und der Bundeskanzlei und die Errichtung bleibender Beamtungen und Bestimmung ihrer Gehalte in den Geschäftskreis der beiden Räte. Diese Bestimmung fand sich bereits 1848 in der Verfassung. Mit der Aufnahme der allgemeinen Gesetzgebungskompetenz (Art. 85 Ziff. 2 BV) im Jahre 1874 ergaben sich Abgrenzungsprobleme zwischen den beiden Bestimmungen[33], und es «bleibt der Eindruck bestehen, die logischen Folgen der Einführung der neuen Ziff. 2 seien 1874 nicht ausreichend geprüft worden»[34].

Trotz dieser Unstimmigkeiten ist man sich in der Doktrin weitgehend einig, dass Art. 85 Ziff. 3 BV nach wie vor eine gewisse - wenn auch beschränkte - Bedeutung besitzt[35]. Dies gilt sowohl für die Festsetzung der Besoldung und Entschädigung wie auch für die Errichtung von bleibenden Beamtungen. Es wird nämlich damit zum Ausdruck gebracht, dass die Bundesversammlung diese politisch oft heikle Materie regeln muss und sie nicht andern Behörden überlassen darf. Indem die Errichtung bleibender Beamtungen - an sich eher eine Vollzugsaufgabe - gemäss Ziff. 3 dem Parlament übertragen wurde, erhielt diese Kompetenz einen Gehalt, der über die allgemeine Gesetzgebungskompetenz hinausgeht. «Ihre Daseinsberechtigung beruht wahrscheinlich auf finanziellen Erwägungen: Weder 1848 noch 1874 wollte man den Bundesrat frei über die Zahl der Beamten entscheiden lassen»[36].

Immerhin gibt es auch abweichende Meinungen, die in bezug auf die Errichtung bleibender Beamtungen feststellen: «Die Bestimmung bedeutet aber nicht, dass jede neue bleibende Beamtung durch einen besonderen Beschluss der Bundesversammlung bewilligt werden muss; die Bundesversammlung darf hier so gut wie anderwärts ihr Beschliessungsrecht dem Bundesrat delegieren und den Bundesrat ermächtigen, zur Besorgung gewisser Geschäfte die «erforderliche» Zahl von Beamten anzustellen oder einfach die nötigen Ausführungsorgane zu berufen. Zahlreiche Bundesgesetze sind auch so verfahren, (…) eine formelle Schranke dieser Delegationsbefugnisse gibt es hier sowenig wie bei der Gesetzgebung»[37].

Die Frage, ob die Bundesversammlung auf diesem Gebiet selber zur Regelung verpflichtet sei oder ob sie auch in diesem Bereich ihre Befugnisse delegieren dürfe, kann offen bleiben. Die Vorstellung, mit Art. 85 Ziff. 3 BV der Ausbreitung des Beamtenwesens aus finanziellen Überlegungen einen Rahmen setzen zu können, war ohnehin bereits bei der Gründung des Bundesstaates illusorisch und erwies sich am Anfang des 20. Jahrhunderts vollends als nicht mehr durchführbar[38]. Es zeigte sich, dass das Parlament seine beschränkten Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Personalpolitik erkannte und seine Kontrollrechte auf andere Weise auszuüben begann.

Mit dem Erlass des Beamtengesetzes im Jahre 1927[39] delegierte es - unter Vorbehalt der Budgetkompetenzen - seine Zuständigkeit zur Ernennung von Beamten an den Bundesrat. Bis in die 70er Jahre übte es seine ihm von der Verfassung zugedachte Aufgabe nicht mehr aus. Erst mit der Stellenplafonierung[40] nahm das Parlament seine sich aus Art. 85 Ziff. 3 BV ergebenden Befugnisse - nämlich die Kontrolle über die Ausdehnung des Beamtenwesens - in generell-abstrakter Form wiederum wahr. Man kann damit davon ausgehen, dass mit dem Beamtengesetz und der Stellenplafonierung das Parlament von seiner Befugnis gemäss Art. 85 Ziff. 3 BV umfassend Gebrauch gemacht hat.

b. Botschaften als ständige Beamtungen

aa. Historische Betrachtungen[41]

Die schweizerischen Gesandtschaften in Paris und Wien wurden von der Tagsatzung zu Beginn des 19. Jahrhunderts eingerichtet. Nach der Gründung des Bundesstaates erfolgte sukzessive ein Ausbau des Vertretungsnetzes. Dies geschah hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Unabhängigkeit des Landes. Die Botschafter wurden vorerst an die Königshöfe der umliegenden Staaten geschickt und waren meist selbst patrizischer Abstammung. Dies mag auch die kritische Haltung weiter Teile des Volkes und des Parlaments gegenüber den schweizerischen Gesandtschaften erklären. «Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse, gepaart mit einem demokratischen Ressentiment gegen das entsprechend der monarchischen Verfassung fast aller Staaten mit stark aristokratischen Gepflogenheiten durchsetzte Gesandtschaftswesen gaben bei dieser und bei anderen Gelegenheiten immer wieder Stoff für neue, auch im Parlament geführte Angriffe auf unsere diplomatische Vertretung»[42].

Die Bundesversammlung verlangte denn auch immer wieder die Schaffung eines Bundesgesetzes über die Vertretungen der Schweiz im Ausland. 1893 kam der Bundesrat diesen Forderungen nach und schlug den Räten einen referendumspflichtigen Bundesbeschluss vor, nach dem die Zuständigkeit zur Errichtung von Gesandtschaften beim Bundesrat gelegen hätte. In beiden Räten stiess diese Konzeption auf Widerstände, da nach Ansicht der Parlamentarier die Bundesversammlung gemäss Art. 85 Ziff. 3 BV zur Schaffung der diplomatischen Vertretungen zuständig sei. In Abänderung des bundesrätlichen Entwurfs wurde ein Bundesgesetz ins Auge gefasst, mit dem die Kompetenz zur Errichtung und Aufhebung ständiger diplomatischer Vertretungen dem Parlament hätte zugewiesen werden sollen. Dieses sollte auf dem Budgetweg über die Errichtung neuer diplomatischer Vertretungen entscheiden. Nachdem gegen die Vorlage erfolgreich das Referendum ergriffen worden war, scheiterte sie in der Volksabstimmung relativ deutlich.

bb. Die heutige Situation

Wie bereits dargestellt, hat Art. 85 Ziff. 3 BV weitgehend seine eigenständige Bedeutung eingebüsst. Unklar ist jedoch, ob sich im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten nach wie vor ein Anwendungsgebiet für die Bestimmung findet. So könnte man die Ansicht vertreten, das Parlament habe sich die Eröffnung von Botschaften und der damit verbundenen notwendigen Entsendung von Botschaftern und anderweitigem Personal bewusst vorbehalten. Eine derartige Argumentation ist rechtlich nicht zwingend, weil bei der Errichtung neuer Botschaften nicht notwendigerweise auch neues Personal benötigt wird. Botschafterposten werden anders als früher mit Beamten des EDA besetzt.

Organisationsrechtlich betrachtet sind die Botschaften Untereinheiten der Direktion für Verwaltungsangelegenheiten und Aussendienst, der die Stellung eines Bundesamtes zukommt[43]. Wenn das EDA die Botschafterstellen durch eine Umverteilung seines Personals besetzt, handelt es sich demnach im Prinzip um eine verwaltungsinterne Angelegenheit. Falls neue Etat-Stellen erforderlich sein sollten, wären diese auf dem üblichen Weg dem Parlament zu beantragen. Im übrigen kommen bei der Einrichtung einer Vertretung nicht nur Personalaufwendungen zum Tragen, sondern zu einem erheblichen Teil auch Sachaufwendungen, sei es für die Beschaffung der Räumlichkeiten oder die eigentliche Einrichtung mit Mobiliar und dergleichen.

c. Konsequenzen

Mit dem Erlass des Beamtengesetzes und der vom Parlament vorgenommenen Stellenplafonierung ist aus heutiger Sicht Art. 85 Ziff. 3 BV in folgendem Sinne zu interpretieren: die Errichtung neuer diplomatischer Vertretungen ist wie die Errichtung anderer Beamtenstellen eine Verwaltungsangelegenheit, die - unter Vorbehalt der Budgetkompetenzen des Parlaments - Sache des Bundesrates ist. Diese Auslegung erscheint sachgerecht und zweckmässig.

4. Die Mitsprachemöglichkeit der Bundesversammlung als Gewohnheitsrecht

In diesem Kapitel soll untersucht werden, ob die Mitwirkungsmöglichkeiten des Parlaments zu verfassungsmässigem Gewohnheitsrecht geworden sind. Dies müsste angenommen werden, falls sich zeigen sollte, dass sich in den letzten Jahrzehnten eine überzeugende und kohärente Praxis entwickelt hat.

a. Die Situation bis zum Jahr 1920

Vor 1920 war es üblich, dass der Bundesrat allein über die Eröffnung neuer Gesandtschaften entschied[44]. Wenn das Parlament 1920 erstmals gestützt auf Art. 85 Ziff. 3 BV ein Mitspracherecht beanspruchte, so geschah dies in einer ausserordentlichen Situation: Nach dem ersten Weltkrieg, der staatlichen Neuordnung in Mitteleuropa und dem Entstehen des Völkerbundes hatte sich für die schweizerische Diplomatie die Notwendigkeit ergeben, ihr bis dahin sehr kleines Vertretungsnetz[45] stark auszubauen, was mit einer wesentlichen Erhöhung des Personalbestandes verbunden war. Zu den 14 bestehenden diplomatischen Vertretungen sollten vier neue hinzukommen, zwei weitere, bisher unselbständige, sollten in selbständige umgewandelt werden[46]. Das parlamentarische Insistieren auf seinen Mitsprachemöglichkeiten lässt sich insbesondere verstehen, wenn berücksichtigt wird, dass unmittelbar nach dem Vollmachtenregime in Volk und Parlament grosse Empfindlichkeiten gegen ein eigenmächtiges Handeln des Bundesrates bestand[47].

Im Jahre 1919 machte der Bundesrat in seinem Bericht an die Bundesversammlung betreffend die Errichtung neuer schweizerischer Gesandtschaften im Auslande[48] einen Unterschied zwischen dem aussenpolitischen Entscheid über die Eröffnung einer Botschaft und dem finanziellen Entscheid über die dazu nötigen personellen und finanziellen Mittel. Er schrieb dazu, der von ihm gefasste Beschluss zur Errichtung der fraglichen Gesandtschaften sei «bereits im vergangenen Monat September veröffentlicht» worden und er lege ihn «nunmehr den Räten zur Gutheissung vor …, mit dem Ersuchen, die zu seiner Vollstreckung erforderlichen Kredite gewähren zu wollen»[49]. Er ersuchte mit andern Worten die Räte im Grunde genommen nicht um eine Ermächtigung zur Eröffnung der Gesandtschaften, sondern nur um die Sprechung der erforderlichen Kredite; er verlangte einen Nachkredit. Die eidgenössischen Räte kleideten den Kreditbeschluss dann allerdings in die Form einer Ermächtigung zur Errichtung der fraglichen Gesandtschaften, wobei nur ein Teil der anbegehrten Botschaften bewilligt wurde[50]. Eine genaue rechtliche Einordnung dieses Kreditbeschlusses ist angesichts der bundesrätlichen Botschaft und dem ungewöhnlichen Vorgehen des Parlaments nicht möglich.

b. Zwischenkriegszeit und bis 1945

In dieser Zeitspanne können den verschiedenen Botschaften ans Parlament über die Eröffnung neuer Gesandtschaften keine Hinweise entnommen werden, die die Rechtslage eindeutig klarstellen würden. Es bleibt offen, ob die Ersuchen um Ermächtigung eher freundliches Entgegenkommen signalisieren oder als Rechtspflicht zu interpretieren sind. So schreibt etwa der Bundesrat in seiner Botschaft vom 29. Januar 1925 betreffend die Umwandlung der Generalkonsulate in Athen und Belgrad in Gesandtschaften: «entsprechend dem Wunsche der eidgenössischen Räte, es möchte über die Schaffung neuer Gesandtschaften kein Entscheid getroffen werden, ohne dass sie in der Sache begrüsst worden wären», habe er «nicht von sich aus die oben angedeuteten Vorkehren anordnen [wollen], obwohl diese … [keine] höheren Aufwendungen erheischten, als die bestehenden Berufskonsulate…»[51]

Die folgenden Botschaften in Sachen Eröffnung diplomatischer Missionen von 1927[52], 1928[53], 1934[54], 1938[55] und 1939[56] liessen die Rechtslage im Grunde genommen ebenfalls offen. In den beiden letzteren nahm der Bundesrat erneut Bezug auf einen «Wunsch der Bundesversammlung…, vor jedem Beschlusse über Schaffung neuer Gesandtschaften befragt zu werden»[57], dem er «nach Möglichkeit Rechnung tragen [wolle]»[58]. Die letztgenannte Einschränkung in der Botschaft von 1939 über die Umwandlung der Generalkonsulate in Caracas und Dublin in Gesandtschaften ist gar als ausdrückliche Abstreitung einer Rechtspflicht seitens des Bundesrates auszulegen.

Diese Deutung wird nicht zuletzt durch den Umstand gestützt, dass der Bundesrat bei der Errichtung von Gesandtschaften in Teheran (1936), Budapest (1938/1946), Sofia (1937/1945), Shanghai (1932/1945), Oslo (1945) und Kopenhagen (1945) ohne die Ermächtigung durch das Parlament handelte[59]. In all diesen Fällen ging es um die Umwandlung eines Konsulats oder Generalkonsulats in eine Gesandtschaft. Während der Bundesrat in den beiden ersten Fällen ohne jegliche Konsultation der Räte entschied, legte er bei den Umwandlungen der Konsulate von Shanghai, Oslo und Kopenhagen in seiner Botschaft vom 7. September 1945[60] dem Parlament zumindest seine Massnahmen und seine Sicht der Rechtslage dar. Aus dieser Botschaft geht hervor, dass der Generalkonsul in Shanghai bereits 1932 den diplomatischen Titel eines Geschäftsträgers in China erhalten und diesen während des ganzen Krieges behalten hatte; die von ihm geleitete Vertretung sei dagegen ein Generalkonsulat geblieben[61]. Obwohl der Bundesrat ankündigte, dieses in eine von einem Minister geleitete Gesandtschaft umzuwandeln[62], verzichtete das Parlament auf einen Protest oder eine ausdrückliche Ermächtigung dazu. Bezüglich der Vertretungen in Norwegen und Dänemark äusserte der Bundesrat die Ansicht, die Umwandlung der Generalkonsulate in eigenständige Gesandtschaften bedürfe nicht der Ermächtigung durch das Parlament, da es sich bereits in einem früheren Erlass zur Akkreditierung des schweizerischen Geschäftsträgers in Stockholm bei diesen beiden anderen skandinavischen Regierungen habe äussern können[63]. Das Parlament scheint dieser Interpretation zugestimmt zu haben, da es ohne Widerspruch von der fraglichen Botschaft Kenntnis nahm.

c. Nachkriegszeit

Auf Art. 85 Ziff. 3 BV wurde 1920 weder in der bundesrätlichen Botschaft noch im Beschluss der Räte Bezug genommen[64]. Ein solcher Bezug erscheint erstmals 44 Jahre später in der bundesrätlichen Botschaft vom 27. November 1964[65], wobei die Abstützung auf Art. 85 Ziff. 3 BV in keiner Weise näher begründet wurde, und im darauf basierenden Bundesgesetz vom 25. Juni 1965[66] ebenso in vier späteren Bundesgesetzen[67], die den Bundesrat zur Eröffnung diplomatischer Vertretungen ermächtigten. Zumindest für die Zwischenkriegszeit kann von einem grundsätzlichen Beharren des Bundesrates auf seiner Kompetenz zur Eröffnung von Botschaften gesprochen werden. Die Konsultation der Räte war aus der Sicht des Bundesrates lediglich ein freiwilliges Eingehen auf einen Wunsch der Bundesversammlung. Im Grunde wurde die «Praxis» vom Bundesrat auch nach dem 2. Weltkrieg nicht als sinnvoll und die Rechtslage als ungeklärt erachtet. Dies lässt sich auch aus der Botschaft vom 7. Dezember 1959 herauslesen, in der er schreibt: «Unser Land wird jedoch in dieser Beziehung (Aufnahme diplomatischer Beziehungen) durch eine Schwierigkeit behindert, die, wie wir glauben, einzig dasteht. Währenddem nahezu in allen Staaten die Exekutivgewalt zuständig ist, die Schaffung diplomatischer Missionen im Ausland zu beschliessen, braucht es in der Schweiz (…) einen Beschluss der Eidgenössischen Räte, welcher dem fakultativen Referendum unterworfen ist. Ohne hier auf das juristische Problem eintreten zu wollen, muss man feststellen, dass dieses Vorgehen langwierig ist und der auf diesem Gebiete wünschbaren Elastizität entbehrt[68].» Wie bereits dargestellt, war im übrigen auch die Praxis bei näherer Betrachtung zumindest vor 1965 nicht einheitlich und konstant.

Erst 1964 scheint sich somit explizit die Überzeugung etabliert zu haben, der Bundesrat handle bei der Konsultation der Räte vor der Eröffnung neuer diplomatischer Missionen in Ausübung einer Rechtspflicht. Der Schluss liegt nahe, dass diese Überzeugung auf einer Interpretation der Praxis zwischen 1920 und 1938 beruhte, welche durch den Krieg einen fast zehnjährigen Unterbruch erfahren hatte, sodass die ihr zugrundeliegenden Überlegungen in Vergessenheit geraten zu sein schienen. Diese Vermutung wird durch den Umstand gestützt, dass in den einschlägigen bundesrätlichen Berichten und Botschaften dem allmählichen Heranreifen einer neuen Rechtsüberzeugung keine verfassungsrechtlichen Überlegungen oder Diskussionen zugrunde lagen; vielmehr scheint der Bundesrat in der Auffassung gehandelt zu haben, lediglich die alte Praxis fortzuführen.

Bundesrat und Parlament erkannten die Unzweckmässigkeit des Vorgehens, welches wegen des zeitlichen Aufwandes die Gefahr in sich barg, die aussenpolitische Handlungsfähigkeit des Landes und damit dessen internationale Interessen zu gefährden[69]. Mit mehreren Ermächtigungsgesetzen wurde deshalb dem Bundesrat die Kompetenz erteilt, in einer ganzen Gruppe von Staaten nach Gutdünken Botschaften zu eröffnen. Das Parlament ging sogar soweit, den Bundesrat 1960, 1961 und 1967 in generell abstrakter Form zu ermächtigen, in Staaten diplomatische Vertretungen zu errichten, die bis zum Ende der Jahre 1960, 1963 respektive 1970 ihre Unabhängigkeit erlangen würden[70], womit die finanzielle Tragweite des Beschlusses endgültig nicht mehr absehbar sein konnte und seine Abstützung auf Art. 85 Ziff. 3 BV vollends fragwürdig wurde.

Die Ermächtigungsgesetze laufen im Ergebnis darauf hinaus, dass der Bundesrat in der überwältigenden Mehrheit der Staaten ohne vorgängige Begrüssung der Räte Botschaften eröffnen kann. Seit 1967 musste er in dieser Angelegenheit nur noch punktuell an die Räte gelangen (so in den Fällen der Botschaftseröffnungen in Bangla Desh, Mozambique, Angola, Zimbabwe und den Vereinigten Arabischen Emiraten) während er etwa über die finanziell und politisch weit gewichtigere Eröffnung einer Botschaft in der einstigen DDR aufgrund der generellen Ermächtigung durch die Räte in eigener Kompetenz entschied.

d. Schlussfolgerungen

Die Grundsatzfrage, wie Art. 85 Ziff. 3 BV richtig auszulegen ist, wurde mit pragmatischen Zwischenlösungen umgangen. Der Bundesrat sagt dies in seiner Botschaft vom 7. Dezember 1959 ausdrücklich, indem er «ohne hier auf das juristische Problem eintreten zu wollen» die Praxis als unzweckmässig darstellte und um eine «grundsätzliche Ermächtigung» durch die Räte nachsucht[71].

Eine echte Mitwirkungsmöglichkeit des Parlaments fand höchstens in der Zeit von 1948 bis 1964 statt. Vorgängig wurde das Parlament nur mehr oder weniger informiert und nach 1964 gab es seine Mitwirkungsmöglichkeiten durch sehr weitgehende Delegationen in Ermächtigungsgesetzen ohnehin preis. Ob unter diesen Umständen von einem gewohnheitsrechtlichen Mitwirkungsrecht gesprochen werden kann, erscheint sehr fraglich, da sich eine fundierte und einheitliche Rechtsüberzeugung nicht hat herausbilden können.

5. Ergebnis

Art. 85 Ziff. 3 BV kommt heute nicht mehr dieselbe Bedeutung zu, wie zur Zeit der Gründung des Bundesstaates. Durch den Erlass des Beamtengesetzes und die parlamentarischen Massnahmen zur Stellenplafonierung wie auch durch die Budgetkompetenz hat das Parlament seine aus dieser Verfassungsbestimmung fliessenden Befugnisse zur Kontrolle des Bestandes der Verwaltung in effizienter und umfassender Weise wahrgenommen. Art. 85 Ziff. 3 BV verlangt demnach keine Mitwirkung des Parlaments bei der Eröffnung neuer Botschaften.

Es hat sich keine gewohnheitsrechtliche Praxis entwickelt, gemäss welcher die Bundesversammlung bei der Eröffnung neuer Botschaften direkt mitzuwirken hat. Die Praxis war in dieser Hinsicht zu wenig eindeutig und beruhte auf keiner gründlichen Abklärung der Rechtslage.

Aufgrund der Bundesverfassung liegt es soweit nahe, dass der Bundesrat grundsätzlich zuständig ist, in eigener Kompetenz über die Eröffnung neuer diplomatischer Missionen zu entscheiden. Die Bundesversammlung hat die Möglichkeit, sich zu den grossen Linien und der allgemeinen Ausrichtung des Netzes unserer diplomatischen Vertretungen auszusprechen. Ferner können die Räte im Rahmen des Budgetbeschlusses, konkret zu den finanziellen und personellen Konsequenzen einer Botschaftseröffnung Stellung nehmen.

Dieses rechtliche Ergebnis entspricht auch den Anforderungen an eine moderne und effiziente Aussenpolitik in einer im starkem Wandel befindlichen Welt; es erlaubt dem Bundesrat, rasch und flexibel auf die bedeutenden Entwicklungen in der Staatenwelt zu reagieren und allfällige Möglichkeiten, für unser Land dadurch besonderen Goodwill zu schaffen, optimal auszunützen. Schliesslich entspricht die dargestellte Lösung im Resultat weitgehend der Praxis, wie sie aufgrund der verschiedenen Ermächtigungsgesetze seit 1960 für die Eröffnung der grossen Mehrheit der neuen diplomatischen Missionen galt.


[1] SR 172.211.231.
[2] SR 172.211.232-234.
[3] Vgl. Borer Thomas G., Das Legalitätsprinzip und die auswärtigen Angelegenheiten, Diss. Basel 1986, S. 395, mit weiteren Literaturhinweisen.
[4] Borer (Anm. 3), S. 396.
[5] Vgl. hierzu Moeri Jacqueline Beatrice, Die Kompetenzen der schweizerischen Bundesversammlung in den auswärtigen Angelegenheiten, Diss. St. Gallen 1990, S. 17, und Borer (Anm. 3), S. 378 f. Beide jeweils mit weiterführenden Literaturhinweisen.
[6] Zu den Kompetenzen der Bundesversammlung vgl. die ausführliche Darstellung in der Dissertation von Moeri (Anm. 5).
[7] Art. 85 Ziff. 1 BV.
[13] Vgl. Häfelin Ulrich / Haller Walter, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 2. Aufl., Zürich 1984, Rz. 724 ff. und 838 ff.
[14] Vgl. Bst. c hiernach.
[15] Vgl. etwa die Darstellung bei Diez Emanuel, Die Kommission für auswärtige Angelegenheiten als Bindeglied zwischen Bundesrat und Bundesversammlung, in: Festschrift für Walther Hofer, Bern 1980, S. 433 und 434 f. Er kommt zum Schluss, dass in den auswärtigen Angelegenheiten erst mit «der Wende von 1945» ein Vertrauensverhältnis und echter Dialog zwischen Regierung und Parlament entstanden sei.
[16] So etwa Aubert Jean-François, Traité de droit constitutionnel suisse, Neuenburg 1967, Bd. II, N. 1317 ff.
[17] Bericht der Kommission zur Parlamentarischen Initiative «Parlamentsreform», BBl 1991 III 648 ff.
[18] BBl 1991 III 648.
[19] In diesem Sinne hält etwa Diez (Anm. 15), S. 434 fest: Regierung und Parlament müssten die grossen Linien des Aussenpolitik gemeinsam gestalten, während eine Einflussnahme auf konkrete Geschäfte abzulehnen sei, wobei selbstverständlich das der Bundesversammlung zukommende Aufsichtsrecht vorbehalten bleibe.
[20] Vgl. Diez (Anm. 15), S. 433 f. Nach den völkerrechtlichen Regeln repräsentieren und verpflichten die Staatsoberhäupter den Staat nach aussen.
[21] Vgl. Diez (Anm. 15), S. 433 f.
[22] Vgl. den kurzen Überblick bei Wildhaber Luzius, Legalitätsprinzip und Aussenpolitik - eine Problemskizze, in: Einblick in die schweizerische Aussenpolitik, Festschrift für Staatssekretär Raymond Probst, Zürich 1984, S. 443 ff. (448).
[23] Schindler Dietrich, Kommentar BV zu Art. 102 Ziff. 8, Rz. 100.
[24] Vgl. Wildhaber (Anm. 22), S. 447 f.
[25] Nach Wildhaber Luzius, Kompetenzenverteilung innerhalb der Bundesorgane, in: Handbuch der schweizerischen Aussenpolitik, Bern / Stuttgart 1975, S. 254, ist es ein Anliegen der Bundesverfassung, «im Bereich der Aussenpolitik konkurrierende, sich überlagernde Zuständigkeiten zu schaffen und Regierung und Parlament zu einer ständigen Kooperation und Koordination hinzuführen…».
[26] Diez (Anm. 15), S. 434.
[27] Hierzu etwa Vollenweider Jürg, Die Errichtung schweizerischer Gesandtschaften, Diss. Bern 1947, S. 44 ff.
[28] Vgl. ausführlicher Borer (Anm. 3), S. 373 ff. und Wildhaber (Anm. 22), S. 443 ff., der sich jedoch sehr kritisch zu einer Ausdehnung des Legalitätsprinzips auf die auswärtigen Angelegenheiten äussert.
[29] Vgl. Diez (Anm. 15), S. 436.
[30] Vgl. BBl 1991 III 648 ff.
[31] Gemäss Art. 74 Ziff. 4 der Verfassung aus dem Jahre 1848 stand das Recht zur Anerkennung von Staaten ausdrücklich der Bundesversammlung zu. Nachdem diese Bestimmung in der Revision von 1874 nicht in den neuen Katalog von Art. 85 BV übernommen wurde, ging die Kompetenz, wie heute allgemein anerkannt wird, an den Bundesrat über. Vgl. hierzu auch Müller Jörg Paul / Wildhaber Luzius, Praxis des Völkerrechts, 2. Aufl., Bern 1982, S. 157.
[33] Vgl. die detaillierten Ausführungen hierzu bei Aubert Jean-François, Kommentar BV zu Art. 85 BV, Rz. 21 ff.
[34] Aubert (Anm. 33), Rz. 26.
[35] Aubert (Anm. 33), Rz. 22 ff.
[36] Aubert (Anm. 33), Rz. 23.
[37] Burckhardt Walter, Kommentar der schweizerischen Bundesverfassung vom 29. Mai 1874, 3. Aufl., Bern 1931, S. 671.
[38] Bei der Gründung des Bundesstaates zählte die Verwaltung um die 3000 Beamten, während es 1924 bereits mehr als 66 000 waren.
[39] SR 172.221.10.
[40] Vgl. Art. 2 des BG über Massnahmen zur Verbesserung des Finanzausgleichs vom 4. Oktober 1974, revidiert am 24. Juni 1983 (SR 611.010).
[42] Vollenweider (Anm. 27), S. 18.
[43] Die Organisation der Verwaltung auf der Stufe Bundesamt fällt nach Erlass des Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 19. September 1978 (SR 172.010) in den Zuständigkeitsbereich des Bundesrates.
[44] Vgl. etwa Monnier Jean, Les principes et les règles constitutionnels de la politique étrangère suisse, Zeitschrift für schweizerisches Recht (ZSR), NF 105 II (1986), S. 107 ff. (209) sowie Vollenweider (Anm. 28), S. 74 ff.
[45] Es bestanden zu dieser Zeit insgesamt 14 Vertretungen, deren zwei - Wien und Paris - noch vor der Entstehung des Bundesstaates erreicht worden waren.
[46] Vgl. Vollenweider (Anm. 27), S. 80.
[47] Vgl. Vollenweider (Anm. 27), S. 80.
[48] BBl 1919 V 991 ff.
[49] BBl 1919 V 991 ff.
[50] Vgl. hierzu die Ausführungen bei Vollenweider (Anm. 27), S. 48.
[51] BBl 1925 I 337 f.
[52] BBl 1927 I 333 ff.
[53] BBl 1928 II 117 ff.
[54] BBl 1934 III 337 ff.
[55] BBl 1938 I 789 ff.
[56] BBl 1939 I 505 ff.
[57] BBl 1938 I 791 und BBl 1939 I 507.
[58] BBl 1938 I 507.
[59] Vgl. hierzu die Ausführungen bei Vollenweider (Anm. 27), S. 36 ff.
[60] BBl 1945 II 1 ff.
[61] BBl 1945 II 17 f.
[62] BBl 1945 II 18.
[63] BBl 1945 II 8.
[64] Vgl. Vollenweider (Anm. 27), S. 47 f.
[65] BBl 1964 II 1325 ff.
[66] SR 172.211.229.
[67] SR 172.211.231-234.
[68] BBl 1959 II 1338 f.
[69] Vgl. hierzu auch die oben zitierten Ausführungen des Bundesrates in der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Errichtung neuer diplomatischer Vertretungen vom 7. Dezember 1959 (BBl 1959 II 1337 ff.).
[70] SR 172.211.227, SR 172.211.228, SR 172.211.231.
[71] BBl 1959 II 1338 f.



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