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 Bund Verwaltungspraxis der Bundesbehörden

bund/vpb/58-83.html 

VPB 58.83

(Entscheid des Bundesrates vom 25. August 1993)


Regeste Deutsch
Résumé Français
Regesto Italiano
 
Sachverhalt
Sachverhalt I
Sachverhalt A.
Sachverhalt B.
Sachverhalt C.
Sachverhalt D.
Sachverhalt E.
Sachverhalt F.
 
Erwägungen
Erwägung II
Erwägung 1.1.
Erwägung 2.
Erwägung 3.1.
Erwägung 3.2.
Erwägung 3.3.
Erwägung 3.4.
Erwägung 4.
Erwägung 5.
Erwägung 6.
Erwägung 6.1.
Erwägung 6.2.
Erwägung 7.1.
Erwägung 7.2.
Erwägung 7.3.
Erwägung 8.
 

Krankenversicherung. Kampf gegen die Entsolidarisierung.

Damit ein Rückversicherungsvertrag dahin geändert werden kann, dass die rückversicherte Kasse ihre Prämien unabhängig von denjenigen der rückversichernden Kasse gestalten kann, müssen nicht nur die gesetzlich vorgeschriebenen Reserven erreicht sein, sondern das finanzielle Gleichgewicht der Kasse muss auch gesichert werden.


Assurance-maladie. Lutte contre la désolidarisation.

Pour qu'un contrat de réassurance puisse être amendé en ce sens que la caisse réassurée peut fixer ses primes indépendamment de celles de la caisse qui la réassure, il faut non seulement que les réserves légales soient atteintes, mais encore l'équilibre financier de la caisse doit être garanti.


Assicurazione contro le malattie. Lotta contro la desolidarizzazione.

Perché un contratto di riassicurazione possa essere modificato nel senso di dare alla cassa riassicurata la possibilità di determinare i premi indipendentemente da quelli della cassa che riassicura, occorre non solo possedere le riserve prescritte dalla legge, bensí garantire anche l'equilibrio finanziario della cassa.




I

A. Am 21. November 1988 anerkannte das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) gemäss Art. 3 des BG vom 13. Juni 1911 über die Krankenversicherung (KUVG, SR 832.10) und Art. 2 der V V vom 2. Februar 1965 über die Krankenversicherung betreffend die Anerkennung von Krankenkassen und Rückversicherungsverbänden sowie ihre finanzielle Sicherheit (V V, SR 832.121) die V. als Krankenkasse. Mit der Anerkennung wurde unter anderem auch der mit der G. abgeschlossene Rückversicherungsvertrag vom 18. Oktober 1988 (im folgenden: alter Rückversicherungsvertrag) genehmigt.

In diesem Rückversicherungsvertrag war für alle Abteilungen eine volle Rückversicherung durch die G. vorgesehen, wobei sämtliche Prämien, Leistungen Dritter sowie Bundes-, Kantons- und Gemeindebeiträge direkt der G. zuflossen. Die Prämien waren - mit Ausnahme jener der Abteilung M für integrale Medizin - an jene der G. gekoppelt. Diese verpflichtete sich zudem für den Fall der Auflösung der V., deren Mitglieder ohne neue Vorbehalte im bisherigen Leistungsumfang und zum bisherigen Eintrittsalter zu übernehmen.

B. Mit Brief vom 27. Juni 1991 teilte die V. dem BSV mit, dass der alte Rückversicherungsvertrag per 31. August 1991 aufgelöst und durch einen neuen Rückversicherungsvertrag vom 27. Juni 1991 (im folgenden: neuer Rückversicherungsvertrag) ersetzt worden sei. Die bundesrechtlich vorgeschriebenen Reserven und Rückstellungen seien erreicht worden, und sie sei somit in ihrer Prämiengestaltung von der G. unabhängig geworden. Eine Rückversicherung sei für die Abteilung A, Krankenpflege Basis, mit den Leistungen nach Art. 13 V V, sowie für Grossrisikofälle von über Fr. 50 000.- vorgesehen; die Abteilung B, Krankenpflege Plus, werde nicht mehr rückversichert. Eine Rückversicherung werde dagegen für die Leistungen der Abteilungen D (Krankengeld, Spitalkosten EA/EH/EP), G (Zahnpflegeversicherung), I (Krankenpflege Integral) und P (Heilungskosten-Ergänzungsversicherung für Unfall) beibehalten. Die Abteilung M (Integrale Medizin) werde neu in die Abteilung A integriert. Geplant sei eine Abkoppelung der Prämien der Abteilungen A (Krankenpflege Basis) und B (Krankenpflege Plus) sowie die gleichzeitige Senkung dieser Prämien; für die neuen Prämien werde die Genehmigung durch das BSV beantragt. Am 21. August 1991 wurden dem BSV die neuen Prämientarife per 1. Oktober 1991 zur definitiven Genehmigung eingereicht.

Bereits am 19. Juli 1991 hatte das BSV der V. mitgeteilt, dass das geplante Vorgehen - zumal während eines laufenden Rechnungsjahres - grundsätzliche Fragen aufwerfe; eine Genehmigung könnte frühestens auf den 1. Januar 1992 erteilt werden. Es bat daher, die Änderungen nicht auf den 1. September 1991 in Kraft zu setzen, sondern seinen Entscheid, der im Monat September 1991 fallen sollte, abzuwarten. Am 23. Juli 1991 erklärte die V. jedoch, sie halte an ihrem Terminplan fest. Am 8. August 1991 bestätigte das BSV unter Hinweis auf den präjudiziellen Charakter des zu treffenden Entscheides seinen Willen, die sich stellenden Rechtsfragen eingehend zu prüfen und daher einen Entscheid nicht vor September 1991 zu treffen. Darin liege weder eine Rechtsverweigerung noch eine Rechtsverzögerung.

C. Mit Verfügung vom 3. September 1991 verweigerte das BSV gestützt auf Art. 1 Abs. 2 Bst. c, Art. 3, Art. 10 und Art. 15 V V die Genehmigung des neuen Rückversicherungsvertrages (inkl. Anhang) sowie der neuen Prämientarife für die Abteilungen A und B. Die Verfügungsform habe es angesichts einer Ankündigung des Rechtsvertreters der V., die geplanten Änderungen wie vorgesehen auf den 1. Oktober 1991 in Kraft zu setzen, gewählt.

Zur Begründung führte es an, der alte Rückversicherungsvertrag sei fest auf 5 Jahre abgeschlossen worden und - unter Einhaltung einer 12monatigen Kündigungsfrist - frühestens auf den 31. Dezember 1993 kündbar. Diese feste Vertragsdauer sei für die Aufsichtsbehörde von grosser Bedeutung gewesen.

Der neue Rückversicherungsvertrag gebe die bestehende volle Rückversicherung bei der G. zugunsten einer bloss teilweisen Rückversicherung auf. Zudem würden auf den gleichen Zeitpunkt noch die Prämien der am meisten beanspruchten Versicherungsabteilungen 1 und 2 erheblich gesenkt; dies habe eine erhebliche Verschlechterung der finanziellen Situation der Kasse zur Folge. Auf jeden Fall müsse die finanzielle Sicherheit der Kasse neu geprüft werden. Bei einem teilweisen Verzicht auf die frühere volle Rückversicherung müsste die Kasse - ausgehend von 5000 Mitgliedern und durchschnittlichen jährlichen Behandlungskosten von Fr. 1229.- laut BSV-Statistik - über Mindestreserven von Fr. 3 000 000.- verfügen, was bei einem Vermögensstand per 31. Dezember 1990 von Fr. 153 908.- bei weitem nicht erreicht sei.

Das BSV bezeichnete seine Verfügung zudem als Mahnung im Sinne von Art. 33 Abs. 3 und 4 KUVG.

D. Gegen diese Verfügung erhob die V. am 27. September 1991 Beschwerde beim EDI und beantragte die Genehmigung des neuen Rückversicherungsvertrages sowie der neuen Prämientarife für die Versicherungsabteilungen A und B.

Sie machte geltend, der alte Rückversicherungsvertrag sehe in Ziff. 5.2 vor, dass die V. in ihrer Prämiengestaltung frei werde, sobald die bundesrechtlich vorgeschriebenen Reserven und Rückstellungen erreicht seien, sofern dannzumal der Rückversicherungsvertrag in dem Sinne geändert werde, dass nur noch ein Teil der Leistungen rückversichert werde. Da per Ende 1990 die Reserven mit Fr. 153 908.- 162.74% der Jahresausgaben pro 1990 ausmachten, seien die in Ziff. 5.2 geforderten Reserven erreicht. Demzufolge habe man die Prämien der Abteilungen A und B von jenen der G. abgekoppelt und den Rückversicherungsvertrag geändert.

Es liege hier kein Fall einer Kündigung vor, sondern eine blosse Änderung des Vertrages im gegenseitigen Einverständnis der Vertragsparteien. Es werde bestritten, dass die feste Vertragsdauer eine Grundlage für die finanzielle Sicherheit der Kasse dargestellt habe.

Im übrigen gehe es nicht an, die V. mit ihren 280 Mitgliedern (im Zeitpunkt der Verfügung des BSV) in Anwendung von Art. 10 V V so zu behandeln, als ob sie 5000 Mitglieder aufweise (Art. 1 Abs. 2 Bst. c V V, gemäss Revision vom 3. Dezember 1990, in Kraft getreten am 1. Januar 1991, AS 1990 2039 ff.); letztere Bestimmung sei nur im Falle der Anerkennung neuer Krankenkassen anwendbar. Dies gelte auch hinsichtlich der dort festgelegten neuen Berechnungsgrundlage für die massgeblichen Krankenpflegekosten. Ihre Reserven errechneten sich allein nach Art. 10 V V, was einen Sicherheitsfonds von 72% der Jahresausgaben und einen Schwankungszuschlag von 24%, somit eine minimale Gesamtreserve von 96% der Jahresausgaben ausmache. Bei Jahresausgaben von Fr. 94 574.- seien diese Voraussetzungen bei weitem erfüllt. Sollte die neue Bestimmung tatsächlich generell Anwendung finden, so sei die noch bestehende Abstufung in Art. 10 V V sinnlos. Die neue Bestimmung sei eingeführt worden, um für die Neugründung von Kassen höhere Hürden zu errichten und so der Entsolidarisierung entgegenzuwirken, nicht aber, um bestehende Kassen strengeren Bestimmungen über Mindestreserven zu unterstellen.

Bei der Beurteilung der finanziellen Sicherheit seien zudem die zusätzlichen Sicherheiten, das heisst die weiterhin bestehenden Rückversicherungen und die Garantien der G. zur Übernahme nicht rückversicherter und durch die V. nicht gedeckter Leistungen sowie zur Übernahme der Mitglieder der V. im Falle der Auflösung derselben, zu berücksichtigen. Die finanzielle Sicherheit der Kasse werde daher weder durch den neuen Rückversicherungsvertrag noch durch die neuen Prämientarife gefährdet, weshalb diese zu genehmigen seien.

E. Das EDI wies die Beschwerde am 23. Juni 1992 ab.

Es führte an, bei der Anerkennung der V. habe im Vordergrund gestanden, schlüssige Aussagen über die kostendämpfende Wirkung der Erfahrungsmedizin zu erhalten; dies sei indes nach bloss drei Jahren Versuchsbetrieb und bei bloss 172 ganzjährigen Mitgliedschaften per Ende 1990 nicht möglich.

Mit der Neukonzipierung des Rückversicherungsvertrages sei der V. eine völlig neue Dimension gegeben worden; im Gegensatz zu den ursprünglich bekanntgegebenen Absichten sei nun eine Umwandlung in eine Billigkasse im Gange. Der Finanzplan, der bis 1994 einen sprunghaften Anstieg der Mitglieder auf 12 000 vorsehe, belege dies klar. In bezug auf die zu erwartende Expansion seien die per Ende 1990 ausgewiesenen Reserven von Fr. 154 000.- ungenügend.

Art. 9 V V verlange von den Kassen, dass sie für eine Dauer von 3 Jahren ständig über einen Sicherheitsfonds nach Art. 10 V V verfügen müssten; bei geschätzten Einnahmen per Ende 1994 von Fr. 9 573 710.- mache dies rund Fr. 2 000 000.- aus, die mit dem Inkrafttreten des neuen Rückversicherungsvertrages bereitzustellen wären. Da mithin die gesetzlich erforderlichen Reserven nicht vorhanden seien, finde Ziff. 5.2 Satz 4 des alten Rückversicherungsvertrages nicht Anwendung.

Nach Auffassung des EDI findet der am 3. Dezember 1990 geänderte Art. 1 Abs. 2 Bst. c nach Sinn und Zweck dieser Bestimmung auch hier Anwendung. Die vorliegende Umwandlung einer Tochterkasse in eine Billigkasse komme der Gründung einer Billigkasse gleich. Daran habe sich mit dem Erlass des BB vom 13. Dezember 1991 über befristete Massnahmen gegen die Entsolidarisierung in der Krankenversicherung (SR 832.112) nichts geändert; der Risikoausgleich käme ja erst 1993 zum Tragen.

F. Die V. erhob gegen diesen Beschwerdeentscheid am 21. August 1992 Verwaltungsbeschwerde beim Bundesrat und erneuerte die beim EDI gestellten Rechtsbegehren. Sie wiederholte im wesentlichen die bereits gegenüber dem EDI vorgebrachte Begründung der Beschwerde.

Die V. bestritt, dass bei ihr eine Umwandlung in eine Billigkasse vorliege beziehungsweise beabsichtigt sei. Prämien der Billigkassen lägen bis zu 20% unter jenen der Kollektivversicherung, wogegen ihre Prämien rund 6-10% über diesen Ansätzen lägen; im übrigen habe von Anfang an die Absicht bestanden, ein preisgünstiges alternativ-medizinisches Angebot zu präsentieren. An dieser Zweckbestimmung habe sich nichts geändert.

Die Gefahr der Schaffung eines negativen Präjudizes bestehe nicht, und im übrigen sei der Kampf gegen die Entsolidarisierung auf dem Weg der Gesetzgebung aufzunehmen, nicht durch rechtswidrige Rechtsanwendung. Neue Umwandlungen von Tochtergesellschaften fielen zudem unter den revidierten Art. 1 Abs. 2 Bst. c V V.

Insoweit das EDI alternativ gestützt auf die Wegleitung des BSV vom Januar 1971 betreffend die Anwendung des Finanzierungsverfahrens in der Krankenversicherung eine Vermögensreserve von 20% der Gesamtausgaben verlange und dabei auf eine Finanzierungsperiode von drei Jahren abstelle, weise man darauf hin, dass Art. 10 Abs. 2 V V als übergeordnete Norm klar von den Gesamtausgaben des letzten Rechnungsjahres ausgehe. Bei einem starken Mitgliederzuwachs stiegen im übrigen die Prämien entsprechend, was das finanzielle Gleichgewicht sichere.

Schliesslich sei darauf hinzuweisen, dass Ziff. 2 des Reglementes im Anhang 2 zum alten Rückversicherungsvertrag unter dem Begriff der Verselbständigung auch den Fall der teilweisen Verselbständigung erfasse.

Die V. wies nochmals auf die zusätzlichen Sicherheiten hin, welche auch der neue Rückversicherungsvertrag biete.

...

II

1.1. (Formelles, vgl. VPB 56.32)

2. Die Rüge der Beschwerdeführerin, es liege eine Rechtsverzögerung vor, weil das BSV erst am 3. September 1991 eine Verfügung über das Gesuch vom 27. Juni 1991 getroffen habe, ist unberechtigt. Die vom BSV im Rahmen seiner Aufsicht zu entscheidenden Fragen waren grundsätzlicher Natur und bedingten eingehende Abklärungen. Die Beschwerdeführerin wusste dies und konnte - da es um eine negative Verfügung ging - auch nicht von der Suspensivwirkung der Beschwerde ausgehen (Art. 55 Abs. 1 VwVG; BGE 116 Ib 350) beziehungsweise damit rechnen, dass einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt würde.

3.1. Die Anerkennung von Krankenkassen setzt nach Art. 3 Abs. 4 KUVG voraus, dass diese Sicherheit dafür bieten, dass sie die übernommenen Verpflichtungen erfüllen können. Das BSV übt die Aufsicht über die Durchführung des KUVG aus und sorgt für dessen einheitliche Anwendung. Es kann zu diesem Zwecke den Kassen Weisungen erteilen, insbesondere über die Organisation und Geschäftsführung, die Rechnungsführung, die Anlage des Vermögens, die Bilanzierung, die Kontrollstelle sowie über Massnahmen im Hinblick auf die finanzielle Sicherheit (Art. 33 Abs. 1 KUVG). Gemäss Art. 41 KUVG erlässt der Bundesrat die zum Vollzug des Gesetzes erforderlichen Verordnungen.

Der Bundesrat hat in Ausführung dieser Kompetenz die zitierte V V erlassen, das BSV gestützt auf Art. 33 KUVG sowie Art. 30 Abs. 3 V V die Wegleitung vom Januar 1971 betreffend die Anwendung des Finanzierungsverfahrens in der Krankenversicherung.

3.2. Wie der Wegleitung des BSV zu entnehmen ist, dienen die Bestimmungen über die finanzielle Sicherheit der Kassen (Art. 3 Abs. 4 KUVG sowie Art. 9-15 V V) dazu, den Versicherten ihren Anspruch auf Leistungen ständig sicherzustellen. Das finanzielle Gleichgewicht kann mittels verschiedener Finanzierungsverfahren gesichert werden; eine der Möglichkeiten ist der Abschluss von Rückversicherungsverträgen (Art. 27 Abs. 2 KUVG beziehungsweise Art. 12 f. V V). Die Rückversicherungsverträge bedürfen der Genehmigung des BSV (Art. 15 V V).

3.3. Art. 10 V V umschreibt die Höhe der minimalen Reserven der Kassen (Sicherheitsfonds und Schwankungszuschlag), wobei die Höhe der Reserven je nach Mitgliederzahl abgestuft ist. Das finanzielle Gleichgewicht ist jeweils für eine Finanzierungsperiode von 3 Jahren sicherzustellen, über einen Sicherheitsfonds gemäss Art. 10 V V müssen sie ständig verfügen (Art. 9 V V).

3.4. Am 3. Dezember 1990 wurde mit Inkrafttreten per 1. Januar 1991 Art. 1 Abs. 2 Bst. c V V dahingehend geändert, dass die minimalen Reserven neuer Kassen nun denjenigen einer Kasse mit 5000 Mitgliedern entsprechen müssen.

4. Am 18. Oktober 1988 hat die Beschwerdeführerin mit der G. einen fest auf 5 Jahre vereinbarten Rückversicherungsvertrag abgeschlossen, welcher unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 12 Monaten erstmals auf den 31. Dezember 1993 kündbar ist. Das EDI legt dieser festen Vertragsdauer grosse Bedeutung zu; sie sei Voraussetzung der Anerkennung der Beschwerdeführerin als Krankenkasse gewesen.

Art. 9 V V sieht vor, dass die Kassen das finanzielle Gleichgewicht jeweils für eine Finanzierungsperiode von 3 Jahren sicherzustellen haben. Dass das BSV indes bei einer neuen Kasse, welche ihre finanzielle Sicherheit mit einem Rückversicherungsvertrag gewährleistet, für diesen Vertrag eine feste Vertragsdauer von 5 Jahren verlangt und damit über Art. 9 V V hinausgeht, erscheint einleuchtend. Dies insbesondere dann, wenn es sich wie bei der Beschwerdeführerin um eine Kasse mit einem sehr niedrigen Versichertenbestand und einer besonderen Zweckbestimmung handelt. Darüber, wie sich die Kosten bei einer auf alternative Heilmethoden ausgerichteten Kasse entwickeln würden, lagen dem BSV keine gesicherten Unterlagen vor. Das BSV hat diesbezüglich die Grenzen seiner Aufsichtsbefugnis nicht verletzt.

Eine andere Frage ist, ob mit der von der Beschwerdeführerin gewünschten Vertragsänderung die feste Vertragsdauer von 5 Jahren missachtet wird.

5. Die Rückversicherung gemäss altem Vertrag umfasst - innerhalb des Angebots der G. und mit denselben Leistungen - die Krankenpflegeversicherung (Abt. A), die Spitalzusatzversicherung (Abt. C), die Spitalkostenversicherung (Abt. E/A, E/H und E/P), die Zahnpflegeversicherung (Abt. G), die Krankengeldversicherung (Abt. D) sowie - ausserhalb des Angebots der G. - die Zusatzversicherung für integrale Medizin (Abt. M) mit den Leistungen gemäss Anhang 1 (Art. 2 und 3). Mit Ausnahme der Prämien der Zusatzversicherung für integrale Medizin, welche der Beschwerdeführerin zur Äufnung ihrer Reserven dient, gehen alle Prämien direkt an die G. (Ziff. 5.1).

Im Falle einer vollen Rückversicherung wird die kleinere Kasse in bezug auf das finanzielle Gleichgewicht wie die rückversichernde grössere Kasse behandelt. Dies ist dadurch gerechtfertigt, dass das finanzielle Risiko in diesem Falle von der grösseren Kasse abgedeckt wird; durch die Rückversicherung wird die Quote des Mindestvermögens herabgesetzt.

In Ziff. 5.2 des alten Rückversicherungsvertrages ist festgehalten, dass die Beiträge grundsätzlich jenen der G. entsprechen, die Beschwerdeführerin in ihrer Prämiengestaltung indes frei wird, sobald die bundesrechtlich vorgeschriebenen Reserven und Rückstellungen erreicht sind. Die Reserven der Beschwerdeführerin werden gebildet durch die Prämien der Zusatzversicherung für integrale Medizin sowie der Hälfte eines allfälligen Netto-Überschusses der G. aus der Rückversicherung, soweit dieser nicht zur Deckung der Verwaltungskosten benötigt wird (Ziff. 5.3). Im Anhang 2 ist unter Ziff. 2 festgehalten, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Verselbständigung die Prämien selber - nach den gesetzlichen Bestimmungen - festlegt.

6. Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, dass der alte Rückversicherungsvertrag Vertragsänderungen - zum Beispiel im Zusammenhang mit Ziff. 5.2 - nicht grundsätzlich ausschliesst. Es ist daher zu prüfen, ob die in Ziff. 5.2 für eine Loslösung der Prämien von der G. vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind. Die freie Prämiengestaltung setzt nach Massgabe dieser Bestimmung voraus, dass die Reserven und Rückstellungen die bundesrechtlich vorgeschriebene Höhe erreicht haben.

Streitig ist hier, über welche Reserven die Beschwerdeführerin verfügen muss, wenn sie ihre Prämien frei gestalten und sich nicht mehr voll rückversichern will. Nach Ziff. 5.2 des Rückversicherungsvertrages ist diesbezüglich zu prüfen, ob die gesetzlichen Reserven und Rückstellungen erreicht sind. Die Rückstellungen - welche im Rahmen des Rückversicherungsvertrages durch die G.vorzunehmen waren - sind hier nicht weiter zu untersuchen, da die Höhe der Rückstellungen nicht streitig ist.

6.1. Art. 1 Abs. 2 Bst. c V V bestimmt, dass die Mindestreserven einer neuen Kasse jenen einer bestehenden Kasse mit 5000 Mitgliedern entsprechen müssen. Da es hier indes nicht um die Neugründung einer Kasse geht, ist Art. 1 Abs. 2 Bst. c V V auf die Beschwerdeführerin nicht anwendbar.

Daran änderte sich auch dann nichts, wenn feststünde, dass sich die Beschwerdeführerin dahingehend veränderte, dass sie einer Billigkasse gleichzusetzen wäre. Der Kampf gegen die Entsolidarisierung in der Krankenversicherung ist mit den vom Gesetz zur Verfügung gestellten Mitteln zu führen. Diesem Gesichtspunkt kann auch bei der Auslegung von Gesetzesbestimmungen Rechnung getragen werden; die Voraussetzungen einer Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes scheinen hier allerdings offensichtlich nicht erfüllt zu sein (BGE 116 II 526 ff.; Imboden Max / Rhinow René A. / Krähenmann Beat, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 6 Aufl., Basel / Frankfurt am Main 1986, Nr. 20/B/IV). Im übrigen ist eine solche im Hinblick auf die Beschwerdeführerin zur Bekämpfung der Entsolidarisierung in der Krankenversicherung entbehrlich (vgl. hinten, E. 7).

6.2. Art. 9 V V verlangt von den Kassen die Aufstellung von Finanzierungsplänen für Perioden von je drei Jahren. Art. 10 V V behandelt die minimalen Reserven einer Kasse; abzustellen ist nach Massgabe von Abs. 2 auf die Gesamtausgaben des letzten Geschäftsjahres. Diese betrugen bei der Beschwerdeführerin für das Jahr 1990 (dies stellt bezogen auf das Datum der Verfügung des BSV das letzte Rechnungsjahr im Sinne von Art. 10 Abs. 2 V V dar) Fr. 94 574.-. Für die Beschwerdeführerin, die mit ihren (im Zeitpunkt der Verfügung des BSV) 280 Versicherten in die Kategorie «201 bis 300 Versicherte» fiel, hatten die minimalen Reserven per Ende 1990 96% (72% Sicherheitsfonds und 24% Schwankungszuschlag), das heisst Fr. 90 791.-, zu betragen. Daraus erhellt, dass die Beschwerdeführerin Ende 1990 über die nötigen Reserven verfügte, um im Sinne des Rückversicherungsvertrages die Prämien frei gestalten zu können.

7.1. Anders als bei der Frage nach den gesetzlich erforderlichen Reserven (Art. 10 V V) ist dagegen nach der Wegleitung des BSV im Hinblick auf die Beurteilung des finanziellen Gleichgewichts - und damit verbunden die Festlegung der Prämien (Notwendigkeit von Prämienerhöhungen) - grundsätzlich von der in Art. 9 festgelegten dreijährigen Finanzierungsperiode auszugehen.

Im einzelnen unterscheidet die Wegleitung zwischen den verschiedenen Versicherungsarten (S. 15 ff.). Bei der Krankengeldversicherung wird ausgeführt, dass eine Schätzung der voraussichtlichen Kostenzunahme während einer dreijährigen Periode vorzunehmen ist. Grundsätzlich ist dabei von den letzten drei Jahren auszugehen, doch kann davon abgewichen werden, wenn Tatsachen bekannt sind, welche die weitere Kostenentwicklung entscheidend beeinflussen; in diesem Fall sind die betreffenden Umstände in die Schätzung miteinzubeziehen (S. 16 f.).

Das BSV hat geltend gemacht, die Beschwerdeführerin gehe von einer massiven Zunahme des Versichertenbestandes aus, was versicherungstechnisch von Bedeutung sei. Selbst wenn mit einem grösseren Versichertenbestand auch grössere Einnahmen einhergehen, so ist doch unbestreitbar, dass eine so starke Zunahme der Versicherten vorübergehend das finanzielle Gleichgewicht stören kann.

Ergibt eine nähere Prüfung aufgrund der hier als massgeblich bezeichneten Zahlen, dass das finanzielle Gleichgewicht der Beschwerdeführerin nicht mehr gewährleistet ist, so wird von der Beschwerdeführerin eine Anpassung der Prämien zu verlangen sein, welche der in den nächsten Jahren zu erwartenden Kostensteigerung sowie den aufgrund des Entsolidarisierungsbeschlusses zu erwartenden Ausgleichszahlungen Rechnung trägt.

7.2. Art. 12 Abs. 1 V V sieht vor, dass die minimalen Reserven im Falle von Rückversicherungen in einem durch das BSV zu bestimmenden Verhältnis herabgesetzt werden können. Dem BSV steht mithin ein Ermessensspielraum zu, den es mit seiner Wegleitung vom Januar 1971 ausgefüllt hat.

Hinsichtlich der Überprüfung des finanziellen Gleichgewichts fehlt indes eine entsprechende Bestimmung. Bereits aus diesem Grunde sieht der Bundesrat daher keinen Anlass, das BSV zu verpflichten, im Rahmen der von ihm auszuübenden Bundesaufsicht eine teilweise Rückversicherung und weitere finanzielle Garantien in dem von der Beschwerdeführerin gewünschten Masse zu berücksichtigen.

Es erschiene im übrigen - gerade im Lichte des heutigen Kampfes gegen die Entsolidarisierung im Bereich der Krankenversicherung - ungerecht, bei der einen Kasse im Falle eines finanziellen Ungleichgewichts Prämienerhöhungen zu verlangen, wogegen sich eine andere - die sich zudem noch einer Billigkasse nähert - als Tochter einer grösseren Gesellschaft neu mit einer bloss teilweisen Rückversicherung sowie finanziellen Garantien begnügen dürfte. Eine solche Ungleichbehandlung widerspräche nicht nur dem Kampf gegen die Entsolidarisierung in der Krankenversicherung, sondern auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz.

7.3. Der Bundesrat ist nicht in der Lage, bloss aufgrund der vorliegenden Unterlagen zu prüfen, ob das finanzielle Gleichgewicht der Beschwerdeführerin gestört ist und sich demzufolge eine Anpassung der Prämien aufdrängt. Würde letzteres bejaht, wäre gleichzeitig gesagt, dass die neuen Prämientarife nicht genehmigt werden können. Aus diesem Grunde wie auch, weil erstinstanzliche aufsichtsrechtliche Massnahmen in den Zuständigkeitsbereich des BSV fallen, ist die Sache im Sinne einer Sprungrückweisung in analoger Anwendung von Art. 114 Abs. 2 OG direkt an das BSV zurückzuweisen (Gygi Fritz, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 231), welches den neuen Rückversicherungsvertrag sowie die Prämientarife im Sinne der vorstehenden Erwägungen einer nochmaligen Prüfung zu unterziehen hat.

8. Die Beschwerdeführerin obsiegt demnach insoweit, als festzustellen ist, dass ihre Reserven das gesetzliche Minimum erreichen und sie mithin nach Massgabe des Rückversicherungsvertrages ihre Prämien grundsätzlich von jenen der G. abkoppeln dürfte. Aus dieser Sicht stünde auch einer Genehmigung des neuen Rückversicherungsvertrages nichts mehr im Wege. Dem Antrag auf Genehmigung des Prämientarifs kann dagegen nicht entsprochen werden.

Die Beschwerde ist demzufolge im Sinne der Erwägungen gutzuheissen und zu neuem Entscheid an das BSV zurückzuweisen.





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