VPB 59.44
(Auszug aus einem Entscheid der Schweizerischen Asylrekurskommission vom 29. September 1993)
Regeste Deutsch
Résumé Français
Regesto Italiano
Sachverhalt
Erwägungen
Erwägung 4.
Erwägung a.
Erwägung b.
Erwägung c.
Erwägung d.
Erwägung 5.
Erwägung a.
Erwägung b.
Erwägung c.
Erwägung 6.
Art. 7 Abs. 1 und 2 AsylG. Familienvereinigung (Wiedererwägungsgesuch).
1. Wird die Flucht des einen Ehegatten unfreiwillig unterbrochen, so gilt die spätere, im Rahmen der Familienvereinigung erfolgte Ausreise immer noch als Flucht im Sinne des Gesetzes, sofern alles daran gesetzt wurde, die begonnene Flucht fortzusetzen (E. 5.b).
2. Die Annahme besonderer Umstände im Sinne von Art. 7 Abs. 2 AsylG ergibt sich aus den tatsächlichen Verhältnissen und dem in der Botschaft zum Asylgesetz festgehaltenen Grundgedanken, wonach man sich bei der Auslegung dieser Bestimmung von humanitären Überlegungen leiten lassen solle (E. 5.c).
Art. 7 al. 1 et 2 LA. Regroupement familial (demande de réexamen).
1. Lorsqu'un des époux a dû involontairement interrompre sa fuite, son départ ultérieur, dans l'optique d'un regroupement familial, demeure constitutif d'une fuite au sens de la loi, pour autant que tout ait été tenté pour reprendre le chemin de la fuite (consid. 5.b).
2. L'admission de circonstances particulières au sens de l'art. 7 al. 2 LA résulte de situations de fait concrètes et de l'idée de base ancrée dans le Message du Conseil fédéral à l'appui de la loi sur l'asile, qui veut que l'on se laisse guider dans l'interprétation de cette disposition par des considérations humanitaires (consid. 5.c).
Art. 7 cpv. 1 e 2 LA. Ricongiungimento familiare (domanda di riesame).
1. Ove un coniuge abbia dovuto involontariamente interrompere la fuga, la sua ulteriore partenza conta, nell'ottica del ricongiungimento familiare, quale fuga ai sensi di legge, nella misura in cui nulla sia stato lasciato di intentato onde proseguire l'iniziale fuga (consid. 5.b).
2. L'esistenza di circostanze particolari pertinenti giusta l'art. 7 cpv. 2 LA dipende dalla situazione del caso concreto, tenuto altresì conto del concetto fondamentale formulato nel Messaggio del Consiglio federale concernente la legge sull'asilo, in virtù del quale nell'interpretazione di questa disposizione l'autorità giudicante deve lasciarsi guidare da considerazioni umanitarie (consid. 5.c).
Zusammenfassung des Sachverhalts
Im Jahre 1980 versuchte das Ehepaar C. L. und K. L.-T. aus Vietnam zu fliehen. Dem Ehemann C. L. gelang die Flucht, und er reiste am 19. September 1980 in die Schweiz ein. Mit Verfügung vom 13. November 1980 anerkannte ihn das Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) als Flüchtling und erteilte ihm Asyl. Der Ehefrau K. L.-T. hingegen gelang die Flucht nicht, weshalb sie zu ihrer Mutter T. K. zurückkehrte. Am 8. März 1983 hiess das BAP das Gesuch von C. L. um Familienzusammenführung mit seiner Ehefrau K. L.-T. gut. Am 17. Juli 1982 reiste K. L.-T. in die Schweiz ein und nahm die eheliche Gemeinschaft mit ihrem Gatten wieder auf.
Nach der Ausreise ihrer Tochter K. L.-T. lebte die in Vietnam verbliebene Mutter T. K. mit ihrem Sohn und ihrer Pflegetochter zusammen, welche beide T. K. später verliessen. Im Jahre 1983 stellte K. L.-T. erstmals ein Gesuch um Familienzusammenführung mit ihrer Mutter T. K., welches vom BAP abgelehnt wurde. In der Folge stellte K. L.-T. mehrere Begehren gleichen Inhalts, die alle negativ entschieden wurden. Am 11. Oktober 1990 reiste T. K. als Touristin in die Schweiz ein. Erneut reichte K. L.-T. am 8. Januar 1991 ein Gesuch um Familienvereinigung mit ihrer Mutter ein. Dieses Gesuch wurde vom Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) am 1. Februar 1991 abgelehnt.
Die dagegen gerichtete Beschwerde wird von der Schweizerischen Asylrekurskommission (ARK) gutgeheissen.
Aus den Erwägungen
4. Die Wiedererwägung einer früheren Verfügung kommt dann in Betracht, wenn im Vergleich zum rechtskräftigen Entscheid eine wesentlich veränderte Sachlage vorliegt (...).
a. Im Gesuch vom 8. Januar 1991 wird sinngemäss ausgeführt, dass T. K. seit dem 11. Oktober 1990 als Touristin in der Schweiz weile. Sie sei in Vietnam weiterhin auf sich selbst gestellt und geniesse keinerlei Hilfe von Verwandten, nachdem ihr Sohn verschollen und ihr Pflegekind zu seiner angestammten Familie zurückgekehrt sei. Auch ihre sonstige Lage sei unverändert: Sie fände keine Arbeit in der Fabrik und könne wegen ihrer Herzbeschwerden und Schwindelanfälle nicht im Service arbeiten. Sie sei auf finanzielle Hilfe ihrer Familie angewiesen. Seitdem T. K. in der Schweiz sei, könne die Beschwerdeführerin wieder einer bezahlten Arbeit nachgehen, da die Mutter während ihrer Abwesenheit den Haushalt besorge und die drei Kinder betreue. Die materielle und psychische Situation der ganzen Familie habe sich dadurch verbessert. Das Familienvereinigungsgesuch sei seinerzeit mit der Begründung abgelehnt worden, die Beschwerdeführerin sei im Rahmen einer Familienvereinigung in die Schweiz gekommen. In ihrem Falle handle es sich jedoch nicht um eine sogenannte normale Familienvereinigung. Die Beschwerdeführerin sei damals bei ihrer Flucht von ihrem Ehemann getrennt worden und sei deswegen unfreiwillig in Vietnam verblieben. Sie sei später in die Schweiz gereist und habe hier gestützt auf das Asylgesetz Asyl erhalten. Wäre sie während ihrer Flucht nicht von ihrem Mann getrennt worden, so wären die gesetzlichen Bestimmungen für die Familienvereinigung heute erfüllt.
b. Das Bundesamt lehnte in seinem Entscheid vom 1. Februar 1991 die Familienvereinigung mit der Begründung ab, der Umstand, dass die Beschwerdeführerin durch die Anwesenheit von T. K. einer Arbeit nachgehen könne sowie die bereits früher geltend gemachte Lebenssituation von T. K. in Vietnam seien keine besonderen Umstände im Sinne von Art. 7 Abs. 2 des Asylgesetzes vom 5. Oktober 1979 (AsylG, SR 142.31).
c. In der Eingabe vom 2. März 1991 an den Beschwerdedienst des EJPD wird im wesentlichen ausgeführt, T. K. lebe in ihrer Heimat völlig isoliert. Es seien keinerlei Familienangehörige, auch entfernteren Grades, mehr vorhanden, die ihr einen sozialen Rückhalt gäben. Ausserdem sei sie auf Unterstützung angewiesen, da sie zufolge ihrer angeschlagenen Gesundheit keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könne. Eine staatliche Sozialversicherung bestehe nicht, so dass von einer existenzbedrohenden wirtschaftlichen Situation gesprochen werden müsse. Entscheidend sei jedoch, dass T. K. wegen der Trennung von ihren Familienangehörigen grosse psychische Probleme habe. Sie leide unter depressiven Zuständen. Ein ärztliches Zeugnis werde nachgereicht. Ihre Lebensumstände in Vietnam seien als «besondere Umstände» im Sinne von Art. 7 Abs. 2 AsylG zu würdigen. Ebenso seien die Lebensumstände der Familie C. und K. L.-T. in der Schweiz zu berücksichtigen. Die Anwesenheit von T. K. bewirke nicht nur eine bessere finanzielle Lage der Familie, sondern trage zu einer freudigen Stimmung der ganzen Familie bei, die alle aufblühen lasse. Insbesondere die Beschwerdeführerin habe die Trennung von ihrer Mutter sehr schlecht verkraftet, weshalb auch sie sich in ärztlicher Behandlung befinde, worüber ebenfalls ein ärztliches Zeugnis Auskunft geben werde. Ebenso profitierten die drei kleinen Kinder von der Anwesenheit ihrer Grossmutter. Im übrigen habe die Institution Familie im schweizerischen Rechtsleben einen hohen Stellenwert. Sie werde in den verschiedensten Bereichen gefördert. Diesem Aspekt sei auch im Zusammenhang mit flüchtlingsrechtlichen Entscheidungen Rechnung zu tragen. Die Familie L.-T. sei in der Lage, sich in der Schweiz aus eigener Kraft eine Zukunft aufzubauen, wenn ihr die Möglichkeit des Zusammenlebens gewährt werde. Die Beschwerdeführer rügen damit sinngemäss, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie Art. 7 Abs. 1 und 2 AsylG falsch ausgelegt und ihr Ermessen missbraucht habe. Überdies wird ebenfalls sinngemäss gerügt, der vorinstanzliche Entscheid sei unangemessen, indem er eine unnötige Härte für alle von der Verfügung Betroffenen bedeute.
Am 25. März 1991 wurde ein ärztliches Zeugnis nachgereicht, woraus hervorgeht, dass die Beschwerdeführerin und ihre Mutter in ärztlicher Behandlung seien wegen Beschwerden, die auf die erzwungene Trennung zurückzuführen seien.
d. Das Bundesamt liess sich dazu im wesentlichen vernehmen, dass für die jetzige Situation von T. K. nicht die seinerzeitige legale Ausreise ihrer Tochter ausschlaggebend gewesen sei, sondern die nachträgliche Flucht ihres Sohnes T. H., der seither verschollen sei, sowie die spätere Rückkehr ihrer Pflegetochter zu ihren leiblichen Eltern. Nach feststehender Praxis könnten sie nicht auf Jahre und Jahrzehnte hinaus das Wohlergehen von Familienangehörigen in Vietnam garantieren. Ebensowenig könne aus dem Fehlen einer Sozialversicherung in Vietnam für die Schweiz eine Verpflichtung, T. K. gestützt auf das Asylgesetz für immer aufzunehmen, abgeleitet werden. Gleiches gelte für die geltend gemachten gesundheitlichen Störungen. Sie seien nach ihrer Praxis kein besonderer Umstand im Sinne von Art. 7 Abs. 2 AsylG.
5. Unbestrittenermassen handelt es sich bei den geltend gemachten Veränderungen der Lebenssituation von T. K. und ihrer Krankheit um neue Tatsachen, die im erstinstanzlichen Entscheid des Bundesamtes für Polizeiwesen nicht mitberücksichtigt worden sind, weil sie noch nicht vorlagen. Das Bundesamt für Flüchtlinge verweist jedoch in seiner Vernehmlassung auf die Begründung eines Entscheides des EJPD, worin dieses eine Beschwerde gegen einen Nichteintretensentscheid des Bundesamtes für Polizeiwesen auf ein Wiedererwägungsgesuch derselben Gesuchstellerin ablehnte. Das EJPD erachtete damals die Vorbringen der Gesuchstellerin zwar ebenfalls als neue Tatsachen, lehnte hingegen deren Massgeblichkeit für ein Eintreten auf das damalige Wiedererwägungsgesuch mit der Begründung ab, das Erfordernis der Trennung von den Familienangehörigen durch eine Flucht sei in jenem Fall nicht gegeben. Die Gesuchstellerin sei vielmehr aufgrund eines Familienzusammenführungsgesuchs in die Schweiz eingereist. Diesbezüglich machte diese im Wiedererwägungsgesuch geltend, dass es sich in ihrem Fall nicht um eine sogenannte normale Familienzusammenführung handle. Sie habe seinerzeit vielmehr zusammen mit ihrem Ehemann flüchten wollen, sei aber, da das Fluchtboot derart überladen gewesen sei, in das Wasser gestürzt und habe deswegen unfreiwilligerweise vorläufig in Vietnam verbleiben müssen. Der geschilderte Sachverhalt sei aus den seinerzeitigen Akten der Caritas ersichtlich. Wäre sie nicht aus dem Boot gestürzt, so wäre sie mit ihrem Ehemann in die Schweiz geflohen und die gesetzliche Bedingung der Familienzusammenführung wären heute gegeben.
Diese Sachverhaltsdarstellung wurde von der Vorinstanz weder bezweifelt noch rechtlich gewürdigt. Da die Vorinstanz von der Beweisofferte der Beschwerdeführer, es seien bezüglich der Umstände anlässlich der Flucht des Beschwerdeführers respektive dem gescheiterten Fluchtversuch der Beschwerdeführerin die Akten des betreuenden Hilfswerks beizuziehen, keinen Gebrauch machte, ist davon auszugehen, dass diese Tatsache der Vorinstanz bekannt war. Damit handelt es sich zufolge der Zugänglichkeit der Caritas-Akten um aktenkundige Tatsachen, die, vorausgesetzt sie sind erheblich, das Wiedererwägungsgesuch in diesem Punkt zu einem qualifizierten im revisionsrechtlichen Sinne (Art. 66 Abs. 2 Bst. b VwVG) machen. Die Tatsache ist dann erheblich, wenn im folgenden festgestellt würde, dass das gesetzliche Erfordernis der Trennung durch die Flucht vorliegt.
a. Vorab ist zu prüfen, was unter dem Begriff «Flucht» im Sinne von Art. 7 Abs. 1 AsylG zu verstehen ist. In Frage kämen hier vor allem zwei, nach Ausreisegründen unterschiedene Betrachtungsweisen. Die eine ist, dass mit «Flucht» eine Ausreise aus dem jeweiligen Heimatland gemeint ist, um sich vor Benachteiligungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 und 2 AsylG in Sicherheit zu bringen. Die andere ist diejenige, dass die Ausreise mit dem Ziel erfolgt, in einem anderen Land Asyl zu erhalten. Zu prüfen ist, ob unter dem Aspekt von Art. 7 Abs. 1 AsylG die Voraussetzung der Flucht auch bei alleinigem Vorliegen des zweitgenannten Ausreisemotivs gegeben ist.
b. Zu prüfen ist, ob vorliegendenfalls das Erfordernis der Trennung durch die Flucht erfüllt ist. Dazu wäre eigentlich Voraussetzung, den Begriff «Flucht» zu definieren. Im Gesetz kann allenfalls eine Umschreibung in Anlehnung an die Definition des Flüchtlings in Art. 3 AsylG gefunden werden. Auf eine genauere Prüfung dieses Begriffs kann vorliegend jedoch verzichtet werden, da die Beantwortung der Frage hier aufgrund der besonderen Umstände der ursprünglich eingeleiteten Flucht von untergeordneter Bedeutung ist. Gemäss Art. 3 Abs. 3 AsylG werden unter anderem Ehegatten von Flüchtlingen ebenfalls als Flüchtlinge anerkannt, sofern sie sich in der Schweiz befinden. Mit der gesetzlichen Verankerung von Abs. 3 wurde einem unverbindlichen Postulat der Empfehlung B zur Flüchtlingskonvention entsprochen (Zimmermann Peter, Der Grundsatz der Familieneinheit im Asylrecht der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz, Berlin 1991, S. 176), mit dem Ziel, innerhalb des engsten Familienkreises einen einheitlichen Rechtsstatus sicherzustellen. Ausserdem basiert Art. 3 Abs. 3 AsylG auf der Vermutung, dass engste Familienangehörige von Flüchtlingen als Teil einer Schicksalsgemeinschaft ebenso Schutz verdienen, auch wenn sie nicht selbst in flüchtlingsrechtlich relevanter Weise verfolgt sind (Werenfels Samuel, Der Begriff des Flüchtlings im schweizerischen Asylrecht, Bern u.a. 1987, S. 379 ff.). Keine derartige gesetzliche Vermutung besteht in Art. 7 AsylG, dessen Sinn die Wiederherstellung einer durch Flucht einzelner oder aller Angehöriger zerstörten Lebensgemeinschaft ist (Werenfels, a. a. O., S. 141). Wie in Art. 3 Abs. 3 AsylG spielt es dabei keine Rolle, ob die zu vereinigenden Angehörigen selbst die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Werden der Ehegatte und die minderjährigen Kinder nach Art. 3 Abs. 3 AsylG wenigstens formell als Flücht-linge anerkannt (Kälin Walter, Grundriss des Asylverfahrens, Basel / Frankfurt a. M. 1990., S. 30; Lieber Viktor, Die neuere Entwicklung des Asylrechts im Völkerrecht und Staatsrecht, Zürich 1973, S. 152), so wird anderen nahen Angehörigen nach Art. 7 Abs. 2 AsylG «nur» Asyl gewährt, ohne sie formell als Flüchtlinge anzuerkennen (Kälin, a. a. O., S. 171).
Vorliegend hat ursprünglich eine gemeinsame Flucht der Beschwerdeführer stattgefunden, die im Falle einer ordentlichen Beendigung zweifellos zur Anerkennung der Beschwerdeführerin gemäss Art. 3 Abs. 3 AsylG geführt hätte. Wie oben ausgeführt wird, war die Beschwerdeführerin gezwungen, ihre Flucht abzubrechen. Sie und ihr Mann haben jedoch seit dem Abbruch der Flucht alles daran gesetzt, ihre begonnene Flucht fortzusetzen, was mit der Ausreise der Beschwerdeführerin zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden konnte. Die Vorinstanz hat sie im Asylentscheid vom 8. März 1983 denn auch zu Recht nicht schlechter gestellt als wenn sie, wie begonnen und geplant, zusammen mit ihrem Ehemann ausgereist wäre. Sie wurde gemäss Art. 7 Abs. 1 AsylG nicht nur in dessen Asyl einbezogen, sondern ihre Flüchtlingseigenschaft wurde in Anwendung von Art. 3 Abs. 3 AsylG ausdrücklich anerkannt. Im Hinblick auf die Familienvereinigung gemäss Art. 7 Abs. 2 AsylG wäre es nun unbillig, die Fortsetzung der Flucht der Beschwerdeführerin als normale Ausreise mit der Folge anzurechnen, dass der Abbruch der Lebensgemeinschaft mit der Mutter, zu deren Annahme sie für die Dauer der Unterbrechung der Flucht faktisch und im Hinblick auf eine allfällige Familienvereinigung in der Schweiz gezwungen war, nicht als durch die Flucht getrennt qualifiziert würde. Wäre die gemeinsame Flucht nicht unterbrochen worden, so wäre das Erfordernis der Trennung durch die Flucht erfüllt und einer Familienvereinigung gemäss Art. 7 Abs. 2 AsylG hätte nichts im Wege gestanden. Es ist deshalb zusammenfassend festzustellen, dass es sich mit Blick auf Art. 7 Abs. 1 AsylG aufgrund der unfreiwilligen Unterbrechung der Flucht rechtfertigt, das Kriterium der Trennung durch die Flucht vorliegend als erfüllt zu erachten.
c. Die Beschwerdeführer berufen sich sinngemäss auf eine wesentliche Veränderung der Sachlage seit dem [rechtskräftig gewordenen; die Red.] erstinstanzlichen Entscheid vom 16. Mai 1983. (...) Eine Veränderung der Sachlage hat sich seitdem insofern ergeben, dass die Mutter der Beschwerdeführerin sowohl von ihrem Sohn als auch von ihrer Pflegetochter verlassen worden ist und ohne nähere Verwandte, mit deren Unterstützung sie rechnen dürfte, leben muss. Ihr gesundheitlicher Zustand hat sich weiter verschlechtert. Zusätzlich zu ihrem 1983 schon vorhandenen Magen- und Augenleiden hat sich ihr psychisches Wohlbefinden wesentlich verschlechtert. Sie leidet nunmehr gemäss Arztzeugnis vom 25. März 1993 an Angstzuständen und reaktiven Depressionen, die sich in psychosomatischen Symptomen niederschlagen. Die Beschwerdeführerin stand schon vor ihrer Ausreise aus Vietnam ihrer Mutter, mit der sie in Hausgemeinschaft zusammenlebte, nahe. Mit den Jahren hat sich das gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis (einerseits emotional, andererseits finanziell) durch die Umstände beiderseits verstärkt. Auch wenn durch die Nichtausreise aus der Schweiz nach Ablauf des Touristenvisums ein «Fait accompli» hätte geschaffen werden wollen, muss doch im Zeitpunkt des Entscheides geprüft werden, wie sich die Lebensumstände der Mutter im Falle einer Rückkehr nach Vietnam darstellen dürften. Es ist davon auszugehen, dass T. K. dort völlig auf sich gestellt wäre. Aus all dem ist zu schliessen, dass besondere Umstände im Sinne von Art. 7 Abs. 2 AsylG zur Vereinigung der Beschwerdeführerin mit ihrer Mutter offensichtlich gegeben sind, riskiert sie doch im Fall einer Rückkehr nach Vietnam in eine existenzbedrohende Situation zu geraten. Aber auch im Lichte der Botschaft zum Asylgesetz vom 31. August 1977 (BBl 1977 III 119, Zitat zum damaligen Art. 6 AsylG, Familienvereinigung: «Es entspricht dem Gedanken des Gesetzes, dass durch diese Bestimmung besonders mehrjährige behinderte Kinder, Pflegekinder oder andere Personen, die dauernd im gemeinsamen Haushalt leben und von dieser Gemeinschaft abhängen, begünstigt werden. In solchen Situationen wird man sich von menschlichen Überlegungen leiten lassen und die Auslegung der Bestimmung in diesem Sinne der Praxis überlassen müssen») und der humanitären Tradition der Schweiz wäre es aufgrund der veränderten Umstände ungerechtfertigt, den Entscheid der Vorinstanz vom 16. Mai 1983 nicht in Wiedererwägung zu ziehen und T. K. gemäss Art. 7 Abs. 2 AsylG nicht Asyl zu erteilen.
6. Damit ist dargetan, dass die angefochtene Verfügung des Bundesamtes Bundesrecht verletzt, indem es Art. 7 Abs. 2 AsylG falsch ausgelegt hat. Auf die Prüfung der übrigen Rügen kann demnach verzichtet werden. Das Bundesamt für Flüchtlinge ist somit anzuweisen, im Sinne obenstehender Erwägungen neu zu verfügen.
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