VPB 60.77
(Eidgenössischer Datenschutzbeauftragter, 9. August 1995, aufdatiert 25. April 1996)
Datenschutz. Redaktion sektorieller Datenschutzbestimmungen in formellen Gesetzen. Übergangsrecht.
Art. 17, 19 und 38 DSG.
Für die Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten und von Persönlichkeitsprofilen namentlich mit umfangreichen EDV-Mitteln beziehungsweise im Abrufverfahren ist eine formellgesetzliche Grundlage erforderlich. Diese hat sich gegebenenfalls auch zu bereichsspezifischen Schutzauflagen zu äussern. Für Datensammlungen, die vor dem Inkrafttreten des DSG bestanden, ist die Rechtsgrundlage bis zum 30. Juni 1998 zu schaffen, für neue Datensammlungen indessen auf den Zeitpunkt der Inbetriebnahme.
Protection des données. Rédaction de dispositions sectorielles de protection des données au niveau d'une base légale formelle. Droit transitoire.
Art. 17, 19 et 38 LPD.
Pour le traitement de données sensibles et de profils de la personnalité, notamment au moyen de systèmes informatiques complexes, respectivement de procédures d'appel, une base légale au sens formel est exigée. Celle-ci doit, le cas échéant, également déterminer des mesures sectorielles de protection. La base légale doit être créée jusqu'au 30 juin 1998 pour les fichiers existant avant l'entrée en vigueur de la LPD; pour les nouveaux fichiers, dès leur mise en service.
Protezione dei dati. Redazione di disposizioni settoriali di protezione dei dati in leggi formali. Diritto transitorio.
Art. 17, 19 e 38 LPD.
Per il trattamento di dati personali degni di particolare protezione e di profili della personalità, segnatamente mediante sistemi informatici complessi, rispettivamente di procedure di richiamo, è richiesta una base legale in senso formale. Tale base deve, se del caso, determinare anche misure settoriali di protezione. La base legale dev'essere creata fino al 30 giugno 1998 per le collezioni di dati esistenti prima dell'entrata in vigore della LPD; per le nuove collezioni, dopo la loro entrata in funzione.
I. Auftrag und Fragestellung
Das BG vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG, SR 235.1), welches am 1. Juli 1993 in Kraft getreten ist, verlangt für bestimmte Datenbearbeitungen die ausdrückliche Regelung in einem formellen Gesetz. Mit Schreiben vom 31. März 1995 und vom 28. April 1995 baten das Generalsekretariat des EJPD (GS EJPD) und das Bundesamt für Justiz (BJ) den Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten (EDSB) um eine Erläuterung. An einer gemeinsamen Sitzung wurden folgende Fragen formuliert:
1. Für welche Datenbearbeitungen ist gemäss DSG eine formellgesetzliche Grundlage erforderlich?
2. Wie ist die nach dem Gesagten erforderliche formellgesetzliche Grundlage auszugestalten? Welche Gegenstände sind dabei zu regeln und auf welche Weise beziehungsweise wie detailliert soll dies geschehen?
3. Welche Tragweite kommt den Übergangsbestimmungen des DSG zu? An einer Folgebesprechung mit Vertretern der Bundeskanzlei wurden formale Anforderungen erörtert, wie sie in den Richtlinien der Bundeskanzlei für Botschaftsentwürfe festgehalten sind. Dabei wurde festgestellt, dass in diesen Richtlinien zur Zeit Bestimmungen zum Datenschutz fehlen. Ebensowenig bestehen normative Aussagen zur Frage, ob und inwieweit auf formellgesetzlicher Stufe konkrete Behördenbezeichnungen verwendet werden sollen. Die Praxis ist nicht einheitlich. Vor dem Hintergrund der anstehenden Verwaltungsreorganisation erscheint es indessen als ratsam, nur mit Zurückhaltung konkrete Behördenbezeichnungen zu wählen. Vorzuziehen sind nach Möglichkeit organisationsneutrale, aufgabenspezifische Bezeichnungen, soweit dadurch das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit von Erlassen nicht verletzt wird.
II. Gutachten des EDSB
1. Einordnung des Datenschutzes in unser Rechtsgefüge
1.1. Gemäss Art. 1 DSG «bezweckt dieses Gesetz den Schutz der Persönlichkeit und der Grundrechte von Personen, über die Daten bearbeitet werden». Datenschutz ist demnach (auch) Grundrechtsschutz. Nach schweizerischer Lehre und Praxis bedürfen Eingriffe in die Grundrechte beziehungsweise Einschränkungen von Grundrechten unter anderem einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage. Schwere Eingriffe müssen in einem formellen Gesetz beziehungsweise - wie es nunmehr der Verfassungsentwurf vom Juni 1995 (E95-BV) sagt - «im Gesetz selbst» vorgesehen sein (vgl. Art. 30 Abs. 2 E95-BV, sowie zum Ganzen: Müller Jörg Paul, Kommentar BV, Basel/Zürich/Bern 1987, Einleitung zu den Grundrechten, S. 33 ff.). Schwere Eingriffe sind solche, die die Ausübung wesentlicher aus dem Grundrecht fliessender Befugnisse erheblich erschweren oder gar verunmöglichen. Als schwere Eingriffe in Grundrechte bezeichnete die schweizerische Lehre schon vor Inkrafttreten des DSG auch gewisse Datenbearbeitungen, so etwa intensive Datenbearbeitungen im Polizeibereich namentlich mit elektronischen Mitteln (vgl. Reinhard Hans, Allgemeines Polizeirecht, Bern/Stuttgart/Wien 1993, S. 224, sowie Kommentar zum Schweizerischen Datenschutzgesetz [im folgenden: Komm-DSG], Basel und Frankfurt am Main 1995, Rz. 16 zu Art. 17).
Der Verfassungsentwurf vom Juni 1995 hebt - ähnlich wie verschiedene ausländische Verfassungen - den Datenschutz nunmehr ausdrücklich auf Verfassungsstufe (vgl. Art. 10 Abs. 3 E95-BV).
1.2. Eine gesetzliche Grundlage, welche Grundrechtseingriffe gestattet, muss hinreichend bestimmt sein. Schon vor Erlass des DSG wurde namentlich bei Datenbearbeitungen im Polizeibereich, die schwere Grundrechtseingriffe darstellen können, gefordert, dass der Zweck der Bearbeitung, die verwendeten Mittel, der Kreis der betroffenen Personen, die bearbeiteten Daten, die Informationsweitergabe und der Schutz vor Missbräuchen mit hinreichender Bestimmtheit zu regeln seien (vgl. Oberholzer Niklaus, Datenschutz und Polizei, Festschrift Mario M. Pedrazzini, Bern 1990, S. 427 ff., insbesondere S. 436). In internationalen Abkommen sowie in ausländischen und schweizerischen Erlassen mit bereichsspezifischen Datenschutzvorschriften werden zudem neben den genannten Elementen regelmässig die zu einer bestimmten Datenbearbeitung ermächtigten Behörden aufgeführt (vgl. für das internationale Recht etwa die Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft [EG] vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern und indirekten Steuern, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 336 vom 27. Dezember 1977, S. 15 sowie das Übereinkommen vom 15. Juni 1990 über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrags, abgedruckt in: Achermann Alberto / Bieber Roland / Epiney Astrid / Wehner Ruth, Schengen und die Folgen, Bern/München/Wien 1995, Anhang 3, S. 243 ff.).
Bei den schweren Grundrechtseingriffen, wie sie nach dem Gesagten auch bei Datenbearbeitungen im Polizeibereich vorkommen können, stellt ebenfalls der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) hohe Anforderungen an die Bestimmtheit und Detailliertheit des Erlaubnissatzes, welcher sich soweit möglich auch zu den Grenzen des Eingriffs und zum Schutz der betroffenen Personen zu äussern hat (vgl. Haefliger Arthur, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, Bern 1993, S. 45 ff., insbesondere S. 48). Dass nach EMRK ein Rechtssatz im materiellen Sinn genügt, ist auf die besondere Situation der Vertragsstaaten mit «common law»-Tradition zurückzuführen und berührt die eingangs dargestellte schweizerische (und im wesentlichen auch kontinentaleuropäische) Rechtsauffassung nicht, nach welcher schwere Grundrechtseingriffe einer demokratisch abgestützten, formellgesetzlichen Grundlage bedürfen. Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass nach europäischer wie nach schweizerischer Rechtsauffassung der Sinn des Legalitätsprinzips darin liegt, «dass der Bürger sein Verhalten entsprechend der allgemeinen Ordnung einrichten kann und dass bei Eingriffen in Freiheitsrechte unter Umständen besondere Anforderungen an die Präzision der Rechtssätze gestellt werden» (vgl. Haefliger, a. a. O., S. 76; Komm-DSG, Rz. 11 zu Art. 17 sowie statt vieler bereits BGE 103 Ia 369 ff. i.S. Wäffler).
2. Die Übernahme dieser Konzeption beim Bundesgesetz über den Datenschutz
2.1. Wie bereits erwähnt, bezweckt das DSG nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Art. 1 «den Schutz der Persönlichkeit und der Grundrechte von Personen, über die Daten bearbeitet werden». Allgemein schreibt es dabei soweit hier interessierend vor, dass Datenbearbeitungen verhältnismässig sein müssen und dass die Daten nur zu dem Zweck bearbeitet werden dürfen, der bei der Beschaffung angegeben wurde, aus den Umständen ersichtlich oder gesetzlich vorgesehen ist (Art. 4 Abs. 2 und 3 DSG). Organe des Bundes dürfen Personendaten nur bearbeiten, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage besteht. Besonders schützenswerte Personendaten sowie Persönlichkeitsprofile dürfen sie nur bearbeiten, wenn ein formelles Gesetz es vorsieht. Ausnahmsweise (das heisst in einzelnen Fällen) dürfen sie solche Daten auch ohne ausdrückliche Erwähnung in einem formellen Gesetz bearbeiten, wenn es für eine in einem formellen Gesetz klar umschriebene Aufgabe unentbehrlich ist, der Bundesrat es bewilligt, weil die Rechte der betroffenen Personen nicht gefährdet sind oder die betroffene Person im Einzelfall eingewilligt oder ihre Daten allgemein zugänglich gemacht hat (Art. 17 Abs. 1 und 2 DSG). Das gilt auch für die Bekanntgabe von Personendaten. Doch dürfen Bundesorgane Personendaten in jedem Fall nur dann durch ein Abrufverfahren zugänglich machen, wenn dies ausdrücklich vorgesehen ist. Besonders schützenswerte Personendaten sowie Persönlichkeitsprofile dürfen nur durch ein Abrufverfahren zugänglich gemacht werden, wenn ein formelles Gesetz es ausdrücklich vorsieht (Art. 19 Abs. 1 und 3 DSG). Das DSG umschreibt sodann in Art. 3 Bst. c und d die wichtigen Begriffe «besonders schützenswerte Personendaten» und «Persönlichkeitsprofil».
Daraus ist ersichtlich, dass sich der Gesetzgeber auch beim Erlass des DSG eng an die verfassungsrechtlichen Vorgaben angelehnt und diese für den Bereich des Datenschutzes folgerichtig konkretisiert hat. Wie erwähnt, hat er für schwere Grundrechtseingriffe, welche die Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten und von Persönlichkeitsprofilen wie auch deren Weitergabe durch ein Abrufverfahren darstellen, die ausdrückliche Erlaubnis in einem formellen Gesetz verlangt.
2.2. Zugleich mit dem DSG hat der Gesetzgeber bereichsspezifische Datenschutzbestimmungen in anderen Erlassen, namentlich im Schweizerischen Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (StGB, SR 311.0) und im BG vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege (BStP, SR 312.0) geschaffen. Aus der Entstehungsgeschichte des DSG ergibt sich, dass es hier um eigentliche Ergänzungen des DSG ging, welche aus der Ratsmitte für den Bereich der Strafverfolgung gefordert wurden und vorab aus gesetzgebungstechnischen Gründen nicht ins DSG selber aufgenommen wurden (vgl. hierzu und zum folgenden: Komm-DSG, Entstehungsgeschichte DSG, Rz. 39 ff.). Hierbei hat der Gesetzgeber zugleich mit dem DSG wichtige Vorschriften über die Datenbearbeitung namentlich unter Einsatz umfangreicher EDV-Mittel im StGB und im BStP erlassen. Insofern lässt sich sagen, er habe die von ihm im DSG aufgestellten Anforderungen an eine hinreichende gesetzliche Grundlage für bestimmte intensive Formen der Datenbearbeitung im Polizeibereich gleich selber konkretisiert.
2.3. Der im vorliegenden Zusammenhang besonders interessierende «RIPOL-Artikel» (Art. 351bis) des StGB lautet wie folgt:
«1 Der Bund führt zusammen mit den Kantonen ein automatisiertes Personen- und Sachfahndungssystem (RIPOL) zur Unterstützung von Behörden des Bundes und der Kantone bei der Erfüllung folgender gesetzlicher Aufgaben:
a. Verhaftung von Personen oder Ermittlung ihres Aufenthaltes zu Zwecken der Strafuntersuchung oder des Straf- und Massnahmenvollzuges;
b. Anhaltung bei vormundschaftlichen Massnahmen oder fürsorgerischer Freiheitsentziehung;
c. Ermittlung des Aufenthaltes vermisster Personen;
d. Kontrolle von Fernhaltemassnahmen gegenüber Ausländern nach dem Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer;
e. Bekanntgabe von Aberkennungen ausländischer Führerausweise;
f. Ermittlung des Aufenthaltes von Führern von Motorfahrzeugen ohne Versicherungsschutz;
g. Fahndungen nach abhandengekommenen Fahrzeugen und Gegenständen.
2 Folgende Behörden können im Rahmen von Abs. 1 über das RIPOL Ausschreibungen verbreiten:
a. das Bundesamt für Polizeiwesen;
b. die Bundesanwaltschaft;
c. die Zentralbehörde zur Behandlung internationaler Kindesentführungen;
d. das Bundesamt für Ausländerfragen;
e. das Bundesamt für Flüchtlinge;
f. die Oberzolldirektion;
g. die Militärjustizbehörden;
h. die Zivil- und Polizeibehörden der Kantone.
3 Personendaten aus dem RIPOL können für die Erfüllung der Aufgaben nach Absatz 1 folgenden Behörden bekanntgegeben werden:
a. den Behörden nach Abs. 2;
b. den Grenzstellen;
c. dem Beschwerdedienst des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements;
d. den schweizerischen Vertretungen im Ausland;
e. den Interpolstellen;
f. den Strassenverkehrsämtern;
g. den kantonalen Fremdenpolizeibehörden;
h. weiteren Justiz- und Verwaltungsbehörden.
4 Der Bundesrat:
a. regelt die Einzelheiten, insbesondere die Verantwortung für die Datenbearbeitung, die Kategorien der zu erfassenden Daten, die Aufbewahrungsdauer der Daten und die Zusammenarbeit mit den Kantonen;
b. bestimmt die Behörden, welche Personendaten direkt ins RIPOL eingeben, solche direkt abfragen oder denen Personendaten im Einzelfall bekanntgegeben werden können;
c. regelt die Verfahrensrechte der betroffenen Personen, insbesondere die Einsicht in ihre Daten sowie deren Berichtigung, Archivierung und Vernichtung.»
Aus diesem Beispiel wird ersichtlich, dass der Gesetzgeber auch bei komplexen Datenbearbeitungen, wie sie namentlich beim Einsatz grosser und verzweigter EDV-Systeme vorkommen können, an den vom ihm aufgestellten Grundsätzen festgehalten und - im Interesse einer minimalen Transparenz - einen gewissen gesetzgeberischen Aufwand nicht gescheut hat. Eine summarische Analyse der wiedergegebenen Bestimmung zeigt, dass mit Art. 351bis StGB in einem formellen Gesetz neben den verschiedenen Datenbearbeitungszwecken auch der Umfang der Datenbearbeitungen, die zur Datenbearbeitung ermächtigten Behörden, die Art und Weise der Datenbearbeitungen sowie der Schutz der betroffenen Personen zum Teil recht detailliert umschrieben worden sind.
Am genannten Beispiel fällt besonders auf, dass der Behördenorganisation vergleichsweise grosse Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Das erstaunt nicht. Weil grundsätzlich jede Behörde eigene Aufgaben und gesetzliche Zwecke zu erfüllen hat, stehen die Zugriffe vieler Behörden auf ein- und dieselbe Datensammlung in einem gewissen Spannungsverhältnis zum zentralen datenschutzrechtlichen Gebot der Zweckbindung (vgl. hierzu vorne Ziff. 2.1). Dieser Umstand legt in solchen Fällen die Aufnahme ausdrücklicher Erlaubnissätze in das Gesetz nahe, was leider nicht immer richtig erkannt wird (vgl. hierzu Komm-DSG, Rz. 32 zu Art. 19).
2.4. Im Sinne eines Zwischenergebnisses lässt sich daher sagen, dass das DSG namentlich die Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten sowie von Persönlichkeitsprofilen als schwere Eingriffe in die Persönlichkeit und Grundrechte der betroffenen Personen einstuft und hierfür (abgesehen von den genannten Ausnahmen für gewisse Einzelfälle) die Erlaubnis in einem formellen Gesetz verlangt. Der Erlaubnissatz hat regelmässig den Zweck und den Umfang der Datenbearbeitung und damit in Zusammenhang auch umfangreiche und namentlich zu gewissen Formen der Datenweitergabe (Abrufverfahren) verwendete Mittel sowie den Schutz der betroffenen Personen hinreichend klar zu umschreiben. Der geforderte Detaillierungsgrad und allenfalls weitere zu regelnde Elemente sind von Fall zu Fall den Erfordernissen eines bestimmten Regelungsgegenstandes anzupassen. Namentlich im Polizeibereich sind nach dem eingangs Gesagten hohe Anforderungen an die gesetzliche Grundlage zu stellen.
3. Folgerungen für den Gesetzgeber
3.1. Für den Gesetzgeber bedeutet dies, dass ihm die über die zu regelnden Datenbearbeitungen nötigen Informationen rechtzeitig vorliegen müssen. Mit anderen Worten: Es muss ihm eine Aufgabenanalyse vorliegen, aus welcher hervorgeht, welche Behörden zur Erfüllung welcher Aufgaben auf welche Daten greifen sollen, und welche Schutzvorkehren dabei angezeigt sind. Gestützt hierauf kann er erst die erforderlichen Wertungen vornehmen und entscheiden, ob diese Datenbearbeitungen notwendig beziehungsweise verhältnismässig sind, ob ihnen keine höherrangigen Interessen entgegenstehen und ob ein angemessener Schutz möglich ist. Erweist sich die anlässlich der Aufgabenanalyse im umschriebenen Sinn getroffene Zugriffsregelung als richtig, lässt sich abschätzen, ob und gegebenenfalls in welcher Form und in welchem Umfang ein gesetzlicher Regelungsbedarf besteht (vgl. hierzu auch Komm-DSG, Rz. 20 zu Art. 19).
3.2. Je nach Art und Umfang der Datenbearbeitungen lassen sich folgende häufige Problembereiche beziehungsweise Regelungsgegenstände ausmachen:
• Allgemein gilt: Werden besonders schützenswerte Personendaten oder Persönlichkeitsprofile regelmässig bearbeitet, muss dies in einem formellen Gesetz gesagt werden. Dabei müssen Zweck und Umfang der Datenbearbeitung, allenfalls die dabei verwendeten Mittel sowie die zur Bearbeitung befugte(n) Behörde(n) hinreichend bestimmt sein. Mit Blick auf die anstehende Verwaltungsreorganisation erscheint es als ratsam, nach Möglichkeit aufgabenspezifische Behördenbezeichnungen zu wählen, soweit dadurch das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit von Erlassen nicht verletzt wird.
• Sollen unter verschiedenen Behörden und zu verschiedenen Bearbeitungszwekken regelmässig Personendaten, namentlich besonders schützenswerte Personendaten oder Persönlichkeitsprofile, ausgetauscht werden, muss dies im formellen Gesetz ausdrücklich gesagt sein. Erhalten einzelne Behörden im Abrufverfahren Zugriff auf diese Daten, muss auch dieser Umstand ausdrücklich erwähnt und die ermächtigte Behörde genannt werden. Erfolgt der Austausch regelmässig mit Behörden des Auslandes, muss dies ebenfalls ausdrücklich geregelt werden.
• Wird in diesem Zusammenhang ein grosses und verzweigtes EDV-System («verwendete Mittel») bei der Datenbearbeitung eingesetzt, in welchem in erheblichem Umfang und von verschiedenen Behörden Personendaten, namentlich besonders schützenswerte Personendaten oder Persönlichkeitsprofile bearbeitet werden, muss dies - wie dargelegt - ebenfalls im formellen Gesetz ausdrücklich gesagt sein.
• Erweisen sich gewisse Grundrechtseingriffe nur zusammen mit konkreten, bereichsspezifischen Schutzauflagen als grundrechtskonform, sind auch diese Schutzauflagen beziehungsweise die Grenzen der vorgesehenen Eingriffe formellgesetzlich zu regeln. Beispiele solcher Vorschriften stellen die Bestimmungen über die Massnahmen der Personenüberwachung mit technischen Mitteln und deren Begrenzung beziehungsweise Kontrolle im BStP dar (vgl. Art. 65 ff. BStP) oder die Bestimmungen über den Schutz der Daten unbeteiligter Dritter bei Personenabfragen aus dem Zentralen Ausländerregister zu Identifikationszwecken bei der Strafverfolgung (vgl. heute: Art. 7 Abs. 3 ZAR-Verordnung, SR 142.215, sowie Art. 22e Abs. 2 des Entwurfs gemäss der bundesrätlichen Botschaft vom 4. Dezember 1995 zum revidierten BG vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [ANAG], SR 142.20, BBl 1996 II 1 ff., insb. 179). Diese Aufzählung ist nicht abschliessend. Ob und in welchem Umfang beispielsweise Delegationen angezeigt sind, hängt stark von den Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstandes ab. Ebensowenig soll mit den vorliegenden Ausführungen eine bestimmte zu wählende Systematik oder Gesetzessprache als «verbindlich» erklärt werden.
4. Übergangsrecht
Nach Art. 38 Abs. 3 DSG dürfen Bundesorgane eine bestehende Datensammlung mit besonders schützenswerten Personendaten oder mit Persönlichkeitsprofilen noch während fünf Jahren nach Inkrafttreten des DSG benützen, ohne dass die Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 2 DSG (formellgesetzliche Grundlage) erfüllt sind.
Sollen die umschriebenen Datensammlungen nach dem 30. Juni 1998 weiter benutzt werden, sind die allenfalls noch fehlenden formellgesetzlichen Grundlagen spätestens bis zu diesem Zeitpunkt zu erlassen beziehungsweise sind bestehende Rechtsgrundlagen den neuen Anforderungen des DSG anzupassen. Dabei empfiehlt es sich, nach dem unter Ziff. 3.1. hiervor beschriebenen Verfahren vorzugehen (Durchführung einer vorgängigen verwaltungsinternen Aufgabenanalyse). Gemäss Art. 31 Abs. 1 DSG berät und unterstützt der EDSB hierbei die Organe des Bundes, und er nimmt auch zu ihren Datenschutzvorlagen Stellung.
Sollen neue Datensammlungen mit besonders schützenswerten Personendaten oder mit Persönlichkeitsprofilen angelegt werden, müssen die erforderlichen formellgesetzlichen Grundlagen spätestens zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme vorliegen. Ein Zuwarten bis zum 30. Juni 1998 wäre in diesen Fällen nicht statthaft.
Als neue Datensammlungen im umschriebenen Sinn gelten auch bestehende Datensammlungen, wenn sie erheblich erweitert oder in erheblichem Umfang mit neuen technischen Mitteln ausgestattet werden, so dass vom Umfang und von der Intensität der Datenbearbeitung her gesehen eine wesentliche Änderung gegenüber der bisherigen Datenbearbeitung vorliegt. Anders entscheiden hiesse, auf unzulässige Weise die Vorschrift von Art. 38 Abs. 3 DSG zu unterlaufen. Als rechtserheblicher Umstand, der auf eine wesentliche Erweiterung hindeutet, ist neben den bereits erwähnten Indizien auch die Neueinrichtung eines Abrufverfahrens anzusehen, namentlich wenn damit erhebliche Datenmengen zu einem anderen als dem Beschaffungszweck einer Behörde zugänglich gemacht werden, bei welcher aus objektiver Sicht intensive Datenbearbeitungen zu erwarten sind.
III. Beantwortung der gestellten Fragen
1. Eine formellgesetzliche Grundlage ist gemäss DSG für die Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten und von Persönlichkeitsprofilen durch Bundesorgane erforderlich. Sollen solche Daten in einem Abrufverfahren zugänglich gemacht werden, ist dies ebenfalls ausdrücklich in einem formellen Gesetz zu regeln. Sollen solche Daten regelmässig durch Bundesorgane ins Ausland übermittelt werden, ist auch hierfür eine formellgesetzliche Grundlage zu schaffen.
2. Die gemäss Ziff. 1 hiervor erforderliche formellgesetzliche Grundlage hat mit hinreichender Bestimmtheit Zweck und Umfang der Datenbearbeitung, umfangreiche dabei verwendete Mittel, die zur Datenbearbeitung befugte(n) Behörde(n) sowie den Schutz der betroffenen Personen und gegebenenfalls die Grenzen und Kontrollen bei der Datenbearbeitung zu regeln.
3. Für bestehende Datensammlungen mit besonders schützenswerten Personendaten und mit Persönlichkeitsprofilen sind bis zum 30. Juni 1998 Rechtsgrundlagen im Sinne von Ziff. 1 und 2 hiervor zu schaffen. Für neue Datensammlungen der genannten Art sind die Rechtsgrundlagen spätestens bis zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme zu schaffen. Das Gleiche gilt für die Änderung bestehender Datensammlungen, wenn dadurch hinsichtlich Art, Umfang und Intensität neue Datenbearbeitungen bewirkt werden, die im Ergebnis einer Neueinrichtung der Datensammlung gleichkommen, insbesondere aber wenn neue Abrufverfahren eingerichtet werden.
Dokumente des EDSB