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 Bund Verwaltungspraxis der Bundesbehörden

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VPB 61.88A

(Auszug aus einem Entscheid des Einzelrichters der II. Abteilung der Rekurskommission EMD vom 16. März 1994)


Regeste Deutsch
Résumé Français
Regesto Italiano
Sachverhalt
(Zusammenfassung des Sachverhalts:)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Erwägung 4.3
Erwägung 5
Erwägung 6.1
Erwägung 6.2
Erwägung 7

Art. 25 und 26 MO. Regressforderung des Bundes gegen einen Angehörigen der Armee nach Verkehrsunfall.

Grobfahrlässigkeit bejaht beim Rückwärtsfahren mit Lastwagen ohne Beizug der Beifahrer und/oder der auf der Ladebrücke sitzenden Kameraden. Kein Regress auf Mitfahrer; der Fahrzeugführer trägt die volle Verantwortung.


Art. 25 et 26 OM. Action récursoire de la Confédération contre un militaire après un accident de la circulation.

Négligence grave admise lors d'une marche arrière imposée à un camion sans recourir à l'aide des passagers et/ou des camarades assis sur le pont de chargement. Aucune action récursoire contre les passagers; le conducteur assume l'entière responsabilité.


Art. 25 e 26 OM. Regresso della Confederazione contro un militare in caso di incidente della circolazione.

Ammessa la negligenza grave in occasione di una retromarcia imposta a un autocarro senza ricorrere all'aiuto dei passeggeri e/o dei camerati seduti sul ponte di carico. Nessun regresso contro i passeggeri; il conducente assume l'intera responsabilità.




Zusammenfassung des Sachverhalts:

Der Rekurrent fuhr mit dem ihm als Motorfahrer anvertrauten Lastwagen Saurer 6 DM auf einer Hauptstrasse innerorts rückwärts. Obwohl er zwei Beifahrer neben sich hatte und weitere Kameraden auf der Ladebrücke sassen, zog er keine Hilfsperson bei. So kollidierte er mit einem hinter ihm haltenden PW. Der angerichtete Drittschaden betrug Fr. 11 300.-. Die Regressforderung wurde von der ersten Instanz auf Fr. 600.- (ca. 5%) festgesetzt. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies die Rekurskommission EMD ab.

Aus den Erwägungen:

(...)

4.3. Der Beschwerdeführer will lediglich den gegen ihn erhobenen Vorwurf grobfahrlässigen Handelns - und damit die Voraussetzung zur Regressnahme - nicht gelten lassen. Zudem macht er Mitverschulden seiner Mitfahrer und des zivilen Automobilisten geltend.

5. Grobfahrlässig im Sinne von Art. 25 und 26 des Bundesgesetzes vom 12. April 1907 über die Militärorganisation (MO[42]) handelt, wer elementare Vorsichtsgebote verletzt, die jeder verständige Mensch in der gleichen Lage und unter den gleichen Umständen beachten würde (BGE 108 II 424 E. 2 mit Hinweisen). Dabei sind auch die besonderen Umstände des militärischen Einsatzes - ungewöhnliche Risiken, Entscheidungsdruck - zu berücksichtigen. Ein Abweichen vom zivilrechtlichen Begriff der Grobfahrlässigkeit ist nach konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung auch von der Sache her nicht erforderlich (BGE 111 Ib 197; VPB 59.7A E. 4).

6.1. Vorab ist festzuhalten, dass der Begriff der groben Fahrlässigkeit nicht identisch ist mit dem der groben Verletzung von Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958 (SVG, SR 741.01), weshalb aus dem Umstand, dass ein Fahrer wegen einer groben (oder leichten) Verletzung von Verkehrsregeln belangt wurde, nicht zwingend folgt, dass auch eine grobe (oder eine leichte) Fahrlässigkeit vorliegt (VPB 59.7A E. 5.1).

6.2. Die Rekurskommission ist sodann gemäss ständiger Rechtsprechung auch nicht an ein strafrechtliches oder disziplinarisches Erkenntnis gebunden (VPB 52.43, S. 256 unten; 59.7A E. 5.1).

7. Der seinen letzten Wiederholungskurs absolvierende, als Motorfahrer bewährte, Beschwerdeführer leitete unbestrittenermassen auf einer Hauptstrasse ein Rückwärtsfahrmanöver ein, ohne die vorgeschriebene Hilfsperson beizuziehen und verursachte so den Schaden. Mit seinem Verhalten hat er klar gegen Art. 36 Abs. 4 SVG und gegen Art. 17 Abs. 1 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV, SR 741.11) verstossen. Art. 36 Abs. 4 SVG schreibt vor, dass der Führer, der sein Fahrzeug in den Verkehr einfügen, wenden oder rückwärts fahren will, andere Strassenbenützer nicht behindern dürfe. Gemäss Art. 17 Abs. 1 VRV ist bei Fahrzeugen mit beschränkter Sicht nach hinten - und um ein solches handelt es sich beim involvierten schweren Lastwagen Saurer 6 DM - zum Rückwärtsfahren eine Hilfsperson beizuziehen, wenn nicht jede Gefahr ausgeschlossen werden kann. Es bedarf keiner langen Erläuterungen, dass das als notorisch gefährliche und unfallträchtige Manöver des Rückwärtsfahrens, speziell auf einer Hauptstrasse und mit einem schweren Lastwagen, stets eine erhebliche Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellt. Der Beschwerdeführer hätte, um Art. 17 Abs. 1 VRV zu genügen, diskussionslos eine Hilfsperson einsetzen müssen. Dass er dies nicht getan hat, ist um so unverständlicher, als er von vier Kameraden begleitet war, wovon zwei auf der Beifahrerbank und zwei auf der Ladebrücke sassen. Es wäre somit ein Leichtes gewesen, seiner elementaren Pflicht nachzukommen.

Klar zu verwerfen ist das Vorbringen des Beschwerdeführers, es wäre auch auf seine Mitfahrer zu regressieren, denn jeder Mitfahrer hätte ohne grosse Aufforderung aussteigen und das Rückwärtsfahrmanöver überwachen müssen. Der Beschwerdeführer verkennt, dass er als Fahrzeugführer die volle Verantwortung für alle seine Fahrmanöver zu tragen hat. Es wäre an ihm gelegen, einen seiner Beifahrer als Hilfsperson zu bestimmen. Indem er dies unterlassen hat, hat er das ausser Acht gelassen, was jedem verständigen Menschen in derselben Lage und unter den gleichen Umständen hätte einleuchten müssen. Mithin hat er grobfahrlässig im Sinne der Rechtsprechung gehandelt.

Offenbar hat der Beschwerdeführer es aber nicht nur unterlassen, einen Beifahrer als Hilfsperson zu bestimmen, sondern auch die auf der Ladebrücke sich befindlichen Kameraden nicht hilfsweise eingesetzt. Dass er auch dies nicht getan hat und stattdessen auf's Geratewohl rückwärts gefahren ist, ohne den Gefahrenbereich hinter seinem Lastwagen einsehen zu können, gereicht ihm zum weiteren Verschulden.

Es ergibt sich zusammengefasst, dass Grobfahrlässigkeit im Sinne der Rechtsprechung im vorliegenden Fall zu bejahen ist. Der Beschwerdeführer hat durch sein Verhalten eine erhebliche Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer leichtfertig in Kauf genommen. Sein Vorbringen, der Lenker des zivilen Fahrzeugs habe sich auch schuldig gemacht, indem er zu nahe aufgefahren sei, ist als untaugliche Schutzbehauptung zu qualifizieren. Wer rückwärts fährt hat sich zu vergewissern, dass er dabei keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet.


[42] AS 1968 73. Diesen Bestimmungen entspricht Art. 139 MG, vgl. Fussnote 1, S. 831.



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