VPB 61.88C
(Auszug aus einem Entscheid des Einzelrichters der II. Abteilung der Rekurskommission EMD vom 18. März 1994)
Regeste Deutsch
Résumé Français
Regesto Italiano
Sachverhalt
Erwägungen
Art. 25 und 26 MO. Regressforderung des Bundes gegen einen Angehörigen der Armee nach Verkehrsunfall.
Grobfahrlässigkeit bejaht bei riskantem Überholmanöver mit Motorrad. Kriterien zur Berechnung der Höhe der Regressforderung.
Art. 25 et 26 OM. Action récursoire de la Confédération contre un militaire après un accident de la circulation.
Négligence grave admise lors d'une manoeuvre risquée de dépassement en moto. Critères de calcul du montant de la créance récursoire.
Art. 25 e 26 OM. Regresso della Confederazione contro un militare in caso di incidente della circolazione.
Ammessa la negligenza grave in occasione di una manovra di sorpasso azzardata con una moto. Criteri per il calcolo dell'importo del credito di regresso.
Zusammenfassung des Sachverhalts:
Der als Motorradfahrer Dienst leistende Rekurrent setzte ausgangs einer unübersichtlichen Linkskurve auf einer Passtrasse zum Überholen eines vor ihm fahrenden Lastwagens an. Dabei übersah er einen entgegenkommenden PW und fuhr - trotz versuchten Abbruchs des Überholmanövers - in dessen linke Seite und kam zu Fall, wobei er sich schwere Verletzungen zuzog. Durch den Unfall entstand ein Bundesschaden von ungefähr Fr. 400.- und Drittschaden von ungefähr Fr. 3600.-. Das Bundesamt für Transporttruppen warf dem Rekurrenten grobfahrlässiges Verhalten vor und verpflichtete ihn zur Bezahlung von 20% des Schadens, entsprechend Fr. 870.-.Eine dagegen erhobene Beschwerde hiess die Rekurskommission teilweise gut.
Aus den Erwägungen:
1.-3. (...)
4.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er den entstandenen Schaden verursacht hat. Es ist auch unbestreitbar, dass zwischen seinem Verhalten (riskantes Überholmanöver) und dem eingetretenen Schaden ein adäquater Kausalzusammenhang besteht, d. h. dass sein Verhalten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet war, den eingetretenen Erfolg als durch die fragliche Ursache begünstigt erscheinen zu lassen (Karl Oftinger, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. I., Zürich 1975, S. 57 f.).
4.2. Unbestritten geblieben ist insbesondere auch, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft als Eigentümerin und Halterin des Motorrades A350 Condor aufgrund der einschlägigen Haftpflichtbestimmungen verpflichtet war, den vom Beschwerdeführer verursachten Schaden primär zu decken.
4.3. Der Beschwerdeführer räumt auch ein, mit der Argumentation der Vorinstanz über sein Verschulden «prinzipiell» einverstanden zu sein.
Mit der·Vorinstanz ist seine Einschränkung, es sei nicht leicht, von wendigen und schnellen privaten Motorrädern auf die schwerfälligen militärischen Motorräder umzustellen, zu verwerfen. Der Unfall ereignete sich in der letzten Woche des Wiederholungskurses. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Unfallzeitpunkt über ausreichende Fahrpraxis mit seinem Militärmotorrad verfügt hat. Zudem ist zu vermerken, dass nicht die mangelnde Wendigkeit oder Schnelligkeit ausschlaggebend war, sondern die Tatsache, dass er zum Überholen ansetzte, bevor er den für das Überholen nötigen Raum überblicken konnte. Mit anderen Worten leitete er eines der gefährlichsten Manöver im Strassenverkehr «auf's Geratewohl» ein. Darin liegt sein gravierendes Verschulden, welches nach der Rechtsprechung der Rekurskommission und des Bundesgerichtes (BGE 105 IV 338) den Vorwurf der Grobfahrlässigkeit begründet.
Richtig ist des weiteren, dass ein Entscheid über den Abbruch eines Überholmanövers in Sekundenbruchteilen gefällt, werden muss, wie der Beschwerdeführer ausführt. Dem ist jedoch zu entgegnen, dass ein Entscheid über den Abbruch eines Überholmanövers regelmässig nur dann gefällt werden muss, wenn der Entschluss, das Überholmanöver einzuleiten, fehlerhaft war, sei es, weil der vom Gesetz vorgeschriebene nötige und übersichtliche Raum nicht vorhanden bzw. falsch eingeschätzt wurde (Art. 35 Abs. 2 des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958 [SVG], SR 741.01) oder weil gegen die weiteren in Art. 35 SVG vorgesehenen Vorschriften verstossen wurde.
Zusammengefasst kann dem Beschwerdeführer der bereits von der Vorinstanz erhobene und zutreffend begründete Vorwurf der Verletzung elementarster Vorsichtsgebote auch von Seiten der Rekurskommission nicht erspart werden.
5.1. Der Beschwerdeführer ficht weiter die Höhe des verfügten Regresses an, indem er auf seine prekäre finanzielle Situation und den Umstand, dass er bei diesem Unfall selber schwer verletzt worden ist, hinweist.
5.2. Nach Art. 27 des Bundesgesetzes vom 12. April 1907 über die Militärorganisation (MO[44]) hat der Richter bei der Festsetzung der Haftungssumme die Bestimmungen von Art. 43 Abs. 1 und Art. 44 Abs. 1 OR sinngemäss anzuwenden. Massgebend sind deshalb neben der Art des Dienstes, der mi1itärischen Führung und den finanziellen Verhältnissen auch die sonstigen Umstände des Falles sowie das Verschulden (BGE 111 Ib 199 E. 5). Der Richter wird damit auf sein Ermessen verwiesen das er pflichtgemäss, unter Würdigung und Gewichtung aller massgeblichen Faktoren, zu betätigen hat.
Ausgangspunkt der Festsetzung des Rückgriffsanspruches des Bundes bildet das den Schädiger treffende Verschulden. Hat er vorsätzlich gehandelt, so wird regelmässig voller Ersatz angezeigt sein. In den übrigen Fällen bemisst sich die Regressforderung primär nach dem Grad der groben Fahrlässigkeit, wobei jedoch die weiteren zu berücksichtigenden Faktoren das Resultat entscheidend zu beeinflussen vermögen.
5.3. Wendet man die beschriebenen Kriterien auf den vorliegenden Fall an, so ist das Zusammenspiel von langsamem Vorderfahrzeug (Sattelschlepper), kurvenreicher Passstrasse mit starkem Gefälle (10%) wenig beschleunigungsstarkem Militärmotorrad und persönlicher Ungeduld des Beschwerdeführers (nach eigenen Angaben hatte er schon zuvor versucht, den Sattelschlepper zu überholen zu berücksichtigen. Alle diese Momente haben zum schweren Fahrfehler beigetragen. Zu berücksichtigen ist weiter, dass der Beschwerdeführer die Fehlerhaftigkeit seines gewagten Manövers einsah und - allerdings vergeblich - versuchte, den Überholvorgang abzubrechen. Gesamthaft kann daher von einer Grobfahrlässigkeit im unteren bis mittleren Verschuldensbereich gesprochen werden.
Der Beschwerdeführer befand sich auf einer selbständigen Erkundungsfahrt, ohne jeglichen Zeitdruck. Aus der Art des Dienstes lässt sich daher keinerlei Entlastung herleiten.
Zu Gunsten des Beschwerdeführers ist dagegen seine gute militärische Führung zu berücksichtigen.
Weiter zu berücksichtigen sind die finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers. Nach seinen Ausführungen ist er rezessionsbedingt ohne festes Einkommen und verdient seinen Lebensunterhalt mit freiberuflicher Tätigkeit, welche allerdings durch einen Führerscheinentzug eingeschränkt werde. Obwohl der Beschwerdeführer diese Behauptung weder substanziert noch belegt, kann von Weiterungen abgesehen werden. Nachgewiesen ist nämlich, dass die Militärversicherung von einem Jahreseinkommen von lediglich Fr. 39 000.- ausging. Damit ist rechtsgenügend erstellt, dass der Beschwerdeführer in bescheidenen finanziellen Verhältnissen lebt. Auch dieser Umstand ist angemessen zu berücksichtigen.
Schliesslich ist zu erwägen, dass der Beschwerdeführer durch sein Fehlverhalten bereits einschneidende persönliche Nachteile auf sich nehmen musste. Er wurde beim Unfall schwer verletzt, indem er eine Milzverletzung mit innerer Blutung, welche eine monatelange Rekonvaleszenz nach sich zog, erlitt.
5.4. Zusammengefasst erscheint die von der Vorinstanz angeodnete Rückgriffsquote von 20% des Gesamtschadens als überhöht. Es rechtfertigt sich, die Regressquote auf 10% herabzusetzen. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde ist der Beschwerdeführer demgemäss zu verpflichten, der Schweizerischen Eidgenossenschaft den Betrag von Fr. 435.50 zu bezahlen.
[44] AS 1968 74. Vgl. Fussnote 1, S. 831.
Dokumente der Rekurskommission VBS