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 Bund Verwaltungspraxis der Bundesbehörden

bund/vpb/61-89-A.html 

VPB 61.89A

(Auszug aus einem Entscheid des Einzelrichters der II. Abteilung der Rekurskommission EMD vom 8. Juli 1993; dieser Entscheid wurde durch Urteil des Bundesgerichts bestätigt, vgl. VPB 61.89 B)


Regeste Deutsch
Résumé Français
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Sachverhalt
(Zusammenfassung des Sachverhalts:)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Erwägung 4
Erwägung 5
Erwägung 6
Erwägung 7
Erwägung 8
Erwägung 9
Erwägung 10

Art. 26bis und 27 MO. Verantwortlichkeit der Formationen für das ihnen übergebene Material.

Beschwerdelegitimation des Kommandanten einer aufgelösten Formation einer Rekrutenschule? (Frage offen gelassen).


Art. 26bis et 27 OM. Responsabilité des formations pour le matériel qui leur est confié.

Qualité pour recourir du commandant d'une formation d'école de recrues dissoute? (question laissée ouverte).


Art. 26bis e 27 OM. Responsabilità delle formazioni per il materiale loro affidato.

Legittimazione a ricorrere del comandante di una formazione di una scuola reclute ormai sciolta? (Questione lasciata aperta).




Zusammenfassung des Sachverhalts:

Am Ende der Rekrutenschule fehlte einer Kompanie diverses Material. Das zuständige +EZ stellte unter anderem für einen fehlenden Feldstecher und zwei Schlafsack-Aussenhüllen Rechnung. Diese Rechnung wurde aus dem Erlös des Kompanie-Abends bezahlt. Nachträglich verlangte der Kommandant der inzwischen aufgelösten Kompanie Rückerstattung von Fr. 647.-. Vor allem hielt er den für das verlorene Material verrechneten (Etat-) Preis für überhöht und verlangte, es sei der Berechnung der Zeitwert des fehlenden Materials zu Grunde zu legen. Eine entsprechende Beschwerde wies die Rekurskommission EMD ab.

Aus den Erwägungen:

4. Gemäss Art. 26bis Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 12. April 1907 über die Militärorganisation (MO[45]) sind die «Einheiten und Stäbe für das ihnen übergebene Material (Korps- und Instruktionsmaterial, Munition und Sprengstoff, Verpflegungsmittel, Verbrauchsmaterial usw.) verantwortlich. Sie haften für Verlust und Beschädigung, wenn der einzelne Verantwortliche nicht festgestellt werden kann. Dagegen haften sie nicht, wenn sie nachweisen, dass kein schuldhaftes Verhalten eines ihrer Angehörigen vorliegt. Zur Schadensdeckung kann ein Soldabzug vorgenommen werden.»

Dieser Haftungsgrundsatz wird vom Rekurrenten heute denn auch anerkannt und dieser bestreitet in seiner Rekursschrift sowie in seiner Stellungnahme zur Rekursantwort lediglich die Schadenshöhe.

5. Aus Art. 172 Abs. 1 der Verordnung vom 12. August 1986 über die Verwaltung der Armee (VVA, SR 510.301) ist abzuleiten, dass eine Schule einer Einheit bzw. einem Stab gleichgestellt und zur Einsprache grundsätzlich aktivlegitimiert ist. Es stellt sich allerdings die Frage, ob der Rekurrent als Kommandant der RS Kp zur Einsprache überhaupt berechtigt, bzw. gehörig bevollmächtigt war, da gemäss Art. 172 Abs. 1 VVA eine Schule oder eine Einheit aktivlegitimiert ist. Die Tatsache, dass der Rekurrent weder eine Vollmacht zur Vertretung der Schule beigebracht hat, noch im Namen der Schule auftritt, lässt den Schluss zu, dass die Legitimation zur Einsprache und damit zur Beschwerde fehlt. Die Vorinstanz ist auf die Einsprache eingetreten und hat eine Verfügung auf die RS Kp lautend erlassen.

Im Gegensatz zu seiner Einsprache, wo der Rekurrent als Vertreter der Kompanie aufgetreten ist, tritt er nun in seinem Rekurs in eigenem Namen und im Namen seiner Einheit auf, wobei nicht klar hervorgeht ob nun damit seine heutige Einheit oder die RS-Kompanie gemeint ist.

Sicher ist, dass der heutigen Einheit die Legitimation zu einem Rekurs fehlt. Die Verfügung der Vorinstanz wurde an die RS-Kompanie adressiert, weshalb nur diese zur Rechtsmittelerhebung legitimiert sein konnte, nicht jedoch der Rekurrent persönlich (Art. 48 VwVG). Selbst dann, wenn man davon ausginge, der Rekurrent wäre zur Einsprache gemäss Art. 172 VVA vertretungsberechtigt gewesen und damit zur Vertretung der Interessen der RS-Kompanie auch im Rekurs berechtigt, so ist der Rekurs abzuweisen, und zwar aus den folgenden Gründen:

6. Fraglich ist primär einmal das Interesse der RS-Kompanie an einer Rückvergütung basierend auf der vorliegend vom Rekurrenten geltend gemachten Grundlage. Aus der Tatsache, dass ein Teil der Verluste aus dem Erlös des Batterieabends bezahlt worden ist, lässt sich nichts ableiten. Der Rekurrent wäre dazu nicht verpflichtet gewesen. Allenfalls hätte ein Soldabzug vom Kommandanten der Schule angeordnet werden können (Art. 26bis Abs. 1 MO in Verbindung mit Art. 172 Abs. 4 VVA).

Die Abgeltung der Verluste aus dem Erlös des Batterieabends ist freiwillig und irrtumsfrei erfolgt; gemäss Art. 26bis MO wäre die Kompanie dazu nicht verpflichtet gewesen. Es ist deshalb schwer erkennbar, wo heute das Interesse der heutigen Einheit an einer Feststellung der tatsächlichen Schadenshöhe und einer Rückerstattung einer Differenz überhaupt liegen könnte (Alfred Kölz, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, Zürich 1993, S. 144).

Anders hätte sich die Sache verhalten, wenn der Rekurrent und das einzelne Batteriemitglied mittels Soldabzug tatsächlich belangt worden wären.

7. Selbst dann, wenn man ein solches Interesse an einer Rückvergütung überhaupt annehmen sollte, wäre der Rekurs abzuweisen. Art. 27 Abs. 1 MO verweist bei der Festsetzung der Entschädigung auf die Art. 42, 43 Abs. 1, 44 Abs. 1, 45, 46, 47 OR. Daraus ergibt sich dem Grundsatz nach auch die Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Haftpflichtregeln. Schadensberechnung und Schadensbemessung bestimmen den Umfang der Haftpflicht. Die Schadensberechnung bildet dabei die Grundlage für die Schadensbemessung, welche dann festlegt, welcher Teil des Schadens der Haftpflichtige zu ersetzen hat. Mit der Schadensberechnung wird die zahlenmässige Höhe des Schadens ermittelt (Max Keller / Sonja Gabi-Bolliger Haftpflichtrecht, 2. Aufl., Basel und Frankfurt am Main 1988, S. 72/101).

Dem Gesetz selber sind keine Bestimmungen über die Berechnung von Sachschaden zu entnehmen. Literatur und Judikatur unterscheiden zwischen der objektiven und der subjektiven Berechnungsart (Keller/Gabi, a. a. O., S. 98; Oftinger Karl, Schweizerisches Haftpflichtrecht, I Bd., Allg. Teil, 4. Aufl., Zürich 1975, S. 250/251).

Die konkrete oder subjektive Berechnungsart stellt auf die konkrete Vermögenseinbusse infolge des schädigenden Ereignisses ab (Keller/Gabi, a. a. O., S. 98). Nach dem schweizerischen Recht ist grundsätzlich ein konkreter Schadensnachweis erforderlich und Ausnahmen hievon müssen in einem Spezialgesetz ausdrücklich vorgesehen werden (BGE 89 II 219; Keller/Gabi, a. a. O., S. 101).

Bei der konkreten Berechnungsweise wird nicht vom Verkehrswert der Sache ausgegangen, sondern es ist festzustellen, welchen Schaden der Verlust der Sache dem Geschädigten tatsächlich verursacht hat. Zur Berechnung wurden dabei Regeln aufgestellt, welche bei Verlust und Zerstörung einer Sache zwischen wertbeständigen und nicht wertbeständigen Sachen unterscheiden (Oftinger, a. a. O., S. 252 ff.; Keller/Gabi, a. a. O., S. 99 ff.).

Wertbeständig ist eine Sache dann, wenn diese keiner Wertverminderung durch Abnützung unterliegt. Bei der Schadensberechnung ist der Betrag zugrunde zu legen, der zur Anschaffung einer neuen entsprechenden Sache aufzuwenden wäre.

Dieser Anschaffungswert ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Sache nicht mehr ersetzt wird. Eine Sache ist dann nicht wertbeständig, wenn diese der Wertverminderung durch Abnützung unterliegt. Grundsätzlich ist für die Schadensberechnung der Gebrauchswert, d. h. derjenige Wert massgebend, den die Sache aufgrund des Abnützungszustandes noch hatte.

Dieser Grundsatz gilt jedoch dann nicht, wenn Gegenstände für den Geschädigten wesentlich mehr wert sind, als er bei einem Verkauf dafür lösen könnte, da «sie ihm noch lange wie neue Gegenstände gedient hätten» (Oftinger, a. a. O., S. 253; Keller/Gabi, a. a. O., S. 100).

8. Die 3. Abteilung der Rekurskommission der Eidgenössischen Militärverwaltung hat in einem Entscheid vom 11. Dezember 1947 grundsätzlich festgehalten, dass der Wehrmann für verlorene oder beschädigte Gegenstände nur den wirklichen Wert und nicht unbedingt den Tarifpreis zu bezahlen hat und änderte einen Entscheid der Kriegsmaterialverwaltung dahingehend ab, dass die Verantwortlichen für einen verlorenen Feldstecher nicht den Tarifpreis, sondern den auf Grund einer Schatzung ermittelten «heutigen» Wert zu bezahlen hatten (Erläuterungen der Kriegsmaterialverwaltung über die Haftung des Wehrmannes oder der Truppe für verlorenes oder beschädigtes Material «Tarifpreis oder tatsächlicher Wert» vom 18. März 1948).

Die Kriegsmaterialverwaltung führt in ihren Erläuterungen zu diesem Entscheid aber aus, der Entscheid ändere nichts an der bisherigen Praxis für die Zeughausverwaltungen, diese würden nach wie vor den Tarif-, Etat- oder Inventarpreis plus Zuschläge berechnen, weil für die Mehrzahl der Fälle der zitierte Entscheid der Rekurskommission nicht anwendbar wäre.

Ein Einspruch in bezug auf den Tarifpreis könne nur von einzelnen Verantwortlichen erhoben werden, weil die Haushaltungskasse als eine dem Bunde gehörende Kasse, welche allerdings einer betreffenden Einheit zur Verfügung stehe, gemäss Ziff. 135 des Dienstreglements zur Bezahlung der Rechnung herangezogen werden könne. Dies wäre dann der Fall, wenn ein Verantwortlicher nicht festgestellt werden könne. In solchen Fällen könne die Truppe - auch bei Soldabzügen - keinen Einspruch gegen den Tarifpreis erheben. Dies entspricht der heutigen Haftungsregelung gemäss Art. 26bis MO allerdings nicht mehr.

Es ging somit beim Entscheid der Rekurskommission der Eidgenössischen Militärverwaltung vom 11. Dezember 1947 um die Haftung des Wehrmannes für verlorenes Instruktionsmaterial. Die Rekurskommission kam aufgrund der damaligen Haftungsgrundlagen zum Schluss, dass die Haftung für verlorenes Instruktionsmaterial für den einzelnen Wehrmann nicht anders beurteilt werden dürfe, als die Haftung für verlorenes Korpsmaterial oder die Verschuldenshaftung für persönliche Ausrüstung. In ihren Erläuterungen unterscheidet die Kriegsmaterialverwaltung zwischen «schwer individualisierbaren Gegenständen» und Gegenständen von einem gewissen Wert mit «nachweisbarem Schicksal» wie z. B. mit Nummern versehene Materialien. Sie weist darauf hin, dass schwer individualisierbare Gegenstände nach wie vor nur mit dem Tarifpreis bewertet werden können. (Erläuterungen, a. a. O., Anhang «Tarifpreis oder tatsächlicher Wert?»).

Diese Praxis wurde von der Kriegsmaterialverwaltung in ähnlicher Weise weitergeführt und mit der Weisung vom 28. September 1979 bestätigt: Für verlorenes Korpsmaterial bzw. Instruktionsmaterial wäre grundsätzlich der Etat-Preis in Rechnung zu stellen. Ausnahmen würden lediglich hinsichtlich der persönlichen Ausrüstung gewährt, weil diese Gegenstände durch den Eintrag im Dienstbüchlein altersmässig bestimmbar und bei starker Abnützung ohnehin gratis ersetzt würden.

9. Vorliegend muss von einer Haftung der Truppe für verlorenes Material gemäss Art. 26bis MO ausgegangen werden, selbst dann, wenn ein Teil der Rechnungen aus dem Erlös des Batterieabends bestritten wurde. Es müssen daher die Verrechnungsmässstäbe gelten, welche für die Entschädigungen angewendet werden, welche die Truppe gemäss Art. 26bis MO in Verbindung mit Art. 27 MO zu leisten hat. Es stellt sich somit die Frage, ob die Verrechnung des Etat-Preises bei Verlust von Korps- und Instruktionsmaterial an die Truppe heute noch gerechtfertigt scheint.

Wie die Kriegsmaterialverwaltung glaubhaft darlegen kann, ist angesichts der überaus langen Nutzungsdauer von Armeegegenständen von der Vermutung auszugehen, dass die vorliegenden Gegenstände dem Geschädigten noch lange wie neue Gegenstände gedient hätten und demzufolge wesentlich mehr wert sind als bei einem Verkauf gelöst werden könnte. Im übrigen würden die Bestimmung des Jahrganges und die Berechnung des Zeitwertes einen unverhältnismässig hohen Aufwand mit sich bringen, und es wäre in der Praxis kaum durchführbar, dieses meist nicht individualisierbare Material einer Bewertung zu unterziehen. Zu Recht hat deshalb die Kriegsmaterialverwaltung die Einsprache abgewiesen und am Etat-Preis festgehalten.

10. Zu beachten ist ganz besonders die Tatsache, dass, wenn der einzelne Verantwortliche nicht eruiert werden kann, der Schaden aus der Truppenkasse hätte beglichen werden können. Falls diese zu wenig Mittel aufgewiesen hätte, wäre die Differenz aus der Truppenkasse des Bundesamts für Artillerie bezahlt worden (Art. 3d der Verordnung über die Truppenkassen der Bundesämter mit Truppen vom 12. März 1969, Sammelband des Militäramtsblattes/Publ. [SMA] 1988, S. 1459). Damit wird klar, dass wohl in den meisten Fällen eine Verrechnung innerhalb der Bundeskasse selber - der Truppenkasse des entsprechenden Bundesamtes und der Kriegsmaterialverwaltung - stattfinden muss.

Es liegt somit durchaus im Interesse der Bundeskasse und damit des Steuerzahlers selbst, wenn der Anschaffungspreis (Etat-Preis) verrechnet wird. Sind nämlich keine Reserveobjekte vorhanden, muss eine Nachbeschaffung vorgenommen werden, welche bei alten Gegenständen wesentlich teurer wird als bei den Erstbeschaffungen. Bei Armeegegenständen besteht sodann die Besonderheit, dass sie grundsätzlich noch über Jahre hinweg hätten gebraucht werden können. In den meisten Fällen wird der Anschaffungspreis ohnehin infolge der Geldentwertung dem Zeitwert entsprechen.

In vollumfänglicher Abweisung des Rekurses wird die Praxis der Kriegsmaterialverwaltung in allen Punkten bestätigt.


[45] AS 1984 1325. Dieser Bestimmung entspricht Art. 140 MG, vgl. Fussnote 1, S. 831.



Dokumente der Rekurskommission VBS

 

 

 

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