VPB 62.42A
(Zwischenentscheid der Eidgenössischen Datenschutzkommission vom 15. Dezember 1995)
Art. 12/13, Art. 29 DSG. Weiterziehung von Empfehlungen des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten (EDSB) im Privatrechtsbereich an die Eidgenössische Datenschutzkommission (EDSK). Empfehlung betreffend die bei Interessenten für Mietwohnungen erhobenen Daten.
A. Zwischenentscheid betreffend die Voraussetzungen der Weiterziehung.
Keine Frist für die Weiterziehung (E. I).
Zulässigkeit (E. II).
- Begriff des die Persönlichkeit einer grösseren Anzahl von Personen bedrohenden Systemfehlers (E. II/2b).
- Der Weiterziehung unterliegen nicht generell-abstrakte Empfehlungen. Die EDSK kann einen rechtsverbindlichen Entscheid nur gegenüber bestimmten Adressaten fällen, die eine im Rahmen der Kontrolltätigkeit des EDSB an sie ergangene Empfehlung nicht befolgt oder abgelehnt haben (E. II/2 c/d).
B. Urteil betreffend die Prüfung der Empfehlungen.
Vgl. 62.42 B.
Art. 12/13, art. 29 LPD. Recours à la Commission fédérale de la protection des données (CFPD) concernant des recommandations émises par le Préposé fédéral à la protection des données (PFPD) dans le domaine du droit privé. Recommandation en matière de données recueillies auprès de personnes intéressées à la location d'un logement.
A. Décision incidente relative aux conditions du recours.
Aucun délai de recours (consid. I).
Recevabilité (consid. II).
- Notion de l'erreur de système susceptible de porter atteinte à la personnalité d'un nombre important de personnes (consid. II/b).
- Sont sujettes à recours les recommandations non générales et abstraites. La CFPD ne peut statuer qu'à l'égard de destinataires déterminés qui ont rejeté ou n'ont pas suivi une recommandation que le PFPD leur a adressée dans le cadre de son activité de surveillance (consid. II/2 c/d).
B. Jugement relatif à l'examen des recommandations.
Cf. JAAC 62.42 B.
Art. 12/13, art. 29 LPD. Ricorso alla Commissione federale della protezione dei dati (CFPD) concernente raccomandazioni emanate dall'Incaricato federale della protezione dei dati (IFPD) nel settore privato. Raccomandazione in materia di dati raccolti presso persone interessate alla locazione di un alloggio.
A. Decisione incidentale concernente le condizioni del ricorso.
Nessun termine per il ricorso (consid. I).
Ricevibilità (consid. II).
- Nozione di errore di sistema suscettibile di ledere la personalità di un numero considerevole di persone (consid. II/2b).
- Possono essere impugnate le raccomandazioni che non sono generali e astratte. La CFPD può decidere soltanto riguardo a determinati destinatari che hanno respinto o non hanno dato seguito a una raccomandazione che l'IFPD ha fatto loro nel quadro della sua attività di sorveglianza (consid. II/2 c/d).
B. Sentenza concernente l'esame delle raccomandazioni.
Cfr. GAAC 62.42 B.
Zusammenfassung des Sachverhalts:
A. Am 21. November 1994 erliess der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte (EDSB) im Anschluss an eine Radiosendung vom Dezember 1993 und nach Durchführung einer Vernehmlassung bei Vermieter- und Mieterverbänden und Untersuchung von 89 Anmeldeformularen für Mietwohnungen eine Empfehlung betreffend die bei Interessenten für Mietwohnungen zu erhebenden Daten. Diese lautet wie folgt[4]:
Gemäss Ziffer 1 sind, wenn keine besonderen Voraussetzungen vorliegen, für die Auswahl eines geeigneten Mieters nur die folgenden Angaben zu erheben:
- Name, Vorname, Adresse und Geburtsdatum der dem Mietvertrag als Partei beitretenden Personen
- Anzahl Personen in der Wohnung, davon Kinder
- Bestehender oder beabsichtigter Untermietvertrag
- Verwendung der Wohnung auch als Wohnung für den Ehepartner (Familienwohnung)
- Beruf der den Mietvertrag unterzeichnenden oder mit dem Mieter von Gesetzes wegen solidarisch haftenden Personen
- Arbeitgeber dieser Personen
- Einkommen dieser Personen in Einkommenskategorien (10 000er-Schritte bis Fr. 100 000.-) oder Frage nach dem Verhältnis zwischen Miete und Einkommen
- Betreibungen in den letzten zwei Jahren
- Haustiere
- besondere Lärmverursachung
- ob die bisherige Wohnung durch den Vermieter gekündigt wurde und wenn ja, warum. Gemäss Ziffer 2 sind folgende Angaben nur zu erheben, wenn dem Vermieter eine gesetzliche Pflicht obliegt, sie einer Behörde zu melden. Diese Angaben sind nur bei denjenigen Personen zu erheben, über die der betreffenden Behörde Meldung gemacht werden muss (also z. B. der einziehende Mieter und seine Familie):
- Konfession
- Zivilstand, Datum der Trauung, Trennung oder Scheidung
- Nationalität, Art der Aufenthaltsbewilligung, bisherige Aufenthaltsdauer in der Schweiz
- Heimatort, Abstammung
- Adresse und Telefonnummer des Arbeitgebers, Dauer des Arbeitsverhältnisses Laut Ziffer 3 sind folgende Angaben nur unter besonderen Voraussetzungen zu erheben (Bestehen einer gesetzlichen Pflicht, statutarische Zielsetzung der Liegenschaftsverwaltung oder andere wichtige besondere Gründe):
- Konfession
- Zivilstand, Datum der Trauung, Trennung oder Scheidung
- Name, Vorname und Adresse oder das Geschlecht von Personen, die dem Mietvertrag nicht als Partei beitreten, Verwandschaftsverhältnisse zwischen diesen Personen und dem Mietinteressenten
- Nationalität, Art der Aufenthaltsbewilligung, bisherige Aufenthaltsdauer in der Schweiz
- Heimatort, Abstammung
- Adresse und Telefonnummer des Arbeitgebers, Dauer des Arbeitsverhältnisses
- Angaben, die der detaillierten, systematischen Abklärung der finanziellen Verhältnisse des Mietinteressenten dienen
- Musikinstrumente
- unregelmässige Arbeitszeiten
- benutzte Fahrzeuge, Fahrzeugmarke, Kontrollschildnummer, Wert des Fahrzeugs
- Anzahl Wohnungswechsel in den letzten Jahren
- Grund des Wohnungswechsels
- Anzahl Zimmer und Mietpreis der bisherigen Wohnung
- Nutzung der bisherigen Wohnung
- Verwendungszweck der neuen Wohnung
- voraussichtliche Mietdauer
- Anforderungen, welche an die Wohnung gestellt werden
- Bestehen einer Invalidität (grundsätzlich nur bei Vermietung von Invalidenwohnungen) Nach Ziffer 4 sind folgende Angaben in keinem Fall zu erheben:
- Besteht ein Zwang zum Abschluss des Mietvertrags aufgrund der Situation auf dem Wohnungsmarkt oder einer persönlichen Notlage?
- Beurteilung des Preis-Leistungsverhältnisses der Wohnung
- Mitgliedschaft des Mietinteressenten oder anderer Personen bei einer Mieterschutzorganisation
- Interesse am Abschluss eines Koppelungsgeschäfts, namentlich eines Versicherungsvertrags mit der betreffenden Liegenschaftsverwaltung
- Bestehen chronischer Krankheiten
- nur punktuelle Angaben zur finanziellen Situation des Mietinteressenten, die über das grundsätzlich Zulässige hinausgehen, aber dennoch kein vollständiges Bild der finanziellen Situation des Mietinteressenten ergeben (z. B. Fragen nach Abzahlungs- und Leasingverträgen oder nach Lohnzessionen) Gemäss Ziffer 5 sind Referenzen nur bei den vom Mietinteressenten selbst angegebenen Personen einzuholen und von der Referenzperson grundsätzlich nur die vom Mietinteressenten gemachten Angaben bestätigen zu lassen. Ist die Erhebung weiterer Angaben erforderlich, so ist der Mietinteressent darüber vorher zu informieren.
Ziffer 6 schliesslich empfiehlt für Wartelisten, die sich nicht auf ein konkretes Wohnobjekt beziehen, grundsätzlich, wenn keine besonderen Gründe weitere Angaben erfordern, nur Name, Vorname und Adresse des Interessenten zu erheben.
Der EDSB eröffnete diese Empfehlung der Gesellschaft A (Grossvermieterin), sowie Vermieter- und Mieter-Interessenverbänden und einer Privatperson durch eingeschriebene Sendung.
Ferner stellte er sie dem Schweizerischen Verband der Einwohner- und Fremdenkontrollchefs, 8022 Zürich, den kantonalen Datenschutzbeauftragten und denjenigen Privatpersonen, welche sich in dieser Sache mit dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten in Verbindung gesetzt haben, zu. Weiter wurde diese Empfehlung im Bundesblatt vom 22. November 1994 (BBl 1994 V 412 ff.) publiziert.
B. Im Anschluss hieran haben sich nebst fünf Privatpersonen verschiedene Gesellschaften (darunter die Grossvermieterin A) und Interessenverbände zu dieser Empfehlung in einem negativen Sinne geäussert und diese zum Teil ausdrücklich abgelehnt.
C. Mit Eingabe vom 1. Februar 1995 zog der EDSB seine Empfehlung an die Eidgenössische Datenschutzkommission (EDSK) weiter. Er beantragte dieser, zu entscheiden, dass die Bearbeitung von Personendaten im Zusammenhang mit dem Abschluss von Mietverträgen nur im in der Empfehlung vom 21. November 1994 umschriebenen Umfang und unter den dort präzisierten Voraussetzungen zulässig sei.
In der Begründung weist er darauf hin, dass er im Vorfeld des Erlasses der Empfehlung Hearings und ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt und die dort vorgebrachten Einwände, soweit stichhaltige Argumente für den Bedarf nach Erhebung bestimmter Angaben vorgebracht wurden, berücksichtigt habe. Auf die ausführliche Begründung wird, soweit für den vorliegenden Entscheid von Bedeutung, im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen näher eingegangen.
D. Mit Schreiben vom 11. August 1995 unterbreitete die EDSK dem EDSB verschiedene Fragen, die er mit Schreiben vom 12. September 1995 beanwortete.
E. Die 14 Personen und Organisationen, die sich kritisch zu den Empfehlungen geäussert bzw. diese abgelehnt haben, wurden im vorliegenden Verfahren als Weiterziehungsbeklagte behandelt und es wurde ihnen Parteistellung eingeräumt.
Von der Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme haben die Kammer X und die Gesellschaften Y und Z Gebrauch gemacht.
Die Kammer X beantragte Abweisung der Weiterziehung. Sie bestritt die Zuständigkeit des EDSB zum Erlass derartiger Empfehlungen und auch die Zuständigkeit der EDSK zum Entscheid über Empfehlungen dieser Art. Zur Begründung verwies sie auf die eingeschränkten Befugnisse des EDSB gegenüber Privaten. Im weitern stellte sie sich auf den Standpunkt, dass die Datenerhebung in den Formularen für Mietinteressenten rechtmässig im Sinn von Art. 13 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG, SR 235.1) sei.
Die Gesellschaft Y bestritt ebenfalls die Kompetenz des EDSB zum Erlass der Empfehlung vom 21. November 1994 und die Kompetenz der EDSK, diese verbindlich zu erklären. Zur Begründung verwies sie auf den Willen des Gesetzgebers, die Eingriffsbefugnisse des EDSB gegenüber Privaten nur ausnahmsweise zuzulassen, und dass diesem keine Kompetenz zum Erlass generell abstrakter Normen zustehe.
Die Gesellschaft Z kritisierte die vom EDSB vorgenommene Unterteilung der Daten in drei Kategorien und hielt fest, dass eine Unterscheidung zwischen Daten, die erhoben werden dürfen, und solchen die nicht erhoben werden dürfen, genüge. Im weitern stellte sie sich auf den Standpunkt, dass die Empfehlungen mehr aus mieterpolitischen als aus Datenschutzgründen erfolgt seien.
Aus den Erwägungen:
I. Frist
Art. 29 Abs. 4 DSG setzt dem EDSB keine Frist, innert welcher er der EDSK eine nicht befolgte oder abgelehnte Empfehlung vorzulegen hätte. Demgemäss ist die am 1. Februar 1995 erklärte Weiterziehung rechtzeitig erfolgt. Auch sind keine weiteren Formalien für die Weiterziehung vorgesehen.
II. Zulässigkeit der Weiterziehung
1. Ausgangspunkt zur Beurteilung der Frage der Zulässigkeit der Weiterziehung bildet Art. 29 DSG, der die Kompetenzen des EDSB bezüglich Abklärungen und Empfehlungen im Privatrechtsbereich regelt. Abs. 1 ermächtigt den EDSB zur näheren Abklärung eines Sachverhalts von sich aus oder auf Meldung Dritter hin, wenn:
a. Bearbeitungsmethoden geeignet sind, die Persönlichkeit einer grösseren Anzahl von Personen zu verletzen (Systemfehler);
b. Datensammlungen registriert werden müssen (Art. 11);
c. Bekanntgaben ins Ausland gemeldet werden müssen (Art. 6). Abs. 2 ermächtigt ihn, dabei Akten herauszuverlangen, Auskünfte einzuholen und sich Datenbearbeitungen vorführen zu lassen. Das Zeugnisverweigerungsrecht nach Art. 16 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) gilt sinngemäss.
Gemäss Abs. 3 kann der EDSB aufgrund seiner Abklärungen empfehlen, das Bearbeiten zu ändern oder zu unterlassen.
Abs. 4 sieht vor, dass der EDSB im Falle der Nichtbefolgung oder Ablehnung einer von ihm erlassenen Empfehlung die Angelegenheit der EDSK zum Entscheid vorlegen kann. Diesfalls amtet die EDSK als erstinstanzliche Schiedskommission gemäss Art. 33 Abs. 1 Bst. a DSG.
2. Nachfolgend ist zu untersuchen, inwieweit hier eine solche Empfehlung vorliegt, über die die EDSK gemäss Art. 33 Abs. 1 Bst. a DSG zu entscheiden hat:
a. Der EDSB stützt seine Befugnisse zum Erlass seiner Empfehlung auf Art. 29 Abs. 1 Bst. a und Abs. 3 DSG und leitet sein Klagerecht aus Art. 29 Abs. 4 DSG ab.
Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass der Gesetzgeber bezüglich des Datenschutzes im Privatrechtsbereich die Möglichkeit von zwei Arten von Empfehlungen erwogen hat, solche, die im Rahmen der Beratungstätigkeit des EDSB abgegeben werden (Zweckmässigkeitsempfehlungen), und solche, die im Kontrollbereich erfolgen und welch letztere (bei Feststellung einer Rechtsverletzung) der EDSK vorgelegt werden können. Bezüglich der ersteren wurde schliesslich auf eine Erwähnung im Gesetz verzichtet, um eine doppeldeutige Verwendung des Begriffs «Empfehlungen» zu vermeiden (vgl. Protokoll der ständerätlichen Kommission vom 18. Oktober 1991, S. 84 ff., Votum Rhinow und daran anschliessende Diskussion, S. 86 f.). Für die Vorlage an die EDSK fallen nach den dort geäusserten Meinungen somit nur Empfehlungen gemäss Art. 29 Abs. 1 Bst. a-c (heutige Fassung) DSG in Betracht.
b. Wichtig für den Gesetzgeber war, dass solche Empfehlungen nicht im Falle einer einzelnen strittigen Bearbeitung, sondern nur bei Systemfehlern zu ergehen haben (Art. 29 Abs. 1 Bst. a DSG).
aa. Nach Ansicht des EDSB handelt es sich bei seiner Empfehlung vom 21. November 1994 um eine solche nach Art. 29 Abs. 1 Bst. a DSG, weil die in den Anmeldeformularen für Mietinteressenten gestellten Fragen geeignet seien, die Persönlichkeit einer grösseren Anzahl von Personen zu verletzen. Der EDSB setzt sich hierbei aber nicht mit der Frage auseinander, inwiefern seine Empfehlung der Behebung von «Systemfehlern», wie der Gesetzgeber dies in Art. 29 Abs. 1 Bst. a DSG ausdrücklich verlangt, dient.
bb. In der bundesrätlichen Botschaft vom 23. März 1988 (BBl 1988 II 479) wurde festgehalten, dass mit der vorgeschlagenen Bestimmung die Behebung von «Fehlern bei der Konzeption eines Informationssystems..., die sich mit den Mitteln des Zivilprozesses nicht mehr angemessen beheben lassen», anvisiert werde. Der Begriff «Systemfehler» war im bundesrätlichen Entwurf noch nicht enthalten, sondern wurde anscheinend erst im Rahmen der parlamentarischen Differenzbereinigung aufgenommen (vgl. Protokolle der ständerätlichen Kommission vom 5. Juli 1991, S. 56 ff. und vom 18. Oktober 1991, S. 80 ff.). Eine nähere Definition dieses Begriffes findet sich nicht. In der ständerätlichen Kommission wurde ausgeführt, dass es sich um einen terminus technicus (Fachbegriff) handle, der die Materie eingrenze. Weiter wurde festgehalten, dass man keinen «Datenschutzpolizisten» wünsche (a. a. O., Voten des Präsidenten, S. 80/83).
Im Kommentar zum DSG (Kommentar zum Schweizerischen Datenschutzgesetz, Basel 1995, hiernach: Kommentar DSG, Rolf Bründler, N. 3 zu Art. 29) wird der Begriff «Systemfehler» als zusammenfassende Bezeichnung für die Eignung der Verletzung einer grösseren Anzahl Personen in ihrer Persönlichkeit verwendet.
Deschenaux/Steinauer (Henri Deschenaux / Paul-Henri Steinauer, Personnes physiques et tutelle, 3. Aufl., Bern 1995, N. 744a), sprechen unter Hinweis auf die Materialien (FF 1988 II 485 N° 221.5 ad art. 24 al. 2) von «défauts inhérents à la conception même du système» und geben als Beispiel eine Datenschutzvorschriften verletzende Kundenkartei einer Unternehmung von regionaler oder nationaler Grösse.
Nach J. T. Peter (James Thomas Peter, Das Datenschutzgesetz im Privatbereich, Zürich 1994, S. 280) handelt es sich bei den «Systemfehlern» um Fehler von Informationssystemen der elektronischen Datenverarbeitung, die z. B. den Grundsatz der zwecklimitierten Datenbearbeitung oder denjenigen der Datensicherheit verletzen. Eine Verletzung des Grundsatzes der zwecklimitierten Datenerhebung liegt laut diesem Autor bereits dann vor, wenn Personen auf Daten Zugriff haben, die mit dem von ihnen verfolgten Zweck nichts zu tun haben. Aus diesen Ausführungen ist zu folgern, dass der genannte Autor den EDSB nicht als befugt erachtet, aufgrund von Art. 29 Abs. 1 Bst. a DSG Empfehlungen zu erlassen, die die inhaltliche Zulässigkeit der Datenerhebung betreffen. Er hält dafür, dass in solchen Fällen nur der Weg der Zivilklage offenstehe (a. a. O., S. 286 ff.).
cc. Entgegen dieser Auffassung Peters ist davon auszugehen, dass die Empfehlungsbefugnis des EDSB nach Art. 29 Abs. 1 Bst. a DSG weiter zu interpretieren und nicht bloss auf Fehler von Informationssystemen der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) zu beschränken ist, mit anderen Worten dass von einem «Systemfehler» im Sinne der genannten Bestimmung auch dann zu sprechen ist, wenn das System der Bearbeitung von Daten inhaltlich rechtswidrig, d. h. die Bearbeitung als solche so angelegt ist, dass sie geeignet ist, die Persönlichkeit einer grösseren Anzahl von Personen zu verletzen.
c. Die Empfehlung des EDSB vom 21. November 1994 wurde tags darauf im BBl veröffentlicht und den vom EDSB in Zusammenhang mit den Datenerhebungen auf Anmeldeformularen für Mietinteressenten vor Erlass der Empfehlung konsultierten Personen und Interessenverbänden direkt zugestellt. Nach seinen Darlegungen im Schreiben vom 12. September 1995 richtet sich die Empfehlung an alle Personen, welche in der Schweiz vermieten, und weist damit generellen und abstrakten Charakter auf. Insbesondere beziehe sie sich nicht auf einen konkreten Sachverhalt, wie dies bei Verfügungen, selbst wenn sie sich an einen grösseren Personenkreis richten (Allgemeinverfügung) der Fall sei. Die gewählte Formulierung sollte es nach Auffassung des EDSB ermöglichen, generell festzustellen, welche Bearbeitungsmethoden gegen das DSG verstossen, was auch dem Zweck von Art. 29 Abs. 1 Bst. a DSG besser entspreche. Demgemäss befürwortet er einen Entscheid der EDSK über die Empfehlung in genereller Form, der sich an alle Vermieter und allenfalls auch an die Mieter richtet und gemäss Art. 11a, Art. 30a und Art. 36 VwVG zu publizieren wäre. Eventualiter beantragt er einen Entscheid, der sich an sämtliche Vermieter richtet, welche die Empfehlung ausdrücklich abgelehnt haben, oder an sämtliche Vermieter, deren Formulare bei der Ausarbeitung der Empfehlung von ihm überprüft wurden.
Generell-abstrakte Verhaltensnormen mit verbindlichem Charakter können nun aber einzig auf dem Wege der Gesetzgebung statuiert werden. Eine richterliche Instanz hat nur dann die Kompetenz zum Erlass von generell-abstrakten Normen, wenn der Gesetzgeber ihr eine solche Befugnis ausdrücklich verleiht, wie dies z. B. in Art. 15 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG, SR 281.1) in bezug auf das Bundesgericht erfolgt ist. Eine Legiferierungskompetenz der EDSK ist indessen weder in Art. 29 Abs. 4 noch in Art. 33 DSG vorgesehen.
Weder nach dem Gesetzeswortlaut von Art. 29 DSG noch aufgrund der Materialien ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber der EDSK im Bereich des Privatrechtes die Kompetenz einräumen wollte, generell-abstrakte Empfehlungen des EDSB gestützt auf Art. 29 Abs. 4 DSG verbindlich zu erklären. Bezüglich des nach Art. 29 Abs. 4 und Art. 33 Abs. 1 Bst. a DSG ergehenden Entscheides der EDSK hielt die Botschaft (S. 480) fest, dass es sich um einen rechtsverbindlichen Entscheid handle, welcher festlegt, ob die entsprechende Bearbeitung zulässig ist. Es ist ausdrücklich von einer «Verfügung» der EDSK die Rede (S. 480).
d. Aus alledem lässt sich der Schluss ziehen, dass zwar allenfalls der EDSB befugt ist, Empfehlungen generell-abstrakter Art zu erlassen, z. B. im technischen und organisatorischen Bereich in Form von Handbüchern (Art. 8 Abs. 4 der Verordnung vom 14. Juni 1993 zum Bundesgesetz über den Datenschutz [VDSG], SR 235.11; vgl. Bründler, a. a. O., N. 13); ein Weiterzug an die EDSK kommt jedoch nur in Frage, wenn ein bestimmter Empfehlungsadressat (oder allenfalls auch mehrere) eine im Rahmen der Kontrolltätigkeit des EDSB an ihn bzw. sie ergangene Empfehlung nicht befolgt/befolgen oder ablehnt/ablehnen.
3. Im konkreten Fall ergibt sich aufgrund der Akten, dass der EDSB vorgängig des Erlasses der Empfehlung vom 21. November 1994 zuerst Hearings, anschliessend eine schriftliche Vernehmlassung durchgeführt und anlässlich der Ausarbeitung seiner Empfehlung 89 aleatorisch zusammengekommene Formulare von Vermietern überprüft hat. Nur in Einzelfällen hatte er mit dem betreffenden Vermieter im Verlauf des Verfahrens Kontakt. Die Empfehlung wurde in der Folge den eingangs (A.) erwähnten Adressaten eröffnet. Ausdrücklich abgelehnt haben sie die dort (B.) aufgeführten Personen und Interessenverbände, die sich mit Ausnahme der Grossvermieterin A mit dem Kreis der Direktadressaten nicht decken.
Damit die Weiterziehung nach Art. 29 Abs. 4 DSG zulässig ist, müssen nach dem oben gesagten folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Es muss sich beim Empfehlungsadressaten um einen Vermieter handeln;
- seine Datenbearbeitung muss geeignet sein, die Persönlichkeitsrechte einer grösseren Anzahl Personen zu verletzen, was jedenfalls bei Grossvermietern wie der Gesellschaft A zutrifft;
- der EDSB muss das Formular des betreffenden Vermieters untersucht, diesem bei seinen Abklärungen das rechtliche Gehör gewährt (vgl. Bründler, a. a. O., N. 11 zu Art. 29) und ihm die Empfehlung eröffnet haben;
- der betreffende Vermieter muss die Empfehlung abgelehnt oder nicht befolgt haben. Diese vier Voraussetzungen sind nur bei der Weiterbeziehungsbeklagten Nr. 2, der Grossvermieterin A vollständig erfüllt.
Auf das Hauptbegehren des EDSB, zu entscheiden, dass die Bearbeitung von Personendaten im Zusammenhang mit dem Abschluss von Mietverträgen nur im in der Empfehlung vom 21. November 1994 umschriebenen Umfang und unter den dort präzisierten Voraussetzungen zulässig ist, kann demnach nicht eingetreten werden.
4. In bezug auf die Eventualbegehren des EDSB gemäss Schreiben vom 12. September 1995 ist zu bemerken, dass die zweite Variante (sämtliche Vermieter, deren Formulare überprüft wurden) von vornherein ebenfalls nicht in Betracht fällt, da die betreffenden Vermieter, soweit sie nicht selber Einsprache erhoben haben, sich in keiner Weise als Partei konstituiert haben und die Voraussetzungen von Art. 29 Abs. 4 DSG ihnen gegenüber nicht erfüllt sind.
Entsprechend der ersten Variante wurden diejenigen natürlichen und juristischen Personen, die die Empfehlung ausdrücklich abgelehnt haben (vgl. oben B.), formell als Beklagte in das vorliegende Weiterziehungsverfahren einbezogen. Indessen erfüllt wie erwähnt nach der Aktenlage einzig die Weiterbeziehungsbeklagte Nr. 2 die soeben (E. 3) dargelegten Voraussetzungen. Bei den übrigen Beklagten fehlen einzelne oder mehrere Kriterien. Die am Vernehmlassungsverfahren beteiligten Interessenverbände sind nicht selbst Vermieter, und ob es sich bei den ablehnenden Einzelpersonen um grössere Vermieter handelt, hat der EDSB ebensowenig geprüft wie das von ihnen konkret verwendete Frageformular.
(...)
Auf das Eventualbegehren des EDSB ist deshalb nur in bezug auf die Weiterziehungsbeklagte Nr. 2 einzutreten.
Soweit die Weiterziehung sich gegen weitere Adressaten oder unbestimmte Vermieter richtet, wird darauf ebenfalls nicht eingetreten.
[4] BBl 1994 V 412 ff.
Dokumente der EDSK