Dies ist ein Dokument der alten Website. Zur neuen Website.

 Bund Verwaltungspraxis der Bundesbehörden

bund/vpb/62-43.html 

VPB 62.43

(Eidgenössischer Datenschutzbeauftragter, 28. Januar 1998)


Regeste Deutsch
Résumé Français
Regesto Italiano
Fragestellung
1. (Ausgangslage)
Ausführungen
2. Datenschutzrechtliche Überlegungen
3. Beantwortung der gestellten Fragen

Datenschutz. Amtshilfe. Bekanntgabe von Asylbewerberdaten in grösserem Umfang (Listen) an die Kantone.

Art. 19 DSG. Art. 20 VDSG. AUPER-V.

Für die Bekanntgabe von Asylbewerberdaten in grösserem Umfang (Listen) an die Kantone fehlen die nötigen Rechtsgrundlagen und Sicherheitsabklärungen. Es wäre zudem zu prüfen, ob nicht weniger einschneidende Massnahmen genügen würden.


Protection des données. Entraide administrative. Communication en masse (listes) de données concernant des requérants d'asile aux cantons.

Art. 19 LPD. Art. 20 OLPD. O-AUPER.

La communication en masse (listes) de données concernant les requérants d'asile requiert des bases légales et des évaluations de sécurité, qui font défaut actuellement. En outre, il faudrait évaluer si des mesures moins incisives ne suffiraient pas.


Protezione dei dati. Assistenza amministrativa. Comunicazione in massa (liste) di dati personali concernenti i richiedenti l'asilo ai Cantoni.

Art. 19 LPD. Art. 20 OLPD. O-AUPER.

Per la comunicazione in massa (liste) di dati personali concernenti i richiedenti l'asilo ai Cantoni mancano le basi legali e gli esami di sicurezza necessari. Occorrerebbe inoltre valutare se non siano sufficienti misure meno incisive.




1. Ausgangslage

Die kantonalen Steuerbehörden und Ausgleichskassen gelangen immer wieder mit dem Begehren an das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) oder die kantonalen Fremdenpolizeibehörden, ihnen Listen sämtlicher im Kanton wohnhafter Asylbewerber bekanntzugeben. Sie benötigen diese Listen zu Steuerzwecken und namentlich zur Bekämpfung der Schwarzarbeit sowie zur Erhebung der AHV-Beiträge. Weder die Verordnung vom 18. November 1992 über das automatisierte Personenregistratursystem AUPER (AUPER-V, SR 142.315) noch die Steuergesetzgebung oder die Sozialversicherungsgesetzgebung enthalten Vorschriften, welche eine ausdrückliche Ermächtigung des BFF als Inhaber der Asylbewerberdaten zur regelmässigen Datenbekanntgabe in grossem Umfang (Listen) an andere Behörden regeln. Es fragt sich, ob solche Datenbekanntgaben gleichwohl zulässig sind, und wenn nicht, unter welchen Voraussetzungen sie zulässig wären.

2. Datenschutzrechtliche Überlegungen

2.1. Die aufgezeigte Fragestellung bildete bereits Gegenstand zahlreicher Gutachten des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten (EDSB) für den Bereich der Ausländergesetzgebung. So äusserte sich der EDSB in VPB 58.11 und 12 mangels genügender Rechtsgrundlagen und mangels ausgewiesener Sicherheitsvorkehren ablehnend zur Bekanntgabe von Arbeitslosenversicherungsdaten und von Daten aus dem Zentralen Ausländerregister (ZAR) an die (Quellen-)Steuerbehörden. Aus den gleichen Gründen äusserte sich der EDSB in VPB 60.10 ablehnend zur Bekanntgabe von Ausländerdaten in grossem Umfang (Listen) an die Kantone zur elektronischen Weiterbearbeitung ausserhalb des ZAR. Die Anforderungen an eine gesetzliche Grundlage für derartige Datenbearbeitungen umriss der EDSB sodann allgemein in VPB 60.77 und speziell für die Amtshilfebestimmungen kantonaler Einführungsgesetze zum Ausländergesetz in VPB 62.20. Eine umfassende Darstellung des Problems findet sich zudem bei Walter (Jean-Philippe Walter, Kommentar zum Schweizerischen Datenschutzgesetz, Basel / Frankfurt am Main 1995, NN 14 ff. zu Art. 19).

2.2. Aus dem genannten Schrifttum geht soweit hier interessierend hervor, dass die allgemeinen Amtshilfebestimmungen des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG, SR 235.1) bzw. Art. 19 DSG sowie die herkömmlichen sektoriellen Amtshilfebestimmungen in Spezialerlassen bzw. Art. 112 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG, SR 642.11) und Art. 93 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG, SR 831.10) die Datenbekanntgabe im Einzelfall regeln. Umfassendere Datenbekanntgaben beispielsweise mittels (elektronischer) Listen und die Übernahme in andere Datensammlungen verlangen eine ausdrückliche Rechtsgrundlage, in welcher auch die erforderlichen Grenzen der Datenbearbeitungen und die Sicherheit zu regeln sind. Für die Bekanntgabe besonders schützenswerter Personendaten oder von Persönlichkeitsprofilen braucht es eine Grundsatzbestimmung in einem formellen Gesetz (vgl. Walter, a. a. O., und VPB 60.77). Zudem ist ein Sicherheitsbericht gemäss den einschlägigen Vorschriften über die Informatik-Sicherheit zu erstellen (für den Bund vgl. Verordnung vom 10. Juni 1991 über den Schutz der Informatiksysteme und -anwendungen in der Bundesverwaltung [VINFS], SR 172.010.59, sowie die Sicherheitsweisungen S02 des Bundesamts für Informatik). In allen bisher vom EDSB begutachteten Fällen fehlten die gesetzlichen Grundlagen und ein Sicherheitsbericht.

2.3. Für Bekanntgaben von Asylbewerberdaten aus dem automatisierten Personenregistratursystem AUPER verhält es sich nicht anders. Weder die AUPER-V noch die oben erwähnten spezialgesetzlichen Amtshilfevorschriften enthalten eine ausdrückliche Erlaubnis für die Datenbekanntgabe in grossem Umfang an die genannten Behörden, und auch die (übergreifende) Frage der Sicherheit ist nicht geklärt. Hinzu kommt, dass die Asylbewerberdaten in der Regel als heikler einzustufen sind als etwa die Daten von Angehörigen benachbarter Staaten. Mussten bereits Datenbekanntgaben aus dem ZAR abgelehnt werden, ergibt sich e fortiori die gleiche ablehnende Haltung bei der Bekanntgabe von Asylbewerberdaten aus dem AUPER. Insofern erachtet der EDSB die restriktive Praxis des BFF als richtig. Sie ergibt sich aus den gesetzlichen Bestimmungen.

2.4. Zwei Kantone sind nunmehr mit folgendem Anliegen an das Bundesamt für Ausländerfragen (BFA) und an den EDSB herangetreten: Sie möchten die im ZAR verzeichneten Daten der Ausländer ihres Kantons in einen kantonalen eingeben und gemäss kantonalem Recht für die kantonalen Bedürfnisse bearbeiten. Der EDSB machte sie sogleich darauf aufmerksam, dass sowohl bundesseitig wie auch bei den Kantonen stufengerechte Rechtsgrundlagen zu schaffen und die Sicherheit übergreifend zu regeln wären. Die Zugriffe müssten restriktiv geregelt, und es dürften insgesamt keine unverhältnismässigen Datenbearbeitungen ermöglicht werden. Zudem hat der EDSB ein Gutachten des Bundesamtes für Justiz über die Kompetenzen von Bund und von Kantonen in den Bereichen Ausländerrecht und Einwohnerkontrollrecht angeregt, weil diese Kompetenzen auch für den Erlass bereichsspezifischer Datenschutzvorschriften massgebend sind, und weil sich die beiden Gemeinwesen nicht gegenseitig ihre Aufgaben vereiteln oder übermässig erschweren dürfen. Zudem sind die Asylbewerber- und Flüchtlingsdaten, welche besonders heikel sind, gesondert zu betrachten sind. Verhält es sich so, dass auch im ZAR Asylbewerberdaten aufbewahrt werden, könnten die Anfragen der beiden Kantone unmittelbar auch für das BFF wichtig werden. Der EDSB hat sich bekanntlich immer gegen eine gemeinsame Datensammlung ZAR und AUPER/Asyl ausgesprochen. Aus verschiedenen Medienberichten ging kürzlich hervor, dass offenbar verschiedentlich Ausländer- und Asylbewerberdaten von (freilich anderen) Kantonen und Gemeinden unkontrolliert bzw. unzulässig an Dritte weitergegeben wurden. Das gilt es tunlichst zu vermeiden.

3. Beantwortung der gestellten Fragen

3.1. Die regelmässige Bekanntgabe von umfangreichen Listen an die Steuerbehörden und die kantonalen Ausgleichskassen erachtet der EDSB mangels Rechtsgrundlagen und mangels ausgewiesener Sicherheitsvorkehren als unzulässig.

3.2. Die Amtshilfe im Einzelfall ist im Rahmen von Art. 19 Abs. 1 und 4 DSG sowie im Rahmen sektorieller Amtshilfevorschriften in Spezialerlassen zulässig.

3.3. Im Verhältnis zu den Kantonen sind zur Zeit andere Amtshilfemassnahmen in Erwägung zu ziehen, beispielsweise eine gemeinsame Stichprobenkontrolle ohne Datenweitergabe an die andere Behörde. Eine anschliessende einzelfallweise Datenbekanntgabe bei erkannten Missbräuchen wäre nach dem Gesagten wiederum zulässig (vgl. Art. 19 Abs. 1 Bst. a. und d in Verbindung mit den sektoriellen Amtshilfevorschriften des jeweiligen Spezialerlasses).





Dokumente des EDSB

 

 

 

Beginn des Dokuments