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 Bund Verwaltungspraxis der Bundesbehörden

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VPB 62.50

(Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen vom 24. Oktober 1997; b. 350)


Regeste Deutsch
Résumé Français
Regesto Italiano
Sachverhalt
Sachverhalt A.
Sachverhalt B.
Erwägungen
Erwägung 6.
Erwägung 7.
Erwägung 8.

Art. 4 Abs. 1 RTVG. Journalistische Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Ausstrahlung eines an sich programmrechtswidrigen Beitrags.

Ein an sich programmrechtswidriger Film lässt sich durch die Einbettung in eine Anmoderation und eine anschliessende Diskussion heilen, wenn sich das Publikum aufgrund der Offenlegung der Mängel des Films trotzdem frei eine eigene Meinung bilden kann.


Art. 4 al. 1 LRTV. Exigences en matière de diligence journalistique lors de la diffusion d'une émission dont le contenu viole les dispositions sur les programmes.

Lorsqu'un film, par lui-même, viole les dispositions sur le droit des programmes, il est possible d'y remédier en le faisant précéder d'une introduction et suivre d'un débat, si la révélation des lacunes du film permet au public de se former malgré tout librement une opinion propre.


Art. 4 cpv. 1 LRTV. Dovere di diligenza giornalistica riguardo a una trasmissione che in sé viola il diritto in materia di programmi.

Se un filmato viola il diritto in materia di programmi, è possibile porvi rimedio facendolo precedere da un'introduzione e seguire da un dibattito che, mostrandone le carenze, consentano al pubblico di formarsi liberamente una propria opinione.




Zusammenfassung des Sachverhalts:

A. Am 3. Juli 1997 strahlte das Schweizer Fernsehen DRS im Rahmen des Sendegefässes DOK den Dokumentarfilm «Nazigold und Judengeld» aus. Die DOK-Sendung bestand aus drei Teilen: In einer Einleitung distanzierte sich Redaktionsleiter Otto C. Honegger zumindest teilweise vom im zweiten Teil ausgestrahlten Dokumentarfilm «Nazigold und Judengeld» der British Broadcasting Company (BBC), der unter Mitarbeit des Schweizer Fernsehens DRS zustandegekommen war. Die vorgängige Ausstrahlung des Films in England und den USA hatte aufgrund der Darstellung der Rolle der Schweiz im zweiten Weltkrieg im Inland bereits heftige Kontroversen ausgelöst. Der Ausstrahlung des Films folgte in der beanstandeten DOK-Sendung im dritten Teil eine Diskussion, an der unter Leitung von Otto C. Honegger Botschafter Thomas Borer, der Bankdirektor Bernhard Stettler, der Historiker Peter Kamber und der DOK-Redaktor Thomas Buomberger teilnahmen. Im Rahmen dieser Diskussion wurde ein Interview mit Reinhard Spitzy, dem ehemaligen deutschen Geheimdienstmitarbeiter, eingeblendet, der auch im Dokumentarfilm der BBC zum Wort gekommen war.

B. Mit Eingabe vom 27. August 1997 an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) erhob X (im Folgenden: der Beschwerdeführer) Programmrechtsbeschwerde gemäss Art. 62 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (RTVG, SR 784.40) gegen die Sendung. Er begründete seine Beschwerde einerseits damit, dass der Film der Schweiz grossen Schaden zugefügt habe und daher gegen Art. 3 Abs. 1 Bst. d RTVG und gegen Art. 3 Abs. 1 der Konzession vom 18. November 1992 für die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (Konzession SRG, BBl 1992 VI 567) verstosse. Anderseits sei auch das Sachgerechtigkeitsgebot gemäss Art. 4 Abs. 1 RTVG durch unwahre Aussagen, Unterstellungen und manipulierte Interviews verletzt worden.

Aus den Erwägungen:

(...)

4.1. Die Beanstandung definiert das Anfechtungsobjekt und begrenzt insofern die Überprüfungsbefugnis der UBI. Werden einzelne Teile eines Beitrags kritisiert, erstreckt sich die Prüfungsbefugnis indessen auf den ganzen Beitrag, sofern dieser thematisch ein geschlossenes Ganzes bildet (BGE 121 II 31).

Die Rügen des Beschwerdeführers beziehen sich vorab auf den Dokumentarfilm «Nazigold und Judengeld», welcher den zweiten Teil der DOK-Sendung bildete. Die UBI erachtet jedoch die drei Teile aus programmrechtlicher Sicht als eine einzige Sendung, welche als Ganzes auf ihre Vereinbarkeit mit den einschlägigen Bestimmungen zu überprüfen ist. Insgesamt dauerte die DOK-Sendung rund zwei Stunden, wovon der BBC-Dokumentarfilm rund eine Stunde ausmachte. Die Verschiebung der Ausstrahlungszeit von 20.00 Uhr auf 22.20 Uhr ermöglichte dem Schweizer Fernsehen DRS die Einbettung des Films in eine vorgängige Anmoderation und eine anschliessende Diskussion. Der Inhalt der DOK-Sendung änderte sich dadurch insofern, als nicht mehr allein die Rolle der Schweiz im zweiten Weltkrieg im Mittelpunkt der Sendung stand. Vielmehr ging es auch um die Art und Weise der Behandlung dieses geschichtlichen Themas durch den BBC-Dokumentarfilm. Insgesamt bildete die DOK-Sendung dadurch thematisch ein geschlossenes Ganzes.

4.2. Soweit sich die Rügen des Beschwerdeführers auf die Beteiligung der SRG bei der Konzeption und der Realisierung des Dokumentarfilms beziehen, tritt die UBI nicht darauf ein. Die UBI hat Beschwerden gegen ausgestrahlte Radio- und Fernsehsendungen schweizerischer Veranstalter auf ihre Vereinbarkeit mit dem Programmrecht zu beurteilen und gegebenenfalls Rechtsverletzungen festzustellen (Art. 58 Abs. 2, Art. 65 Abs. 1 RTVG). Hinsichtlich der Art und Weise des Zustandekommens einer Sendung verfügt die UBI hingegen über keine Kompetenzen. Nicht in die Prüfungskompetenz der UBI fällt ebenfalls die ohne die Anmoderation und die anschliessende Diskussion erfolgte Ausstrahlung des Dokumentarfilms «Nazigold und Judengeld» im Ausland, obwohl die SRG als Koproduzentin mitverantwortlich zeichnet (vgl. Martin Dumermuth, Rundfunkrecht, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Basel / Frankfurt a. M. 1996, Rz. 449).

Die UBI prüft die beanstandete Sendung auf ihre Vereinbarkeit mit dem kulturellen Mandat (Art. 3 RTVG, insbesondere Art. 3 Abs. 1 Bst. d RTVG, vgl. E. 5) und den Informationsgrundsätzen (Art. 4 RTVG, vgl. E. 6 und 7). Der vom Beschwerdeführer ebenfalls angefügte Art. 3 Abs. 1 (in fine) Konzession SRG entspricht im wesentlichen Art. 3 Abs. 1 Bst. d RTVG, weshalb sich eine seperate Beurteilung der Vereinbarkeit der Sendung in Bezug auf das Konzessionsrecht erübrigt.

(...)

6. Das Gebot der sachgerechten Darstellung von Ereignissen ergibt sich dem Grundsatz nach aus dem umfassenden Leistungsauftrag von Art. 55bis Abs. 2 BV und wird im übrigen im letzten Satz dieser Bestimmung ausdrücklich festgeschrieben.

6.1. Auf Gesetzesstufe findet sich das Sachgerechtigkeitsgebot in Art. 4 RTVG wieder. Die Beschwerdeinstanz hat aus dem in Abs. 1 dieser Bestimmung enthaltenen Gebot, Ereignisse sachgerecht darzustellen, in ihrer Praxis abgeleitet, die Hörer oder Zuschauer müssten sich aufgrund der in der Sendung vermittelten Fakten und Meinungen ein möglichst zuverlässiges Bild über einen Sachverhalt machen können und damit in die Lage versetzt werden, sich ihrerseits frei eine eigene Meinung zu bilden (VPB 60.24, S. 183; 59.14, S. 110). Um eine Manipulation des Publikums zu vermeiden, haben die Veranstalter gewisse journalistische Sorgfaltspflichten zu respektieren (vgl. Dumermuth, Rundfunkrecht, Rz. 73-84). Je heikler ein Thema bezüglich seines Schadenpotentials im Hinblick auf allfällige Manipulationen ist, desto grösser sind die Anforderungen an die journalistischen Sorgfaltspflichten.

6.2. Zu den journalistischen Sorgfaltspflichten gehören insbesondere das Prinzip der Wahrhaftigkeit und das Transparenzgebot. Das Prinzip der Wahrhaftigkeit verpflichtet den Veranstalter, Fakten objektiv wiederzugeben. Bei umstrittenen Sachaussagen ist der Zuschauer so zu informieren, dass er sich selber ein Bild machen kann (BGE 119 Ib 170, 116 Ib 44). Das Transparenzgebot hat der Gesetzgeber in Art. 4 Abs. 2 RTVG konkretisiert (VPB 61.69, S. 653; 61.68, S. 646). Danach müssen Ansichten und Kommentare als solche erkennbar sein. Das Publikum einer Informationssendung muss in der Lage sein, zwischen subjektiven Auffassungen von Programmschaffenden oder Auskunftspersonen und der Wiedergabe von objektivierten Fakten unterscheiden zu können. Es muss ihm möglich sein, den Stellenwert und die Zuverlässigkeit von Aussagen sowie deren weltanschaulichen Standort zu erkennen und für die eigene Meinungsbildung zu verarbeiten. Das Gebot der Transparenz betrifft damit weniger den Wahrheitsgehalt von Aussagen als vielmehr die Fähigkeit des Publikums, den Inhalt einer Sendung zu würdigen und sich dadurch von den darin erfolgten Aussagen ein eigenes Bild zu machen. Je kleiner das Vorwissen des Publikums über Personen, Standpunkte oder über das Sendekonzept zu veranschlagen ist, desto höhere Anforderungen sind an das Gebot der Transparenz zu stellen (vgl. Franz Riklin, Rechtsfragen der [externen] Programmaufsicht über Radio und Fernsehen in der Schweiz, in: Aspects du droit des mass médias II, Freiburg 1984, S. 46; Martin Dumermuth, Die Programmaufsicht bei Radio und Fernsehen in der Schweiz, Basel / Frankfurt a. M. 1992, S. 300).

(...)

6.5. Bei DOK handelt es sich um ein Sendegefäss, das sich in engagierter Weise mit verschiedensten gesellschaftlichen Fragen befasst und dabei die Form des Dokumentarfilms benützt. Bei der beanstandeten Sendung ging es um ein aktuelles und brisantes Thema, die Rolle der Schweiz im zweiten Weltkrieg. Die Aufklärung von Aspekten der Geschichte und der gesellschaftlichen Wirklichkeit setzt zwangsläufig die Formulierung von Hypothesen voraus, die sich im Verlaufe der weiteren Bearbeitung des Themas durch die Erhebung von Faktenmaterial zu impliziten oder expliziten Aussagen und Thesen verdichten können. Allerdings ist der Journalist wie der Historiker gehalten, seine Hypothesen zu verifizieren und je nach Ausgang dieser Prüfung sich einer Aussage allenfalls zu enthalten oder gegebenenfalls die angezeigten Relativierungen sichtbar zu machen (VPB 56.13, S. 102). Aus programmrechtlicher Sicht hat aber eine solche dokumentarisch-historische Sendung nicht dem wissenschaftlichen Anspruch eines Historikers, sondern den journalistischen Sorgfaltspflichten zu genügen (VPB 56.13, S. 105).

7. Unter Berücksichtigung der in E. 6 aufgestellten Grundsätze gilt es zu prüfen, ob die beanstandete Sendung gegen die in Art. 4 RTVG normierten Informationsgrundsätze und insbesondere gegen das Sachgerechtigkeitsgebot (Art. 4 Abs. 1 RTVG) verstossen hat.

7.1. Es ist dem Beschwerdeführer zuzustimmen, dass der BBC-Dokumentarfilm für sich allein genommen dem Sachgerechtigkeitsgebot von Art. 4 Abs. 1 RTVG nicht genügt, was im übrigen auch der Veranstalter nicht bestreitet. In seiner Anmoderation bemerkt der DOK-Redaktionsleiter Otto C. Honegger, dass es sich um einen «einseitigen Film» handelt: «Der Film ist zwar auf weite Strecken zutreffend, ist aber im Ganzen nicht wahr.» Die SRG erwähnt in ihrer Stellungnahme, dass der Film auch ihren eigenen Ansprüchen nicht genüge. Die gewählte Form mache den Film zu einem demagogischen Werk. Auch inhaltlich weise der Film Mängel auf.

Der BBC-Dokumentarfilm genügt schon aufgrund einer summarischen Prüfung den Programmrechtsgrundsätzen nicht. Im Film werden in absoluter Weise verschiedene umstrittene Thesen vertreten wie beispielsweise:

- Es seien Juden aus Italien durch die Schweiz nach Deutschland transportiert worden.

- Die demokratische Ordnung in der Schweiz sei ausser Kraft gesetzt worden.

- Der 2. Weltkrieg wäre wesentlich verkürzt worden, wenn die Schweiz die Nazis nicht beliefert hätte.

- Nur 2 von 7 Bundesräten wären gewillt gewesen, die Schweizer Unabhängigkeit zu verteidigen.

Im Rahmen der Programmautonomie ist es möglich, sich auch sehr kritisch mit der Geschichte der Schweiz zu befassen und das bisherige Geschichtsbild in Form von solchen Thesen in Frage zu stellen. Ein solcher dem «anwaltschaftlichen» Journalismus zuzurechnender Ansatz bedarf aber der Wahrung erhöhter journalistischer Sorgfaltspflichten, um eine Manipulation der Zuschauer zu verhindern. Dies gilt um so mehr, als es sich bei der schweizerischen Vergangenheitsbewältigung um ein sehr heikles und kontroverses Thema handelt. Mit der unkritischen und nicht hinterfragten Formulierung von Thesen, welche noch durch die filmische Form verstärkt werden, wurden elementare journalistische Sorgfaltspflichten verletzt. Dass es sich vorderhand um Thesen handelt, welche noch einer eingehenden Überprüfung standhalten müssten, war für den Zuschauer nicht erkennbar, was aber die Pflicht zur Transparenz als wichtige Sorgfaltspflicht gebieten würde. Erhebliche journalistische Mängel gilt es auch bei den Interviews mit Zeitzeugen festzuhalten, welche teilweise sinnentstellt wiedergegeben wurden. Auch das Nichterwähnen von Informationen ist programmrechtlich relevant, wenn dadurch eine einseitige Darstellung untermauert wird (VPB 56.13, S. 104).

7.2. Wie bereits in E. 4.1 erwähnt, ist aus programmrechtlicher Sicht die DOK-Sendung mit den drei Teilen als Ganzes und nicht bloss der BBC-Dokumentarfilm zu beurteilen.

Schon in seiner Anmoderation räumte der DOK-Redaktionsleiter ein, dass der Dokumentarfilm nicht fair und einigermassen ausgewogen über die Schweiz berichten würde. Der Film könne nicht unkommentiert ausgestrahlt werden. In der Anmoderation wurde im übrigen bereits auf die unmittelbar an die Ausstrahlung des Films anknüpfende Diskussionsrunde hingewiesen.

In der Diskussionsrunde wurden von den Teilnehmern verschiedene Auffassungen vertreten. Während von den an der Produktion beteiligten zwei Diskussionsteilnehmern der Historiker Peter Kamber den Film im wesentlichen verteidigte, wies der DOK-Mitarbeiter Thomas Buomberger darauf hin, dass der Film krass gegen journalistische Fairnessprinzipien und die historische Redlichkeit verstosse. Der Chef der Task Force, welche sich zurzeit eingehend mit der Rolle der Schweiz im 2. Weltkrieg befasst, bezeichnete den Film als «übles Machwerk». Auch Bernhard Stettler als Vertreter der im Film «angeschuldigten» Banken äusserte seine Enttäuschung über die BBC-Produktion.

Die in E. 7.1 erwähnten vier Thesen wie auch andere umstrittenen Aussagen des Films wurden in der Diskussionsrunde aufgegriffen. Durch die Thematisierung wurden die Thesen in Frage gestellt, relativiert und teilweise widerlegt. Es konnten dabei zwar nicht alle Thesen vertieft erörtert werden. Andere, im Gesamtzusammenhang weniger wichtige Aussagen des Films konnten, wie auch positive Seiten der Rolle der Schweiz im zweiten Weltkrieg, im Rahmen der rund einstündigen Diskussion gar nicht angeschnitten werden. Für den Zuschauer wurde aber der völlig einseitige Ansatz des Films, welcher mit einer gezielten Verwendung des vorhandenen Materials ein bestimmtes Bild der Geschichte der Schweiz kreieren wollte, ersichtlich. Die Zusammensetzung der Diskussionsrunde zeigte zudem auf, dass verschiedene Auffassungen über dieses Thema und die einzelnen Thesen bestehen. Sie ermöglichte dem Zuschauer zusätzlich, die einzelnen Standpunkte zu gewichten.

Das während der Diskussionsrunde eingeblendete Interview mit Reinhard Spitzy, welcher für den deutschen Geheimdienst während des zweiten Weltkriegs gearbeitet hatte, legte die Machart des BBC-Films offen und disqualifizierte diese gleichzeitig. Offensichtlich wurde im Film nur ein ganz kleiner und völlig aus dem Zusammenhang gerissener Teil des Gesprächs, das die BBC mit Spitzy geführt hatte, gezeigt. Seine Aussagen wurden damit sinnentstellt. Im während der Diskussionsrunde eingeblendeten Interview konnte Spitzy seine Meinung eingehend äussern. Damit wurde insbesondere auch die Rolle der Armee und generell der militärischen Verteidigungsbereitschaft der Schweiz gegenüber den Aussagen im Film erheblich aufgewertet. Der Film suggerierte nämlich, dass nur dank den gegenseitigen ökonomischen Interessen von Nazideutschland und der Schweiz letztere vom Krieg verschont blieb.

Die Diskussionsrunde und das Interview mit Spitzy mussten beim Zuschauer insgesamt den Eindruck der mangelnden Seriosität und einer völlig einseitigen Ausrichtung des Dokumentarfilms erwecken. Die Erklärung von Botschafter August Lindt, wonach seine Aussagen im BBC-Film ebenfalls sinnenstellt wiedergegeben worden seien, dürfte diesen Eindruck noch verstärkt haben. Überdies wurde für den Zuschauer erkennbar, dass es sich bei vielen zentralen Aussagen des Films um Thesen handelt, welche nur von einer Minderheit von Experten geteilt werden.

7.3. Die UBI kommt zum Schluss, dass die beanstandete DOK-Sendung insgesamt nicht gegen das Sachgerechtigkeitsgebot (Art. 4 Abs. 1 RTVG) verstösst. Aufgrund der Anmoderation, welche die Zuschauer hinreichend vorwarnte (VPB 61.70, S. 659), und insbesondere der Diskussionsrunde mit dem Interview mit Spitzy, die dem BBC-Film folgte, konnte sich das Publikum trotz der Einseitigkeit des Films eine eigene Meinung bilden und wurde nicht manipuliert. Journalistische Sorgfaltspflichten wie insbesondere das Transparenzgebot und das Prinzip der Wahrhaftigkeit wurden gewahrt.

7.4. Dem ebenfalls zu den Informationsgrundsätzen zuzurechnenden Vielfaltsgebot (Art. 4 Abs. 1 RTVG) ist durch die Ausstrahlung der sechsteiligen Sendereihe «Die Schweiz im Schatten des Dritten Reiches» im Juli und August 1997 durch das Schweizer Fernsehen DRS Rechnung getragen worden. Zu verschiedenen Themen äusserten sich darin wechselnd zusammengesetzte Diskussionsrunden.

8. Da die DOK-Sendung «Nazigold und Judengeld» insgesamt weder gegen das kulturelle Mandat (Art. 3 Abs. 1 RTVG) noch gegen das Sachgerechtigkeitsgebot (Art. 4 Abs. 1 RTVG) wie auch gegen andere Informationsgrundsätze verstösst, ist sie mit dem Programmrecht vereinbar.

8.1. Die beanstandete DOK-Sendung ist mit dem Programmrecht vereinbar, weil die unbestrittenen Mängel des BBC-Dokumentarfilms durch die Anmoderation und die anschliessende Diskussion im wesentlichen offengelegt wurden und sich das Publikum daher eine eigene Meinung bilden konnte. Dies bedeutet nicht, dass ein Veranstalter an sich programmrechtswidrige Beiträge durch die Einbettung in eine Anmoderation und/oder eine anschliessende Diskussion in jedem Fall heilen kann. Im Regelfall dürfte es vielmehr angezeigt sein, dass ein Veranstalter einen Beitrag, den er selber im Ganzen als unwahr erachtet, nicht zeigt. Vorliegend hatte die SRG aber kaum eine Alternative zur Ausstrahlung, da der Film bereits im Ausland gezeigt worden war und deshalb auch bereits Gegenstand des öffentlichen Interesses war. Die Ausstrahlung des Films zusammen mit einer Einbettung in eine vorgängige Anmoderation und eine anschliessende Diskussion stellte das adäquate Mittel dar, um einerseits dem öffentlichen Interesse an einer Veröffentlichung und anderseits dem Programmrecht Genüge zu tun.

8.2. Die SRG hätte sich noch klarer vom BBC-Film distanzieren können, indem sie beim Abspann des Films darauf verzichtet hätte, die Namen der beteiligten SRG-Mitarbeiter und insbesondere das eigene Signet einzublenden. Die Einblendung des Signets am Ende des Abspanns vermittelte den missverständlichen Eindruck, wonach es sich primär um eine Produktion des Schweizer Fernsehens DRS und nicht um eine solche der BBC gehandelt hat. Durch die Anmoderation und die dem BBC-Film anschliessende Diskussionsrunde wurden für den Zuschauer dann aber die Hintergründe des Zustandekommens der Produktion und die Auffassungen der SRG-Verantwortlichen bezüglich der Sachgerechtigkeit des Films erkennbar.

8.3. Die UBI bedauert die Art und Weise des Zustandekommens des BBC-Dokumentarfilms, der in einigen ausländischen Ländern bereits unkommentiert ausgestrahlt worden ist bzw. noch ausgestrahlt werden wird. Bedenklich ist vorab, dass die SRG als Koproduzentin Mitverantwortung trägt. Die Koproduzenteneigenschaft der SRG spielt für die programmrechtliche Prüfung jedoch keine Rolle. Es ist daher nicht Aufgabe der UBI, die Nachlässigkeiten der SRG bei der Produktion des Films über ein so brisantes Thema rechtlich zu beurteilen. Dafür sind andere Instanzen zuständig, welche teilweise bereits Konsequenzen gezogen haben.





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