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 Bund Verwaltungspraxis der Bundesbehörden

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VPB 62.6

(Auszug aus einem Entscheid der Schweizerischen Asylrekurskommission vom 15. Oktober 1997)


Regeste Deutsch
Résumé Français
Regesto Italiano
Sachverhalt
Erwägungen
Erwägung 2.a.
Erwägung b.
Erwägung 3.a.
Erwägung 4.
Erwägung 5.
Erwägung a.
Erwägung b.
Erwägung 6.
Erwägung 7.
Erwägung 8.a.
Erwägung b.

Grundsatzentscheid der Schweizerischen Asylrekurskommission[10].

Art. 13d AsylG und Art. 5 EMRK. Flughafenverfahren. Richterliche Überprüfung der Zulässigkeit des Festhaltens von Asylbewerbern in der Transitzone.

1. Das Festhalten eines Asylbewerbers in der Transitzone eines schweizerischen Flughafens ist eine Freiheitsbeschränkung, die je nach Dauer und Unterbringungsumständen zur Freiheitsentziehung werden kann. Letztere ist nicht zulässig. Die Aufenthaltszuweisung ist bei der ARK überprüfbar; als Haftrichter entscheidet ein Einzelrichter, der sich nicht mehr mit dem materiellen Beschwerdeentscheid befassen darf (E. 3a).

2. Umschreibung der Offensichtlichkeit im Sinne von Art. 13d Abs. 4 AsylG (E. 8).


Décision de principe de la Commission suisse de recours en matière d'asile[11].

Art. 13d LAsi et art. 5 CEDH. Procédure d'aéroport. Contrôle judiciaire de la licéité du maintien d'un demandeur d'asile dans la zone de transit.

1. Le maintien d'un demandeur d'asile dans la zone de transit d'un aéroport suisse est une limitation à la liberté qui selon la durée et les circonstances peut constituer une privation de liberté; cette dernière situation est illicite. L'ordre de résider en zone de transit peut être contesté devant la CRA, où un juge statue seul comme juge de la détention. Ce juge ne participera pas à la procédure de recours sur le fond (consid. 3a).

2. Notion d'absence manifeste de persécution au sens de l'art. 13d al. 4 LAsi (consid. 8).


Decisione di principio della Commissione svizzera di ricorso in materia d'asilo[12].

Art. 13d LAsi e art. 5 CEDU. Procedura d'aeroporto. Controllo giudiziario della liceità del fermo di un richiedente l'asilo nella zona di transito.

1. Il fermo di un richiedente l'asilo nella zona di transito di un aeroporto svizzero costituisce una restrizione della libertà che, a seconda della durata e delle circostanze, può trasformarsi in una privazione di libertà. Quest'ultima è illecita. La decisione di fermo nella zona di transito può essere impugnata dinanzi alla CRA, dove un giudice - unico - statuisce in quanto giudice del fermo. Tale giudice non parteciperà alla procedura di ricorso nel merito (consid. 3a).

2. Nozione d'assenza manifesta di rischi di persecuzione giusta l'art. 13d cpv. 4 LAsi (consid. 8).




Zusammenfassung des Sachverhalts:

Der Beschwerdeführer hat sein Heimatland nach eigenen Angaben am 15. September 1996 auf dem Luftweg mit einem Flugticket Kinshasa-Zürich-Montreal verlassen. Das Datum der Einreise in die Schweiz ist nicht aktenkundig. Am 19. September 1996 reichte er bei der Grenzpolizei am Flughafen Zürich-Kloten ein Asylgesuch ein. Gleichentags wurde er von der Flughafenpolizei angehört. Im wesentlichen machte er geltend, er heisse M. T. und sei seit Oktober 1990 Mitglied der Union pour la démocratie et le progrès social (UDPS). 1996 sei er anlässlich von Versammlungen dieser Organisation zweimal von Soldaten kurzzeitig festgenommen worden. Im Juli 1996 sei er zusammen mit drei weiteren Männern von Soldaten entführt worden; einer sei erdolcht worden, er und die beiden andern hätten fliehen können.

Mit Telefax vom 20. September 1996 teilte das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) mit, weshalb der Gesuchsteller nach seiner Auffassung offensichtlich nicht verfolgt sei, und bat in Anwendung von Art. 13d Abs. 4 des Asylgesetzes vom 5. Oktober 1979 (AsylG, SR 142.31) um Stellungnahme. Der UNHCR gab am 23. September 1996 bekannt, er teile die Auffassung des BFF, wonach dem Gesuchsteller in seinem Heimatland offensichtlich keine Verfolgung drohe.

Das BFF stellte mit Verfügung vom 23. September 1996 fest, der Gesuchsteller erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, wies das Asylgesuch ab, verfügte die Wegweisung, ordnete deren sofortigen Vollzug durch die Flughafenpolizei an und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung.

In einem ersten Beschwerdeverfahren wurde mit Urteil vom 1. Oktober 1996 die Verfügung des BFF aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben. Nicht eingetreten wurde auf den Antrag zur Bewilligung der sofortigen Einreise. Gleichentags erliess das BFF eine neue Verfügung gleichen Inhalts.

Mit Eingabe vom 1. Oktober 1996 beantragt der Beschwerdeführer erneut die Aufhebung der BFF-Verfügung, die Erteilung des Suspensiveffektes, die Entschädigung des Beschwerdeführers für erlittene Unbill zufolge Festhaltung in der Transitzone des Flughafens Zürich-Kloten, sowie die Einlassung in die Schweiz.

Nachdem der Vollzug der Wegweisung einstweilen ausgesetzt wurde, erhielt der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers Akteneinsicht und Gelegenheit zur Stellungnahme, von welcher er mit Eingabe vom 2. Oktober 1997 Gebrauch machte.

Das Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wurde mit Verfügung vom 4. Oktober 1996 abgewiesen, vorab mit der Begründung, der Beschwerdeführer heisse A. K. O., was mit dem vom Beschwerdeführer bei der Ausreise verwendeten Pass erstellt sei, welcher das Foto und keine Fälschungsmerkmale aufweise. Im übrigen wurde dem Beschwerdeführer eine 10tägige Frist ab Ausreise aus der Schweiz angesetzt, um das Fortbestehen seines Rechtsschutzinteresses kundzutun.

Am 6. Oktober 1996 flog der Beschwerdeführer in Richtung Kinshasa ab. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers teilte mit Schreiben vom 23. Oktober 1996 mit, er habe die Adresse seines Mandanten noch nicht in Erfahrung bringen können, doch habe seine Adresse als Zustelladresse zu gelten; ein Rechtsschutzinteresse sei nach wie vor gegeben, und er bestehe angesichts der noch immer laufenden Rechtsmittelfrist - unter Festhalten an allen Anträgen und der Beschwerdebegründung - auf einem materiellen Entscheid. In einer weiteren Eingabe vom 28. Oktober 1996 wurde auf die bürgerkriegsähnliche Situation im Heimatland des Beschwerdeführers hingewiesen.

Die Schweizerische Asylrekurskommission (ARK) weist die Beschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

2.a. Der Beschwerdeführer ist legitimiert; auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist im übrigen einzutreten (Art. 12 AsylG i. V. m. Art. 48, 50 ff. VwVG).

b. Da sich der Beschwerdeführer wieder in seinem Heimatland befindet und seine gegenwärtige Adresse auch seinem Parteivertreter unbekannt ist, besteht grundsätzlich kein aktuelles Rechtsschutzinteresse mehr (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 1997 Nr. 18, E. 2-3). Dennoch ist im vorliegenden Fall über die geltend gemachten Rechtsverletzungen zu befinden, da ansonsten über die in den E. 3, 6-8 abgehandelten Fragen, die sich auch in weiteren Fällen jederzeit stellen können, kaum je von der ARK befunden werden könnte (vgl. auch BGE 111 1b 58 E. 2 m. w. H.: Verzicht auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses, «wenn sich eine gerügte Rechtsverletzung jederzeit wiederholen könnte und eine rechtzeitige gerichtliche Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre»).

3.a. Mit seiner Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer unter anderem die Freilassung aus dem Transitraum des Flughafens-Zürich und die Bewilligung der Einreise mit der Begründung, es handle sich um eine Freiheitsbeschränkung, die zufolge der erheblichen Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten und der Dauer von - im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung - bereits 12 Tagen einer Freiheitsentziehung vergleichbar sei.

Ob der Beschwerdeführer aus der Transitzone zu entlassen ist, braucht nicht mehr beantwortet zu werden; dies ist zufolge der am 6. Oktober 1996 erfolgten Rückreise in sein Heimatland gegenstandslos geworden.

Hingegen besteht an den Fragen, ob es sich beim Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Transitzone um eine Freiheitsbeschränkung oder gar Freiheitsentziehung gehandelt hat, beziehungsweise ob dies bei Asylsuchenden im Flughafenverfahren generell der Fall ist (aa), ob dafür eine ausreichende gesetzliche Grundlage vorhanden ist (bb) und ob die ARK für die Behandlung von Gesuchen um Freilassung zuständig ist (cc), ein allgemeines Interesse, weshalb im Sinne der obigen Ausführungen vom Erfordernis des aktuellen Rechtsschutzinteresses des Beschwerdeführers Abstand genommen wird.

Obwohl das BFF entsprechend der bisherigen Praxis keine Verfügung (betreffend Einreiseverweigerung und Aufenthaltszuweisung) erlassen hat, gebricht es nicht an einem Anfechtungsgegenstand, da das faktische Handeln des BFF als Verfügung im genannten Sinn zu verstehen ist (vgl. BGE 123 II 193 ff.).

aa. Die ARK hat sich erst in jüngster Zeit mit der Frage befasst, ob der Aufenthalt in der Transitzone eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 5 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) darstelle oder zu einer solchen werden könne (vgl. nicht publizierte Urteile vom 7. Juli 1997 i. S. O. M. und vom 25. Juli 1997 i. S. J. O.). Seit dem Urteil Amuur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (Urteil Amuur gegen Frankreich vom 25. Juni 1996, 17/1995/523/609, Urteil in deutscher Übersetzung publiziert in: Europäische Grundrechte Zeitschrift [EuGRZ] 1996, S. 577 ff.) steht fest, dass es sich dabei um eine Freiheitsbeschränkung handelt, welche sich von der Freiheitsentziehung nicht grundsätzlich, sondern nur graduell und hinsichtlich der Intensität unterscheidet. Zur Feststellung, ob es sich im betreffenden Fall um eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 5 EMRK handelt, sei von der konkreten Situation auszugehen und die Gesamtheit der Umstände - wie Art, Dauer, Auswirkungen und Modalitäten der Unterbringung - in Rechnung zu stellen (Ziff. 42 des Urteils). Eine blosse Freiheitsbeschränkung könne dabei durch übermässige Verlängerung des Aufenthaltes zu einer Freiheitsentziehung werden (Ziff. 43). Während eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 5 EMRK - hier speziell von Bst. f - einer gesetzlichen Norm bedürfe, sei dies nicht bei jeder einfachen Freiheitsbeschränkung der Fall, welche Massnahme nach Art. 2 des 4. Zusatzprotokolls zu beurteilen sei.

Das Bundesgericht hat sich im vorerwähnten Urteil vom 27. Mai 1997 (BGE 123 II 193 ff.) dieser Betrachtungsweise angeschlossen, wonach es sich beim zugewiesenen Aufenthalt in einer Transitzone um eine Freiheitsbeschränkung handle, die je nach der Dauer und den Unterbringungsumständen zu einer Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 5 § 1 EMRK werden könne. Die ARK vertritt keine andere Ansicht.

bb. Das Bundesgericht hat weiter festgestellt, dass der Europäische Gerichtshof mit dem Amuur-Urteil im Resultat «gesetzliche Grundlagen für das Festhalten in der Wartezone, effektiven Zugang zu einem Verfahren, in dem über den Flüchtlingsstatus entschieden wird, sowie gerichtliche Kontrolle im Falle eines längeren Festhaltens am Flughafen» verlangt (E. 3c am Ende). Es führte aus, dass «Art. 13c und 13d AsylG dem Grundsatz nach eine gesetzliche Grundlage für die Freiheitsbeschränkung bzw. -entziehung» darstellen (E. 4b). Es kommt allerdings zu folgendem Schluss: «Wird die Festhaltung auf dem Flughafen, wie immer sie im Einzelfall auch ausgestaltet sein mag (), allein nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen beurteilt, vermag die schweizerische Rechtsordnung das Recht der Asylgesuchsteller auf Schutz ihrer Freiheit nicht in ausreichendem Mass zu garantieren (vgl. Ziff. 54 des Urteils Amuur)». Diesen Schluss zieht das Bundesgericht insbesondere daraus, dass die genannten Bestimmungen im Asylgesetz weder die Dauer der zulässigen Festhaltung vor Ergehen des erstinstanzlichen Asylentscheides noch die gerichtliche Kontrolle regeln. Bis entsprechende gesetzliche Regelungen in Kraft getreten sein werden, ist wenigstens, so das Bundesgericht, in der Art der Anwendung der für sich allein ungenügenden einschlägigen nationalen Normen durch die zuständigen Instanzen (BFF, kantonalen Behörden, ARK) dafür zu sorgen, dass das Recht auf Freiheit gemäss Art. 5 § 1 EMRK in genügendem Masse garantiert wird.

Die ARK stellt demnach fest, dass Asylsuchende am Flughafen zwar weiterhin in ihrer Bewegungsfreiheit auf die Transitzone eingeschränkt werden dürfen, diese Freiheitsbeschränkung aber nicht zum Freiheitsentzug werden darf, weil für letzteres ausreichende Normen fehlen. Das heisst, dass einerseits zu prüfen sein wird, ob - und sei dies auch nur zeitweise - eine verbotene Einschliessung erfolgt, und andererseits, ob auf andere Weise aufgrund der Gesamtheit der Umstände (Dauer, Unterbringungsbedingungen, Beschränkung persönlicher Rechte und Freiheiten [wie Besuchsrecht, Verkehr mit einem Rechtsvertreter, Spaziergang im Freien etc.]) ein Freiheitsentzug besteht oder zu entstehen droht, wobei von der urteilenden Instanz diese Umstände auch verbindlich festgelegt werden können.

cc. Da nach geltendem Recht für den Zeitraum zwischen Gesuchseinreichung und erstinstanzlicher Verfügung des sofortigen Wegweisungsvollzugs keine Behörde für die richterliche Überprüfung, ob Art und Dauer der Unterbringung eine Verletzung von Art. 5 § 1 Bst. f EMRK darstellen, zuständig ist, hat das Bundesgericht «in kreativer Rechtsprechung» und Lückenfüllung im Sinne einer Übergangslösung entschieden, dass das BFF mit einer prozessleitenden, vorsorglichen Verfügung eine allfällige Einreiseverweigerung und Aufenthaltszuweisung zu statuieren habe, welche gemäss Art. 46a Bst. a AsylG bei der ARK angefochten werden könne; letztere habe raschestmöglich zu urteilen; sie entscheide endgültig (vgl. BGE 123 II 193 ff.).

Bei der ARK gilt - in fortgeführter Lückenfüllung bis zur Änderung der einschlägigen Bestimmungen der Verordnung vom 18. Dezember 1991 über die Schweizerische Asylrekurskommission (VOARK, SR 142.317) - ein mit dem materiellen Beschwerdeverfahren nicht befasster Einzelrichter für die Überprüfung der Beschwerden gegen Einreiseverweigerungs-/Aufenthaltszuweisungsverfügungen als zuständig; er entscheidet angesichts der gebotenen Eile ohne die (gemäss Art. 25 VOARK für gewisse Fälle vorgesehene) Zustimmung des Kammerpräsidenten. Ob eine Anrufung des Richters nur innert der von Art. 50 VwVG für Zwischenverfügungen nach Art. 46a Bst. a AsylG vorgesehenen 10-Tages-Frist zulässig ist - wie dies das Bundesgericht anzunehmen scheint -, oder ob der Gesuchsteller aufgrund von Art. 5 EMRK und der einschlägigen Praxis der Strassburger Organe während der ganzen Dauer seiner Festhaltung das Recht auf eine richterliche Überprüfung hat, wird dann zu entscheiden sein, wenn sich die Frage in einem konkreten Fall stellt.

(...)

4. Mit seiner Verfügung vom 1. Oktober 1996 stellte das BFF das Fehlen der Flüchtlingseigenschaft fest, lehnte das Asylgesuch ab, verfügte die Wegweisung, ordnete deren sofortigen Vollzug an, beauftragte die Flughafenpolizei mit dem Vollzug und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung.

Es begründete seinen Entscheid insbesondere damit, der Beschwerdeführer habe seine Angaben zur Asylbegründung nicht glaubhaft im Sinne von Art. 12a AsylG gemacht, weshalb er die Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle. Dabei wies das BFF auf mehrfache Widersprüche hin, beanstandete die unsubstantiierte und ungenaue Beschreibung der UDPS und der mit dieser Partei zusammenhängenden Umstände, entlarvte das angebliche Abflugdatum als tatsachenwidrig und bezeichnete den Umstand der unbehelligten Ausreise mit eigenen Identitätspapieren über den Flughafen von Kinshasa im Hinblick auf die behauptete Gefährdung als mindestens seltsam. Aus der fehlenden Flüchtlingseigenschaft und der Zustimmung des UNHCR schloss das BFF auf Ablehnung des Asylgesuches mit der Konsequenz der Wegweisung und deren sofortigen Vollzuges.

In den innert Rechtsmittelfrist eingegangenen Eingaben an die ARK vom 1., 2., 23. und 28. Oktober 1996 wird im wesentlichen ausgeführt, dass die Stellungnahme des UNHCR, wonach dem Beschwerdeführer offensichtlich keine Verfolgung drohe, untauglich sei. Er sei Mitglied der «linken» UDPS, deren Anhänger in Zaire notorisch belästigt, eingeschüchtert und bedrängt würden. Die dem Gesuchsteller vorgeworfenen Widersprüchlichkeiten seien haarspalterisch. Das Aussagefundament, insbesondere die wegen seiner politischen Einstellung und Aktivität erlittenen Verfolgungen und der daraus resultierende Umstand, dass er sich verstecken musste und sowohl er wie sein Vater in Haft gewesen seien, sei glaubhaft. Die falsche Angabe des Ausreisedatums (15. statt 16. September 1996) sei irrtümlich erfolgt; aufgrund der Akten sei anzunehmen, er sei nicht mit eigenen Papieren, sondern mit einem Pass auf den falschen Namen K. O. ausgereist. Im übrigen herrsche in Zaire Bürgerkriegszustand.

5. Gemäss Art. 13d Abs. 4 AsylG kann der Ausländer, der am Flughafen ein Asylgesuch gestellt hat, sofern ihm die Einreise nicht bewilligt wird und er nicht in einen Drittstaat weggewiesen werden kann, mittels sofortigen Vollzugs in den Heimat- oder Herkunftsstaat weggewiesen werden, sofern ihm dort nach der übereinstimmenden Auffassung des BFF und des UNHCR offensichtlich keine Verfolgung droht.

Der Vollzug der Wegweisung in das Heimat- oder Herkunftsland setzt zwingend die Verneinung der Flüchtlingseigenschaft voraus, da diese gemäss Asylgesetz (Art. 45) und Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (FK, SR 0.142.30; Art. 33) grundsätzlich ein Refoulement-Verbot bewirkt (vgl. auch VPB 58.55 E. 3).

a. Als Flüchtling wird ein Ausländer anerkannt, wenn er in seinem Heimatstaat oder im Land, wo er zuletzt wohnte, wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 1 und 2 AsylG).

Die Flüchtlingseigenschaft muss nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht werden. Glaubhaft gemacht ist die Flüchtlingseigenschaft, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig substantiiert oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 12a AsylG).

Gelingt die Glaubhaftmachung der Flüchtlingseigenschaft nicht, so kann im Rahmen des Verfahrens am Flughafen nur dann eine Einreise verweigert und die Wegweisung ins Heimat- oder Herkunftsland angeordnet und vollzogen werden, wenn es offensichtlich ist, dass der Ausländer kein Flüchtling (und auch sonst nicht gefährdet; vgl. E. 7) ist. Offensichtlichkeit ist dann anzunehmen, wenn schon aufgrund der am Flughafen durchgeführten Befragung und der weiteren Aktenlage kein vernünftiger Zweifel an der Sicherheit des Ausländers besteht (vgl. VPB 58.55 E. 8).

Formelles Erfordernis für die Offensichtlichkeit fehlender Flüchtlingseigenschaft ist das Vorliegen einer Äusserung des UNHCR, worin dieses Amt in Übereinstimmung mit dem BFF der Auffassung Ausdruck gibt, dass dem Ausländer in seinem Heimatland offensichtlich keine Verfolgung droht (vgl. Art. 13d Abs. 4 AsylG). Die derweise formulierte Meinungsäusserung des UNHCR liegt vor; sie datiert vom 23. September 1996.

b. Bereits mit Zwischenverfügung vom 4. Oktober 1996 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer unter der falschen Identität M. T. auftritt, dass seine wahre Identität aufgrund seines echten zairischen Passes (sowie einer kanadischen Aufenthaltsbewilligung aus dem Jahre 1992) A. K. O. sein muss, dass er unter dieser Identität und unter Benutzung seines Passes legal über den Flughafen Kinshasa ausreiste und die Schweizer Behörden sowohl darüber wie auch über die Reiseumstände täuschte. Ein Ausländer, der sich nachweislich als eine Person ausgibt, die er nicht ist, setzt nicht nur einen Nichteintretensgrund (vgl. Art. 16 Abs. 1 Bst. b AsylG; VPB 61.11 und EMARK 1996 Nr. 32, S. 301 ff., 1995 Nr. 4, S. 35 ff. und Nr. 19, S. 189 ff.), sondern verunmöglicht auch eine Überprüfung seiner Fluchtgründe. Da es seine Sache ist, die Flüchtlingseigenschaft nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann ihm somit bereits aufgrund der feststehenden Identitätsverleugnung unterstellt werden, dass er offensichtlich kein Flüchtling ist: Mit den von ihm geltend gemachten Fluchtgründen kann seine Verfolgung nicht glaubhaft gemacht oder nachgewiesen werden, da sie nicht seine Person betreffen.

Zum gleichen Resultat kommt man im übrigen auch, wenn man annähme, seine echte Identität sei doch T. Seine Ausführungen zur angeblichen politischen Tätigkeit als Mitglied der UDPS sind derart vage und absonderlich, dass eine aktive Mitarbeit und langjährige Mitgliedschaft in dieser Partei ausgeschlossen werden kann. Auch die Erzählungen über die beiden Versammlungen, den Marsch, die Verhaftungen und Misshandlungen sowie die Verschleppung bleiben blass und entbehren jeglichen Gehalts, wie sie für die Erzählung einer selbsterlebten Episode typisch ist. Zudem enthalten sie eine Anzahl von Ungereimtheiten und unwahrscheinlichen Schilderungen, von denen hier nur wenige erwähnt sein sollen: Man habe sich jeweils Mitte Monat an einem Sonntag getroffen - der ausdrücklich genannte 15. März 1996 ist aber ein Freitag. Die Soldaten seien gekommen, um sie auseinanderzutreiben - sie seien verhaftet worden. Die Jungen der UDPS wollten ein eigenes Treffen abhalten - der Vater des Beschwerdeführers habe bei beiden Treffen teilgenommen. Am Marsch durch die Stadt hätten Hunderte (200 bis 500) teilgenommen - um den Marsch zu stoppen, seien sieben bis acht Soldaten im Einsatz gewesen, sie hätten auf die Teilnehmer eingeschlagen und einige verhaftet, alle andern seien geflohen. Er habe sich seit dem 7. Juli 1996 beim Freund seines Vaters in Kinshasa aufgehalten - nachdem er den Soldaten, die ihn am Marsch vom 5. Juli 1996 verhaftet hätten, entkommen sei, sei er statt nach Hause zum Freund seines grossen Bruders gegangen.

Auch aus diesen Gründen sowie denjenigen, die vom BFF in der angefochtenen Verfügung aufgeführt wurden und auf die hier, da zutreffend, ergänzend verwiesen werden kann, muss die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers ausgeschlossen werden. Die Beschwerde ist diesbezüglich abzuweisen.

6. (Abhandlung, ob im Anwendungsbereich von Art. 13d Abs. 4 AsylG ein Zulassungsverfahren oder ein Asylverfahren durchzuführen ist. In Bestätigung der Praxis [VPB 58.55] wird letzteres festgestellt.)

(...)

Eine Praxisänderung gegenüber dem Entscheid VPB 58.55 E. 3, drängt sich aus diesem Grunde nicht auf. Es ist somit neben der Überprüfung der Flüchtlingseigenschaft weiterhin auch über das Asylgesuch zu entscheiden. Dabei ist zu beachten, dass sich der Prozessgegenstand bei den Verfahren nach Abs. 4 des Art. 13d AsylG (im Unterschied zu jenen nach Abs. 2) auf die Frage bezieht und beschränkt, ob dem Beschwerdeführer in seinem Heimat- oder Herkunftsland offensichtlich keine Verfolgung droht. Erachtet die ARK diese Offensichtlichkeit für nicht gegeben, hat sie die Beschwerde gutzuheissen, und das Verfahren geht nach erfolgter Einreise des Beschwerdeführers seinen ordentlichen Weg (Art. 15 ff. AsylG).

7. Nachdem die Flüchtlingseigenschaft verneint worden ist, weil der Beschwerdeführer offensichtlich nicht verfolgt im Sinne von Art. 3 AsylG ist (vgl. E. 5), ist die Beschwerde auch hinsichtlich der vom BFF verfügten Asylverweigerung abzuweisen (vgl. Art. 2 AsylG).

8.a. Im Rahmen des Verfahrens am Flughafen kann die sofortige Wegweisung ins Heimat- oder Herkunftsland nur angeordnet und vollzogen werden, wenn es offensichtlich ist, dass der Ausländer - nicht nur kein Flüchtling, sondern auch sonst - nicht gefährdet ist. Kommt die ARK zum Schluss, es sei nicht offensichtlich, dass kein Wegweisungshindernis vorhanden ist, so wäre selbst bei fehlender Flüchtlingseigenschaft die Beschwerde gutzuheissen und die Einreise in die Schweiz zu bewilligen. Offensichtlichkeit ist dann anzunehmen, wenn schon aufgrund der am Flughafen durchgeführten Befragung und der weiteren Aktenlage kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass der Ausländer nicht verfolgt worden ist oder gefährdet sein wird. Der in Art. 13d AsylG verwendete weite Verfolgungsbegriff ist der gleiche wie der in den Art. 13 und 16 Abs. 1 Bst. a und c sowie Abs. 2 AsylG vorkommende (vgl. Botschaft zum Bundesbeschluss über das Asylverfahren [AVB], BBl 1990 II 625 ff., 629, 638; VPB 58.55 E. 8), umfasst also neben dem Flüchtlingsbegriff auch die Wegweisungshindernisse gemäss Art. 14a des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG, SR 142.20). Dabei ist allerdings zu präzisieren, dass

sich die Offensichtlichkeit im Rahmen der Durchführbarkeit nur auf die Zulässigkeit und die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges bezieht, während es bezüglich der Möglichkeit ausreicht, dass diese aufgrund der dem BFF bekannten Fakten als gegeben erscheint. Im Beschwerdeverfahren wird die Möglichkeit von der ARK nach ständiger Praxis zufolge ihrer geringeren Kenntnisse der aktuellen, praktischen und technischen Probleme nur mit Zurückhaltung beurteilt; die Unmöglichkeit findet grundsätzlich nur dann als Vollzugshindernis Beachtung, wenn sie offen zu Tage liegt, sich schon über längere Zeit erstreckt hat und ihr Andauern auf unabsehbare Zeit wahrscheinlich ist (vgl. VPB 60.28 E. 8e).

b. Aufgrund der obigen Erwägungen zur Gefährdungslage des Beschwerdeführers (E. 5b) ist offensichtlich, dass die Anordnung des sofortigen Wegweisungsvollzuges zulässig ist, da ihr weder flüchtlingsrechtliche (Art. 45 AsylG) noch menschenrechtliche (Art. 3 EMRK; Art. 1 und 3 des Übereink. vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe [Folterkonvention], SR 0.105) Rückschiebungsverbote entgegenstehen. Der Wegweisungsvollzug ist aber auch als offensichtlich zumutbar zu bezeichnen, da der Beschwerdeführer weder zufolge seiner Staatsangehörigkeit noch als allfälliger UDPS-Sympathisant Gewaltflüchtling im Sinne der Rechtsprechung ist (vgl. EMARK 1993 Nr. 37, S. 271 ff. E. 9c) und aus den Akten auch keine Hinweise hervorgehen, wonach der Beschwerdeführer in seinem Heimatland konkret gefährdet sein könnte. Die Möglichkeit braucht hier nicht überprüft zu werden, da der Vollzug der Wegweisung ins Heimatland bereits stattgefunden hat.

Die Beschwerde ist somit, da der Beschwerdeführer offensichtlich nicht verfolgt im weiten Sinn des Wortes ist, auch bezüglich Anordnung und sofortigen Vollzug der Wegweisung abzuweisen.


[10] Vgl. oben Fussnote 1, S. 19.
[11] Cf. ci-dessus note 2, p. 20.
[12] Cfr. sopra nota 3, pag. 20.



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