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 Bund Verwaltungspraxis der Bundesbehörden

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VPB 63.69

(Auszug aus einem Entscheid des Präsidenten der Rekurskommission des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport als Einzelrichter vom 12. Juni 1998)


Regeste Deutsch
Résumé Français
Regesto Italiano
Sachverhalt
Erwägungen
Erwägung 3.

Art. 139 MG Regressforderung des Bundes gegen einen Angehörigen der Armee. Schiessunfall.

Grobfahrlässigkeit bejaht bei einer unkontrollierten Manipulation an einem noch mit einem Schuss geladenen Sturmgewehr.


Art. 139 LAAM. Action récursoire de la Confédération contre un militaire. Accident de tir.

Négligence grave admise lors de la manipulation non maîtrisée d'un fusil d'assaut encore chargé d'un coup.


Art. 139 LM. Credito di regresso della Confederazione nei confronti di un militare. Incidente di tiro.

Ammessa la negligenza grave in occasione di una manipolazione non controllata di un fucile d'assalto ancora caricato con un colpo.




Zusammenfassung des Sachverhalts:

Am 29. Mai 1997 führte die Füsilier Kompanie (Füs Kp) ... im Kurzdistanz-Stand des Schiessplatzes S. ein Schiessen durch. Nach Übungsabbruch verliess der Beschwerdeführer den Schiesstand und manipulierte an seinem Sturmgewehr (Stgw), worauf sich ein Schuss löste. Dieser ging in den Boden, ohne jemanden zu verletzen. Bei der Schussabgabe befand sich indessen Soldat R. in unmittelbarer Nähe des Beschwerdeführers. Als Folge der Schussabgabe durch den Beschwerdeführer erlitt R. ein Gehörtrauma und musste ärztlich behandelt werden. Hinzu kam eine längere Arbeitsunfähigkeit. Der Militärversicherung erwuchs ein Schaden von insgesamt Fr. 10 924.70. Der Beschwerdeführer wurde zu einer Regresszahlung von Fr. 1000.- verpflichtet. Die Rekurskommission des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (Rekurskommission VBS) weist die dagegen erhobene Beschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

(...)

3. Gemäss Art. 139 Abs. 1 des Militärgesetzes vom 3. Februar 1995 (MG, SR 510.10) haften die Angehörigen der Armee für den Schaden, den sie dem Bund durch vorsätzliche oder grobfahrlässige Verletzung ihrer Dienstpflicht unmittelbar zufügen. Hat der Bund eine Entschädigung geleistet, so steht ihm der Rückgriff auf die Angehörigen der Armee zu, die den Schaden vorsätzlich oder grobfahrlässig verursacht haben (Art. 138 MG).

4.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, zufolge einer Fehlmanipulation ungewollt einen Schuss abgegeben zu haben. In seiner ersten Eingabe brachte er jedoch vor, der Geschädigte befasse sich auch im Privatleben mit Waffen und er schiesse in Combat-Centern. Er, der Beschwerdeführer, wage daher zu bezweifeln, dass das Gehörtrauma wirklich nur durch den von ihm verursachten Schiessunfall verursacht worden sei. Damit stellt der Beschwerdeführer sinngemäss die Kausalität seines Verhaltens zum eingetretenen Schaden zumindest teilweise in Frage.

Es ist zunächst unbestritten, dass der Beschwerdeführer an seinem Gewehr einen Schuss auslöste, als der Geschädigte sich in unmittelbarer Nähe befand. Es ist sodann unbestreitbar, dass ein solcher Schuss grundsätzlich geeignet ist, ein Knalltrauma auszulösen. Es ist auch aktenkundig, dass der Geschädigte an Ort und Stelle seinen Vorgesetzten, Leutnant K., darauf aufmerksam machte, dass er «Ohrenläuten» habe. Die Diagnose «Knalltrauma links» wurde gleichentags gestellt und die Behandlung anderntags eingeleitet. Der Gehörschaden ist anhand des Audiogramms klar festgestellt. Aus dem Bericht der Militärversicherung vom 16. Juli 1997 geht hervor, dass der Geschädigte vor dem Wiederholungskurs (WK) 1997 nie Ohrenläuten hatte, keine verminderte Hörschärfe aufwies und weder Mittelohrentzündungen noch Trommelfellperforationen durchgemacht hatte. Hinsichtlich seiner Freizeitgestaltung wird angeführt, er sei dabei keinen Lärmeinwirkungen ausgesetzt. Es bestehen insgesamt keinerlei Anhaltspunkte, dass der Geschädigte bereits vorher einen Gehörschaden aufwies. Die unbelegten Einwände des Beschwerdeführers erscheinen als Schutzbehauptungen. Der von ihm ausgelöste Schuss erscheint gesamthaft gesehen als alleinige Ursache des Schadens. Der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Beschwerdeführers und dem eingetretenen Schaden ist damit klar gegeben.

4.2. Der Beschwerdeführer erklärte weiter, er finde es doch etwas übertrieben, dass aus dem Vorkommnis eine zweimonatige Arbeitsunfähigkeit resultiert haben solle. Damit ficht er die Höhe des geltend gemachten Schadens an.

Die in Zweifel gezogene lange Arbeitsunfähigkeit des Geschädigten ist nach intensiven Abklärungen seitens der Militärversicherung von dieser akzeptiert worden. Sie beruht auf ärztlichen Zeugnissen von Fachärzten. Es bestehen auch hier keinerlei Anhaltspunkte, dass der Schaden, der der Militärversicherung erwachsen ist, nicht ausgewiesen wäre bzw. dass zu Unrecht Leistungen erbracht worden sind. Die Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Höhe des ausgewiesenen Schadens sind abzuweisen.

4.3. - 4.5. (...)

4.6. Zu prüfen bleibt, ob das Verhalten des Beschwerdeführers die vorstehend erläuterte Qualifikation grobfahrlässigen Verhaltens erfüllt oder nicht.

4.6.1. Das Verschulden des Beschwerdeführers wurde von seinem Kompanie-Kommandant (Kp Kdt), mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe sich durch die «Hektik» im Stand anstecken lassen, als «leicht» eingestuft .

Dieser Beurteilung kann nicht gefolgt werden. Die vom Beschwerdeführer gesetzten Gefahren waren ausserordentlich hoch und hätten leicht zu gravierenderen Folgen führen können. Der Umstand, dass im Schiesstand eine «Hektik» oder «ein riesiges Durcheinander» geherrscht haben soll, vermag das krass vorschriftswidrige und extrem gefährliche Verhalten des Beschwerdeführers in keiner Art und Weise zu entschuldigen oder auch nur einfühlbar zu machen. Wenn der Beschwerdeführer von «Hektik» oder «grossem Durcheinander» spricht, so kann davon im entscheidenden Moment der Schussabgabe keine Rede sein. Der Vorinstanz ist auch beizupflichten, dass ein ausgebildeter Soldat, wie es der Beschwerdeführer ist, für die selbständig durchzuführende Manipulation des Entladens nur wenige Sekunden braucht. Es ist daran zu erinnern, dass der Beschwerdeführer das mit einer Patrone gefüllte Magazin in seine Beintasche gesteckt hatte, bevor er die restliche Munition ordnungsgemäss abgab. Es ist unbegreiflich, weshalb er nicht realisierte, dass er noch einen weiteren zurückzugebenden Schuss auf sich trug. Vollends unentschuldbar ist, dass er später das mit einem Schuss gefüllte Magazin - ohne dieses anzusehen - einsetzte und dann die zur Schussauslösung führenden weiteren Manipulationen durchführte. Alle anderen Mitglieder des Zuges bzw. der mit dem Beschwerdeführer schiessenden Gruppe, haben sich korrekt verhalten. Im Übrigen entbindet ein unvorbereiteter Übungsabbruch nicht von den grundlegenden und unentbehrlichen Vorsichtspflichten im Umgang mit Waffen und Munition. Das Verhalten des Beschwerdeführers ist Ausdruck einer angesichts des Gefährdungspotentials eines geladenen Sturmgewehrs unakzeptablen Disziplinlosigkeit. Ein solches Verhalten kann nicht mehr als «einigermassen verständlich» eingestuft werden, wie das für die Annahme nur leichter Fahrlässigkeit nötig wäre. Der Beschwerdeführer selber hat in seiner Einvernahme vom 2. Juni 1997 durch den Kp Kdt wörtlich erklärt: «Mir fällt dieser Vorfall schwer und ich kann auch nicht verstehen, wie mir dies passieren konnte».

Der Ausruf: «Wie konnte er (der Schädiger) nur so handeln» ist nach einer Faustregel Ausdruck grobfahrlässigen Verhaltens, während die Feststellung: «Er hätte schon (dies oder das machen/nicht machen) sollen» auf leichte Fahrlässigkeit hinweist. Mit seiner Stellungnahme bestätigte der Beschwerdeführer indirekt die vorgenommene Würdigung seines Verhaltens als grobfahrlässig.

Insgesamt hat die Vorinstanz zu Recht angenommen, es liege grobfahrlässiges Handeln vor. Da auch die übrigen Voraussetzungen zur Regressnahme gegeben sind, ist der Beschwerdeführer grundsätzlich regresspflichtig zu erklären.





Dokumente der Rekurskommission VBS

 

 

 

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