VPB 64.68
(Entscheid des Präsidenten der Eidgenössischen Datenschutzkommission vom 30. April 1998)
Regeste Deutsch
Résumé Français
Regesto Italiano
Sachverhalt
Sachverhalt A.
Sachverhalt B.
Erwägungen
Erwägung 1.
Erwägung 2.a.
Erwägung aa.
Erwägung bb.
Erwägung cc.
Erwägung dd.
Erwägung b.
Art. 2 Abs. 2 Bst. c, Art. 34 und 35 DSG. Behauptete unbefugte Weitergabe von Personendaten. Unzulässigkeit der Beschwerde an die Eidgenössische Datenschutzkommission.
Die speziellen Bestimmungen des anwendbaren Strafprozessrechts gehen dem Datenschutzrecht auch dann vor, wenn materieller Gegenstand des Strafverfahrens eine behauptete Straftat im Sinne von Art. 34 oder 35 DSG ist.
Art. 2 al. 2 let. c, art. 34 et 35 LPD. Allégation d'une communication non autorisée de données personnelles. Irrecevabilité du recours à la Commission fédérale de la protection des données.
Les dispositions spéciales du droit de procédure pénale applicable priment le droit de la protection des données même si la procédure pénale a pour objet de fond une prétendue infraction au sens des art. 34 ou 35 LPD.
Art. 2 cpv. 2 lett. c, art. 34 e 35 LPD. Allegazione di una comunicazione non autorizzata di dati personali. Irricevibilità di un ricorso alla Commissione federale della protezione dei dati.
Le disposizioni speciali del diritto di procedura penale applicabile hanno la priorità sul diritto della protezione dei dati anche se l'oggetto materiale della procedura penale è un reato ai sensi degli art. 34 e 35 LPD.
A. Frau M. erlitt am 12. April 1988 einen Strassenverkehrsunfall. Für die Folgen des Unfallereignisses war die Versicherungsgesellschaft A. als Versicherer gemäss dem Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG, SR 832.20) zuständig. Die Haftpflichtansprüche richteten sich gegen den Halter des Kollisionsfahrzeuges bzw. gegen dessen Haftpflichtversicherer und wurden offenbar schliesslich durch Vergleich erledigt. Der Vertreter der Beschwerdeführerin reichte am 17. Januar 1997 Strafanzeige gegen die Versicherungsgesellschaft A. und gegen einen Mitarbeiter von deren Generalagentur ein. Er machte geltend, nach Erlass der rechtskräftigen Rentenverfügung seien die Geheimhaltungspflichten nach dem UVG und dem Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG, SR 235.1) verletzt worden. Mit Verfügung vom 16. Mai 1997 ordnete die Bezirksanwaltschaft Zürich die Einstellung des Verfahrens bezüglich des Vorwurfs eines Vergehens gegen das UVG an. Gleichzeitig stellte sie die Akten dem Polizeirichteramt Zürich zu, damit dieses abklärte, ob ein allfälliger Verstoss gegen Art. 34 DSG vorliege. Gegen die Einstellungsverfügung erhob der Vertreter der Beschwerdeführerin Rekurs beim Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich. Dieser wies mit Verfügung vom 9. Oktober 1997 den Rekurs ab. Dagegen erhob die Anzeigenerstatterin am 27. November 1997 Nichtigkeitsbeschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich. Die III. Strafkammer des Obergerichts wies mit Beschluss vom 6. Februar 1998 die Nichtigkeitsbeschwerde ab.
B. Gegen dieses Urteil der III. Strafkammer des Obergerichts erhob Rechtsanwalt Dr. B. namens von Frau M. «Beschwerde» an die Eidgenössische Datenschutzkommission (EDSK). Beantragt wurde:
1. Es sei der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 6.2.1998 aufzuheben;
2. es sei die Sache zur Durchführung der strafrechtlichen Untersuchung an die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich bzw. der Bezirksanwaltschaft des Kantons Zürich zurückzuweisen;
3. unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beschwerdegegner und Beschwerdegegnerinnen (Versicherungsgesellschaft A., Staatsanwaltschaft sowie Obergericht des Kantons Zürich). Begründungsweise wird geltend gemacht, dass neben der vom Obergericht im genannten Urteil als Rechtsmittel angegebenen eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 268 ff. des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege (SR 312.0) auch zusätzlich die (Verwaltungs-) Beschwerde an die EDSK nach Art. 33 Abs. 1 DSG zulässig sei, da es sich beim angefochtenen Beschluss um einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid handle, der sich auf öffentliche Vorschriften des Bundes über den Datenschutz stütze. Die vollständige Weitergabe aller medizinischen Akten durch den UVG-Versicherer an den Haftpflichtversicherer habe die Art. 4, 5 und 7 DSG verletzt. Das DSG gehe als späteres Gesetz den datenschutzrechtlichen Vorschriften des UVG über die Bekanntgabe vor. Obwohl das Obergericht in seinem zweiten Entscheid die Untersuchung der allfälligen Verletzung des DSG an den Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich zurückgewiesen habe, werde gegen das Urteil des Obergerichts vom selben Tag bei der EDSK Beschwerde geführt, da damit materiell auch über die von den Zürcher Behörden abgespaltene zweite Frage entschieden werden könne.
Aus den Erwägungen:
1. (...)
2.a. Eine Verletzung des Bundesdatenschutzrechts kann auf verschiedenen Wegen verfolgt werden.
aa. Es kann eine Verletzung der Strafbestimmungen von Art. 34 und 35 DSG vorliegen. Eine Verletzung von Art. 34 Abs. 1 DSG wird auf Antrag, eine solche von Art. 34 Abs. 2 DSG officialiter (Gunter Arzt, Kommentar zum Schweizerischen Datenschutzgesetz, Basel / Frankfurt am Main 1995, N. 35 zu Art. 34) durch die zuständige kantonale Strafverfolgungsbehörde verfolgt. Eine Verletzung von Art. 35 DSG wird auf Antrag ebenfalls durch die kantonale Behörde untersucht. Die Vorschriften des Verwaltungsstrafrechts finden keine Anwendung (Arzt, a.a.O., N. 54). Der Rechtsmittelweg richtet sich nach kantonalem und eidgenössischem Strafprozessrecht.
Die prozessrechtliche Behandlung einer allfälligen Verletzung weiterer, dem Datenschutz dienender Strafvorschriften des eidgenössischen Rechts, wie besonderen, strafrechtlich bewehrten Geheimhaltungspflichten, ist im vorliegenden Fall nicht zu beurteilen.
bb. Eine Verletzung des Bundesdatenschutzrechts durch eine private bearbeitende Person, welche durch ihre Bearbeitung die Persönlichkeit einer betroffenen Person widerrechtlich verletzt, muss auf dem Zivilrechtswege verfolgt werden. Art. 15 DSG verweist auf die entsprechenden Rechtsmittel.
cc. Als Drittes kann die Anwendung des DSG zu verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten führen. Im vorliegenden Fall hat die Versicherungsgesellschaft A. als Unfallversicherer als Bundesorgan Daten bearbeitet (vgl. Art. 2 Abs. 1 Bst. b, die Definition in Art. 3 Bst. h sowie die Art. 16 ff. DSG). Denkbar wäre gewesen, dass die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin Versicherungsgesellschaft A. eine nach Art. 19 DSG unbefugte Weitergabe von Personendaten vorgeworfen hätte, worauf sie hätte versuchen können, einen Rechtsschutz nach Art. 25 Abs. 1 DSG zu erreichen. Eine entsprechende Streitigkeit hätte gemäss Art. 25 Abs. 5 DSG vor die EDSK gebracht werden können.
dd. Eine Verletzung kann schliesslich auch durch kantonale öffentliche Organe erfolgen, wenn sie nach Art. 37 DSG ersatzweise Bundesdatenschutzrecht als kantonales Datenschutzrecht anwenden oder wenn sie sonst datenschutzrechtliche Vorschriften des Bundesverwaltungsrechts vollziehen.
b. Die vorliegende Beschwerde betrifft keinen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid, der nach Art. 33 Abs. 1 Bst. d DSG an die EDSK weitergezogen werden kann, weil kein Streitgegenstand nach Art. 37 bzw. Art. 25 Abs. 1-3 DSG oder sonst nach Bundesverwaltungsrecht vorliegt. Zudem ist der Entscheid der III. Strafkammer des Obergerichts im Rahmen eines hängigen Strafverfahrens ergangen; die speziellen Bestimmungen des anwendbaren Strafprozessrechts gehen dem Datenschutzrecht vor (Art. 2 Abs. 2 Bst. c DSG). Hieran ändert auch nichts, wenn materieller Gegenstand des Strafverfahrens eine behauptete Straftat im Sinne von Art. 34 oder 35 DSG ist.
Aus allen diesen Gründen kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
Dokumente der EDSK