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 Bund Verwaltungspraxis der Bundesbehörden

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VPB 64.8

(Auszug aus dem Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission für das öffentliche Beschaffungswesen vom 19. Juli 1999 i. S. Arbeitsgemeinschaft X. [BRK 1999-005]))


Regeste Deutsch
Résumé Français
Regesto Italiano
Sachverhalt
Sachverhalt A.
Sachverhalt B.
Sachverhalt C.
Erwägungen
Erwägung 1.a.
Erwägung b.
Erwägung aa.
Erwägung bb.
Erwägung cc.
Erwägung 2.a.
Erwägung aa.
Erwägung bb.
Erwägung cc.
Erwägung b.

Öffentliches Beschaffungswesen. Zulässigkeit der Beschwerde. Nichtanwendbarkeit des BoeB nach Art. 3 BoeB.

Das BoeB gilt auch dann, wenn sich die Vergabebehörde nicht daran hält, indem sie einen Auftrag pflichtwidrig nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vergibt oder nicht jene Verfahrensart wählt, zu der sie verpflichtet gewesen wäre (E. 1b/bb).

Auch wenn sich die Anbieterin auf die falsche Verfahrensart (Einladungs- statt offenes oder selektives Verfahren) eingelassen hat, kann sie im Rahmen der Anfechtung des Zuschlags geltend machen, es liege keine Ausnahme nach Art. 3 BoeB vor (E. 1b/cc).

Die Sicherheit von Botschaftsangehörigen und ihren Familien sowie die Wahrung des vertraulichen Charakters von Informationen vermögen vorliegend den Verzicht auf ein Vergabeverfahren mit öffentlicher Ausschreibung nicht zu rechtfertigen (E. 2a).

Da die Beschwerdeführerin erst nach erfolgtem Zuschlag und unter Einlassung auf eine unzulässige Verfahrensart die Rüge erhoben hat, der Auftrag hätte öffentlich ausgeschrieben werden müssen, hat sie den Nachteil des bereits abgeschlossenen Vertrages in Kauf zu nehmen (E. 2b).


Marchés publics. Recevabilité du recours. Non-application de la LMP selon l'art. 3 LMP.

La LMP est aussi applicable lorsque l'autorité adjudicatrice ne s'y conforme pas, en n'attribuant pas un marché selon les dispositions de la loi, contrairement à ses devoirs, ou en ne choisissant pas la procédure qui se serait imposée (consid. 1b/bb).

Même si le soumissionnaire a accepté de s'engager dans la procédure erronée (procédure invitant à soumissionner au lieu de procédure ouverte ou de procédure sélective), il peut alléguer, dans le cadre du recours contre l'adjudication, qu'il n'existe aucune exception au sens de l'art. 3 LMP (consid. 1b/cc).

La sécurité des membres des ambassades et de leur famille, ainsi que le maintien du caractère secret d'informations ne sont pas de nature à justifier en l'espèce la renonciation à une procédure d'adjudication avec appel d'offres public (consid. 2a).

Etant donné que la recourante a invoqué uniquement après l'adjudication et après avoir admis de procéder selon une procédure incorrecte le grief selon lequel le marché aurait dû être soumis à un appel d'offres public, elle doit supporter les inconvénients résultant du fait que le contrat est déjà conclu (consid. 2b).


Acquisti pubblici. Ammissibilità del ricorso. Non applicabilità della LAPub giusta l'art. 3 LAPub.

La LAPub è applicabile anche quando l'autorità aggiudicataria non vi si attiene in quanto, contrariamente al proprio dovere, non appalta una commessa secondo le prescrizioni della legge o non sceglie quella procedura cui sarebbe stato vincolata (consid. 1b/bb).

Anche se ha ammesso quel genere di procedura sbagliata (procedura mediante invito invece di una procedura libera o selettiva), il committente può far valere, nel quadro dell'impugnazione dell'aggiudicazione, che non esistono eccezioni giusta l'art. 3 LAPub (consid. 1b/cc).

La sicurezza di membri d'ambasciata e delle loro famiglie come anche la tutela del carattere confidenziale delle informazioni non possono giustificare in casu la rinuncia a una procedura di aggiudicazione con bando pubblico (consid. 2a).

Poiché soltanto dopo l'aggiudicazione e dopo l'ammissione di un genere di procedura scorretta la ricorrente ha fatto valere che la commessa avrebbe dovuto essere sottoposta a bando pubblico, essa deve sopportare gli inconvenienti del contratto già concluso (consid. 2b).




A. Das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) führte für die Vergabe des Generalplanerauftrages für die Kanzleierweiterung der Schweizer Botschaft in Peking ein Einladungsverfahren durch. Zur Offertstellung eingeladen wurden zwei Planungsbüros, die Arbeitsgemeinschaft X. (nachfolgend Arbeitsgemeinschaft) und die Y. Co Ltd. Die eingeladenen Firmen haben je eine Pauschalofferte eingereicht. Der Auftrag wurde an die Y. Co Ltd. vergeben, die zu einem Preis von HK$ 2 060 000.- (= Fr. 375 597.-) offeriert hatte; der Pauschalpreis der anderen Bewerberin betrug Fr. 406 500.-. Das BBL setzte die Arbeitsgemeinschaft über den für sie negativ ausgefallenen Entscheid mit Schreiben vom 21. April 1999 in Kenntnis. Der Rechtsvertreter der Arbeitsgemeinschaft bat darauf das BBL am 30. April 1999 um Erlass einer beschwerdefähigen Verfügung mit Rechtsmittelbelehrung. Am 4. Mai 1999 antwortete das BBL dahin, dass sein Vergabeentscheid keine anfechtbare Verfügung sei, so dass es der Arbeitsgemeinschaft keine beschwerdefähige Verfügung zustellen könne. In der Tat würden Arbeiten und Dienstleistungsaufträge für Botschaften in der Regel direkt oder im Einladungsverfahren vergeben. Diese Praxis stütze sich auf Art. 3 Abs. 2 Bst. a des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (BoeB, SR 172.056.1). Die Sicherheit von Botschaftsangehörigen und ihren Familien verlange, dass Bau- und Dienstleistungen nicht nach den Bestimmungen des BoeB vergeben würden. Sie unterstünden Art. 36 Abs. 2 Bst. a der Verordnung vom 11. Dezember 1995 über das öffentliche Beschaffungswesen (VoeB, SR 172.056.11) und würden im freihändigen Verfahren vergeben. Wenn es die Umstände erlaubten, würden jedoch zwei oder drei Anbieter eingeladen, ein Angebot einzureichen. Für die Planerleistungen in Peking seien zwei Planungsbüros zur Offertabgabe eingeladen worden.

B. Mit Eingabe vom 18. Mai 1999 erhebt die Arbeitsgemeinschaft beim «Bundesamt für Bauten und Logistik, Rekurskommission» Beschwerde mit den Anträgen, der Zuschlag an die Y. Co Ltd. sei aufzuheben, die Arbeiten zur Erweiterung und zum Umbau der Schweizer Botschaft in China (Peking) seien gemäss den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen öffentlich auszuschreiben; eventuell sei stattdessen der Zuschlag direkt an die Beschwerdeführerin vorzunehmen. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Zur Begründung führt die Beschwerdeführerin insbesondere aus, die Voraussetzungen für ein freihändiges Verfahren im Sinne von Art. 16 BoeB seien gemäss Art. 13 VoeB offensichtlich nicht gegeben. Es liege keine Ausnahme im Sinne von Art. 3 BoeB vor, sei doch nicht ersichtlich, inwieweit die angerufene Sicherheit von Botschaftsangehörigen und ihren Familien durch die Beobachtung der gesetzlichen Vergabeverfahren, beispielsweise des selektiven Verfahrens, gefährdet werden könnte. Das BBL übermittelte die bei ihm eingereichte Beschwerde der Eidgenössischen Rekurskommission für das öffentliche Beschaffungswesen (BRK). Im Begleitschreiben vom 20. Mai 1999 stellte es sich auf den Standpunkt, der Zuschlag sei keine anfechtbare Verfügung im Sinne von Art. 29 BoeB, wenn der Auftrag im Einladungsverfahren vergeben werde. Es sei der Ansicht, die BRK könne auf die Beschwerde nicht eintreten. Die Beschwerdeführerin hätte eine Aufsichtsbeschwerde einreichen müssen. Mit Schreiben vom 25. Mai 1999 lud der Präsident der BRK das BBL zur Vernehmlassung (inkl. zum Antrag auf Erteilung der aufschiebenden Wirkung) ein. Er hielt superprovisorisch fest, dass bis zum Entscheid über das Begehren betreffend aufschiebende Wirkung alle Vollziehungsvorkehrungen zu unterbleiben haben.

C. Das BBL beantragt in seiner Vernehmlassung vom 21. Juni 1999, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten und subsidiär, die Beschwerde sei abzuweisen; das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung sei abzuweisen, die Kosten des Verfahrens seien der Beschwerdeführerin aufzuerlegen und diese zu verpflichten, der Beschwerdegegnerin die Parteikosten zu erstatten. Das BBL bestreitet vorweg die Zuständigkeit der BRK. Werde, wie vorliegend, ein Auftrag im Einladungsverfahren vergeben, sei der Zuschlag keine anfechtbare Verfügung im Sinne von Art. 29 BoeB (Art. 32 ff. VoeB, Art. 2 Abs. 3 Satz 4 BoeB und Art. 39 VoeB). Die BRK könne unter diesen Umständen nicht auf die Beschwerde eintreten. Die Beschwerdeführerin hätte die vermeintliche Missachtung von Bundesrecht mit einer Aufsichtsbeschwerde beim Eidgenössischen Finanzdepartement rügen müssen. Das BBL vergebe Arbeiten und Dienstleistungsaufträge für Botschaften in der Regel freihändig oder im Einladungsverfahren. Die Sicherheit von Botschaftsangehörigen (und ihren Familien) sowie die Pflicht, den vertraulichen Charakter von Informationen zu wahren, zwinge das BBL zu einem solchen Vorgehen. Zur beantragten aufschiebenden Wirkung führt das BBL u.a. aus, der Vertrag mit der Y. Co Ltd. sei am 20. April 1999 abgeschlossen worden und die Ausführungsplanung sei praktisch abgeschlossen.

Aus den Erwägungen:

1.a. Das Verfahren vor der BRK richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. April 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021), soweit das BoeB nichts anderes bestimmt (vgl. Art. 26 Abs. 1 BoeB und Art. 71a Abs. 2 VwVG).

b. Die objektiven Voraussetzungen gemäss Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 BoeB, unter denen die Rechtsschutzbestimmungen dieses Gesetzes Anwendung finden (zuständige Bundesbehörde, Schwellenwert), sind hier offensichtlich erfüllt. Das BBL macht dagegen geltend, der Auftrag sei im vorliegenden Fall gestützt auf die Ausnahmeregelung von Art. 3 Abs. 2 Bst. a BoeB und damit nicht nach den Bestimmungen des BoeB, sondern allein nach jenen der Verordnung vergeben worden («übrige Beschaffungen», Art. 32 ff. VoeB), weshalb der Zuschlag nicht mit Beschwerde angefochten werden könne (Art. 2 Abs. 3 Satz 4 BoeB und Art. 39 VoeB). Wie es sich mit diesem Einwand verhält, ist näher zu prüfen.

aa. Vom offenen und selektiven Verfahren zu unterscheiden ist das Einladungsverfahren nach Art. 35 VoeB, worin die Auftraggeberin mehrere (nach Möglichkeit mindestens drei) Anbieter direkt zur Angebotseingabe einlädt, ohne den geplanten Auftrag zunächst öffentlich auszuschreiben (vgl. auch Art. 18 Abs. 1 BoeB e contrario). Obwohl die Verordnung es nicht ausdrücklich sagt, ist dieses Verfahren nicht nur in den Fällen des Art. 35 Abs. 3 VoeB, sondern darüber hinaus auch in all jenen Fällen zulässig, in denen eine freihändige Vergabe möglich ist (Peter Gauch / Hubert Stöckli, Thesen zum neuen Vergaberecht des Bundes, Freiburg 1999, Rz. 15.3). Hervorzuheben ist, dass die Vergabebehörde wohl zwischen dem offenen und selektiven Verfahren frei wählen kann, eine freihändige Vergabe oder eine Vergabe im Einladungsverfahren dagegen lediglich unter den in Art. 13 Abs. 1, Art. 35 Abs. 3 und Art. 36 Abs. 2 VoeB abschliessend und detailliert aufgeführten Voraussetzungen zulässig ist (vgl. Markus Metz Gerhard Schmid, Öffentliche Bauvorhaben, insbesondere Beschaffungsrecht, in: Münch/ Karlen/Geiser, Beraten und Prozessieren in Bausachen, Basel/Genf/München 1998, Rz. 19.52 und Rz. 19.55 mit Hinweis, Nicolas Michel, Droit public de la construction, Freiburg 1996, Rz. 1910; Gauch/Stöckli, a.a.O., Rz. 15.1 und 15.3 f.).

Gemäss Art. 36 Abs. 2 Bst. a VoeB können Auftraggeberinnen einen Auftrag direkt und ohne Ausschreibung vergeben, wenn der Auftrag im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 Bst. a - d und Abs. 2 Bst. a und b des Gesetzes vergeben wird. Mit Art. 3 Abs. 2 BoeB, der auf Art. XXIII Ziff. 2 des GATT/WTO-Übereinkommens vom 15. April 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (ÜoeB, SR 0.632.231.422) basiert, wird es der Auftraggeberin ermöglicht, bei Vorliegen ganz bestimmter Voraussetzungen in einem konkreten Fall einen Auftrag nicht nach den Bestimmungen des BoeB zu vergeben. Im Unterschied zu den in Art. 3 Abs. 1 BoeB aufgeführten Bereichen, die gemäss schweizerischer GATT-Offerte im Beschaffungswesen nicht unter das GATT-Übereinkommen fallen und somit grundsätzlich vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen sind, wird die Anwendbarkeit des Gesetzes bei den Ausnahmen gemäss Art. 3 Abs. 2 BoeB nicht generell ausgeschlossen (vgl. Christian Bock, Öffentliches Beschaffungsrecht Submissionsrecht, Basel und Frankfurt am Main 1996, S. 29 [Kurzkommentar zu Art. 3 BoeB]; Evelyne Clerc, L'ouverture des marchés publics: Effectivité et protection juridique, Freiburg 1997, S. 415). Befindet sich die Vergabestelle grundsätzlich im Anwendungsbereich des BoeB, so kann sie das freihändige Verfahren oder das Einladungsverfahren nicht frei benutzen, sondern nur dann, wenn eine der gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen gegeben ist (z. B. Gefährdung der Sittlichkeit oder der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Bst. a BoeB).

bb. Die Frage, ob in einem konkreten Fall zu Recht auf eine dem BoeB unterstehende Verfahrensart (offenes Verfahren/selektives Verfahren) und eine entsprechende öffentliche Ausschreibung des Auftrages verzichtet worden ist, kann nicht gänzlich der Rechtskontrolle entgehen. Denn die Vergabebehörde hätte es ansonsten in der Hand, eine richterliche Kontrolle durch blosse Berufung auf einen Ausnahmetatbestand im Sinne von Art. 3 Abs. 2 BoeB nach eigenem Ermessen zu umgehen. Eine solche Auslegung kann nicht Sinn und Zweck des Gesetzes und staatsvertraglicher Verpflichtung entsprechen. Wird gerügt, es sei eine falsche Verfahrensart gewählt und gerade zu Unrecht keine öffentliche Ausschreibung durchgeführt worden, da die Voraussetzungen für das freihändige Verfahren bzw. das Einladungsverfahren nicht vorgelegen hätten, so muss diese Frage vielmehr in einem Rechtsmittelverfahren überprüft werden können. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass der Rechtsschutz im öffentlichen Beschaffungswesen durch Umgehung der Vorschriften über das anzuwendende Vergabeverfahren ausgehöhlt würde. In diesem Sinne enthält auch Art. XX Ziff. 2 ÜoeB eine Verpflichtung der Vertragsparteien zur Festlegung wirksamer Verfahren, welche den Anbietenden erlauben, gegen vermutete Verletzungen des Übereinkommens im Zusammenhang mit Beschaffungen, an denen sie ein Interesse haben oder hatten, Beschwerde zu erheben. In gleichem Sinne argumentiert hat das Berner Verwaltungsgericht in einem Entscheid vom 14. Juli 1997 zur Legitimation Dritter zur Einsprache und Beschwerde, wenn kein Wettbewerb stattgefunden hat (vgl. Bernische Verwaltungsrechtsprechung [BVR] 1998, S. 74 ff. mit Hinweis). Das Aargauer Verwaltungsgericht weist seinerseits in einem Urteil vom 12. Dezember 1997 darauf hin, dass die Wahl einer nicht den Vorschriften entsprechenden Verfahrensart (in concreto des Einladungsverfahrens statt des offenen oder selektiven Verfahrens) ein schwerwiegender Rechtsmangel darstellt und die Frage, ob im konkreten Fall die richtige Verfahrensart gewählt worden ist, durch den Richter muss überprüft werden können (vgl. Aargauische Verwaltungsrechtsprechung [AGVE] 1997, S. 343 E. 1b).

Eine Kontroll- bzw. Beschwerdemöglichkeit ist demnach auch für das Vergaberecht des Bundes offen zu halten für jene beiden Verfahren, mit Bezug auf welche es der Vergabebehörde - abweichend von einem eigentlichen Grundsatz des Vergaberechts - ausnahmsweise erlaubt wird, einen Auftrag zu vergeben, ohne die Konkurrenz spielen zu lassen (vgl. Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Neuenburg vom 19. Dezember 1997, veröffentlicht in Revue de droit administratif et de droit fiscal [RDAF] 1998 I, S. 298 E. 2a). Schliesslich ist festzuhalten, dass das BoeB auch dann gilt, wenn sich die Auftraggeberin nicht daran hält, indem sie einen Auftrag pflichtwidrig nicht nach dem BoeB vergibt oder nicht jene Verfahrensart wählt, die sie eigentlich wählen müsste (z.B. Einladungsverfahren statt offenes oder selektives Verfahren). Entsprechend kann sich ein Anbieter bei der BRK beschweren, falls er von einem solchen pflichtwidrigen Vorgehen Kenntnis erhält (vgl. Peter Rechsteiner, Baurecht 1999, S. 50 f.).

Die vom BBL vertretene Ansicht, die Beschwerdeführerin hätte die vermeintliche gesetzwidrige Wahl der Verfahrensart lediglich mit einer Aufsichtsbeschwerde rügen können, trägt dem Umstand nicht Rechnung, dass sich die Schweiz in Art. XX Ziff. 2 ÜoeB als Vertragsstaat auf ein wirksames Verfahren verpflichtet hat. Beim Rechtsbehelf der Aufsichtsbeschwerde gemäss Art. 71 VwVG kann nicht von einem wirksamen Verfahren im Sinne dieser staatsvertraglichen Verpflichtung gesprochen werden. Auch aus Art. 2 Abs. 3 Satz 4 BoeB vermag das BBL für den konkreten Fall nichts Schlüssiges abzuleiten. Denn diese Bestimmung meint nur, dass für den Fall, dass der Bundesrat den Geltungsbereich des BoeB für einzelne Bereiche noch ausdehnen würde, die Anwendung des Rechtsmittelverfahrens gleichwohl ausgeschlossen bliebe.

cc. Es stellt sich weiter die Frage, in welchem Zeitpunkt ein (potenzieller) Anbieter sich dagegen zur Wehr setzen muss, wenn er der Ansicht ist, die Vergabebehörde habe eine falsche Verfahrensart gewählt und sich für ein freihändiges Verfahren bzw. ein Einladungsverfahren entschieden, obschon die entsprechenden Voraussetzungen nicht gegeben seien.

Als durch Beschwerde selbständig anfechtbare Verfügungen gelten gemäss Art. 29 BoeB insbesondere der Zuschlag oder Abbruch des Vergabeverfahrens (Bst. a) sowie die Ausschreibung des Auftrags (Bst. b). Das Einladungsverfahren und das freihändige Verfahren werden indes ohne vorgängige Ausschreibung eingeleitet, so dass insofern keine selbständig anfechtbare Verfügung vorliegt und die Vergabebehörde den ersten formellen Entscheid - abgesehen von einem allfälligen Ausschluss eines eingeladenen Anbieters - mit dem Zuschlag zu treffen hat. Zwar ist es - aufgrund einer extensiven Auslegung von Art. 29 Bst. b BoeB - möglich, auch gegen eine fälschlicherweise unterlassene Ausschreibung Beschwerde zu führen (vgl. Clerc, a.a.O., S. 501 und speziell Fn. 809). Namentlich könnte gerügt werden, dass die Voraussetzungen für ein freihändiges Verfahren bzw. ein Einladungsverfahren nicht gegeben seien, so dass die Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung bestehe. Mit einer Beschwerdeerhebung in einem frühen Stadium des Vergabeverfahrens stünden insbesondere die Chancen eines (potenziellen) Anbieters besser, einen Widerruf des Einladungsverfahrens und ein selektives oder offenes Verfahren zu erwirken (vgl. Rechsteiner, a.a.O., S. 51; Clerc, a.a.O., S. 503). Eine Pflicht zur unmittelbaren, selbständigen Anfechtung besteht indessen nur insoweit, als die Vergabebehörde gemäss Art. 29 BoeB gehalten ist, einen Entscheid als Verfügung auszugestalten (vgl. Botschaft vom 19. September 1994 zu den für die Ratifizierung der GATT/WTO-Übereinkommen [Uruguay-Runde] notwendigen Rechtsanpassungen [GATT-Botschaft 2], BBl 1994 IV 1200; BGE 125 I 207; Entscheid der Rekurskommission für das öffentliche Beschaffungswesen vom 8. Oktober 1998, veröffentlicht in VPB 63.13, S. 154 E. 4 in fine; Galli/Lehmann/Rechsteiner, Das öffentliche Beschaffungswesen in der Schweiz, 1996, Rz. 503; Clerc, a.a.O., S. 502). Im Rahmen eines Einladungsverfahrens gehört, wie erwähnt, die Einladung, die direkt und nicht durch Ausschreibung erfolgt, nicht dazu. Angefügt werden kann in diesem Zusammenhang, dass das Aargauer Verwaltungsgericht in einem Beschwerdeverfahren eines Anbieters, der nach durchgeführtem Einladungsverfahren den Zuschlag nicht erhalten hat, den Rechtsmangel der Wahl einer nicht den Vorschriften entsprechenden Verfahrensart gestützt auf den Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen berücksichtigt hat, d.h. ohne dass er ausdrücklich gerügt worden wäre (vgl. AGVE 1997, S. 343 E. 1b).

Der Beschwerdeführerin, die im vorliegenden Fall zur Offertabgabe eingeladen worden war, steht es mithin zu, im Rahmen der Anfechtung des Zuschlags geltend zu machen, es liege keine Ausnahme im Sinne von Art. 3 BoeB vor bzw. es sei eine falsche Verfahrensart gewählt worden (Einladungsverfahren statt offenes oder selektives Verfahren). Allfällige Nachteile, die ihr durch die Einlassung auf das Einladungsverfahren bzw. dessen anfängliche konkludente Billigung entstanden sind, hat die Beschwerdeführerin dabei in Kauf zu nehmen. Die Vergabebehörde trägt mit der Wahl des Einladungsverfahrens bzw. des freihändigen Verfahrens ihrerseits das Risiko, dass eine selbständig anfechtbare Verfügung grundsätzlich eben erst mit dem Zuschlag ergeht und die gewählte Verfahrensart somit noch in einem späten Verfahrensstadium in Frage gestellt werden kann.

2.a. In materieller Hinsicht ist zu prüfen, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für ein freihändiges Verfahren bzw. ein Einladungsverfahren erfüllt sind.

Gegenstand des vorliegenden Beschaffungsgeschäfts bildet der Generalplanerauftrag für den Ausbau der schweizerischen Botschaft in Peking (Aufstockung des Kanzleigebäudes). Das BBL führt in diesem Zusammenhang aus, es vergebe gemäss seiner Praxis Arbeiten und Dienstleistungsauftäge für Botschaften in der Regel freihändig oder im Einladungsverfahren. Zur Begründung dieser Praxis stützt sich das BBL auf Art. 3 Abs. 2 Bst. a BoeB. Danach braucht die Auftraggeberin einen Auftrag nicht nach den Bestimmungen des BoeB zu vergeben, wenn dadurch die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet sind. Die Vergabestelle ist der Auffassung, dass die Anrufung der Ausnahmebestimmung zur Gewährleistung der Sicherheit von Botschaftsangehörigen (und ihren Familien) sowie zur Wahrung des vertraulichen Charakters von Informationen notwendig sei.

aa. Schon Art. XXIII Ziff. 2 ÜoeB ermächtigt die Vertragsparteien, einseitig «Massnahmen zu beschliessen oder durchzuführen (u.a.) zum Schutze der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit (...)». Dabei dürfen diese Massnahmen indessen «nicht so angewendet werden, dass sie zu einer willkürlichen oder ungerechtfertigten Diskriminierung zwischen Ländern, in denen die gleichen Bedingungen herrschen, oder zu einer versteckten Beschränkung des internationalen Handels führen». In gleichem Sinne präzisiert die Botschaft des Bundesrates zum BoeB, dass die Nichtanwendung des Gesetzes gestützt auf Art. 3 Abs. 2 BoeB sachlich gerechtfertigt sein muss und nicht zu einer willkürlichen oder ungerechtfertigten Diskriminierung anderer Anbieterinnen und Anbieter führen darf (GATT-Botschaft 2, BBL 1994 IV 1180). Es kommt hinzu, dass die Ausnahmen, die gemäss Art. XXIII Ziff. 2 ÜoeB eine Nichtanwendung der Bestimmungen über das öffentliche Beschaffungswesen erlauben, beschränkt sind auf jene Massnahmen, die zum Schutz der (...) öffentlichen Sicherheit erforderlich sind (vgl. den französischen bzw. englischen Originaltext von Art. XXIII Ziff. 2 ÜoeB, in dem ausdrücklich von «mesures nécessaires à» bzw. «measures: necessary to» die Rede ist). Eine entsprechende Ausnahmeklausel findet sich in sämtlichen WTO-Übereinkommen und existierte bereits in Art. XX des GATT-Übereinkommens von 1947. Diese parallelen Bestimmungen wurden durch die Organe des GATT bzw. der WTO schon verschiedentlich ausgelegt und angewandt. Sie wurden in ständiger Rechtsprechung dahin interpretiert, dass Ausnahmemassnahmen zum Schutze eines der genannten Interessen nur dann als erforderlich bezeichnet werden können, wenn keine andere, weniger restriktive Massnahme vorhanden ist, um den in Frage stehenden Zweck zu erreichen («least-restrictive means test»; vgl. aff. Thailand: restrictions on importation of and internal taxes on cigarettes, Basic Instruments and Selected Documents [BISD] 37th Supp. 1990, S. 200 ff.; US-Standards for reformulated and conventional gasoline, WS/DS2/R, panel report Ziff. 6.25 ff.).

Daraus folgt, dass eine Ausnahmemassnahme zum Schutze der (...) öffentlichen Sicherheit einerseits nicht ungerechtfertigt diskriminierend oder versteckt protektionistisch sein darf, anderseits aber auch dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit genügen und die den Umständen entsprechend am wenigsten einschneidende Massnahme darstellen muss. Art. XXIII Ziff. 2 ÜoeB und der auf dieser Bestimmung aufbauende Art. 3 Abs. 2 BoeB erlauben der Vergabebehörde nicht, eine öffentliche Beschaffung, bei der es Gründe der (...) öffentlichen Sicherheit zu beachten gilt, automatisch dem Anwendungsbereich des BoeB zu entziehen. Die Nichtanwendbarkeit des Gesetzes ist vielmehr auf jene Ausnahmefälle zu beschränken, bei denen eines der zu beachtenden Interessen der Sicherheit usw. nicht anders gewahrt werden kann.

bb. Im Lichte vorstehender Ausführungen ist festzuhalten, dass das BBL in keiner Weise darlegt und auch nicht ersichtlich ist, inwiefern die Sicherheit der Botschaftsangehörigen (und ihrer Familien) bzw. die Pflicht zur Wahrung des vertraulichen Charakters von Informationen im Rahmen der Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung eines Beschaffungsgeschäfts der vorliegenden Art in Frage gestellt wäre. Die Möglichkeit der Vergabestelle, im Rahmen der Eignungsprüfung - z.B. eines selektiven Verfahrens - die Anbieter daraufhin zu untersuchen, ob sie in der Lage sind, den im nationalen Interesse an die Vertraulichkeit und die Sicherheit zu stellenden Anforderungen bei Beschaffungsgeschäften im Zusammenhang mit Auslandsvertretungen Genüge zu tun, kann in gleichem Masse erfolgen, ob das betreffende Beschaffungsgeschäft nun ausgeschrieben wird oder nicht. Diese Abklärungen hängen also nicht von der Frage der Ausschreibung eines Beschaffungsgeschäfts ab und vermögen daher - bei im Übrigen gegebenen Voraussetzungen für die Publikationspflicht - den Verzicht auf ein Vergabeverfahren mit öffentlicher Ausschreibung nicht zu rechtfertigen.

Ist die Anwendbarkeit der Ausnahmeklausel von Art. 3 Abs. 2 BoeB nach Auffassung der Vergabebehörde in einem konkreten Anwendungsfall gegeben, so hat sie dies nachvollziehbar zu erläutern und - wenn möglich - zu belegen, jedenfalls gegenüber der BRK. Falls alsdann Gründe der Geheimhaltung die Offenlegung der betreffenden Informationen an die Parteien verbieten, so steht das Gesetz einem diesbezüglichen Vorgehen ebenfalls nicht im Wege (Art. 26 BoeB in Verbindung mit Art. 27 VwVG).

cc. Zusammenfassend sind somit vorliegend die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 3 Abs. 2 Bst. a BoeB als nicht gegeben anzusehen. Da das strittige Beschaffungsgeschäft im Übrigen die Voraussetzungen für die Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung erfüllte und die Vergabestelle trotzdem keine Publikation anordnete, verletzte sie im Rahmen des vorliegenden Submissionsverfahrens Bundesrecht.

b. Obschon der nach Durchführung einer im vorliegenden Fall unzulässigen Verfahrensart erfolgte Zuschlag in Verletzung von Bundesrecht zustande gekommen ist, kann er - entgegen dem Antrag der Beschwerdeführerin - nicht aufgehoben werden. Denn das BBL hat den Vertrag mit der Y. Co Ltd. bereits am 20. April 1999 abgeschlossen, während die Beschwerde erst am 18. Mai 1999 eingereicht wurde. Diese Folge hat die Beschwerdeführerin mit zu verantworten, wurde sie doch in das Einladungsverfahren einbezogen und hatte damit von Beginn her Kenntnis von der durch die Vergabebehörde gewählten - unzulässigen - Verfahrensart. Indem sie erst nach erfolgtem Zuschlag an ihre Mitbewerberin den Einwand erhob, der Auftrag hätte öffentlich ausgeschrieben werden müssen und nicht im Einladungsverfahren vergeben werden dürfen, hat sie den Nachteil des bereits erfolgten Vertragsabschlusses in Kauf zu nehmen. Daran hätte auch nichts geändert, wenn die BRK in einem Zwischenentscheid vorweg über das von der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde vom 18. Mai 1999 gestellte Begehren um aufschiebende Wirkung erkannt hätte. In Anwendung von Art. 32 Abs. 2 BoeB kann die BRK demnach lediglich feststellen, dass das BBL mit der im vorliegenden Fall getroffenen Wahl des Einladungsverfahrens und der Nichtanwendung des Gesetzes Bundesrecht verletzt hat. In diesem Sinne ist die Beschwerde gutzuheissen. Im Übrigen ist die Beschwerdeführerin auf den Weg des Schadenersatzes zu verweisen (Art. 34 BoeB in Verbindung mit Art. 64 VoeB).

Mit dem Entscheid in der Sache selbst wird der Antrag betreffend aufschiebende Wirkung gegenstandslos; die am 25. Mai 1999 vom Präsidenten der BRK angeordnete superprovisorische Massnahme fällt dahin (vgl. André Moser, in: Moser/Uebersax, Prozessieren vor eidgenössischen Rekurskommissionen, Basel und Frankfurt am Main 1998, Rz. 3.13).





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