VPB 65.29
(Entscheid der Eidgenössischen Kommunikationskommission vom 28. Juni 1999)
Fernmeldewesen. Anordnung vorsorglicher Massnahmen zur Sicherstellung der Interkonnektion (Art. 11 FMG). Mietleitungen.
- Bei Mietleitungen handelt es sich um das Bereitstellen einer bestimmten Übertragungskapazität zwischen zwei Netzabschlusspunkten für Dritte. Dabei werden fernmeldetechnisch Informationen für Dritte übertragen, was einen Fernmeldedienst im Sinne von Art. 3 Bst. b FMG in Verbindung mit Art. 1 Bst. b FDV darstellt. Sowohl die Übertragungskapazität als Fernmeldedienst als auch grundsätzlich das Übertragungsmedium als Fernmeldeanlage unterliegen dem Interkonnektionsregime (Ziff. 2.1.1).
- Im Bereich des Teilnehmeranschlussnetzes («Local Loop») kann eine Marktbeherrschung der marktführenden Anbieterin von Fernmeldediensten angenommen werden; daher muss sie andern Anbieterinnen von Fernmeldediensten nach den Grundsätzen einer transparenten und kostenorientierten Preisgestaltung auf nichtdiskriminierende Weise Interkonnektion gewähren (Ziff. 2.1.2).
- Eine Anordnung vorsorglicher Massnahmen zur Sicherstellung der Interkonnektion gemäss Art. 11 Abs. 3 FMG in Verbindung mit Art. 29 ff. FDV muss verneint werden, wenn das Angebot an Mietleitungen und Übertragungsmedien der marktbeherrschenden Anbieterin jederzeit in Anspruch genommen und die benötigten Dienste auf dem Markt aufgrund eines «Wholesale»-Angebotes (Grosshandelsangebot) ohne weiteres bezogen werden können (Ziff. 2.2.5).
Télécommunications. Adoption de mesures provisionnelles pour garantir l'interconnexion (Art. 11 LTC). Circuits loués.
- Par lignes louées on entend la fourniture de certaines capacités de transmission entre deux points de terminaison du réseau à des tiers. Des informations sont ainsi transmises au moyen de techniques de télécommunication pour le compte de tiers, ce qui constitue à un service de télécommunication au sens de l'art. 3 let. b LTC en relation avec l'art. 1 let. b OST. Non seulement la capacité de transmission mais aussi le moyen de transmission en tant qu'installation de télécommunication sont soumis en principe au régime d'interconnexion (ch. 2.1.1).
- Dans le domaine des lignes d'abonnés («local loop»), on peut admettre que le marché est dominé par le principal fournisseur de services de télécommunications; celui-ci est donc tenu de garantir l'interconnexion à l'égard d'autres fournisseurs de manière non discriminatoire et selon les principes d'une politique des prix transparente et alignée sur les coûts (ch. 2.1.2).
- L'adoption de mesures provisionnelles pour assurer l'interconnexion selon l'art. 11 al. 3 LTC en relation avec les art. 29 ss OST doit être rejetée si on peut recourir en tout temps à l'offre de lignes louées et aux moyens de transmission du fournisseur dominant et les services nécessités peuvent être acquis sans autre sur le marché sur la base d'une offre en gros («wholesale»; ch. 2.2.5).
Telecomunicazioni. Adozione di misure provvisionali per assicurare l'interconnessione (art. 11 LTC). Linee locate.
- Nella locazione di linee viene fornita a terzi una determinata capacità di trasmissione tra due punti terminali della rete. In questo modo vengono trasmesse, per mezzo di tecniche di telecomunicazione, informazioni per conto di terzi, ciò che costituisce un servizio di telecomunicazione ai sensi dell'art. 3 lett. b LTC in relazione con l'art. art. 1 lett. b OST. In linea di principio, sottostanno al regime dell'interconnessione sia la capacità di trasmissione che il mezzo di trasmissione in quanto impianto di telecomunicazione. (n. 2.1.1).
- Nell'ambito delle linee di abbonati («local loop»), vi è una posizione di mercato dominante del principale fornitore di telecomunicazioni; esso deve quindi garantire l'interconnessione ad altri fornitori di prestazioni di telecomunicazione in modo non discriminatorio e secondo i principi di una politica dei prezzi trasparente e basata sui costi (n. 2.1.2).
- L'adozione di misure provvisionali per assicurare l'interconnessione secondo l'art. 11 cpv. 3 LTC in relazione con l'art. 29 segg. OTC deve essere respinta, se si può fare capo in ogni momento all'offerta di linee locate e ai mezzi di trasmissione del fornitore dominante e se i servizi necessari possono essere trovati senza problemi sul mercato sulla base di un'offerta all'ingrosso («wholesale», n. 2.2.5)
Die Gesuchstellerin realisiert und betreibt Telekommunikationslösungen und ist zur Erbringung ihrer Dienstleistungen auf Mietleitungen und Übertragungsmedien der Gesuchsgegnerin angewiesen, um die entsprechenden Daten End-zu-End transportieren zu können. Am 21. September 1998 reichte die Gesuchstellerin ein Gesuch um Erlass einer Verfügung auf Interkonnektion und auf Erlass vorsorglicher Massnahmen ein. Die Gesuchstellerin verlangt darin von der Gesuchsgegnerin für ihre Bedürfnisse Mietleitungen und Übertragungsmedien zu Interkonnektionsbedingungen. Die Gesuchsgegnerin bietet indessen andern Fernmeldedienstanbieterinnen für diese Zwecke den Dienst «Private Line National», welcher ein Portfolio von Mietleitungen und Übertragungsmedien zu bestimmten Kapazitäten und Preisen enthält, zu «Wholesale»-Bedingungen an. Ein diesbezügliches Interkonnektionsangebot lehnt sie ab.
2. Rechtliches
2.1. Fernmelderechtliche Voraussetzungen für den Erlass vorsorglicher Massnahmen
2.1.1. Interkonnektionsregime
19. Marktbeherrschende Anbieterinnen von Fernmeldediensten müssen andern Anbieterinnen von Fernmeldediensten nach den Grundsätzen einer transparenten und kostenorientierten Preisgestaltung auf nichtdiskriminierende Weise Interkonnektion gewähren (Art. 11 Abs. 1 des Fernmeldegesetzes vom 30. April 1997 [FMG], SR 784.10).
Es stellt sich damit zunächst die Frage, ob im vorliegenden Fall überhaupt ein Anwendungsfall der Interkonnektionsregelung vorliegt.
(...)
26. Die Anträge der Gesuchstellerin auf Verfügung ihrer Interkonnektionsvereinbarungen samt den dazugehörenden Vereinbarungszusätzen werden von der Gesuchstellerin in zwei Kategorien unterteilt. Einerseits verlangt sie Interkonnektion für so genannte Mietleitungen, andererseits für so genannte Übertragungsmedien.
Unter dem Begriff der Mietleitung wird gemäss Art. 1 Bst. b der Verordnung vom 6. Oktober 1997 über Fernmeldedienste (FDV, SR 784.101.1) das «Bereitstellen von Übertragungskapazität im Sinne der ONP-Richtlinie 92/44/EWG des Rates vom 5. Juni 1992 zur Einführung des offenen Netzzugangs bei Mietleitungen» (http://europa.eu.int/eur-lex/en/lif/dat/1992/en_392L0044.html) verstanden. In der Richtline 92/44/EWG wird der Begriff der Mietleitung wie folgt definiert: «Der Begriff der Mietleitungen bezeichnet im Zusammenhang mit der Einrichtung, der Entwicklung und dem Betrieb des öffentlichen Telekommunikationsnetzes bereitgestellte Telekommunikationseinrichtungen, die transparente Übertragungskapazität zwischen Netzabschlusspunkten, jedoch keine Vermittlungsfunktionen, die der Benutzer selbst als Bestandteil des Mietleitungsangebots steuern kann (on-demand switching), zur Verfügung stellen.» Unter Netzabschlusspunkt (Network Termination Point, NTP) wird gemäss Richtlinie 97/51/EG vom 6. Oktober 1997 folgendes verstanden: «Der Netzabschlusspunkt ist die physische Stelle, an der ein Benutzer Zugang zu einem öffentlichen Telekommunikationsnetz erhält. Die Lokalisierung der Netzabschlusspunkte wird von der nationalen Regulierungsbehörde festgelegt und stellt für die Zwecke der hoheitlichen Funktion eine Abgrenzung des öffentlichen Telekommunikationsnetzes dar.»
Bei Mietleitungen handelt es sich somit um das Bereitstellen einer bestimmten Übertragungskapazität zwischen zwei Netzabschlusspunkten für Dritte. Dabei werden fernmeldetechnisch Informationen für Dritte übertragen, was einen Fernmeldedienst im Sinne von Art. 3 Bst. b FMG in Verbindung mit Art. 1 Bst. b FDV darstellt. Dieser Vorgang kann unter dem Begriff «Punkt-zu-Punkt-Übertragungsdienst» für Dritte erfasst werden.
27. Neben der Interkonnektion für Mietleitungen verlangt die Gesuchstellerin Interkonnektion für Übertragungsmedien. Wird von Übertragungsmedien gesprochen, ist darunter das physische Medium zu verstehen (z. B. Kupferkabel, Glasfasern), über welches Daten innerhalb eines Fernmeldenetzes transportiert werden können. Bei diesem Übertragungsmedium sind die Übertragungssysteme sowie die Schnittstellen nicht eingeschlossen. Da das physische Medium zur fernmeldetechnischen Übertragung von Informationen bestimmt ist oder als solches benutzt wird, handelt es sich beim Übertragungsmedium um eine Fernmeldeanlage im Sinne der Botschaft zu Art. 3 FMG (Botschaft zum revidierten Fernmeldegesetz vom 10. Juni 1996, BBl 1996 III 1405, 1448) und Art. 3 Bst. d FMG. Die Botschaft zu Art. 3 FMG spricht unter «Fernmeldeanlagen» explizit davon, dass auch Glasfaser-, Kupfer- und Koaxialkabel oder Vermittlungszentralen unter den Begriff der Fernmeldeanlagen zu subsumieren sind (a.a.O., 1424).
28. Es stellt sich nun die Frage, inwiefern die von der Gesuchstellerin verlangten Mietleitungen und Übertragungsmedien unter dem Titel «Interkonnektion» verlangt werden können. Der Begriff der Interkonnektion wird im Gesetz unter Art. 3 Bst. e FMG als «Verbindung von Fernmeldeanlagen und Fernmeldediensten, die ein fermeldetechnisches und logisches Zusammenwirken der verbundenen Teile und Dienste sowie den Zugang zu Diensten Dritter ermöglicht» definiert. Als Fernmeldeanlagen gelten gemäss Art. 3 Bst. d FMG «Geräte, Leitungen oder Einrichtungen, die zur fernmeldetechnischen Übertragung von Informationen bestimmt sind oder benutzt werden», als Fernmeldedienst gilt gemäss Art. 3 Bst. b FMG die «fernmeldetechnische Übertragung von Informationen für Dritte.»
29. Damit Interkonnektion zustandekommt, muss - bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 11 FMG - die Verbindung von Fernmeldeanlagen und Fernmeldediensten, die ein fernmeldetechnisches und logisches Zusammenwirken der verbundenen Teile und Dienste sowie den Zugang zu Diensten Dritter ermöglicht, gewährleistet sein (Art. 3 Bst. e FMG). Konkretisiert wird die Interkonnektionspflicht der marktbeherrschenden Anbieterin in Bezug auf Fernmeldeanlagen in Art. 30 FDV sowie in Art. 32 Bst. e FDV. In Art. 30 FDV wird festgehalten, dass die marktbeherrschende Anbieterin «Interkonnektion namentlich durch gemeinsame Nutzung von Fernmeldeanlagen (...) sicherzustellen» hat. Gemäss Art. 32 Bst. e FDV hat sie die entsprechende physische Verbindung von Fernmeldeanlagen verschiedener Anbieterinnen, die für die Verbindung von Diensten notwendig ist, anzubieten. Da es sich bei oben genanntem «Übertragungsmedium» um eine Fernmeldeanlage handelt, finden diese beiden Bestimmungen Anwendung. D. h. die marktbeherrschende Anbieterin hat die physische Verbindung ihrer Fernmeldeanlagen mit denjenigen verschiedener Anbieterinnen, die für die Verbindung von Diensten notwendig ist, unter dem Titel der Interkonnektion anzubieten.
Wie von der Gesuchstellerin ausgeführt, erbringt sie Telekommunikationslösungen im LAN- und WAN-Bereich («Local Area Network», Lokalnetz, und «Wide Area Network», Fernnetz). Dabei verfügt sie einerseits über eigene Fernmeldeanlagen und andererseits über Übertragungsmedien und Mietleitungen Dritter, ausserdem ist sie daran ein eigenes physisches Netz aufzubauen. Im Weiteren erbringt die Gesuchstellerin Carrierdienste (Übertragungsdienste), wozu sie vom Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) eine Konzession erhielt. Die Gesuchstellerin erbringt somit über eigene Anlagen Carrierdienste. Die Anlagen der Gesuchstellerin, welche sich bei den Kunden der Gesuchstellerin befinden, müssen physisch verbunden sein, um die von der Gesuchstellerin angebotenen Telekommunikationsdienste entsprechend realisieren zu können. In diesem Bereich ersucht die Gesuchstellerin um Interkonnektion .
30. Bezüglich der von der marktbeherrschenden Anbieterin zu erbringenden Fernmeldedienste wird in Art. 32 FDV das Mindest-Basisangebot näher ausgeführt. In Bst. a von Art. 32 FDV werden die Erzeugung, Terminierung und der Transit der Verbindungen aller Dienste der Grundversorgung genannt, in Bst. b derselben Bestimmung wird der Zugang zu anderen Diensten (als denjenigen der Grundversorgung), bei denen die Anbieterin marktbeherrschend ist, genannt. Da es sich bei der Erbringung eines «Punkt-zu-Punkt-Übertragungsdienstes» sowie der Bereitstellung von Übertragungskapazität um einen Fernmeldedienst handelt, fallen sie unter den Anwendungsbereich des Art. 32 Bst. b FDV. Bei entsprechender Marktbeherrschung der Anbieterin unterliegen diese Dienste dem Interkonnektionsregime. Nicht notwendig ist dabei, dass es sich um Dienste der Grundversorgung handelt.
Die Gesuchstellerin fragt bei der Gesuchsgegnerin sowohl «Punkt-zu-Punkt-Übertragungsdienste» sowie Übertragungskapazität nach, um ihre Kunden für die von ihr angebotenen Telekommunikationsdienste überhaupt physisch erschliessen zu können. In diesem Zusammenhang stellen sowohl das Erbringen eines «Punkt-zu-Punkt-Übertragungsdienstes» wie auch das Bereitstellen von Übertragungskapazität durch die Gesuchsgegnerin Dienste im Sinne von Art. 32 Bst. b FDV dar.
31. Eine bestimmte «Übertragungskapazität» bzw. das «Übertragungsmedium» sind Bestandteile eines «Punkt-zu-Punkt-Übertragungsdienstes». Sowohl die Übertragungskapazität als Fernmeldedienst als auch das Übertragungsmedium als Fernmeldeanlage unterliegen dem Interkonnektionsregime. Eine marktbeherrschende Anbieterin hat deshalb im betreffenden Markt die Verbindung von Fernmeldeanlagen (Übertragungsmedien) und/oder die Verbindung von «Fernmeldediensten» (Übertragungskapazitäten) herzustellen, damit ein fernmeldetechnisches und logisches Zusammenwirken der verbundenen Teile und Dienste sowie der Zugang zu Diensten Dritter garantiert wird (Art. 3 Bst. e FMG).
2.1.2. Marktbeherrschung
32. Als marktbeherrschende Unternehmen gelten einzelne oder mehrere Unternehmen, die auf einem Markt als Anbieter und Nachfrager in der Lage sind, sich von anderen Marktteilnehmern in wesentlichem Umfang unabhängig zu verhalten (Art. 4 Abs. 2 des Kartellgesetzes vom 6. Oktober 1995 [KG], SR 251). Um festzustellen, ob sich ein einzelnes oder mehrere Unternehmen in einem bestimmten Bereich tatsächlich in wesentlichem Umfang von anderen Marktteilnehmern unabhängig verhalten kann, ist jeweils vorab der relevante Markt in sachlicher und räumlicher Hinsicht abzugrenzen.
33. Aufgrund der von der Gesuchsgegnerin in ihrer Stellungnahme gestellten Anträge konsultierte das BAKOM bezüglich der Frage der Marktbeherrschung die Wettbewerbskommission (WEKO) als gesetzlich vorgesehene Behörde (Art. 11 Abs. 3 Satz 3 FMG).
34. In ihrem Gutachten vom 7. Dezember 1998 hält die WEKO fest, dass ihre Schlussfolgerungen auf dem Sachverhalt beruhen würden, wie er im Rahmen des Massnahmeverfahrens durch das BAKOM bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Gutachtens erstellt wurde. Insbesondere aufgrund des vorläufigen Charakters dieses Sachverhalts sei es nicht möglich, die Marktverhältnisse umfassend zu würdigen und eine abschliessende Aussage über die Marktstellung der Gesuchsgegnerin zu machen.
Zur aktuellen Konkurrenz auf dem Markt für Mietleitungen in der Schweiz äussert sich die WEKO dahin gehend, es sei unbestritten, dass die Gesuchsgegnerin ausser im Grossraum Z. und auf einigen Verbindungen zwischen Ballungszentren Alleinanbieterin von Übermittlungsmedien oder zumindest mit grossem Abstand marktführend sei und es auf absehbare Zeit auch bleiben werde. Insbesondere verfüge sie als einzige über ein flächendeckendes Netz inklusive die so genannte «Last Mile». Immerhin seien aber einige Fernmeldedienstanbieterinnen daran, ihre Netze in bestimmten Ballungszentren auszubauen, bzw. bald in Betrieb zu nehmen. Für die «Langstrecken»-Dienste werde aber die Inanspruchnahme von Angeboten der Gesuchsgegnerin unausweichlich sein. Insofern bestehe zweifellos ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Gesuchsgegnerin und den neuen Konkurrentinnen («Newcomern»). Ob dieses Abhängigkeitsverhältnis es der Gesuchsgegnerin erlaube, sich im Sinne von Art. 4 Abs. 2 KG unabhängig zu verhalten, sei nur im konkreten Einzelfall mit Bezug auf bestimmte Verbindungen und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisse verlässlich einzuschätzen (Rz. 39 ff.).
Weiter folgert die WEKO, dass eine marktbeherrschende Stellung der Gesuchsgegnerin zumindest in solchen Gegenden, wo keine Alternative zu ihrem Netz bestehe - bei entsprechender Abgrenzung des räumlichen Marktes - durchaus bejaht werden könnte. Im Raum Z. sowie in und zwischen einigen Ballungszentren herrsche dagegen bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein gewisser Wettbewerb zwischen Netzen. Eine verlässliche Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse lasse sich mangels entsprechender Erhebungen nicht vornehmen (Rz. 45 f.).
In ihrer Zusammenfassung hält die WEKO fest, dass eine allgemeine Aussage über die Wettbewerbsverhältnisse auf dem landesweiten Markt für Übertragungskapazitäten nicht gemacht werden könne. Die Verhältnisse in Z. sowie zwischen einigen Ballungszentren, wo es neben der Gesuchsgegnerin noch weitere Anbieterinnen gäbe, würden zu stark von den übrigen Regionen divergieren. Eine marktbeherrschende Stellung der Gesuchsgegnerin dürfte in denjenigen Gegenden, wo sie als einzige über eine Netzinfrastruktur verfüge, in Anlehnung an die «Essential Facility»-Doktrin (Doktrin über die wesentlichen [Infrastruktur-]Einrichtungen; sie legt fest, wann und zu welchen Bedingungen der Inhaber einer «essential facility» verpflichtet ist, Dritten Zugang zu dieser Einrichtung zu gewähren) nur schwerlich zu widerlegen sein. In Ballungszentren könne eine marktbeherrschende Stellung nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Eine abschliessende wettbewerbsrechtliche Würdigung könne nur im Einzelfall mit Bezug auf konkrete Verbindungen zwischen zwei Endpunkten mit entsprechender Abgrenzung des relevanten Marktes erfolgen (Rz. 50 f.).
(...)
37. Aufgrund der Ausführungen der WEKO kann geschlossen werden, dass zumindest dort, wo keine Alternative zum Mietleitungsangebot der Gesuchsgegnerin besteht, eine Marktbeherrschung festgestellt werden kann. Dies trifft zum jetzigen Zeitpunkt im Bereich des «Local Loop», also für das Anschlussnetz, praktisch gesamtschweizerisch zu, haben doch die neuen Fernmeldedienstanbieterinnen bisher erst höchstens einige wenige Geschäftskunden direkt an ihr Netz angeschlossen.
Was die Wettbewerbsverhältnisse auf dem landesweiten Markt anbelangt, so ist eine abschliessende Beurteilung zum jetzigen Zeitpunkt komplex, wie auch die Schlussfolgerungen der WEKO zeigen. Dies insbesondere deshalb, weil die zu beurteilenden Märkte einer starken Dynamik unterworfen sind. Eine Beurteilung der Marktbeherrschung des relevanten Marktes sollte jedoch nicht lediglich eine Momentaufnahme wiederspiegeln, sondern eine gewisse zeitlich andauernde Gültigkeit haben. Trotzdem kann im Umfeld der Telekommunikationsmärkte nicht einfach auf möglicherweise in einigen Jahren auftretende Alternativen abgestellt werden, wenn die Marktzutrittsschranken zu beurteilen sind. Dazu sind die Voraussetzungen in diesem Bereich häufig zu unsicher.
Hinzu kommt, dass es unpraktikabel scheint, wenn betreffend jede einzelne Mietleitung eine Abklärung über die entsprechende Marktbeherrschung vorgenommen werden muss. Vielmehr sollten sich die einzelnen Ansprüche gruppieren lassen, um eine abstrakte Beurteilung über die entsprechenden Verpflichtungen zu ermöglichen. Es ist den neu in den Markt eintretenden Fernmeldedienstanbieterinnen in diesem dynamischen Markt jedenfalls nicht zuzumuten, für jede einzelne Mietleitung und für jedes einzelne Übertragungsmedium separate Verhandlungen aufnehmen und jeweils ein separates Interkonnektionsgesuch einreichen zu müssen. Zudem entspricht es den Bedürfnissen einer Dienstanbieterin, die nachgefragten Mietleitungen nicht einzeln, sondern paketweise zu verhandeln oder einen Rahmenvertrag abzuschliessen, worauf gestützt dann die einzelnen Leitungen nach Bedarf bestellt werden.
Somit lässt sich die Marktbeherrschung durch die Gesuchsgegnerin bezüglich des landesweiten Marktes im Rahmen der summarischen Prüfung nicht abschliessend beurteilen. Ausserdem wurde der Sachverhalt durch die Gesuchstellerin nur ungenügend dargelegt.
38. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine Marktbeherrschung im Bereich des «Local Loop» aufgrund der Überprüfung im summarischen Verfahren bejaht werden kann. Bezüglich der übrigen Netzabschnitte lässt sich der Markt in einem summarischen Verfahren nicht abschliessend beurteilen. Ausserdem konnte die Gesuchstellerin den Nachweis der Marktbeherrschung durch die Gesuchsgegnerin im vorliegenden Verfahren mangels genügender Darlegung des rechtlich relevanten Sachverhaltes sowie mangels Substantiierung nicht erbringen.
2.2. Allgemeine Voraussetzungen für den Erlass von vorsorglichen Massnahmen
39. Mit dem Erlass von vorsorglichen Massnahmen soll die Wirksamkeit einer erst später zu treffenden definitiven Anordnung sichergestellt werden. Die Voraussetzungen dafür sind, dass (1) die Gesuchstellerin eine günstige Erfolgsprognose glaubhaft macht, dass (2) der Gesuchstellerin ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht, dass (3) die anzuordnenden Massnahmen dringend und (4) verhältnismässig sind (vgl. Isabelle Häner, Vorsorgliche Massnahmen im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, in: Zeitschrift für schweizerisches Recht [ZSR] 116, 1997 II, S. 322 ff.).
Die Gesuchstellerin beantragt einerseits den Erlass vorsorglicher Massnahmen sowohl betreffend die Interkonnektion in physischer und logischer Hinsicht als auch (eventualiter) die Festlegung der entsprechenden Interkonnektionspreise. Zunächst werden im Folgenden die allgemeinen Voraussetzungen für den Erlass vorsorglicher Massnahmen zur Sicherstellung der Interkonnektion geprüft, bevor allenfalls auf einzelne Modalitäten näher einzugehen ist.
2.2.1. Erfolgsprognose
40. Im Rahmen der Erfolgsprognose wird geprüft, ob die Wahrscheinlichkeit besteht, dass die von der Gesuchstellerin für die vorsorglichen Massnahmen gestellten Rechtsbegehren durch den später zu fällenden Hauptentscheid bestätigt werden (Alfred Kölz / Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, Zürich 1993, Rz. 146).
41. Aufgrund der besonderen Bedeutung der Frage, ob einerseits auf vorliegenden Fall die Interkonnektionsregeln Anwendung finden und andererseits von einer marktbeherrschenden Stellung der Gesuchsgegnerin auszugehen ist, wurden diese beiden grundsätzlichen Punkte vorweg separat geprüft (Ziff. 2.1.1. und Ziff. 2.1.2 hievor). Im Folgenden werden die diesbezüglichen vorsorglichen Parteibegehren auf ihre Glaubhaftmachung summarisch geprüft.
(...)
44. Wie bereits oben ausgeführt geht die Eidgenössische Kommunikationskommission (ComCom) davon aus, dass sowohl Mietleitungen wie auch Übertragungsmedien grundsätzlich dem Interkonnektionsregime gemäss Art. 11 FMG unterliegen können.
Gemäss dem Gutachten der WEKO kann die Marktbeherrschung zumindest im Bereich des «Local Loop» bejaht werden, so dass die Gesuchsgegnerin gestützt auf Art. 11 Abs. 1 FMG in Verbindung mit Art. 29 ff. FDV verpflichtet ist, auf dem relevanten Markt Interkonnektion zu gewähren. Bezüglich der übrigen Netzabschnitte kann der Markt vorliegend nicht abschliessend beurteilt werden. Es kann somit festgehalten werden, dass die Marktbeherrschung aufgrund summarischer Prüfung im Local Loop zu bejahen ist und eine weitergehende Beurteilung dem Hauptverfahren vorbehalten bleibt. Die Erfolgsprognose für das Hauptverfahren kann in diesem Sinne als positiv beurteilt werden.
2.2.2. Nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil
45. Bei der Frage nach dem nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteil ist zu prüfen, ob bei einem Zuwarten mit dem Erlass der vorsorglichen Massnahme der Gesuchstellerin ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.
46. (...)
47. In Anbetracht dessen, dass die Gesuchstellerin das Angebot an Mietleitungen und Übertragungsmedien der Gesuchsgegnerin jederzeit in Anspruch nehmen kann, droht ihr auch ohne Erlass von vorsorglichen Massnahmen kein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil. Die Gesuchstellerin kann die von ihr benötigten Dienste auf dem Markt aufgrund des von der Gesuchsgegnerin angebotenen «Wholesale»-Angebotes (Grosshandelsangebot) ohne weiteres beziehen. Ihr Markteintritt ist somit gewährleistet. Von einem nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteil kann somit nicht gesprochen werden. Ein allfällig finanzieller Nachteil genügt für sich alleine nicht zur Geltendmachung eines nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteils.
2.2.3. Dringlichkeit
48. Dringlichkeit liegt dann vor, wenn davon ausgegangen werden muss, dass der nicht leicht wieder gutzumachende Nachteil vor Erlass des Hauptentscheides eintreten wird.
49. (...)
50. Die Gesuchstellerin ist aufgrund des Wholesale-Angebotes der Gesuchsgegnerin grundsätzlich in der Lage, ihre Dienste auf dem Markt anzubieten. Ihr Marktauftritt ist deshalb nicht in Frage gestellt, so dass auch keine Dringlichkeit besteht. Die Argumentation, Dringlichkeit sei gegeben, weil die Gesuchsgegnerin allenfalls ein Rechtsmittel ergreifen könnte und auf diese Weise das Inkrafttreten einer vorsorglichen Massnahme verzögert würde, kann für die Beantwortung der Frage der Dringlichkeit nicht in Betracht gezogen werden, handelt es sich doch dabei um einen gesetzlich verankerten Rechtsanspruch. Zudem erscheint die Dringlichkeit im Sinne der Voraussetzung für den Erlass vorsorglicher Massnahmen auch unter dem Aspekt, dass seit Einreichung des Gesuches bereits 8 Monate verstrichen sind und insbesondere auf Gesuch der Gesuchstellerin ein zweiter Schriftwechsel im Massnahmeverfahren durchgeführt worden ist, als fragwürdig.
Die Dringlichkeit von vorsorglichen Massnahmen ist aus den genannten Gründen insgesamt nicht schlüssig nachgewiesen worden.
2.2.4. Verhältnismässigkeit
51. Die Anordnung vorsorglicher Massnahmen ist verhältnismässig, wenn die Massnahmen geeignet sind, den wahrscheinlich eintretenden Nachteil abzuwenden, wenn sie erforderlich sind und wenn die Interessen an der Anordnung solcher Massnahmen die entgegenstehenden Interessen überwiegen.
52. (...)
53. Der Gesuchstellerin steht für ihre Bedürfnisse zur Zeit das Wholesale-Angebot der Gesuchsgegnerin zur Verfügung. Sie ist damit grundsätzlich in der Lage, auf dem Markt aufzutreten. Allfällige finanzielle Nachteile könnten bei einem Obsiegen der Gesuchstellerin im Hauptverfahren rückwirkend als Differenzanspruch geltend gemacht werden.
Auch erscheint eine vorsorgliche Massnahme zur Abwendung eines drohenden Nachteils nicht erforderlich, da aufgrund der diskriminierungsfrei angebotenen Wholesale-Offerte der Gesuchsgegnerin ein geringeres Mittel zur Gewährleistung des Marktauftrittes gegeben ist.
Es fragt sich, ob die Interessen der einen Partei die entgegenstehenden Interessen der andern Partei überwiegen. In Anbetracht dessen, dass der vorliegende Entscheid tiefgreifende Auswirkungen für die Position der Gesuchsgegnerin mit sich bringt, und aufgrund der bis anhin ungeklärten Rechtslage kann nicht von einem überwiegenden Interesse der Gesuchstellerin an der Verfügung von vorsorglichen Massnahmen ausgegangen werden.
2.2.5. Fazit
54. Aus den dargelegten Gründen kann festgestellt werden, dass die Voraussetzungen für den Erlass vorsorglicher Massnahmen zur Sicherstellung der Interkonnektion insgesamt nicht gegeben sind. Zwar ist bezüglich der Erfolgsprognose - zumindest was den Bereich des «Local Loop» anbelangt - eine positive Einschätzung möglich. Was aber die übrigen Voraussetzungen betrifft, so ist bezüglich des nicht wieder gutzumachenden Nachteils davon auszugehen, dass das Wholesale-Angebot der Gesuchsgegnerin den Markteintritt der Gesuchstellerin gewährleistet. Eine für den Erlass vorsorglicher Massnahmen notwendige Dringlichkeit konnte nicht dargelegt werden. Schliesslich muss auch die Verhältnismässigkeit verneint werden, da der Gesuchstellerin das Wholesale-Angebot der Gesuchsgegnerin diskriminierungsfrei zur Verfügung steht; von einem entgegenstehenden überwiegenden Interesse der Gesuchstellerin kann nicht gesprochen werden.
55. Aufgrund der fehlenden allgemeinen Voraussetzungen wird auf die übrigen Modalitäten der Interkonnektion, insbesondere in technischer und ökonomischer Hinsicht, nicht weiter eingegangen.
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