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 Bund Verwaltungspraxis der Bundesbehörden

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VPB 66.75

(Entscheid des Bundesrates vom 18. Oktober 2000, auch erschienen in Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zur Kranken- und Unfallversicherung [RKUV] 5/2001, S. 445 ff.)


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Sachverhalt
Erwägungen
Erwägung 1.
Erwägung 1.1.
Erwägung 2.
Erwägung 3.
Erwägung 3.1.
Erwägung 3.2.
Erwägung 4.
Erwägung 4.1.
Erwägung 4.2.
Erwägung 4.3.
Erwägung 4.4.
Erwägung 4.5

Art. 47 Abs. 3 KVG. Voraussetzungen der Verlängerung eines Tarifvertrages durch die Kantonsregierung.

- Die Zuständigkeit zur Vertragsverlängerung kann nicht durch Parteiabrede aufgehoben werden (E. 3.2).

- Nach einem Scheitern der Vertragsverhandlungen ist eine Vertragsverlängerung nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Kantonsregierung muss sich jedoch auf vertretbare Gründe zur Weiterführung der Vertragsverhandlungen stützen können (E. 4.1).

- Diese Gründe können sich auch aus objektiven Umständen, welche ausserhalb des Parteiwillens liegen, ergeben (z.B. zu erwartende Entscheide des Bundesrates oder der richterlichen Behörden, die Fragen regeln, welche für die hoheitliche oder vertragliche Festsetzung des Tarifs von Belang sein können; E. 4.2).

- Wenn eine Kantonsregierung aus solchen Gründen einen Vertrag verlängert, so verstösst sie auch dann nicht gegen Art. 47 Abs. 3 KVG, wenn im Zeitpunkt der Verlängerung die Vertragsverhandlungen gescheitert sind und die Parteien nicht weiter verhandeln wollen (E. 4.4.).


Art. 47 al. 3 LAMal. Conditions de prolongation d'une convention tarifaire par le gouvernement cantonal.

- La compétence de prolonger les conventions tarifaires ne peut pas être écartée par un accord entre parties (consid. 3.2).

- Après l'échec de négociations tarifaires, une prolongation de convention n'est pas exclue a priori. Le gouvernement cantonal doit toutefois se fonder sur des motifs plausibles quant à la possibilité de poursuivre des négociations (consid. 4.1).

- Ces motifs peuvent consister dans des circonstances objectives étrangères à la volonté des parties (p. ex. l'adoption attendue de décisions judiciaires ou du Conseil fédéral sur des questions pouvant influencer l'établissement d'un tarif conventionnel ou fixé par l'autorité; consid. 4.2).

- Si le gouvernement cantonal fonde la prolongation de la convention tarifaire sur de tels motifs, cette prolongation ne viole pas l'art. 47 al. 3 LAMal même si elle se produit alors que les négociations tarifaires ont échoué et que les parties ne veulent pas continuer à négocier (consid. 4.4).


Art. 47 cpv. 3 LAMal. Condizioni per la proroga di una convenzione tariffale da parte del governo cantonale.

- La competenza di prorogare una convenzione non può essere esclusa con un accordo fra le parti (consid. 3.2).

- Dopo il fallimento dei negoziati contrattuali non è esclusa a priori la possibilità di una proroga della convenzione. Il governo cantonale deve però potersi basare su motivi sostenibili per la continuazione dei negoziati contrattuali (consid. 4.1).

- Questi motivi possono risultare anche da circostanze oggettive che esulano dalla volontà delle parti (ad es. imminenti decisioni del Consiglio federale o delle autorità giudiziarie che regolano questioni che possono essere rilevanti per la fissazione della tariffa da parte dell'autorità o su base convenzionale; consid. 4.2).

- Se un governo cantonale proroga una convenzione per tali motivi, esso non viola l'art. 47 cpv. 3 LAMal nemmeno se al momento della proroga le trattative sono fallite e le parti non vogliono più negoziare (consid. 4.4.).




Aus dem Sachverhalt:

Mit Beschluss vom 9. Dezember 1997 hat der Regierungsrat des Kantons Thurgau einem Tarifvertrag zwischen dem Kanton Thurgau (als Träger des Leistungserbringers) und dem Verband Krankenversicherer St. Gallen - Thurgau (KST; als Versichererverband) für die Psychiatrische Klinik Münsterlingen (PKM) und den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst Weinfelden (KJPD) zugestimmt (Art. 43 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 [KVG], SR 832.10). Die Vertreter des KST hatten den Vertrag am 3. Dezember 1997 unterzeichnet. Mit Beschluss vom 4. August 1998 hat der Regierungsrat als Genehmigungsbehörde gemäss Art. 46 Abs. 4 KVG den Tarifvertrag mit Wirkung ab 1. Januar 1998 genehmigt, nachdem alle vom KST zum Beitritt eingeladenen Krankenversicherer ihren Beitritt zum Vertrag erklärt hatten. Der KST hat mit Schreiben vom 29. Juni 1999 an den Regierungsrat den Tarifvertrag auf den 31. Dezember 1999 gekündigt.

Nachdem sich die Parteien nicht auf einen neuen Vertrag hatten einigen können, hat der Regierungsrat mit Beschluss vom 14. Dezember 1999 den Tarifvertrag um ein Jahr, längstens jedoch bis zu einer vertraglichen Einigung, verlängert (Art. 47 Abs. 3 KVG).

Dagegen führt der KST Beschwerde an den Bundesrat und beantragt, den angefochtenen Beschluss vollumfänglich aufzuheben und die Tarife für die PKM hoheitlich festzusetzen. Die Vorinstanz und die Spital Thurgau AG beantragen, die Beschwerde abzuweisen, desgleichen das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) in seiner Vernehmlassung zur Beschwerde. Die Preisüberwachung hat im vorinstanzlichen und vorliegenden Verfahren keine Einwände gegen die Vertragsverlängerung erhoben.

Der Bundesrat hat die Beschwerde abgewiesen.

Aus den Erwägungen:

1. Im vorliegenden Fall steht fest, dass der KST den Tarifvertrag frist- und formgerecht auf Ende 1999 gekündigt hat und dass auf den 1. Januar 2000 ein neuer Vertrag nicht zustande gekommen ist. Strittig ist dagegen, ob der Regierungsrat den Vertrag um ein Jahr verlängern durfte.

1.1. (Zuständigkeit des Bundesrates, vgl. VPB 64.13, E. 1.1.)

Die Zuständigkeit des Bundesrates gilt (…) nur soweit, als die Verfügung den Erlass oder die Genehmigung eines Tarifs als Ganzes zum Gegenstand hat oder unmittelbar einzelne Tarifbestimmungen als solche angefochten werden; die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demgegenüber zulässig gegen Verfügungen, welche in Anwendung eines Tarifs im Einzelfall ergehen (BGE 116 V 133 E. 1 und 2). Ein solcher Anwendungsfall ist vorliegend offensichtlich nicht gegeben, ist doch die Verlängerung des Tarifvertrages als solche angefochten (VPB 56.44 und VPB 56.45).

Verlängerungen von Tarifverträgen durch die Kantonsregierungen gemäss Art. 47 Abs. 3 KVG sind demnach von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG) ausgenommen und unterliegen auf Grund von Art. 53 Abs. 1 KVG der Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat.

1.2. - 1.4. (Eintretensvoraussetzungen)

2. (Streitgegenstand)

3. Die Kantonsregierung kann einen bestehenden Tarifvertrag um ein Jahr verlängern, wenn sich Leistungserbringer und Versicherer nicht auf die Erneuerung des Vertrages einigen können (Art. 47 Abs. 3 KVG). Statt den Vertrag zu verlängern kann sie in diesem Fall aber auch selber einen Tarif festsetzen (Art. 47 Abs. 1 KVG), wie der KST dies im vorliegenden Fall beantragt.

3.1. Beim Entscheid, selbst einen Tarif festzusetzen oder einen bestehenden Vertrag zu verlängern, verfügt der Regierungsrat nach der Praxis des Bundesrates über ein weites Auswahlermessen, in welches der Bundesrat nicht ohne Not eingreifen wird (Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zur Kranken- und Unfallversicherung [RKUV] 4/1997 230 E. 3). Der Regierungsrat darf insbesondere berücksichtigen, dass den Vertragsparteien mit der Vertragsverlängerung eine zusätzliche Chance zur autonomen Konfliktlösung geboten wird (KVG-Botschaft, BBl 1992 I 181), weil der autonomen Gestaltung der Tarife in Verträgen zwischen Leistungserbringern und Krankenversicherern gemäss Art. 43 Abs. 4 KVG Vorrang zukommt (KVG-Botschaft, BBl 1992 I 172). Nur wenn auf diesem Wege kein Tarif vereinbart werden kann, sieht das Gesetz die hoheitliche Festsetzung des Tarifs durch die Kantonsregierung vor (Art. 47 Abs. 1 KVG).

3.2. Der KST macht vorab geltend, dass auf Grund der Parteiautonomie die Befugnis der Parteien zur Kündigung des Tarifvertrages der gesetzlichen Kompetenz des Regierungsrates zur Vertragsverlängerung vorgehe. Mit dem Abschluss des Vertrages und der Zustimmung zur Kündigungsklausel habe der Regierungsrat auf diese Kompetenz verzichtet, was zulässig sei, weil Art. 47 Abs. 3 KVG nach Sinn und Geist «dispositives» Recht sein müsse. Die Vertragsverlängerung sei daher aus diesem Grunde ausgeschlossen.

Wenn dies zutrifft, so hiesse dies, dass der Regierungsrat auf eine Zuständigkeit verzichten könnte, die ihm das KVG für den vertragslosen Zustand zuweist. Zuständigkeitsregelungen sind grundsätzlich zwingender Natur und können nicht durch Abreden zwischen Partei und Behörde oder zwischen Parteien aufgehoben oder geändert werden, soweit das Bundesrecht nicht ausdrücklich anderes bestimmt (vgl. Art. 7 Abs. 2 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968 [VwVG], SR 172.021; ferner BGE 99 Ib 485 E. 2a). Eine solche andere Bestimmung findet sich im Bundesrecht über die Krankenversicherung nicht. Dies bedeutet, dass Art. 47 Abs. 3 KVG die Autonomie der Vertragsparteien insoweit einschränkt, als die Zuständigkeit zur Vertragsverlängerung nicht durch Parteiabrede aufgehoben werden kann. Dass dem Regierungsrat als Tariffestsetzungsbehörde beim Entscheid über die Vertragsverlängerung ein Auswahlermessen zusteht, vermag daran nichts zu ändern. Falls nämlich das Auswahlermessen vertraglich in dem Sinne eingeschränkt werden könnte, dass der Regierungsrat in bestimmten Fällen (wie beispielsweise im Fall einer vertraglichen Kündigungsklausel) den Vertrag nicht verlängern könnte, so liefe dies im Ergebnis darauf hinaus, dass er in diesen Fällen seine gesetzliche Zuständigkeit zur Vertragsverlängerung nicht ausüben könnte. Dies wäre mit dem zwingenden Charakter der Bestimmung nicht vereinbar. Im vorliegenden Fall bindet daher die Kündigungsklausel im Tarifvertrag den Kanton Thurgau zwar insofern, als dieser als Vertragspartei die Kündigung des Tarifvertrags durch den KST gegen sich gelten lassen muss. Sie kann jedoch nichts daran ändern, dass der Regierungsrat als Tariffestsetzungsbehörde kraft Gesetzes sein Auswahlermessen und seine Kompetenz zur Vertragsverlängerung behält. Die Kündigungsklausel kann daher entgegen der Auffassung des KST nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass der Regierungsrat mit dem Abschluss des Tarifvertrages und der Zustimmung zur Kündigungsklausel auf die ihm gesetzlich eingeräumte Kompetenz zur Vertragsverlängerung verzichtet hat.

4. Der KST rügt weiter, es habe keine Aussicht auf eine Einigung unter den Vertragsparteien bestanden, die eine Vertragsverlängerung gerechtfertigt hätte. Er beruft sich hiefür auf die Praxis des Bundesrates und macht geltend, dass eine Vertragsverlängerung nur angezeigt sei, wenn die Parteien ihren Konflikt selbstständig zu lösen gewillt seien und binnen Jahresfrist mit einem Vertragsabschluss gerechnet werden dürfe. Wenn auch nur eine Partei nicht weiterverhandeln wolle, so müsse ihr Entscheid respektiert und von einer Vertragsverlängerung abgesehen werden. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall erfüllt, habe doch der KST mit Schreiben vom 30. November 1999 an das Departement für Finanzen und Soziales des Kantons Thurgau (DFS) die Verhandlungen als gescheitert erklärt und eine hoheitliche Festsetzung der Tarife verlangt.

4.1. Strittig zwischen den Parteien ist somit, unter welchen Voraussetzungen eine Vertragsverlängerung zulässig ist. Für den KST ist der erklärte Wille aller Vertragsparteien zur Fortführung der Verhandlungen unerlässlich, während für den Regierungsrat auch andere Elemente eine Vertragsverlängerung rechtfertigen können.

Es trifft zu, dass der Bundesrat in einzelnen Fällen am Parteiwillen angeknüpft hat, um die Aussichten auf eine vertragliche Einigung abzuschätzen. Wenn man daraus indes ableiten wollte, dass eine Kantonsregierung einen gekündigten Vertrag stets nur bei allseitiger Zustimmung der Parteien zur Fortführung der Verhandlungen gemäss Art. 47 Abs. 3 KVG verlängern dürfe, so entspräche dies nicht der Praxis und der Meinung des Bundesrates. So hat er einen Vertrag in einem Fall verlängert, in welchem der beschwerdeführende Kassenverband sich der Verlängerung im Verfahren vor der Kantonsregierung widersetzt und in der Beschwerde dem Bundesrat beantragt hatte, es sei hoheitlich ein Tarif festzusetzen, der mit Blick auf Art. 49 Abs. 1 KVG höchstens 50% der anrechenbaren Kosten betrage (Entscheid des Bundesrates vom 23.9.1996 i.S. KTK gegen Regierungsrat des Kantons Thurgau betreffend Vertragsverlängerung für das Spital H.). Dass er in einem anderen Entscheid demgegenüber auf den Parteiwillen abgestellt hat, ist für den vorliegenden Fall nicht schlüssig, weil sich die Vertragsverlängerung ohnehin aus einem anderen Grunde als unzulässig erwies, nämlich deshalb, weil der Regierungsrat nicht befugt war, den gekündigten Tarifvertrag teilweise weitergelten zu lassen und gleichzeitig die Tarife zu erhöhen (Entscheid des Bundesrates vom 28.9.1998 i.S. KSK gegen Regierungsrat des Kantons St. Gallen betr. Vertragsverlängerung für das Spital O.). Wie zu entscheiden wäre, wenn sich die Vertragsverlängerung unter diesem Aspekt nicht beanstanden lässt und es allein auf den Parteiwillen ankommt, wie dies vorliegend zutrifft, blieb im Entscheid offen. Für den vorliegenden Fall nicht heranziehen lässt sich auch der Entscheid des Bundesrates vom 10. Mai 2000 i.S. KKV gegen den Regierungsrat des Kantons Schaffhausen i.S. MRI-Tarif, weil dort die Verlängerung einer provisorischen Übergangsregelung strittig war und sich die Verlängerung zudem in Tat und Wahrheit als eine Tariffestsetzung im Sinne von Art. 47 Abs. 1 KVG erwies, welche anderen Regeln untersteht als die Vertragsverlängerung.

Der KVG-Botschaft (BBl 1992 I 181) lässt sich zur Tragweite des Parteiwillens entnehmen, dass eine Kantonsregierung im Falle gescheiterter Vertragsverhandlungen nach der Kündigung eines bestehenden Vertrages auch (d. h. statt den Tarif hoheitlich festzusetzen) beschliessen könne, den gekündigten Vertrag um ein Jahr zu verlängern, um den Tarifpartnern eine zusätzliche Chance zur autonomen Lösung ihres Konfliktes einzuräumen. Dass eine Vertragsverlängerung nach dem Scheitern von Verhandlungen zum vornherein ausgeschlossen ist und somit in jedem Fall der Wille der Vertragsparteien zur Fortführung der Verhandlungen erforderlich ist, trifft demnach nicht zu. Vorausgesetzt wird in der Botschaft vielmehr und nur die Absicht der Kantonsregierung, den Tarifpartnern eine zusätzliche Chance zur vertraglichen Regelung einzuräumen. Es versteht sich, dass die Kantonsregierung sich dabei auf vertretbare Gründe stützen können muss und der Wille der Vertragsparteien zur Fortführung der Verhandlungen als solcher Grund gelten darf. Solche Gründe können sich aber auch aus objektiven Umständen ergeben, die ausserhalb des Parteiwillens liegen, beispielsweise daraus, dass in naher Zukunft Entscheide des Bundesrates oder richterlicher Behörden zu erwarten sind, die Fragen regeln, welche für die hoheitliche oder vertragliche Festsetzung des neuen Tarifs von Belang sein können. Denkbar sind aus dieser Sicht auch noch weitere Gründe, die eine Vertragsverlängerung rechtfertigen können, so etwa der Umstand, dass binnen Jahresfrist neues und besseres Zahlenmaterial zu erwarten ist, welches eine angemessenere Tarifierung erlaubt. Wenn eine Kantonsregierung aus solchen Gründen einen Vertrag verlängert, so verstösst sie nicht gegen Art. 47 Abs. 3 KVG, auch dann nicht, wenn im Zeitpunkt der Verlängerung die Vertragsverhandlungen gescheitert sind und die Parteien nicht weiter verhandeln wollen. In diesem Sinne kann es auch nicht darauf ankommen, ob und wieweit die Vertragsparteien zu diesem Zeitpunkt an einer Vertragsverlängerung interessiert sind.

4.2. Im vorliegenden Fall weist der Regierungsrat darauf hin, dass sich der KST im Schreiben vom 9. November 1999 an das DFS bereit erklärt hat, über Anpassungen zu diskutieren, sobald der Entscheid des Bundesrates über die Beschwerde gegen die Verlängerung des Vertrages für die öffentlichen Spitäler des Kantons Thurgau vorliegt. Dieser Entscheid ist am 13. Dezember 1999 ergangen und war dem Regierungsrat noch nicht bekannt, als er am 14. Dezember 1999 über die Verlängerung des Tarifvertrages entschieden hat.

Angesichts dieser Umstände durfte der Regierungsrat bei seinem Entscheid davon ausgehen, dass der KST seinen Standpunkt nach der Eröffnung des fraglichen bundesrätlichen Entscheides überprüfen würde und die Verhandlungen gegebenenfalls weitergeführt werden könnten. Diese Bereitschaft zur Überprüfung des Standpunktes im Lichte des bundesrätlichen Entscheides konnte der KST mit dem Schreiben vom 30. November 1999 gegenüber dem DFS nicht einseitig zurücknehmen. So oder anders kommt hinzu, dass den Vertragsparteien auf Grund des KVG eine Verhandlungspflicht obliegt, die dazu führen kann, dass sie nach dem Scheitern von Verhandlungen auf ihre Positionen zurückkommen müssen, wenn neue Umstände eintreten (vgl. RKUV 2/1999 174 E. 3-5). Der vorgenannte Bundesratsentscheid darf als solcher Umstand betrachtet werden, der den Regierungsrat berechtigte, den Vertragsparteien eine zusätzliche Chance zur autonomen Lösung einzuräumen. Ob der Kanton Thurgau als Partei des Tarifvertrages im Dezember 1999 ein Interesse an einer Vertragsverlängerung hatte, nicht aber der KST, wie dieser behauptet, kann offen bleiben, weil es auf diesen Aspekt unter den genannten Umständen nicht ankommen kann.

Der Regierungsrat durfte daher im Rahmen des ihm zustehenden weiten Ermessens mit Beschluss vom 14. Dezember 1999 den Tarifvertrag verlängern, ohne gegen Art. 47 Abs. 3 KVG zu verstossen.

4.3. (Instruktionsverfahren)

4.4. Nach der Praxis des Bundesrates zu Art. 47 Abs. 3 KVG muss die Kantonsregierung - im Gegensatz zur Vertragsgenehmigung (Art. 46 Abs. 4 KVG) und zur Tariffestsetzung (Art. 47 Abs. 1 KVG) - nicht prüfen, ob der zu verlängernde Tarifvertrag mit dem Gesetz und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit vereinbar ist. Die behördliche Überprüfung des Vertragsinhaltes und gegebenenfalls die hoheitliche Festsetzung eines neuen Tarifs durch den Regierungsrat würde angesichts des damit verbundenen aufwändigen Verfahrens in keinem Verhältnis zur kurzen Dauer der Verlängerung stehen und könnte der Zielsetzung des KVG, den Abschluss von Verträgen zu fördern, hemmend entgegen stehen. Der Gesetzgeber hat mit Blick auf eine mögliche vertragliche Regelung unter den Tarifparteien und im Hinblick auf die Befristung der Vertragsverlängerung auf ein Jahr in Kauf genommen, dass ein bestehender Vertrag nicht mehr in allen seinen Teilen den gesetzlichen Anforderungen und Zielsetzungen entspricht, weshalb dieser Aspekt einer Vertragsverlängerung nicht grundsätzlich im Wege steht (Entscheid des Bundesrates vom 10.5.2000 i.S. KKV gegen Regierungsrat des Kantons Schaffhausen i.S. MRI-Tarif). Der Bundesrat lehnt nach seiner Praxis eine Vertragsverlängerung daher nur dann ab, wenn es um einen Bereich geht, in dem das KVG den Umfang und die Vergütung von Leistungen zwingend und abschliessend regelt, sodass dieser Bereich einer vertraglichen Regelung zwischen den Tarifparteien entzogen ist und ein tarifloser Zustand nicht eintreten kann. In diesem Sinne hat er die Verlängerung eines Vertrages insoweit verweigert, als dieser mit der zwingend anwendbaren Analysenliste des Bundes (Art. 52 Abs. 1 Bst. a Ziff. 1 KVG) nicht mehr vereinbar war (Entscheid des Bundesrates vom 13.3.2000 i.S. H. gegen Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt betreffend Vertragsverlängerung).

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Was der KST gegen die im Tarifvertrag geregelten stationären und ambulanten Tarife der PKM vorbringt, beschlägt im Wesentlichen und schwergewichtig Fragen der Wertung und der Tarifierung, bei denen naturgemäss ein erheblicher Spielraum besteht und die in einem aufwändigen Verfahren erst geklärt werden müssten, was nach der Praxis des Bundesrates bei Tariffestsetzungen geboten sein kann, nicht aber grundsätzlich bei Vertragsverlängerungen. Dies gilt zum einen für die vom KST beantragte Staffelung der stationären Tarife nach Aufenthaltsdauer und Spitalabteilungen sowie mit Bezug auf die Höhe der Tarife. Nicht anders verhält es sich mit dem Taxpunktwert für ambulante Behandlungen. Dass andere Spitäler tiefere Taxpunktwerte kennen als die PKM, ist nicht schlüssig, weil die Verhältnisse an den fraglichen Spitälern (öffentliche St. Galler Spitäler, Humaine Klinik Zihlschlacht) nicht ohne weiteres vergleichbar sind und daher erst näher abgeklärt werden müssten. Dies gilt auch für den vom KST angestellten Vergleich mit den Pauschaltaxen in Psychiatrischen Kliniken des Kantons Graubünden.

4.5. Die Vertragsverlängerung durch den Regierungsrat ist demnach nicht zu beanstanden und die Beschwerde des KST abzuweisen.

(…)[160]


[160]2 Vgl. RKUV 5/2001, S. 454.



Dokumente des Bundesrates

 

 

 

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