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 Bund Verwaltungspraxis der Bundesbehörden

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VPB 67.116

(Auszug aus einem Entscheid des Präsidenten der II. Abteilung der Rekurskommission VBS vom 15. Juli 2002)


Regeste Deutsch
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   Erwägungen
Erwägung 3.
Erwägung 4.
Erwägung 5.
Erwägung 6.
Erwägung 7.
Erwägung 8.
 

Art. 139 und 141 MG. Regressforderung gegen einen Angehörigen der Armee. Kriterien der Schadensberechnung im Falle eines zerstörten Sturmgewehrs. Kausalzusammenhang. Grobfahrlässigkeit.

- Wer ein unbeaufsichtigtes Sturmgewehr zwecks «Erteilen einer Lektion» in einem Abfallcontainer versteckt, handelt grobfahrlässig (E. 4).

- Keine Übertragung der Garantenpflicht und keine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs im vorliegenden Fall durch blosse Mitteilung des «Verstecks» (E. 4).

- Die verfügende Behörde kann nicht ohne weitere Begründung den ganzen entstandenen Schaden auf den fehlbaren Angehörigen der Armee überwälzen (E. 6).

- Konkret zu berücksichtigende Kriterien für die Berechnung des Schadenersatzes (E. 7).


Art. 139 et 141 LAAM. Action récursoire contre un militaire. Critères de calcul du dommage en cas de destruction d'un fusil d'assaut. Lien de causalité. négligence grave.

- Celui qui cache un fusil d'assaut non surveillé dans un container de déchets en vue de «donner une leçon» agit avec négligence grave (consid. 4).

- Pas de transfert de l'obligation en tant que garant et pas d'interruption du lien causal en l'espèce par la seule communication de la «cachette» (consid. 4).

- L'autorité compétente ne peut sans autre justification répercuter l'ensemble du dommage survenu sur le militaire fautif (consid. 6).

- Critères à prendre concrètement en considération pour le calcul des dommages-intérêts (consid. 7).


Art. 139 e 141 LM. Richiesta di regresso nei confronti di un militare. Criteri per il calcolo del danno nel caso di rottura di un fucile d'assalto. Nesso causale. Negligenza grave.

- Chi nasconde in un container dei rifiuti un fucile d'assalto rimasto incustodito per «impartire una lezione» si rende colpevole di una negligenza grave (consid. 4).

- Nella fattispecie, la semplice comunicazione del «nascondiglio» non porta al trasferimento della posizione di garante né all'interruzione del nesso causale (consid. 4).

- L'autorità che prende la decisione non può imputare tutto il danno al militare colpevole senza una motivazione più precisa (consid. 6).

- Criteri da osservare in concreto per il calcolo del risarcimento dei danni (consid. 7).




Aus den Erwägungen:

(…)

3. Gemäss Art. 139 des Bundesgesetzes vom 3. Februar 1995 über die Armee und die Militärverwaltung (MG, SR 510.10) haften Angehörige der Armee für den Schaden, den sie dem Bund durch vorsätzliche oder grobfahrlässige Verletzung ihrer Dienstpflicht unmittelbar zufügen.

Vorsätzliches Handeln scheidet im vorliegenden Fall zum Vornherein aus. Grobfahrlässig im Sinne von Art. 139 Abs. 1 MG handelt, wer elementarste Vorsichtsgebote verletzt, die jeder verständige Mensch in der gleichen Lage und unter den gleichen Umständen beachten würde (BGE 119 II 448 E. 2, BGE 115 II 287 E. 2a, BGE 111 Ib 197, BGE 108 II 424 E. 2 mit weiteren Hinweisen).

4. Indem er das verwaiste Sturmgewehr in einen Abfallcontainer legte und anschliessend in den Urlaub verreiste, setzte der Beschwerdeführer die entscheidende Voraussetzung für den Eintritt des Schadens in Form der später eingetretenen Zerstörung bzw. starken Beschädigung des Sturmgewehrs. Durch das unverständliche Handeln des Beschwerdeführers war das Gewehr für Dritte praktisch nicht mehr auffindbar. Es hätte nur durch Zufall an diesem völlig ungewöhnlichen und gefährlichen Versteck entdeckt werden können. Zudem musste der Beschwerdeführer damit rechnen, dass der Abfallcontainer jederzeit abgeholt und geleert werden konnte, was auch geschehen ist. Hinzu kommt, dass für diese unverständliche und unüberlegte Handlung keinerlei Anlass bestand. Der vom Beschwerdeführer angestrebte Belehrungseffekt hätte durch eine geeignetere Massnahme erreicht werden können. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers handelte der fehlbare Rekrut höchstens fahrlässig, denn das Gewehr befand sich ja im ID-Stand (Reinigungsunterstände auf dem Kasernenareal) auf einem Waffenplatz und nicht etwa an einem Ort, wo beliebige Dritte verkehren und es hätten behändigen können. Auch die blosse Mitteilung an den Feldweibel, dass er das Sturmgewehr in den Container gelegt hatte, vermag ihn nicht entscheidend zu entlasten. Damit konnte er seine Garantenpflicht für das Gewehr nicht auf den Feldweibel übertragen. Er blieb für das Sturmgewehr weiterhin verantwortlich.

Zusammengefasst ergibt sich, dass weder das Handeln des Rekruten noch das Unterlassen des Feldweibels geeignet waren, den Kausalzusammenhang zwischen dem vom Beschwerdeführer zu vertretenden Verstecken des Sturmgewehrs im Container und dem später eingetretenen Schaden zu unterbrechen. Das Handeln des Beschwerdeführers muss daher als grobfahrlässig im Sinne der Rechtsprechung eingestuft werden.

5. Die Höhe des entstandenen Schadens ist nicht angefochten. Sie wäre im Übrigen auch nicht zu beanstanden, wurde doch nicht der volle Tarifpreis von Fr. 1'600.- verrechnet. Vielmehr zog die Vorinstanz bei der Schadensberechnung Fr. 700.- für «unbeschädigte Waffenteile» ab.

6. Gemäss Art. 141 Abs. 1 MG gelten für die Berechnung des zu ersetzenden Schadens Art. 42, Art. 43 Abs. 1, Art. 44 Abs. 1, Art. 45-47, Art. 49, Art. 50 Abs. 1 und Art. 51-53 des Bundesgesetzes vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht [OR], SR 220) sinngemäss. Die verfügende Behörde kann also dem fehlbaren Angehörigen der Armee nicht ohne weitere Begründung den vollen, der Eidgenossenschaft entstandenen Schaden anlasten bzw. in Rechnung stellen. Es gibt keinen sachlichen Grund, den Beschwerdeführer in dieser Beziehung anders zu behandeln, als denjenigen Angehörigen der Armee, der beispielsweise als Motorfahrer grobfahrlässig an einem Motorfahrzeug der Armee Sachschaden verursacht. Bei der Festsetzung der Entschädigung, welche die Angehörigen der Armee leisten müssen, sind - nebst den genannten - sinngemäss anwendbaren - Grundsätzen des Obligationenrechts - die Art des Dienstes sowie die militärische Führung und die finanziellen Verhältnisse angemessen zu berücksichtigen (Art. 141 Abs. 2 MG).

7. Gemäss Art. 43 Abs. 1 OR hat der Richter den Schadenersatz so zu bestimmen, dass sowohl die Umstände als auch die Grösse des Verschuldens zu würdigen sind.

Bei den zu würdigenden Umständen ist zunächst anzuführen, dass der Rekrut, der sein Sturmgewehr längere Zeit unbeaufsichtigt stehen liess, Anlass zur unüberlegten Tat des Beschwerdeführers gab.

Sodann fällt ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer vor seiner Abreise in den Urlaub dem Kompaniefeldweibel unbestrittenermassen mitteilte, wo er das Sturmgewehr «versteckt» hatte. Der Umstand, dass der Feldweibel diese Mitteilung vergass, trug ebenfalls zur Entstehung des Schadens bei. Dieser Fehler des Feldweibels muss bei den hier zu würdigenden Umständen berücksichtigt werden.

Die Unterlassungen der beiden genannten Kameraden vermögen den Beschwerdeführer zwar nicht entscheidend zu entlasten, wie bereits dargetan wurde. Immerhin wirkt sich deren Verhalten verschuldensmindernd aus, was nach der genannten Gesetzesvorschrift bei der Schadenersatzbemessung zu berücksichtigen ist.

Zu berücksichtigen ist auch, dass die Motivation des Beschwerdeführers für sein Handeln an sich positiv zu bewerten ist. Verwerflich ist nur die kurzschlüssige Umsetzung seiner Idee.

Was die militärische Führung anbetrifft, so wurde der Beschwerdeführer in der Gesamtbeurteilung mit der Qualifikation «sehr gut» benotet. Dies ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.

Zudem sind die finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers als bescheiden einzustufen, weshalb ihm auch die unentgeltliche Prozessführung zu bewilligen war. Auch dieser Aspekt spricht für eine angemessene Herabsetzung des zu leistenden Schadenersatzes.

8. Insgesamt rechtfertigt es sich, den vom Beschwerdeführer zu leistenden Schadenersatz auf einen Drittel des ausgewiesenen Schadens zu ermässigen. Der Beschwerdeführer ist daher in teilweiser Gutheissung seiner Beschwerde zu verpflichten, der Schweizerischen Eidgenossenschaft den Betrag von Fr. 300.- zu bezahlen.





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