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 Bund Verwaltungspraxis der Bundesbehörden

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VPB 70.54

Gutachten 051124 des Bundesamtes für Justiz vom 24. November 2005


Regeste Deutsch
Résumé Français
Regesto Italiano
Fragestellung

Ausführungen
Ziffer 1.
Ziffer 2.
Ziffer 3.
Ziffer 4.
Ziffer 5.


Datenschutz. Kompetenzausscheidung zwischen Bund und Kantonen. Anwendbarkeit des DSG. Qualifikation Privater als Organe des Gemeinwesens. Aufsicht des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten (EDSB). Kantonale und kommunale Spitex-Dienste.

Art. 2 Abs. 1 Bst. a, Art. 29, Art. 37 DSG.

- Für die Regelung des Datenschutzes und das Sicherstellen einer wirksamen Datenschutzaufsicht in kantonalen Hoheitsbereichen sind ausschliesslich die Kantone zuständig (Ziff. 1).

- Private sind nicht nur dann als Organe des Gemeinwesens zu qualifizieren, wenn sie anderen Privaten durch das Gesetz übergeordnet sind. Auch weitere Kriterien können zu einer solchen Qualifikation führen, z. B. das Tätigwerden aufgrund eines Leistungsauftrages oder eine Finanzierung durch das Gemeinwesen in namhaftem Umfang (Ziff. 3).

- Sind Private als Organe eines kantonalen oder kommunalen Gemeinwesens zu betrachten, obliegt die Datenschutzaufsicht den zuständigen kantonalen oder kommunalen Behörden. Das anzuwendende materielle Datenschutzrecht ist gegebenenfalls auf dem Wege der Lückenfüllung zu bestimmen (Ziff. 4).


Protection des données. Partage des compétences entre la Confédération et les cantons. Applicabilité de la LPD. Qualification de particuliers comme organes de la collectivité publique. Surveillance du Préposé fédéral à la protection des données (PFPD). Services cantonaux et communaux de soins à domicile (SPITEX).

Art. 2 al. 1 let. a, art. 29, art. 37 LPD.

- La compétence de régler la protection des données et d'assurer une surveillance efficace sur la protection des données dans les domaines relevant de la puissance publique cantonale appartient exclusivement aux cantons (ch. 1).

- Les particuliers ne doivent pas seulement être qualifiés d'organes de la collectivité publique lorsque la loi les place au-dessus des autres particuliers. D'autres critères encore peuvent conduire à une telle qualification, p. ex. le fait d'agir sur la base d'un mandat de prestation ou la couverture d'une part importante du financement par la collectivité publique (ch. 3).

- Lorsque des particuliers doivent être considérés comme les organes d'une collectivité publique cantonale ou communale, la surveillance en matière de protection des données incombe aux autorités cantonales ou communales. Les dispositions de fond applicables à la protection des données doivent, le cas échéant, être déterminées par voie de comblement de lacune (ch. 4).


Protezione dei dati. Ripartizione delle competenze fra Confederazione e cantoni. Applicabilità della LPD. Qualifica di privati quali organi statali. Sorveglianza dell'Incaricato federale per la protezione dei dati (IFPD). Servizi spitex cantonali e comunali.

Art. 2 cpv. 1 lett. a, art. 29, art. 37 LPD.

- I cantoni hanno la competenza esclusiva di regolare la protezione dei dati e di assicurare una sorveglianza efficace sulla protezione dei dati negli ambiti in cui essi sono competenti per materia (n. 1).

- I privati sono considerati come organi statali solo quando la legge li pone in posizione gerarchica superiore ad altri privati. Anche altri criteri possono portare ad una qualifica del genere, ad es. il fatto di agire sulla base di un mandato di prestazioni oppure in presenza di un importante finanziamento da parte dello Stato (n. 3).

- Se i privati devono essere considerati come organi del cantone o del comune, la sorveglianza sulla protezione dei dati è di competenza delle autorità cantonali o comunali. Il diritto materiale della protezione dei dati applicabile in concreto deve eventualmente essere determinato attraverso la procedura che permette di colmare le lacune (n. 4).




Mit Schreiben vom 21. September 2005 wurde dem Bundesamt für Justiz (BJ) die Frage zur Begutachtung vorgelegt, welchem Datenschutzrecht die kantonalen Spitexdienste unterstehen und ob deren Datenbearbeitung der Aufsicht des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten oder jener der kantonalen Datenschutzbeauftragten untersteht. Das BJ antwortete wie folgt:

1.Die Frage nach der Aufsichtskompetenz betrifft im Kern die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen im Bereich des Datenschutzes.

Der Bund bedarf für seine Tätigkeiten eine Grundlage in der Bundesverfassung. Dies ergibt sich aus den Art. 3 und 42 Abs. 1 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101). Die Bundesverfassung erteilt dem Bund keine allgemeine Regelungskompetenz im Bereich des Datenschutzes. Das Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (Datenschutzgesetz [DSG], SR 235.1) stützt sich auf die Bundeskompetenzen im Bereich des Zivil- und Strafrechts - es geht ja um den Persönlichkeitsschutz - sowie auf die allgemeine Zuständigkeit des Bundes zur Regelung von Organisation und Verfahren seiner eigenen Organe. Das DSG gilt somit für Bundesorgane und Private. Soweit keine kantonalen Datenschutzvorschriften bestehen, ist ein Teil der Bestimmungen subsidiär auch für kantonale Organe anwendbar, allerdings nur dann, wenn diese Bundesrecht vollziehen und keine kantonalen Datenschutzvorschriften bestehen (Art. 37 Abs. 1 DSG). Schliesslich werden die Kantone mit Art. 37 Abs. 2 DSG dazu verpflichtet, ein Kontrollorgan zu bezeichnen, welches für die Einhaltung des Datenschutzes beim Vollzug von Bundesrecht sorgt (vgl. Beat Rudin, in Urs Maurer / Nedim Peter Vogt (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Datenschutzgesetz, Basel / Frankfurt a.m. 1995, hiernach: Kommentar DSG, Art. 37 DSG, Rz. 41 f.).

Für die Regelung des Datenschutzes in den kantonalen Hoheitsbereichen - also denjenigen Bereichen, in denen die Kantone originäre Aufgaben erfüllen oder das Bundesrecht nur einzelne Teilaspekte regelt bzw. Rahmenregelungen aufstellt - sind ausschliesslich die Kantone zuständig. Ob sie dabei gehalten sind, für einen dem DSG (im Sinne eines Mindeststandards) äquivalenten Schutz zu sorgen (vgl. Rudin, Kommentar DSG, Art. 37, Ziff. 23 ff.) und insbesondere, ob sie verpflichtet sind, auch für diesen Bereich besondere Aufsichtsinstanzen zu schaffen, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Gutachtens. In jedem Fall muss das Datenschutzrecht der Kantone den Standard des Europaratsübereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten vom 28. Januar 1981 (Übereinkommen STE 108, SR 0.235.1) erfüllen. Das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen STE 108, welches von der Schweiz unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert wurde, verpflichtet die Signatarstaaten namentlich dazu, unabhängige Aufsichtsbehörden einzurichten. Auch diese Verpflichtung wird nach der Ratifikation für die Kantone gelten (vgl. Botschaft Teilrevision DSG, BBl 2003 2146 f.). Zudem sind heute schon die Anforderungen zu beachten, die sich aus dem in Art. 13 Abs. 2 BV verankerten Grundrecht auf Datenschutz (bzw. informationelle Selbstbestimmung) ergeben (vgl. Schweizer, St.Galler BV-Kommentar, Art. 13, Rz. 43 ff.).

Unabhängig von der institutionellen bzw. organisatorischen Ausgestaltung gehört das Sicherstellen einer wirksamen Datenschutzaufsicht ohne Zweifel zum datenschutzrechtlichen Minimalstandard, den die Kantone auch in ihren Hoheitsbereichen gewährleisten müssen. Mit der demnächst zu erwartenden Ratifikation des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen STE 108 wird diesbezüglich eine klare rechtliche Verpflichtung geschaffen.

2.Die spitalexterne Pflege und Betreuung ist eine öffentliche Aufgabe im Sinne einer Staatsaufgabe: Eine Durchsicht der Rechtsnormen in diesem Bereich im Bund und in den Kantonen zeigt, dass das Gesetz den Staat zur Gewährleistung der Versorgung in diesem Bereich verpflichtet. Die Gemeinwesen aller Staatsebenen - Bund, Kantone und Gemeinden - leisten hierzu Beiträge.

Der Bund subventioniert gestützt auf Art. 101bis des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG, SR 831.10) und Art. 222 der dazugehörigen Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV, SR 831.101) Spitex-Organisationen, die gesamtschweizerisch, interkantonal, kantonal und lokal tätig sind. Diese Subventionsbefugnis des Bundes bedeutet indessen nicht, dass es sich bei der spitalexternen Pflege um eine Bundesaufgabe handelt. Die aufgabenbegründende Verfassungsgrundlage findet sich in Art. 112 Abs. 6 BV. Diese Bestimmung verpflichtet den Bund zur «Unterstützung» von Bestrebungen zugunsten Betagter, Hinterlassener und Invalider. Mit dieser Formulierung steht eine Subventionierung bestehender Einrichtungen durch den Bund im Vordergrund. Ein direktes Tätigwerden des Bundes dagegen wurde bei der Schaffung dieser Bestimmung ausdrücklich ausgeschlossen[1]. Somit kann die Erbringung von entsprechenden Dienstleistungen weder als Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Bundes (vgl. Art. 3 Bst. h DSG) noch als Vollzug von Bundesrecht gelten.

Die meisten Kantone kennen Vorschriften über die Erbringung von Spitex-Dienstleistungen (vgl. Botschaft zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen [NFA], BBl 2002 2444). Die Organisation der spitalexternen Kranken- und Gesundheitspflege wird als Teilbereich im kantonalen Gesundheitsrecht geregelt. Einige Beispiele:

- Kanton Zürich: § 59 des Gesundheitsgesetzes (Offizielle Sammlung [OS] 810.1) hält fest, dass die Gemeinden für die spitalexterne Pflege sorgen. Sie können die Aufgabe privaten Stellen übertragen. Der Kanton leistet substantielle Beiträge (§ 47 ff.).

- Kanton Luzern: Nach § 44 des Gesundheitsgesetzes (Gesetzessammlung des Kantons Luzern [SRL] 800) sorgen die Gemeinden für die ambulante Krankenpflege und den Hauspflegedienst. Sie können die Aufgaben privaten oder öffentlich-rechtlichen Institutionen übertragen. Der Kanton beteiligt sich an den Kosten.

- Kanton Fribourg: Hier besteht ein besonderes Gesetz über die Hilfe und Pflege zu Hause (Systematische Gesetzessammlung des Kantons Freiburg [SGF] 823.1) sowie ein entsprechendes Ausführungsreglement (SGF 823.11). Nach Art. 8 dieses Gesetzes sorgen die Gemeinden für die spitalexterne Krankenpflege. Zu diesem Zweck gründen sie eigene Dienste oder sie wenden sich an private Dienste. Weiter werden die Anerkennung dieser privaten Dienste sowie die Finanzierung geregelt. Das Ausführungsreglement umschreibt teilweise die zu erbringenden Leistungen.

- Kanton Basel-Stadt: Auch in diesem Kanton besteht ein besonderes Gesetz betreffend die spitalexterne Kranken- und Gesundheitspflege (Systematische Gesetzessammlung [SG] 329.100) samt zugehöriger Verordnung (SG 329.110). § 3 Abs. 2 hält fest, dass der Kanton insbesondere für Angebote im Bereich der Hauskrankenpflege, der Gemeindekrankenpflege und der Haushilfe sorgt. Er kann diese Aufgabe an geeignete private Institutionen übertragen. Weiter wird eine Bewilligungspflicht für Institution oder Einzelpersonen vorgesehen, die gewerbsmässig spitalexterne Krankenpflegeleistungen erbringen (§ 7); weiter ist vorgesehen, dass der Kanton Beiträge ausrichten kann (§ 9). Die Verordnung umschreibt insbesondere die Bemessung dieser Beiträge.

- Kanton St.Gallen: Nach Art. 19bis Gesundheitsgesetz (Systematische Gesetzessammlung [sGS] 311.1) fördert der Staat die spitalexterne Kranken- und Gesundheitspflege. Die politische Gemeinde sorgt dafür, soweit nicht andere öffentlich-rechtliche Körperschaften oder Anstalten oder Private diese Aufgabe erfüllen. In Art. 36bis werden die diesbezüglichen Verpflichtungen noch weiter ausgeführt. Der Kanton erlässt namentlich Richtlinien über das Dienstleistungsangebot (Art. 36ter Abs. 2), die Gemeinde «fördern» die Einrichtungen der spitalexternen Kranken- und Gesundheitspflege (Art. 36quater Abs. 1).

- Kanton Aargau: Das kantonale Gesundheitsgesetz (Systematische Sammlung des aargauischen Rechts [SAR] 301.100) erteilt in § 46 Abs. 1 den Gemeinden den Auftrag, für die Gemeindekrankenpflege und die Hauspflege zu sorgen. Weiter wird in § 47 Abs. 3 vorgesehen, dass sich der Kanton an den Kosten der spitalexternen Krankenpflege beteiligt. Eine Spitexverordnung (SAR 301.311) regelt die finanzielle Unterstützung von Organisationen der spitalexternen Krankenpflege durch den Kanton.

- Kanton Waadt: Dieser Kanton hat per Gesetz (Loi créant un Organisme médico-social vaudois, Recueil systématique de la législation vaudoise [RSV] 801.11) eine besondere öffentlichrechtliche Anstalt geschaffen, die unter anderem die spitalexterne Pflege zu organisieren hat.

Mit der NFA wird die Aufgabenverteilung im Bereich der Betagten- und Behindertenhilfe künftig klar geregelt sein. Die Sorge für Krankenpflege, Hauspflege, Haushalthilfe (in erster Linie durch Subventionierung entsprechender privater Leistungsträger) wird mit einem neuen Art. 112c BV[2] den Kantonen zugewiesen. Der Bund bleibt dagegen zuständig für die Unterstützung (also Subventionierung) von gesamtschweizerischen Bestrebungen in diesem Bereich (vgl. Botschaft NFA, BBl 2002 2444).

3.Spitex-Dienste erfüllen somit bereits heute in den meisten Kantonen eine öffentliche, gesetzlich vorgesehene Aufgabe. Die Strukturen sind unterschiedlich ausgestaltet: Teilweise ist die Aufgabenerfüllung öffentlichrechtlichen Organismen übertragen. Teilweise wird die Aufgabe durch Private erfüllt, die im Auftrag des Gemeinwesens und unter dessen Kontrolle handeln. Teilweise wird die Aufgabe durch Private aus eigenem Antrieb - gewinnorientiert oder gemeinnützig - erbracht. Somit ist nun weiter zu klären, unter welchen Voraussetzungen private Spitex-Dienste als Organe der Kantone bzw. Gemeinden zu betrachten sind.

Ohne Zweifel sind Private als Organe des Gemeinwesens zu betrachten wenn sie anderen Privaten insofern übergeordnet sind, als sie diese einseitig verpflichten können (vgl. Moor, Droit administratif, Vol. I, 2. Aufl., Bern 1994, S. 13 f.). Ein derartiges Überordnungverhältnis besteht etwa dort, wo Private - immer gestützt auf eine entsprechende Rechtsgrundlage - Recht setzen (z. B. der Schweizerische Elektrotechnische Verein [SEV]), Verfügungen erlassen, über eine Weisungskompetenz verfügen (vgl. VPB 58.15) oder berechtigt sind, Gebühren zu erheben. Verschiedene Autoren bezeichnen dies als hoheitliches Handeln (so z. B. Häfelin / Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., Zürich 2002, Rz. 253).

Daneben gibt es aber weitere «Indizien» dafür, dass bestimmte Organisationen oder Personen öffentliche Aufgaben erfüllen, die ebenfalls zu berücksichtigen sind: Verfassungsmässige oder gesetzliche Aufträge, weitgehende Einschränkungen der Vertragsfreiheit durch Rechtsvorschriften, die Bindung an öffentlichrechtliche Grundsätze wie Rechtsgleichheit und Willkürverbot, die «öffentlichrechtliche Anerkennung» der Institution, die Unterstellung unter Aufsicht des Gemeinwesens, eine Subventionierung durch das Gemeinwesen sowie ein Obligatorium für die Inanspruchnahme bestimmter Leistungen (vgl. Urs Belser, Kommentar DSG, Art. 3, Rz. 32).

Das vom Spitex Verband Schweiz bei Prof. Thomas Geiser eingeholte (Anm. d. R.) Gutachten i.S. Rai-Home Care und Datenschutz vom 23.5.2003[3] knüpft bei der Beurteilung an der Natur des Rechtsverhältnisses der Beziehung zwischen Dienst und Kunde ausschliesslich daran an, dass nicht «hoheitlich» gehandelt wird (Gutachten i.S. Rai-Home Care und Datenschutz, S. 6 f.). Wenn eine Partei gegenüber der anderen im Sinne der obigen Ausführungen übergeordnet ist, dann liegt auf jeden Fall eine öffentliche Aufgabe vor und die übergeordnete Partei tritt als Organ des Gemeinwesens auf. Der umgekehrte Schluss gilt jedoch nicht. Für die Abgrenzung entscheidend ist vielmehr, ob die erfüllte Aufgabe gesetzlich vorgesehen ist und ob eine Steuerungsbeziehung zwischen Staat und privaten Aufgabenträgern gegeben ist, der Staat also direkten Einfluss auf die Aufgabenerfüllung nimmt oder wesentliche Rahmenbedingungen festlegt.

Im Falle der spitalexternen Pflege wurde oben bereits dargelegt und mit Beispielen illustriert, dass in den meisten Kantonen diese Aufgabe gesetzlich vorgesehen ist (künftig wird die Bundesverfassung eine diesbezügliche Verpflichtung enthalten), dass regelmässig die Möglichkeit einer Delegation der Aufgabenerfüllung an Private vorgesehen wird, dass der Staat die Art und Weise der Aufgabenerfüllung teilweise regelt und finanziert. Namentlich dort, wo die Spitexdienste aufgrund von Leistungsaufträgen erbracht werden oder wo die Art und Weise der Ausübung vom Gemeinwesen vorgeschrieben und in namhaftem Umfang mitfinanziert wird (also klar eine Steuerungsbeziehung gegeben ist), müssen die Aufgabenträger als Organe der Gemeinwesen gelten. Die Frage kann jedoch letztlich nur im Einzelfall schlüssig beantwortet werden. Es wäre jeweils unter Berücksichtigung der konkreten Rahmenbedingungen für einen bestimmten Kanton (eventuell sogar für eine bestimmte Gemeinde) zu prüfen, ob diese Voraussetzungen gegeben sind.

4.Soweit Spitex-Dienste im dargelegten Ausmass als Organe des Kantons oder der Gemeinde gelten müssen, ist kantonales Datenschutzrecht anwendbar. Art. 37 DSG kommt nicht zur Anwendung, weil es sich bei der spitalexternen Pflege nicht um den Vollzug von Bundesrecht handelt (vgl. die Ausführungen unter Ziff. 1 und 2 oben).

Die Geltungsbereiche der kantonalen Datenschutzgesetze sind unterschiedlich gefasst. Eine beträchtliche Anzahl der überprüften Erlasse - wohl insgesamt eine Mehrzahl - erfassen ausdrücklich Private, die öffentliche Aufgaben erfüllen (z. B. ZH[4], BE[5], LU[6], GL[7], FR[8], SO[9], BS[10], AR[11], GR[12], NE[13]). Das basellandschaftliche Datenschutzgesetz sieht die Geltung für Private nur dann vor, wenn diese «hoheitlich» handeln. Den im Kanton Aargau noch geltenden Weisungen über den Datenschutz[14] unterstehen Private, wenn sie gestützt auf eine gesetzliche Grundlage oder im Auftrag der Verwaltung Personendaten bearbeiten (ähnlich auch im Kanton VD[15]). Es sind auch einzelne Erlasse aufzufinden, in denen Private, die öffentliche Aufgaben erfüllen, nicht erwähnt werden (z. B. AI[16], GE[17]).

Fallen Private, die öffentliche Aufgaben des Kantons (bzw. der Gemeinde) erfüllen und dabei Personendaten bearbeiten, nicht (oder nur mit Einschränkungen) in den Geltungsbereich des kantonalen Datenschutzgesetzes, stellt sich die Frage, welche materiellen Datenschutzregeln anzuwenden sind. In der Regel wird davon auszugehen sein, dass hier eine echte Gesetzeslücke - also eine «planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes» - vorliegt (vgl. Häfelin / Müller, a.a.O., Rz. 237 ff.), die zu füllen bzw. zu korrigieren ist. Da es um die Erfüllung kantonaler oder kommunaler öffentlicher Aufgaben geht, wird es sinnvoll sein, das kantonale Datenschutzrecht auch auf die fraglichen Privaten anzuwenden. Die Aufsicht über die betreffenden Privaten obliegt aber in jedem Fall den zuständigen kantonalen (allenfalls kommunalen) Organen und nicht dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten, dem im kantonalen öffentlichen Bereich keinerlei Aufsichtsbefugnisse zukommen.

5.Im Ergebnis ist somit zusammenfassend Folgendes festzuhalten:

- Für die Beantwortung der Frage nach dem anwendbaren Datenschutzrecht und insbesondere nach der Zuständigkeit für die Aufsicht über die Spitex-Dienste ist ausschlaggebend, ob es sich bei der spitalexternen Pflege um eine öffentliche Aufgabe - im Sinne einer Staatsaufgabe - des Kantons oder der Gemeinde handelt.

- Der Bund leistet Subventionen im Bereich der spitalexternen Pflege gestützt auf die Gesetzgebung im Bereich der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV). Mit der NFA werden künftig die Zuständigkeiten im Bereich Hilfe und Pflege zu Hause klar zugewiesen (neuer Art. 112c BV): Die Kantone sorgen für die Hilfe und Pflege von Betagten und Behinderten zu Hause, der Bund unterstützt gesamtschweizerische Bestrebungen.

- Die spitalexterne Pflege wird bereits heute als öffentliche Aufgabe von Kantonen und Gemeinden verstanden, wie einige Beispiele illustrieren können. Dem Gemeinwesen wird die Verantwortung überbunden, für die Erfüllung der Aufgabe zu sorgen, Art und Weise der Ausübung werden teilweise vorgeschrieben, Kantone und Gemeinden finanzieren sie in namhaftem Umfang mit. Wenn eine klare Steuerungsbeziehung zwischen dem Gemeinwesen und den beauftragten Privaten besteht, müssen diese als Organe der Gemeinwesen gelten. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, wäre von Fall zu Fall zu prüfen.

- Dienste, die aufgrund gesetzlichen Auftrags oder Leistungsauftrags einer Behörde des Kantons oder der Gemeinde tätig werden, unterstehen der Aufsicht der zuständigen kantonalen oder kommunalen Behörde auch dann, wenn sie in privatrechtlicher Form organisiert sind. Dasselbe dürfte in der Regel gelten, wenn solche Dienste überwiegend durch die öffentliche Hand finanziert werden.

- Welche Aufsichtsorgane zuständig sind und welche Datenschutznormen anzuwenden sind, bestimmt sich in jedem Fall nach dem kantonalen Recht. Je nach Geltungsbereich des jeweiligen kantonalen Datenschutzgesetzes kann es dabei erforderlich sein, das anwendbare Recht auf dem Weg der Lückenfüllung zu bestimmen.



[1] Vgl. P.-Y. Greber, Kommentar BV 1874, Art. 34quater, Rz. 122.
[2] Vom Volk angenommen in der Abstimmung vom 28. November 2004; Referendumsvorlage in BBl 2004 2442 ff. Die im Rahmen der NFA vorgenommenen Verfassungs- und Gesetzesänderungen sollen gleichzeitig in Kraft gesetzt werden, voraussichtlich auf 1.1.2008.
[3] Beim Spitex-Verband erhältlich
[4] § 2 Bst. c Datenschutzgesetz, OS 236.1.
[5] Art. 2 Abs. 5 Bst. b Datenschutzgesetz, Bereinigte Gesetzessammlung (BGS) 152.04.
[6] § 2 Abs. 7 Datenschutzgesetz, SRL 38.
[7] Art. 2 Abs. 1 Bst. e Datenschutzgesetz, Gesetzessammlung (G) G I F/1.
[8] Art. 2 Abs. 1 Bst. b Gesetz über den Datenschutz, SGF 17.1.
[9] § 3 Bst. c Informations- und Datenschutzgesetz, Bereinigte Gesetzessammlung (BGS) 114.1.
[10] § 2 Abs. 5 Datenschutzgesetz, SG 153.260.
[11] Art. 2 Abs. 1 Datenschutzgesetz, Bereinigte Gesetzessammlung (bGS) 146.1.
[12] Art. 1 Abs. 2 Bst. c Datenschutzgesetz, Amtliche Gesetzessammlung (AGS) 171.100.
[13] Art. 1 Abs. 2 Bst. c Loi sur la protection de la personnalité, Recueil systématique de la législation neuchâteloise (RSN) 150.30.
[14] § 3 Abs. 4 Weisungen über die Bearbeitung von Personendaten in der Verwaltung, SAR 153.151.
[15] Art. 2 Loi sur les fichiers informatiques et la protection des données personnelles, RSV 172.65.
[16] Art. 2 Abs. 1 Datenschutzgesetz, Gesetzessammlung (GS) 258.
[17] Art. 1 Loi sur les informations traitées automatiquement par ordinateur, Recueil systématique de la législation genevoise (RSG) B 4 35.




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