VPB 57.78
(Direktion für Völkerrecht, 24. Juni 1992; traduction française dans «Pratique suisse 1992», N°4.1, Revue suisse de droit international et de droit européen 5/1993)
Regeste Deutsch
Résumé Français
Regesto Italiano
Ausführungen
Art. 1 Niederlassungsvertrag mit Italien. Gleichbehandlungs- und Meistbegünstigungsklauseln.
Solche Klauseln verleihen den Schweizern keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit den Bürgern der Länder der Europäischen Gemeinschaft hinsichtlich des Zugangs zum Arbeitsmarkt und der Niederlassung in Italien.
Art. 1er Traité d'établissement avec l'Italie. Clauses du traitement national et de la nation la plus favorisée.
De telles clauses ne permettent pas aux Suisses de revendiquer l'égalité de traitement avec les ressortissants des pays de la Communauté européenne en ce qui concerne l'accès au marché du travail et l'établissement en Italie.
Art. 1 Trattato di domicilio con l'Italia. Clausole della parità di trattamento e della nazione più favorita.
Tali clausole non conferiscono agli Svizzeri nessun diritto alla parità di trattamento con i cittadini dei Paesi della Comunità Europea per quanto concerne l'accesso al mercato del lavoro e il domicilio in Italia.
Die Direktion für Völkerrecht nahm folgendermassen Stellung zu dem vom Dachverband der Schweizer Vereinigungen in Italien vertretenen Standpunkt, die Schweiz könne gestützt auf die Meistbegünstigungsklausel im Niederlassungs- und Konsularabkommen vom 22. Juli 1868 zwischen der Schweiz und Italien (SR 0.142.114.541) fordern, dass die Schweizer Bürger hinsichtlich des Zugangs zum Arbeitsmarkt und der Niederlassung in Italien mit den Bürgern der EG gleichgestellt würden.
Der Wortlaut der Meistbegünstigungsklausel im genannten Abkommen (ähnliche Verträge bestehen im übrigen auch mit den meisten anderen EG-Staaten) legt den gezogenen Schluss tatsächlich nahe. Jedoch hat die Anwendbarkeit dieser sehr weitgefassten Klauseln mit der Fortentwicklung des Völkerrechts in verschiedenen Bereichen bilateraler Beziehungen Einschränkungen erfahren.
So entspricht es einem Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts, dass Meistbegünstigungsklauseln auf die im Rahmen einer Zollunion gewährten Vorteile im Verhältnis zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern keine Anwendung finden. Eine gegenteilige Auffassung würde denn auch dem Sinn einer Zollunion klar zuwiderlaufen (vgl. auch Art. XXIV des GATT und die Botschaft des Bundesrates betreffend die Sozialversicherungsansprüche der Schweizer der ehemaligen belgischen Kolonien Kongo und Ruanda-Urundi vom 23. Mai 1990, BBl 1990 II 1513-1531).
Ebenfalls einer international anerkannten Rechtsüberzeugung entspricht sodann die sowohl vom Bundesrat als auch vom Bundesgericht wiederholt vertretene Ansicht, wonach die Gleichbehandlungs- und Meistbegünstigungsklauseln in Niederlassungsverträgen fremdenpolizeilichen Beschränkungen der Zuwanderung nicht im Wege stünden. Tatsächlich sind bereits nach dem Ersten Weltkrieg praktisch sämtliche Staaten von der liberalen Ausländerpolitik des 19. Jahrhunderts abgekehrt und haben seither den Zugang zu ihrem Territorium und zum Arbeitsmarkt der gesetzlichen Kontrolle unterworfen. Wenigstens in diesem Umfang wurden damit die Gleichbehandlungs- und Meistbegünstigungsklauseln in den Niederlassungsverträgen konkludent aufgehoben.
Keine solche international anerkannte Rechtsauffassung hat sich demgegenüber in Bezug auf die Behandlung des Eigentums von Ausländern herausgebildet …
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