VPB 58.76
(Entscheid des Bundesrates vom 3. November 1993)
Beschwerdeverfahren bei einer Verkehrsbeschränkung.
Die kantonale Beschwerdeinstanz handelt nicht willkürlich, wenn sie davon ausgeht, dass ihr bis zum Ablauf der Beschwerdefrist namentlich bekanntgegeben werden muss, wer als Beschwerdeführer auftreten will, und auf die Beschwerde nicht eintritt, wenn fristgerecht nur die Beteiligung weiterer Personen erwähnt wird, deren Namen und Unterschriften aber erst während der zur Ergänzung der Beschwerdebegründung erstreckten Frist eingereicht werden (E. 3.c).
Procédure de recours en matière de restriction de la circulation.
L'autorité cantonale de recours ne commet pas d'arbitraire lorsqu'elle part du point de vue qu'il faut lui communiquer d'ici à l'échéance du délai de recours le nom de quiconque entend agir à titre de recourant, et qu'elle n'entre pas en matière sur le recours lorsque seule la participation de personnes supplémentaires est mentionnée à temps, mais que leurs nom et signature ne sont produits que pendant une prolongation du délai accordée pour compléter la motivation du recours (consid. 3.c).
Procedura ricorsuale in materia di limitazione della circolazione.
L'istanza cantonale di ricorso non agisce arbitrariamente se parte dall'idea che debba esserle comunicato entro la scadenza del termine di ricorso il nome di chiunque voglia presentarsi come ricorrente e che essa non entri nel merito del ricorso se è menzionata entro i termini unicamente la partecipazione di ulteriori persone i cui nomi e firme sono stati presentati però soltanto durante la proroga del termine concessa per completare la motivazione del ricorso (consid. 3.c).
I
A. Mit Beschluss vom 31. Oktober 1990 verfügte der Gemeinderat M. die Aufhebung des Fahrverbotes für Motorfahrzeuge mit Zusatztafel «Zubringerdienst gestattet» in der ...strasse. Die Veröffentlichung der Massnahme erfolgte am 22. November 1990.
B. Gegen diese Verfügung erhob Frau P. in eigenem und im Namen weiterer Anwohner Beschwerde beim Regierungsrat. Dieser wies die Beschwerde materiell ab und trat, soweit die Beschwerde auch im Namen von weiteren Beschwerdeführern erhoben worden war, darauf nicht ein.
C. Diesen Entscheid fechten die obenerwähnten Betroffenen mit zwei Eingaben beim Bundesrat an. Sie verlangen als Parteien anerkannt zu werden sowie die Beibehaltung des bisherigen Verkehrsregimes ...
II
1. Die beiden Rechtsschriften betreffen den gleichen Sachverhalt und sind identisch abgefasst. Sie sind daher zu vereinigen.
2. Nach Art. 3 Abs. 4 des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958 (SVG, SR 741.01) steht gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide betreffend sogenannte funktionelle Verkehrsanordnungen die Beschwerde an den Bundesrat offen. Da der Regierungsrat als letzte kantonale Instanz entschied, ist die vorliegende Beschwerde zulässig.
Ein auf kantonales Verfahrensrecht gestützter Nichteintretensentscheid ist nach der Praxis mit Beschwerde an den Bundesrat anfechtbar, wenn er die Anwendung von Bundesrecht ausschliesst. Dies ist hier der Fall, denn materiell stehen Fragen des Strassenverkehrsrechts des Bundes, namentlich die erwähnte SVG-Bestimmung zur Diskussion (VPB 50.49, unveröffentlichte E. 1 in VPB 53.26 und VPB 57.10). Der Bundesrat kann allerdings die Anwendung kantonalen Verfahrensrechts nach Massgabe des Art. 49 VwVG nur in bezug auf eine Verletzung des Bundesrechts einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens überprüfen, weil die Verletzung kantonalen Rechts nicht geltend gemacht werden kann. Dies läuft im Ergebnis auf eine Willkürprüfung (Art. 4 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874 [BV, SR 101]) hinaus (vgl. BGE 118 Ia 10).
Die Beschwerdeschriften sind frist- und formgerecht eingegangen. Die Beschwerdeführer sind nach Art. 48 Bst. a VwVG zur Beschwerde berechtigt, denn sie sind vom angefochtenen Entscheid berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse, vom Bundesrat überprüfen zu lassen, ob ihnen die kantonale Rechtsmittelinstanz zu Unrecht den Rechtsweg verschlossen hat. Auf die Beschwerde ist folglich unter Vorbehalt nachstehender Erwägung einzutreten.
Gegenstand des Verfahrens kann nur die Frage bilden, ob der Regierungsrat zu Recht eine Parteistellung der heutigen Beschwerdeführer verneint und insoweit auf die Beschwerde nicht eingetreten ist. Soweit die Beschwerdeführer eine materielle Beurteilung der Angelegenheit verlangen, ist darauf nicht einzutreten.
3. Der Gemeinderat M. hob mit Beschluss vom 31. Oktober 1990 das bestehende Teilfahrverbot in der ...strasse auf. Diese Verfügung liess er am 22. November 1990 im Amtsblatt unter Angabe einer zehntägigen Beschwerdefrist an den Regierungsrat des Kantons veröffentlichen.
Dagegen erhob Frau P. am 30. November 1990 rechtzeitig Beschwerde. Die Rechtsschrift ging beim Regierungsrat am 3. Dezember 1990 ein. In der Eingabe wurde unter anderem die Sistierung des Beschwerdeverfahrens bis zum 31. März 1991 verlangt, damit weitergehende rechtliche und sachliche Abklärungen getroffen werden könnten. Die Beschwerdeschrift unterzeichnete Frau P. im Namen der Anwohner der ...strasse. Im Postskriptum führte sie an, diese Eingabe werde zur Zeit von 36 Personen unterstützt; die Bekanntgabe der Namen erfolge gleichzeitig mit dem definitiv formulierten Antrag mit Begründung. In der Folge reichte Frau P. innert erstreckter Frist am 15. März 1991 eine Ergänzung der Beschwerde ein. 52 weitere Personen schlossen sich dieser Eingabe als selbständig auftretende Beschwerdeführer an.
a. Der Regierungsrat bringt zur Begründung vor, nach § 15 Abs. 1 des kantonalen Verwaltungsverfahrensgesetzes (im folgenden: VG) müssten Beschwerden nicht nur ein klar umschriebenes Begehren, die Angabe der Tatsachen und Beweismittel sowie eine Begründung, sondern auch die Unterschrift der Parteien oder ihres Vertreters enthalten. Hieraus folge, dass der Vertreter die Namen der Beschwerdeführer bereits in der Beschwerdeschrift, zumindest aber vor Ablauf der Beschwerdefrist genau angeben müsse, auch wenn die Vollmacht erst später eingereicht werde. Es genüge nicht, in der Beschwerdeschrift bloss auf weitere, nicht näher bezeichnete Beschwerdeführer hinzuweisen. Deshalb könne auf die vorliegende Beschwerde nicht eingetreten werden, soweit diese auch im Namen von weitern, erst später namentlich genannten Beschwerdeführern erhoben worden sei.
b. Demgegenüber machen die Beschwerdeführer geltend, formelle Ordnungsvorschriften hätten den Zweck, dem materiellen Recht zum Durchbruch zu verhelfen. In materieller Hinsicht seien sämtliche Beschwerdeführer als Parzellen-Eigentümer von Grundstücken, die an die ...strasse anstiessen oder direkt von der Aufhebung der Fahrbeschränkung als Folgemassnahme betroffen seien, tangiert. Die Tatsache, dass die Namen der Beschwerdeführer nicht bekanntgegeben worden seien, fusse nicht im Umstand, dass sie nicht bekannt gewesen seien, sondern dass sie als einfache Bürger nicht in der Lage gewesen wären, vorsorglich Beschwerde zu machen, respektive abzuschätzen, ob eine Beschwerdeformulierung von Erfolg gekrönt sein könnte. Zuerst hätte in diesem Sinne und in der erstreckten Frist eine materielle Beschwerdebegründung erarbeitet werden müssen. Die Tatsache, dass mehr als 50 Personen der Beschwerde beipflichteten, könne nicht heissen, dass sie nur die Argumentation der Hauptbeschwerdeführerin, Frau P. unterstützten. Die Anschlusserklärungen seien eindeutig so formuliert gewesen, dass die Beschwerdebegründung mitgetragen werde und dass darüber hinaus der einzelne «Mit-Einsprecher» als selbständig auftretender Beschwerdeführer verstanden sein wollte. Über diese Aussagen könne sich die Regierung nicht einfach hinwegsetzen. Zum Schluss sei angemerkt, dass auch aus finanziell-administrativen Überlegungen es zulässig sein müsse, dass mehrere Personen eine gemeinsam erarbeitete Beschwerde, aber jede für sich, eingeben dürften.
c. Die Ausführungen der Beschwerdeführer dringen nicht durch. Es trifft zwar unbestrittenermassen zu, dass mehrere von einer Verfügung betroffene Personen gemeinsam eine Beschwerde einreichen können, wobei jeder Betroffene als Beschwerdeführer gilt und seine Rechte selbständig wahren kann. Um diese Frage geht es hier aber nicht. Nach § 33 Abs. 1 VG ist eine Beschwerde innert zehn Tagen seit der Eröffnung schriftlich bei der Beschwerdeinstanz einzureichen. Prozessvorschriften, namentlich Bestimmungen über Fristen, dienen einer raschen, geordneten und rechtsgleichen Verfahrensabwicklung. Rechtsmittelfristen sind als wichtigste gesetzliche Fristen sogenannte Verwirkungsfristen, das heisst mit ihrer Versäumung trifft die Verwirkungsfolge ein. Verwirkungsvorschriften enthalten absolute Gültigkeitserfordernisse und sind somit nicht reine Ordnungsvorschriften, bei deren Nichtbefolgung keine Prozessnachteile entstehen, wie die Beschwerdeführer anzunehmen scheinen (Gygi Fritz, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1983, S. 46 ff. und 60). Solche Fristen können nicht erstreckt werden. Nach § 15 Abs. 1 VG muss die Beschwerde unter anderem die Unterschrift der Parteien oder ihres Vertreters enthalten. Die Unterschrift dient unter anderem dazu, die Person des Erklärenden zu bezeichnen (VPB 41.44). In einem Beschwerdeverfahren ist ein identifizierbarer, parteifähiger Beschwerdeführer unerlässlich. Mit der Parteistellung sind Rechte und Pflichten, wie Anspruch auf rechtliches Gehör und auf förmliche Eröffnung des Entscheids, Befugnis zur Verfügung über den Streitgegenstand, Mitwirkungspflichten, die Rechtsmittelbefugnis und nicht zuletzt die Verlegung der Verfahrenskosten und der Parteientschädigung verbunden (Gadola Attilio R., Das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren, Zürich 1991, S. 193; Gygi, a.a.O., S. 175). Daraus erhellt, dass die Bezeichnung des Beschwerdeführers und seine Unterschrift notwendiger Inhalt der Beschwerdeschrift sind (VPB 41.44). Sofern sich aus dem bisherigen Verfahren, insbesondere den Vorakten, nichts ergibt, muss der Beschwerdeinstanz deshalb bis zum Ablauf der Beschwerdefrist bekannt gegeben werden, wer als Beschwerdeführer auftreten will.
Im vorliegenden Fall war der Vorinstanz innerhalb der gesetzlichen Frist lediglich Frau P. als Beschwerdeführerin namentlich bekannt. Die Ankündigung von 36 weiteren Beschwerdeführern - ohne Angabe deren Namen - genügt nun nicht, um diese als Parteien zum Verfahren zuzulassen. Die Bekanntgabe der Namen und die Beibringung der Unterschrift auf separaten Blättern innert der erstreckten Frist ändert daran nichts, weil - wie erwähnt - die dafür massgebende, nicht erstreckbare Frist zehn Tage beträgt und sich deshalb die gewährte Fristverlängerung lediglich auf die Ergänzung der Beschwerdebegründung bezog. Eine Fristverlängerung kann nicht dazu dienen, weiteren Betroffenen, die die ordentliche Rechtsmittelfrist verpassten, Gelegenheit zu geben, sich der Beschwerde anzuschliessen. Dies war hier aber offensichtlich der Fall, denn letztlich haben neben Frau P. nicht nur die angekündigten 36, sondern insgesamt 52 Betroffene sich der Beschwerde als selbständig auftretende Beschwerdeführer angeschlossen, von denen überdies eine erhebliche Anzahl die Beschwerde beziehungsweise separates Blatt erst zu einem viel späteren Zeitpunkt (Februar/März 1993) nach Ablauf der gesetzlichen Beschwerdefrist unterzeichneten. Die Beschwerdeanmeldung dieser Betroffenen erfolgte deshalb verspätet. Das Vorgehen der Vorinstanz ist somit nicht zu beanstanden; jedenfalls verfiel sie nicht in Willkür, wenn sie auf die Beschwerden nicht eintrat.
Aus diesen Gründen sind die Beschwerden abzuweisen, soweit darauf eingetreten wird.
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Dokumente des Bundesrates