VPB 66.89
(Entscheid des Rates der Eidgenössischen Technischen Hochschulen vom 15. November 2001)
Regeste Deutsch
Résumé Français
Regesto Italiano
Erwägungen
Erwägung 1.
Erwägung 2.a.
Erwägung b.
Erwägung 3.a.
Erwägung b.
Erwägung c.
Erwägung 4.-6.
Verweigerung der Erneuerung der venia legendi durch die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ) .Art. 10 Habilitationsverordnung ETHZ.
1. Die Verweigerung der Erneuerung der venia legendi stellt eine anfechtbare Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG dar (E. 1).
2. Legaldefinition der venia legendi nach Art. 2 Bst. b Habilitationsverordnung ETHZ (E. 2.a).
3. Rechtsnatur der venia legendi (E. 3.b).
4. Voraussetzungen für die Erneuerung der venia legendi (E. 3.c).
Refus par l'Ecole polytechnique fédérale de Zürich (EPFZ) de renouveler la venia legendi .Art. 10 Ordonnance d'habilitation à l'EPFZ.
1. Le refus de renouveler la venia legendi représente une décision susceptible de recours au sens de l'art. 5 PA (consid. 1).
2. Définition légale de la venia legendi selon l'art. 2 let. b Ordonnance d'habilitation à l'EPFZ (consid 2.a).
3. Nature juridique de la venia legendi (consid. 3.b).
4. Conditions pour le renouvellement de la venia legendi (consid. 3.c).
Rifiuto del rinnovo della venia legendi da parte del Politecnico federale di Zurigo (PFZ) .Art. 10 Ordinanza sull'abilitazione al PFZ.
1. Il rifiuto del rinnovo della venia legendi costituisce una decisione impugnabile ai sensi dell'art. 5 PA (consid. 1).
2. Definizione legale della venia legendi secondo l'art. 2 lett. b dell'Ordinanza sull'abilitazione al PFZ (consid. 2.a).
3. Natura giuridica della venia legendi (consid. 3.b).
4. Condizioni per il rinnovo della venia legendi (consid. 3.c).
Zusammenfassung des Sachverhalts:
X wurde von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) in den achtziger Jahren die venia legendi erteilt. Im Hinblick auf den Ablauf ihrer Gültigkeit reichte er der ETHZ im Jahre 2001 ein Gesuch um deren Erneuerung ein. Das Gesuch wurde abgelehnt, wogegen X. Beschwerde beim Rat der Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH-Rat) erhob.
Auszug aus den Erwägungen:
1. Der angefochtene behördliche Akt ist eine Verfügung im Sinne von Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021). Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde gegen diese Verfügung legitimiert, da er durch sie berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat (Art. 48 Bst. a VwVG). Die Beschwerde wurde innerhalb der von Art. 50 VwVG vorgeschriebenen 30-tägigen Frist beim ETH-Rat eingereicht.
2.a. Für die venia legendi liegt in der Verordnung vom 30. April 1986 über die Habilitation an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (Habilitationsverordnung ETHZ, SR 414.142.31) eine Legaldefinition vor. Nach Art. 2 Bst. b bedeutet die venia legendi die zeitlich befristete Befugnis, an einer Abteilung (nach heute geltendem Recht Departement) der ETHZ freie Vorlesungen aus einem bestimmten Unterrichtsgebiet zu halten. Diese Legaldefinition stützt sich auf Art. 13 Abs. 1 Bst. a des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 über die Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH-Gesetz, SR 414.110), wonach Dozenten, also Lehrende der beiden Bundeshochschulen, die ordentlichen und ausserordentlichen Professoren, die Assistenzprofessoren, die Privatdozenten und die Lehrbeauftragten sind. Die Privatdozenten sind nach Art. 14 Abs. 5 ETH-Gesetz diejenigen Dozenten, denen die Schulleitung die venia legendi verliehen hat.
Aus dieser rechtlichen Anordnung ergibt sich, dass an den ETH nicht jedermann ohne Erlaubnis Vorlesungen halten darf. Ist jemand nicht als ordentlicher, ausserordentlicher oder Assistenzprofessor gewählt oder mit einem Lehrauftrag versehen, so verbleibt die Möglichkeit, dass ihm hiezu eine besondere Erlaubnis, das heisst eine Bewilligung im verwaltungsrechtlichen Sinne, erteilt wird. Diese Bewilligung heisst nach geltendem ETH-Recht venia legendi.
b. Die Habilitationsverordnung ETHZ bestimmt im 2. Abschnitt das Verfahren bis zur Erteilung der Bewilligung unter dem Titel «Habilitationsverfahren». Art. 3 umschreibt das an den Rektor der ETHZ zu richtende Gesuch zur Erteilung der venia legendi, Art. 4 die fachliche Beurteilung des Gesuches durch dasjenige Departement (früher Abteilung), welches fachlich vom Gesuch betroffen ist, und Art. 5 definiert in Abs. 2 die Voraussetzungen zur Erteilung der venia legendi und erteilt in Abs. 3 dem Präsidenten der ETHZ die Kompetenz, die venia legendi durch Verfügung zu erteilen oder zu verweigern.
3.a. Gemäss der nach Art. 2 Bst. b Habilitationsverordnung ETHZ zitierten Legaldefinition handelt es sich bei der venia legendi um eine zeitlich befristete Bewilligung. Die Befristung beträgt gemäss Art. 6 Abs. 1 Habilitationsverordnung ETHZ 8 Semester, und die venia legendi kann bis zum Ende des Semesters, in welchem der Privatdozent sein 67. Altersjahr zurücklegt, erneuert werden. Art. 25 Abs. 2 der Verordnung vom 16. November 1983 über die Dozenten der Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH-Dozentenverordnung, SR 414.142) legt das Höchstalter allerdings auf 65 fest. Dies geschah durch eine Änderung der Verordnung vom 21. Dezember 1994 (AS 1995 586). Nach dem Grundsatz lex superior derogat legi inferiori bzw. lex posterior derogat legi priori gilt somit das Höchstalter 65. Abs. 2 von Art. 6 Habilitationsverordnung ETHZ umschreibt das Verfahren für die Erneuerung. Hiezu braucht es wiederum ein Gesuch an den Rektor zu Beginn des 8. Semesters, und im Übrigen finden wiederum die einschlägigen Vorschriften von Art. 4 und 5 Anwendung.
Der Privatdozent verpflichtet sich gemäss Art. 7 Abs. 1 Habilitationsverordnung ETHZ, in jedem akademischen Jahr mindestens eine Lehrveranstaltung anzukündigen und durchzuführen. Von dieser Pflicht kann ihn nur der Rektor semesterweise entbinden (Abs. 2).
Wie für jede Bewilligung sieht auch das für die venia legendi geltende Recht den contrarius actus, nämlich die Nichterneuerung oder den Entzug derselben vor (Art. 10 Habilitationsverordnung ETHZ). Entzug bedeutet Aufhebung der Bewilligung vor Ablauf der massgeblichen Frist. Der contrarius actus kann sowohl auf den Antrag der zuständigen Professorenkonferenz wie auch auf Veranlassung des Präsidenten der ETHZ hin zustande kommen. Im letzteren Falle hat der Präsident der ETHZ die zuständige Professorenkonferenz vor Erlass der Verfügung anzuhören. Der erwähnte Art. 10 Habilitationsverordnung ETHZ enthält eine abschliessende Aufzählung der Gründe für eine Nichterneuerung oder den Entzug der venia legendi.
b. Die herrschende Lehre gliedert die Bewilligungen in Polizeibewilligungen, Ausnahmebewilligungen, wirtschaftspolitische Bewilligungen und Konzessionen. Mit der Polizeibewilligung stellt die zuständige Behörde fest, dass der Gesuchsteller die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung eines ihm an sich zustehenden Rechtes erfüllt. Mit der Ausnahmebewilligung wird dem Gesuchsteller die Erlaubnis zu einer Tätigkeit erteilt, welche an sich verboten ist. Die wirtschaftspolitische Bewilligung stellt auf ein gesetzlich festgelegtes öffentliches Interesse ab, und mit der Konzession wird einem Individuum ein Recht übertragen, über das der Staat verfügt (vgl. u. a. Fleiner-Gerster Thomas, Grundzüge des allgemeinen und schweizerischen Verwaltungsrechts, 2. überarbeitete Auflage, Zürich 1980, S. 162 ff.; Knapp Blaise, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 4. vollständig überarbeitete Auflage, Basel 1992, S. 297 ff.; Schwarzenbach-Hanhart Hansrudolf, Grundriss des allgemeinen Verwaltungsrechts, 10. Aufl., Bern 1991, S. 174 ff.). Der Blick in die einschlägige Literatur zeigt, dass die venia legendi als verwaltungsrechtliche Bewilligung in keines der daselbst behandelten Muster genau hinein passt. So fehlt der Rechtsanspruch auf Ausübung der anbegehrten Tätigkeit bei der Polizeibewilligung, ebenso wenig ist das Abhalten von Lehrveranstaltungen grundsätzlich verboten, was die Ausnahmebewilligung voraussetzen würde. Die wirtschaftspolitische Komponente fehlt bei der venia legendi aus nahe liegenden Gründen, und beim Abhalten von Lehrveranstaltungen handelt es sich keineswegs um ein Recht des Staates, das er mittels Konzession einem Dritten übertragen könnte.
Das Abhalten von Lehrveranstaltungen durch entsprechend ausgebildete Fachkräfte ist zur Erfüllung von Zweck und Auftrag einer ETH unerlässlich (vgl. Art. 2 Abs. 1 Bst. a und c in Verbindung mit Art. 8 ETH-Gesetz). Hiezu werden im Wege des Dienstrechtes bzw. des Auftrages Professoren bzw. Lehrbeauftragte verpflichtet. Darüber hinaus steht den Hochschulen die Möglichkeit offen, das Lehrangebot durch Privatdozenten zu erweitern, die weder dienstrechtlich noch gestützt auf einen Auftrag gebunden sind. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers begründet die venia legendi also kein Dienstrechtsverhältnis. Dies wird in Art. 3 der ETH-Dozentenverordnung auch ausdrücklich festgehalten. Allerdings ist auch der mit der venia legendi versehene Privatdozent in der Ausübung seiner Lehrtätigkeit nicht restlos frei. So wird das mit der venia legendi verbundene Unterrichtsgebiet umschrieben (Art. 4 Abs. 6 Habilitationsverordnung ETHZ). Von Bedeutung aber ist, dass der Privatdozent mit der Erteilung der venia legendi die Pflicht übernimmt, in jedem akademischen Jahr mindestens eine Lehrveranstaltung anzukündigen und durchzuführen, wovon ihn nur der Rektor semesterweise entbinden kann (Art. 7 Habilitationsverordnung ETHZ). In diesem Zusammenhang ist auch die vorgesehene Honorierung des Privatdozenten gemäss Art. 9 Habilitationsverordnung ETHZ zu sehen (vgl. auch Art. 25 Abs. 3 ETH-Dozentenverordnung).
Diese rechtliche Disposition der verwaltungsrechtlichen Bewilligung venia legendi muss dazu führen, dieselbe als eine Bewilligung sui generis zu bezeichnen, denn sie passt, wie dargelegt, nicht in das in der Literatur vorherrschende Schema der verwaltungsrechtlichen Bewilligungen. Grund dafür ist freilich nicht die mit der venia legendi verbundene Pflicht des Privatdozenten, sondern vielmehr der Umstand, dass sich der Staat zur Erfüllung einer gesetzlich vorgeschriebenen Aufgabe der Bewilligung an Dritte bedient.
c. Als weitere Besonderheit der venia legendi kann bezeichnet werden, dass die Bewilligung gemäss Art. 5 Abs. 2 Habilitationsverordnung ETHZ erteilt werden muss, wenn zwei abschliessend aufgeführte Voraussetzungen erfüllt sind. Der Gesuchsteller muss über eine Lehrbefähigung und über eine besondere wissenschaftliche Qualifikation verfügen (Bst. a) und es muss von seiner Lehrtätigkeit nach der Beurteilung der zuständigen Fachprofessoren eine zweckdienliche Ergänzung des Lehrangebotes erwartet werden können (Bst. b). Für beide Voraussetzungen ist also das Gutachten der zuständigen Fachprofessoren ausschlaggebend (vgl. auch Art. 4 Habilitationsverordnung ETHZ).
Dass die venia legendi gemäss Art. 6 Abs. 1 nur befristet, das heisst für die Dauer von 8 Semestern, erteilt werden kann und dass zur Erneuerung derselben im Wesentlichen das gleiche Verfahren wie bei der erstmaligen Einreichung des Gesuches stattzufinden hat (Abs. 2), liegt in der Natur der Sache. Ein Wesensmerkmal der Wissenschaft, das heisst sowohl der Lehre wie auch der Forschung ist es, dass sie einem steten Wandel unterworfen ist. Was heute letzte wissenschaftliche Erkenntnis ist, kann morgen vollkommen überholt sein. Das mit der venia legendi verbundene Unterrichtsgebiet ist begrenzt und findet in erster Linie seinen Ausdruck in der vom Gesuchsteller eingereichten Habilitationsschrift (Art. 3 Abs. 3 Bst. c in Verbindung mit Art. 4 Abs. 2 Bst. a Habilitationsverordnung ETHZ). So ist es durchaus denkbar, dass zu Folge des wissenschaftlichen Fortschrittes, die mit der venia legendi verbundene Lehrtätigkeit keine zweckdienliche Ergänzung des Lehrangebotes mehr darstellt, welche Art. 5 Abs. 2 Bst. b Habilitationsverordnung ETHZ verlangt.
Genau das ist gemäss Art. 10 Bst. c ein Grund für die Nichterneuerung oder den Entzug der venia legendi.
Die weiteren in Art. 10 aufgeführten Gründe für die Nichterneuerung oder den Entzug der venia legendi liegen in der Person des Inhabers der Bewilligung. Es ist die schuldhafte Nichteinhaltung der Lehrverpflichtung nach Art. 7 (Bst. a), die voraussichtliche Unmöglichkeit, dieser Lehrverpflichtung in Zukunft dauernd nachzukommen (Bst. b) sowie der Verlust der wissenschaftlichen oder beruflichen Qualifikation (Bst. d). Der Präsident der ETHZ kann die Nichterneuerung oder den Entzug der venia legendi auf den Antrag der zuständigen Professorenkonferenz oder von sich aus verfügen. Im letzteren Falle hat er vorgängig die zuständige Professorenkonferenz anzuhören.
4.-6. (…)
(Da vorliegend sowohl im Vorverfahren wie auch beim Entscheid über die Erteilung der venia legendi ein unzuständiges Organ gehandelt hat und die Verfügung unzureichend begründet war, wurde die Beschwerde gutgeheissen und zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.)
Dokumente des ETH-Rats