2011 Verwaltungsrechtspflege 253

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59 Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts
Ein Rückweisungsentscheid des BVU bildet taugliches Anfechtungsobjekt
vor Verwaltungsgericht. Die Anfechtungsvoraussetzungen des BGG gel-
ten im kantonalen Verfahren nicht.

Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 17. Juni 2011 in Sachen A.
gegen B. (WBE.2010.390).

Aus den Erwägungen

I.
1.
Angefochten ist ein Rückweisungsentscheid des BVU. Das
BVU macht geltend, die Auffassung, wonach Rückweisungsentschei-
de vor Verwaltungsgericht grundsätzlich taugliches Anfechtungs-
objekt darstellten, sei aufgrund der zwischenzeitlichen Totalrevision
der Bundesrechtspflege nicht mehr zeitgerecht. Auf die Beschwerde
sei im konkreten Fall nicht einzutreten.
Für das Verfahren vor Bundesgericht sind die anfechtbaren Ent-
scheide in Art. 90-94 BGG geregelt. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichts zum BGG stellen Rückweisungsentscheide in der
Regel Zwischenentscheide dar, die nur unter den Voraussetzungen
von Art. 93 Abs. 1 BGG selbständig angefochten werden können
(BGE 135 III 216 f.; 134 II 127 f.; 133 II 412; 133 V 481 f.; Urteil
des Bundesgerichts vom 29. September 2010 [1C_8/2010], Erw. 1.2
und 1.3). Diese unter Geltung des BGG für das bundesgerichtliche
Verfahren entwickelte Rechtsprechung lässt sich jedoch nicht auf das
kantonale Verfahren vor Verwaltungsgericht übertragen. Die Be-
schwerde an das Verwaltungsgericht bestimmt sich nach dem kanto-
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nalen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege vom 4. Dezember
2007 (Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG; SAR 271.200). Die
massgebliche Regelung in §§ 54 ff. VRPG (Beschwerde an das Ver-
waltungsgericht) unterscheidet sich von derjenigen in Art. 90-94
BGG. Eine Praxis, welche bezüglich Rückweisungsentscheiden an
die Anforderungen von Art. 93 Abs. 1 BGG anknüpfen würde, be-
steht auf kantonaler Ebene nicht und bestand auch unter Geltung des
aVRPG nicht.
Nach § 54 Abs. 1 VRPG ist u. a. gegen letztinstanzliche Ent-
scheide der Verwaltungsbehörden die Verwaltungsgerichtsbeschwer-
de zulässig. Das gilt auch in Bausachen (vgl. § 41 ABauV). Ein
Sonderfall gemäss § 54 Abs. 2 VRPG liegt nicht vor, auch sind keine
vorbehaltenen Sonderbestimmungen in anderen Gesetzen im Sinne
von § 54 Abs. 3 VRPG erkennbar. Die Wirkungen eines Rückwei-
sungsentscheids lassen sich mit denjenigen eines Vorentscheids ver-
gleichen, da die materiellen Erwägungen in Rückweisungsentschei-
den die Vorinstanz wie auch die Rechtsmittelinstanz binden, sollte
letztere im gleichen Verfahren erneut angerufen werden (Michael
Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem
aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege vom 9. Juli
1968, Kommentar zu den §§ 38-72 [a]VRPG, Diss., Zürich 1998,
§ 38 N 62). Rückweisungsentscheide sind im Grundsatz taugliches
Anfechtungsobjekt vor Verwaltungsgericht und unterscheiden sich
insofern nicht vom reformatorischen Entscheid (Merker, a. a. O.,
§ 38 N 63). Mit dem angefochtenen Rückweisungsentscheid wurde
das Verfahren vor BVU abgeschlossen und der Gemeinderat an-
gewiesen, das Baugesuch auf die Vereinbarkeit mit den Vorschriften
zur Ausnützungsziffer hin zu überprüfen. Dies, weil das BVU zum
Schluss gelangte, dass die gewerblich genutzte Aussenverkaufsfläche
zur Bruttogeschossfläche zu zählen sei. Der strittige Rückweisungs-
entscheid bildet somit taugliches Anfechtungsobjekt und das Verwal-
tungsgericht ist zur Beurteilung der dagegen erhobenen Beschwerde
zuständig.