09-01 Zulässige Rügen bei der Anfechtung des definitiven Kostenverteilers / Abgrenzung Korrektion und Neuanlage / Bemessung des Vorteils

Bei der Anfechtung einer definitiven Beitragsverfügung werden die zulässigen Rügen nicht beschränkt, sofern diese Rügen nicht in einem Verfahren gegen die provisorische Beitragserhebung vorgebracht werden konnten (E. 2).


Bei der Definition von Korrektion und Neuanlage ist die Gemeinde unter Einhaltung des übergeordneten Rechts autonom, insbesondere steht es ihr frei, gewisse Schematisierungen vorzunehmen (E. 5).


Die vorbestehende Erschliessung über eine betragsfreie Kantonsstrasse ist bei der Bemessung des einem Eckgrundstücks zukommenden Vorteils zu berücksichtigen (E. 6)



Aus dem Sachverhalt:

Am 25. April 2006 beschloss der Gemeinderat der Einwohnergemeinde Arisdorf den Bau- und Strassenlinienplan "Q. ". In der Folge wurde das Strassenbauprojekt "Erschliessung Q." ausgearbeitet. Die provisorische Kostenverteiltabelle und der dazugehörende Perimeterplan datieren vom 6. Oktober 2006. Am 19. November 2008 wurde der definitive Perimeterplan einschliesslich Kostenverteiltabelle erstellt. Mit Verfügung vom 10. Dezember 2008 wurden A. für seine Parzelle Nr. 4485, Grundbuch Arisdorf, ein Strassenbeitrag von Fr. 16'379.40 in Rechnung gestellt. Für die ebenfalls im Eigentum von A. stehende Parzelle Nr. 4486, Grundbuch Arisdorf, wurde nach Abzug der Kosten der Landabtretung und einer Ertragsausfall- und Umtriebsentschädigung ein Strassenbeitrag von Fr. 9'000.25 verfügt. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2008 und ergänzender Begründung vom 21. Januar 2009 erhob A. gegen die Verfügungen der Einwohnergemeinde Arisdorf vom 10. Dezember 2008 Beschwerde beim Steuer- und Enteignungsgericht, Abteilung Enteignungsgericht (nachfolgend: Enteignungsgericht). Er stellte den Antrag, die Beitragsverfügungen seien aufzuheben respektive die Beiträge in Berücksichtigung der vorbestehenden Erschliessung zu reduzieren.



Aus den Erwägungen:

2. Beschwerdeobjekt


2.1 In Bezug auf die Strassenbeiträge ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer die von ihm geltend gemachten Rügen im Rahmen des definitiven Beitragsverfahrens überhaupt noch vorbringen kann. Führt eine Gemeinde betreffend Strassenbeiträge ein zweistufiges Verfahren mit einem provisorischen und einem definitiven Beitragsperimeterplan durch, so ist sie im Interesse der Rechtssicherheit an die in der provisorischen Beitragsverfügung getroffenen Grundsatzentscheide gebunden. Als solche sind namentlich der Umfang des Beitragsperimeters und die Gewichtung der Vorteile anzusehen. Ein Zurückkommen auf diese Punkte im Rahmen der definitiven Beitragsverfügung ist in der Regel nur zulässig, sofern die Voraussetzungen für den Widerruf einer rechtskräftigen Verfügung erfüllt sind (vgl. VGE vom 25. November 1987 [Nr. 85], Urteil des Enteignungsgerichts vom 26. Mai 2008 [650 2008 10]). Mit der Beschwerde gegen eine definitive Beitragsverfügung können demnach nach ständiger Gerichtspraxis in der Regel nur Rechnungsfehler gerügt werden, falls die Beitragspflicht als solche im Rahmen einer provisorischen Beitragsverfügung, beziehungsweise eines provisorischen Kostenverteilers angefochten werden konnte.


2.2 Die Gemeinde Arisdorf sieht in ihrem Strassenreglement ein zweistufiges Verfahren vor. Ziffer 6.8 Abs. 4 des Strassenreglements der Gemeinde Arisdorf vom 11. Dezember 2003 (SR) hält fest, dass die Beitragspflicht während des Planauflageverfahrens beim Enteignungsgericht angefochten werden kann, wenn der provisorische Kostenverteiler im Sinne einer provisorischen Beitragsverfügung den Grundeigentümern während der Planauflage eröffnet wird. Entsprechend § 18 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes Basel-Landschaft vom 13. Juni 1988 (VwVG BL, SGS 175) sind Verfügungen mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen.


2.3 Vorliegend datieren die provisorische Kostenverteiltabelle und der Perimeterplan vom 6. Oktober 2006. Gegen diese wurde unbestrittenermassen keine Beschwerde erhoben. Fraglich ist aber, ob die provisorische Beitragspflicht dem Beschwerdeführer gemäss Vorgaben des kommunalen Rechts und mit korrekter Rechtsmittelbelehrung eröffnet wurde. Die Beschwerdegegnerin hat zugestanden, dass erst die definitive Beitragsverfügung mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen war. Eine Auflage im Sinne von Ziffer 6.8 Abs. 4 SR habe ebenfalls nicht stattgefunden. Es kann somit festgestellt werden, dass die Beschwerdegegnerin die Verfahrensvorschriften ihres Reglements nicht eingehalten hat und die provisorische Beitragsverfügung nicht korrekt eröffnet wurde. Erst die korrekte Eröffnung ermöglicht es aber den Betroffenen, die Beitragsverfügung anzufechten (Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Auflage, Zürich 2006, N 1638). Aus der fehlerhaften Eröffnung und der Nichteinhaltung der kommunalen Verfahrensvorschriften dürfen dem Beschwerdeführer keine Nachteile erwachsen. Aus diesem Grund kann ausnahmsweise auch die Beitragspflicht als solche sowie deren Umfang mit der definitiven Beitragsverfügung angefochten werden.


5. Qualifikation des Strassenbauprojekts


5.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, dass der X.-Weg seit einer Feldregulierung bereits als Strasse ausgebaut gewesen sei. (…)


5.2 Gemäss § 90 EntG können diejenigen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer, welchen durch ein öffentliches Unternehmen besondere Vorteile erwachsen, zu einer angemessenen Beitragsleistung herangezogen werden. Aus der Definition der Beitragslast ergibt sich, dass eine Beitragspflicht nur dann eintritt, wenn eine Grundeigentümerin oder ein Grundeigentümer durch eine öffentliche Einrichtung ein besonderer Vorteil erfährt. Diesen wirtschaftlichen Sondervorteil in jedem einzelnen Fall zu schätzen, wie es an sich wünschbar wäre, erweist sich aus verschiedenen Gründen als nicht möglich. Nach der Praxis ist es daher zulässig, schematische, nach der Durchschnittserfahrung aufgestellte Massstäbe zu schaffen, die leicht zu handhaben sind (BGE 109 Ia 328 E. 5; 106 Ia 244 E. 3b; 93 I 114 E. 5b). (…)


5.3 Ein Sondervorteil liegt regelmässig vor, wenn ein Grundstück durch den Bau von Zufahrtsstrassen erschlossen wird und es dadurch einen Vorteil in Form eines Vermögenszuwachses erfährt. Der Ausbau einer bestehenden Erschliessungsanlage bewirkt in der Regel keinen Vorteil, soweit die Grundstücke bereits durch die vorhandene Anlage genügend erschlossen waren. Ein Sondervorteil kann hingegen entstehen, wenn durch den Ausbau einer Anlage die Erschliessung einzelner Grundstücke wesentlich verbessert wird (vgl. BGE 2P.278/2001 vom 7. Februar 2002, E. 2.2). Dies ist der Fall, wenn ein Grundstück durch den Ausbau oder die Korrektion einer Strasse einfacher, sicherer oder bequemer erreicht werden kann (vgl. Peter J. Blumer, Abgaben für Erschliessungsanlagen nach dem Thurgauer Baugesetz, Zürich 1989, S. 68). Die beitragspflichtige Korrektion zeichnet sich nach dem Gesagten dadurch aus, dass eine Strasse gegenüber dem bisherigen Zustand eine Verbesserung erfährt, welche den bereits vorhandenen Sondervorteil vermehrt (vgl. Urteil des Enteignungsgerichts vom 18. Juni 1998 [650 1997 139], E. 4e).


Bei einer Neuanlage findet hingegen nicht nur eine (technische) Verbesserung der Strasse statt, sondern es wird eine neue Anlage erstellt. Die Neuanlage bewirkt nicht nur, dass der bereits vorhandene Vorteil gesteigert wird, sondern, dass neue Vorteile entstehen, welche die alte Strasse nicht geboten hat. Für die Annahme einer Neuanlage spricht der Umstand, dass noch nie Beiträge erhoben wurden. Als Neuanlage ist stets der erstmalige Ausbau einer Verkehrsfläche durch die Gemeinde zu behandeln (VGE vom 24. April 1985, in: BLVGE 1985, Ziffer 15.1, S. 64 ff., E. 3a). Selbst einmal geleistete Beiträge können konsumiert werden, wenn eine Neuanlage gemäss Strassennetzplan erstellt wird, dem aktuellen Stand der Technik entspricht und z.B. ein "Provisorium" ersetzt. Ein geteerter Feldweg ist dann ein Provisorium, wenn er als Erschliessungsstrasse verwendet wurde und noch nicht gemäss Strassennetzplan ausgebaut war.


5.4 Das Planen, Projektionieren und Erstellen von Erschliessungsanlagen fällt in die Zuständigkeit der Gemeinden (§ 33 Raumplanungs- und Baugesetz vom 8. Januar 1998 [RBG, SGS 400]). Die Gemeinde kann im Rahmen des von ihr erstellten Reglements, in casu im Rahmen des Strassenreglements, die Erschliessung ihres Hoheitsgebiets in eigenem Ermessen projektionieren und ausführen, sofern sie nicht gegen höherrangiges Recht verstösst. Das Gericht hat geltende Reglemente der Gemeinden sowie deren Auslegung zu respektieren. Es kann allenfalls dort eingreifen, wo eine Gemeinde in Anwendung kommunalen Rechts gegen kantonales oder eidgenössisches Recht, insbesondere Verfassungsrecht, verstösst (vgl. Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, a.a.O., N 418 ff.). Gleichzeitig kommt der Gemeinde die Kompetenz zu, Beiträge an die Erstellungskosten von den von der Erschliessung betroffenen und profitierenden Parzellen respektive von deren Grundeigentümern oder dinglich Berechtigten zu erheben (vgl. § 36 RBG, § 91 EntG). Die Möglichkeit zur Überprüfung der aufgrund dieser Kompetenzen ergangenen kommunalen Akte durch das Enteignungsgericht ist begrenzt. So kann nur gerügt werden, dass es zu einer Rechtsverletzung einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens gekommen sei oder dass der Sachverhalt unrichtig bzw. unvollständig festgestellt worden sei (§ 45 lit. a und b des Gesetzes über die Verfassungs- und Verwaltungsprozessordnung vom 16. Dezember 1993 [VPO, SGS 271] i.V.m. § 96 Abs. 3 EntG).


5.5 Das Strassenreglement der Gemeinde Arisdorf definiert in Ziffer 1.4 Abs. 2 Korrektionen als bauliche Änderungen und Korrekturen an bestehenden, nach Bau- und Strassenlinienplan erstellten Verkehrsanlagen sowie nachträgliche Ergänzungen, Verbreiterungen und Gestaltungen an Verkehrsanlagen, die als Neuanlage erstellt wurden.


Gemäss Ziffer 1.4 Abs. 1 SR gilt als Neuanlage die erstmalige Erstellung von Verkehrsanlagen gemäss Bau- und Strassenlinienplan inkl. Strassenkoffer Belag, Randabschlüsse, Strassenentwässerung, Beleuchtung sowie der Ausbau von vorbestandenen Fahr- und Fusswegen zu Verkehrsanlagen gemäss Bau- und Strassenlinienplan.


5.6 Das in Frage stehende Bauprojekt bezieht sich auf eine Strasse, welche im Rahmen von Feldregulierungen erstellt wurde. Anlässlich des Augenscheins konnte sich das Gericht ein Bild davon machen, in welcher Weise der X.-Weg durch das Bauprojekt ausgebaut wurde. Die Verkehrsfläche wurde verbreitert und ihr Gefälle umgekehrt. Anstelle der früheren Autobahnrandsteine wurden Randabschlüsse eingefügt, die vorbestehende Kofferung wurde ausgebaut und der Belag komplett erneuert. Auch die Entwässerung der Strasse, welche nach Angaben des Beschwerdeführers vorher mittels Halbschale erreicht wurde, ist verändert worden. Anlässlich des Augenscheins ist deutlich geworden, dass die vorbestehende Strasse in mehreren Aspekten als zumindest teilweise ausgebaut zu gelten hatte. Der Wortlaut des kommunalen Reglements ist vorliegend jedoch eindeutig. Gemäss den in Ziffer 1.4 SR enthaltenen Definitionen hat - wie bereits ausgeführt - die erstmalige Erstellung einer Strasse gemäss Bau- und Strassenlinienplan, unabhängig davon, ob es sich um die erstmalige Erstellung oder um den Ausbau eines vorbestehenden Fahr- und Fusswegs handelt, als Neuanlage zu gelten. Als Korrektionen gelten dagegen bloss Veränderungen an bereits nach Bau- und Strassenlinienplan ausgebauten Strassen. Der X.-Weg wurde aufgrund des Projekts "Erschliessung Q. " erstmals nach Bau- und Strassenlinienplan erstellt. Nach dem kommunalen Strassenreglement ist der Bau des X.-Wegs als Neuanlage zu qualifizieren.


5.7 Fraglich ist jedoch, ob das kommunale Reglement gegen höherrangiges Recht, namentlich gegen das Äquivalenzprinzip, verstösst. Die unterschiedliche Kostenverteilung, je nachdem, ob der Strassenbau als Neuanlage oder Korrektion qualifiziert wird, findet ihre Grundlage in der Überlegung, dass der Sondervorteil geringer ausfällt, wenn eine Form der Erschliessung bereits vor dem Strassenbau vorhanden war, und ist somit Ausfluss des Äquivalenzprinzips (vgl. Alexander Ruch, Die Bedeutung des Sondervorteils im Recht der Erschliessungsbeiträge, in: ZBl 1996, S. 540; Urteil des Enteignungsgerichts vom 17. Dezember 2007 [650 06 177], E. 5.7). Wie eine Gemeinde diese Unterscheidung vornimmt, liegt jedoch grundsätzlich in ihrem eigenen Ermessen. Das Äquivalenzprinzip schreibt lediglich vor, dass die erhobenen Beiträge insgesamt wertadäquat sein müssen. Das heisst, dass der Gesamtertrag der erhobenen Beiträge die den Sondervorteil schaffenden Aufwendungen nicht übersteigen darf und sich der individuelle Beitrag daher anhand des Mehrwerts bemessen muss, welcher dem Beitragspflichtigen durch den Sondervorteil erwächst. Darüber hinaus sind gewisse Schematisierungen erlaubt. Eine solche Schematisierung findet sich auch im Strassenreglement der Gemeinde Arisdorf, welches mittels bestimmter, der Durchschnittserfahrung entsprechender Kriterien (namentlich der Erstellung nach Bau- und Strassenlinienplan und der Art der baulichen Arbeiten) bestimmt, was als Neuanlage oder als Korrektion anzusehen ist. Aus diesen Gründen ist die kommunale Regelung der Beschwerdegegnerin nicht zu beanstanden.


Der Bau des X.-Wegs wurde somit zu Recht als Neuanlage qualifiziert und die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen.


6. Bemessung des Vorteils


6.1 Der Beschwerdeführer bringt des Weiteren vor, dass ihm aus dem Bau des


X.-Wegs kein Vorteil entstehe, da sein Grundstück mit der Parzellennummer 4486 bereits seit Generationen über die westlich angrenzende Y.-Strasse erschlossen werde. (…)


6.2 Umstritten ist vorliegend, ob dem Beschwerdeführer aufgrund der vorbestehenden Erschliessung durch den Bau des X.-Wegs überhaupt ein Vorteil zukommt und der Einbezug in den Beitragsperimeter gerechtfertigt ist. Der anlässlich der Hauptverhandlung vorgenommene Augenschein hat gezeigt, dass das Grundstück des Beschwerdeführers mit der Parzellennummer 4486 auch über den neu erstellten X.-Weg erschlossen werden könnte. Tatsächlich befindet sich zum X.-Weg hin ein Autoabstellplatz, welcher vom Beschwerdeführer zusätzlich zur Erschliessung über die Y.-Strasse genutzt wird. Die Erschliessung über den X.-Weg erweitert die Nutzungsmöglichkeiten des Beschwerdeführers an seinem Grundstück, so hat er etwa in Bezug auf ein zukünftig zu errichtendes Gebäude mehr Freiheit bei der Ausrichtung oder der Umgebungsgestaltung.


Demzufolge erfährt das betreffende Grundstück einen Mehrwert, welcher den Einzug in den Beitragsperimeter rechtfertigt.


6.3 In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und wie die bestehende Erschliessung über die beitragsfreie Y.-Strasse bei der Bemessung des Anwänderbeitrags für den


X.-Weg zu berücksichtigen ist.


6.4 Bezüglich der Bemessung des Vorteils hält Ziffer 6.4 Abs. 4 SR fest, dass bei Grundstücken, die an mehreren Verkehrsflächen liegen, eine doppelte Belastung auszuschliessen ist, indem der Beitragsperimeter bei sich kreuzenden Strassen als Winkelhalbierende und bei parallel verlaufenden Strassen als Mittellinie abgegrenzt wird.


6.5 Das Enteignungsgericht hat in früheren Entscheiden betont, dass Grundstücke, welche an mehreren Verkehrsflächen liegen, grundsätzlich nur einmal voll beitragspflichtig sind, da eine Doppelbelastung im Hinblick auf die Berücksichtigung des Sondervorteils nicht gerechtfertigt werden kann. Andererseits sei aber für jede Flächeneinheit einer Parzelle, welche an eine Strasse grenzt, mindestens einmal ein Beitrag zu erheben (vgl. Urteil des Enteignungsgerichts vom 5. April 2001 [650 00 235], E. 12). Die Anwendung der Winkelhalbierenden käme somit bloss in Frage, wenn es sich um zwei gleichrangige, beitragspflichtige Strassen handle. Die Anwendung der Winkelhalbierenden wurde daher in Fällen, in welchen ein Eckgrundstück an eine Kantonsstrasse grenzte, grundsätzlich verneint (vgl. aber Urteil des Enteignungsgerichts vom 22. November 2001 [650 00 279], E. 7.c).


Begründet wurde dies jeweils damit, dass vom Kanton für Kantonsstrassen (mit Ausnahme eines bescheidenen Trottoirbeitrags) keine Strassenbeiträge erhoben werden. Bei der Anwendung der Winkelhalbierenden gehe es in erster Linie aber darum, eine doppelte Belastung der Grundeigentümer auszuschliessen. Betont wurde ebenfalls, dass Kantonsstrassen in der Regel nicht der Feinerschliessung dienen (§ 5 Strassengesetz vom 24. März 1986 [SGS 430]), eine zusätzliche oder vorbestehende Erschliessung über dieselben deshalb kaum je in Frage käme. Einen bloss teilweisen Einbezug der Grundstücksfläche bei Eckgrundstücken, welche an eine Kantonsstrasse grenzen, würde somit einer Ungleichbehandlung aller Anwänder gleichkommen (Urteil des Enteignungsgerichts vom 27. November 1986, E. 5 f.; Urteil des Enteignungsgerichts vom 5. April 2001 [650 00 235], E. 12).


6.6 Vorliegend drängt sich eine Präzisierung der obengenannten Rechtsprechung auf. Bereits in einem Entscheid aus dem Jahr 1986 (Urteil des Enteignungsgerichts vom 27. November 1986, E. 5 in fine) wurde die Frage aufgeworfen, ob in Fällen, in welchen der Grundeigentümer tatsächlich über eine Kantonsstrasse erschlossen ist, eine Flächenreduktion auch entgegen des Wortlauts eines kommunalen Reglement erzwungen werden könne. Diese Frage wurde vom Enteignungsgericht bisher jedoch offen gelassen. Zu prüfen bleibt im vorliegenden Fall daher, ob die Anwendung der Winkelhalbierenden in erster Linie eine Doppelbelastung verhindern oder einen bereits bestehenden Vorteil berücksichtigen soll.


Zu bedenken ist, dass die Winkelhalbierende ein Anwendungsfall des Äquivalenzprinzips ist. Das Äquivalenzprinzip diktiert, dass Vorteilsbeiträge nach Massgabe des erlangten Sondervorteils auf die beitragspflichtigen Grundeigentümer zu verteilen sind (Adrian Hungerbühler, Grundsätze des Kausalabgaberechts, in: ZBl 2003, S. 522 f.; Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, a.a.O., N 2655 ff. m.w.H.). Damit ist auch dem Gebot der Gleichbehandlung genüge getan, da verschiedene Sachverhalte je nach der Erheblichkeit des Sondervorteils gleich bzw. ungleich behandelt werden. Die Geltung des Äquivalenzprinzips bedeutet, dass bei der Bemessung des Vorteils auch der Umfang des entstehenden Vorteils zu berücksichtigen ist, welcher naturgemäss geringer ausfällt, wenn das Grundstück bereits anderweitig erschlossen ist. Dabei ist unerheblich, ob für die Strasse, die der Erschliessung bisher gedient hat, Beiträge erhoben werden können oder nicht. Auch ist darin keine Ungleichbehandlung zu Grundstücken, welche an zwei beitragspflichtigen Strassen liegen, zu erkennen, bzw. rechtfertigt sich die Ungleichbehandlung insofern, als dass es sich um unterschiedliche Sachverhalte handelt, welche unterschiedlich zu behandeln sind. Einschränkend ist festzuhalten, dass sich diese Praxis ausschliesslich auf diejenigen Sachverhalte beziehen kann, in welchen tatsächlich eine Erschliessung über eine Kantonsstrasse stattfindet. Gemäss kantonalem Strassengesetz wird dies eine Ausnahme bilden, da Kantonsstrassen grundsätzlich nicht der Feinerschliessung dienen (§ 5 Strassengesetz). Trotz erlaubter Schematisierung ist aber in einem konkreten Fall, wo die Erschliessung aus historischen, topographischen oder anderen Gründen über eine Kantonsstrasse erfolgt und der Vorteil der zusätzlichen Erschliessung entsprechend geringer ausfällt, diesem Umstand Rechnung zu tragen, indem z.B. die Winkelhalbierende anzuwenden ist. Dies entspricht im Übrigen auch der neueren Rechtsprechung des Kantonsgerichts (vgl. KGE VV vom 22. Juni 2005 [810 04 192], E. 5 ff.), welche ebenfalls mehr auf den bereits vorhandenen Sondervorteil als auf die Gefahr einer Doppelbelastung abstellt.


6.7 Anlässlich des Augenscheins konnte sich das Gericht davon überzeugen, dass die Erschliessung der Parzelle Nr. 4486 in erheblicher Weise über die Kantonsstrasse stattfindet. Gemäss unbestrittenen Angaben des Beschwerdeführers besteht die Erschliessung über die Kantonsstrasse bereits seit Generationen. Aufgrund der Verkehrsverhältnisse ist die Erschliessung über die Y.-Strasse problemlos möglich. Es kann somit festgestellt werden, dass das Grundstück des Beschwerdeführers einen tatsächlich genutzten Erschliessungszugang zur Y.-Strasse hat, welcher den ihm vom X.-Weg zukommenden Vorteil mindert. Aus diesem Grund ist der von der Beschwerdegegnerin vorgenommene Einbezug der ganzen Grundstücksfläche nicht gerechtfertigt. Zwar sind - wie bereits erläutert - gewisse Schematisierungen bei der Bemessung von Vorteilsbeiträgen durchaus erlaubt. Diese entbinden jedoch die Gemeinde nicht von einer Betrachtung und Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls. Stattdessen ist vorliegend die beitragspflichtige Fläche der Parzelle Nr. 4486 unter Anwendung der Winkelhalbierenden zu reduzieren.


Die Beschwerde ist somit im Sinne der oben gemachten Erwägungen in diesem Punkt gutzuheissen und die Sache zur Neuberechnung des Strassenbeitrags für die Parzelle Nr. 4486 an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.


Entscheid Nr. 650 08 165 vom 24. August 2009



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