03-04 Bemessung des Vorteilsbeitrags nach objektiven Kriterien

Für die Beitragsbemessung des Vorteilsbeitrags sind grundsätzlich objektive Kriterien festzulegen (E. 8).


Das Kriterium der Anzahl Wohnungen stellt vorwiegend auf subjektive Gesichtspunkte ab, was zu einem willkürlichen Ergebnis führen könnte. Beim angewandten Kostenverteilschlüssel stellt die Anzahl Wohnungen nebst der Anstosslänge und der Grundstücksfläche nur eines von drei massgeblichen Kriterien dar, was im konkreten Fall zu keinem unhaltbaren Ergebnis führt (E. 8).



Aus dem Sachverhalt:

Am 31. Januar 2003 verfügte die Einwohnergemeinde Muttenz gegen X als Eigentümer der Parzelle Nr. […] des Grundbuchs (GB) Muttenz, im Halte von 614 m 2 , einen Strassenbeitrag in der Höhe von Fr. 11'017.75.


Mit Schreiben vom 9. Februar 2003 erhebt X Beschwerde gegen die Beitragsverfügung mit dem Begehren, diese sei aufzuheben. Er macht geltend, der Beitragsberechnung liege keine gerechte und vernünftige, auf dem Verursacherprinzip beruhende Kosten- und Gewinnverteilung zu Grunde. Ferner würde die Strasse durch die Eigentümerin oder den Eigentümer der Nachbarparzelle viel intensiver genutzt als durch die Mieterinnen und Mieter seines Wohnhauses. Auch sei es stossend, dass der Beitragssatz pro Wohnung immer gleich hoch sei, unabhängig von Wohnungsgrösse und Anzahl Zimmer pro Wohnung. Die Beschwerdegegnerin beantragt die vollumfängliche Abweisung der Beschwerde.



Aus den Erwägungen:

(…)


5. b) Bei den in Frage stehenden Strassenbeiträgen handelt es sich um Vorzugslasten, welche als Beitrag an die Kosten einer öffentlichen Einrichtung denjenigen Personen auferlegt werden, denen aus der Errichtung wirtschaftliche Sondervorteile erwachsen, so dass ein gewisser Ausgleich in Form eines besonderen Kostenbeitrags als gerechtfertigt erscheint (vgl. Ulrich Häfelin/Georg Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 4. Auflage, Zürich 2002, N 2647 ff.; Max Imboden/René Rhinow, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Basel 1976, Bd. II, Nr. 111; BGE 109 Ia 328; 102 Ia 47). Wie alle öffentlichen Abgaben dürfen Vorzugslasten nur aufgrund einer gesetzlichen Grundlage erhoben werden. Die grundsätzliche Ermächtigung zur Erhebung von Strassenbeiträgen ist in § 90 EntG enthalten. Danach können diejenigen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer, welchen durch ein öffentliches Unternehmen besondere Vorteile erwachsen, zu einer angemessenen Beitragsleistung herangezogen werden. Gemäss § 91 EntG ist die Höhe der Vorteilsbeiträge durch Gesetz oder Gemeindereglement festzusetzen. Bei der Festsetzung der Beiträge sind nach Lehre und Rechtsprechung bestimmte Grundsätze zu beachten. Der Beitrag muss einerseits nach den zu deckenden Kosten oder Kostenanteilen bemessen sein und andererseits auf die Nutzniesser der öffentlichen Einrichtung nach Massgabe des wirtschaftlichen Sondervorteils verteilt werden, der den einzelnen Beitragspflichtigen erwächst (vgl. Ulrich Häfelin/Georg Müller, a.a.O., N 2655; BGE 98 Ia 171 f.; 118 Ib 4, 57). Diesen wirtschaftlichen Sondervorteil in jedem einzelnen Fall zu schätzen, wie es an sich wünschbar wäre, erweist sich aus verschiedenen Gründen als nicht möglich. Nach der Praxis ist es daher zulässig, schematische, nach der Durchschnittserfahrung aufgestellte Massstäbe zu schaffen, die leicht zu handhaben sind (BGE 109 Ia 328; 106 Ia 244; 93 I 114).


5. c) Eine solche Schematisierung ist auch im § 13 StrR zu sehen. In dessen Absatz 1 und 2 wird bestimmt, dass sich bei einer Korrektion und bei einer Neuanlage einer Strasse die Beiträge nach der Strassenanstosslänge, nach der Grundstücksfläche und nach der Anzahl Wohnungen oder Gewerbebetriebe bestimmen. Je nach dem, ob es sich um eine Neuanlage oder um eine Korrektion der Strasse handelt, sind die Ansätze höher oder tiefer.


5. d) Die Gemeinde Muttenz bezeichnete die durchgeführten Arbeiten als Korrektion. Am Augenschein hat sich gezeigt, dass die Ausführung des Bauprojektes "X.-strasse" (Unterkofferung, Randabschlüsse etc.) gestützt auf die Praxis der Abteilung Enteignungsgericht sogar die Annahme einer Neuanlage rechtfertigen würde. Diese Frage kann jedoch offen bleiben, da der in Rechnung gestellte Vorteilsbeitrag bei der Annahme einer Neuanlage noch höher ausgefallen wäre als er von der Gemeinde tatsächlich erhoben worden ist.


6. a) Den Beschwerdeführer trifft eine Beitragspflicht nur dann, wenn ihm aus der Korrektion ein Sondervorteil erwächst. Dieser hat zudem ein "wirtschaftlicher" zu sein (vgl. §§ 90 ff. EntG). Dies bedeutet, dass der Beitragspflichtige grundsätzlich die Möglichkeit haben muss, durch geeignete Massnahmen - wie beispielsweise eine Überbauung - den Vorteil zu nutzen; der Vorteil muss mit anderen Worten realisierbar sein. Unter Vorteil wird nun aber nicht die tatsächliche Nutzung des Grundstücks verstanden. Vielmehr ist nur die verbesserte Erschliessung und die damit verbundene Wertvermehrung, wie sie sich aus der Korrektion ergibt, gemeint. In welchem Ausmass dieser Vorteil tatsächlich genutzt wird, ist grundsätzlich nicht von Relevanz. Massgeblich ist der Vorteil, welcher der Parzelle an sich entsteht, nicht jener für die momentane Eigentümerin oder den momentanen Eigentümer.


6. b) Die X.-strasse hatte bis zur Korrektion keinen Strassenunterbau und war nur ein überteerter Feldweg. Mit der Korrektion wurde die Strasse unterkoffert und damit wesentlich verbessert. Das Grundstück des Beschwerdeführers ist bereits überbaut, weshalb der Vorteil für ihn nach dem Gesagten ein wirtschaftlicher ist, weil seine Parzelle durch die Verbesserung der Strasse an Wert zugenommen hat und deshalb seine Beitragspflicht zu bejahen ist.


6. c) Vorteilsbeiträge sind zu zahlen, wenn sie fällig werden. Gestützt auf § 92 des Enteignungsgesetzes, können Vorteilsbeiträge erst verlangt werden, wenn das Unternehmen fertiggestellt ist. Vorliegend wurden die Beiträge an die Strasse demnach mit der Korrektion fällig. Deshalb muss auf die Behauptung des Beschwerdeführers, die Beiträge hätten 1979 mit der Inkraftsetzung des Reglements erhoben werden müssen, nicht näher eingegangen werden.


7. Der Beschwerdeführer argumentiert unter anderem, dass die Strasse durch die Eigentümerin oder den Eigentümer der Nachbarparzelle viel intensiver genutzt werde als durch die Mieterinnen und Mieter seines Wohnhauses. Der Aspekt der Nutzung einer öffentlichen Einrichtung ist relevant für die Erhebung von Gebühren. Die sogenannte Benutzungsgebühr ist das Entgelt für die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung oder einer öffentlichen Sache. Die Erhebung einer Gebühr ist abhängig von der Frage, ob und wie intensiv eine öffentliche Einrichtung oder eine öffentliche Sache genutzt wird. Der Vorteilsbeitrag dagegen ist, wie oben bereits dargelegt, geschuldet, wenn der Vorteil entstanden ist und genutzt werden kann. Auf die konkrete Nutzung wird nicht abgestellt; ausreichend ist, dass dem Beschwerdeführer die Möglichkeit offen steht, den Vorteil zu nutzen. Aus diesem Grund kann das Argument des Beschwerdeführers, er nutze die Strasse weniger intensiv als andere Anwänder, nicht dazu führen, dass die Beitragspflicht erlassen oder reduziert wird.


8. (…) Die Praxis hat zur Schätzung des Wertzuwachses einer Liegenschaft schematische, nach der Durchschnittserfahrung aufgestellte Massstäbe geschaffen, die leicht zu handhaben sind. Dass solche Massstäbe zulässig sind, ist in Lehre und Rechtssprechung anerkannt (BGE 98 Ia 174 E 4b mit Hinweis). Das Strassenreglement der Gemeinde Muttenz stützt sich bei der Bemessung der Beiträge auf drei Kriterien: die Strassenanstosslänge, die Grundstücksfläche und die Anzahl Wohnungen oder Gewerbebetriebe auf dem Grundstück (§ 31 StR). Sowohl die Anstosslänge als auch die Grundstücksfläche sind anerkannte Massstäbe für die Bemessung des Vorteilsbeitrags. Diese beiden Kriterien gelten im vorliegenden Fall für alle Parzellen, es werden alle im Verhältnis gleich belastet. Das weitere Kriterium der Anzahl Wohnungen stellt vorwiegend auf subjektive Gesichtspunkte ab, was zu einem willkürlichen Ergebnis führen könnte, da der Vorteilsbeitrag grundsätzlich nach objektiven Kriterien zu bemessen ist. In das Ermessen der Gemeinde einzugreifen ist das Steuer- und Enteignungsgericht jedoch nur dann berechtigt, wenn der Kostenvorteilschlüssel zu derart unhaltbaren Ergebnissen führt, dass dessen Ausgestaltung als Überschreitung oder als Missbrauch des Ermessens der Gemeinde bezeichnet werden muss. Ein solches Ergebnis lässt sich im vorliegenden Fall nicht ausmachen, weil die Anzahl Wohnungen nur eines von drei massgeblichen Kriterien darstellt. Der Beschwerdeführer muss zwar aufgrund des Kriteriums "Anzahl Wohnungen" anteilsmässig mehr an den Gesamtbeitrag entrichten, als seine Anteile an Grundstücksgrösse und Anstosslänge auf das Ganze ausmachen. Die prozentuale Abweichung des anteilsmässig zu bezahlenden Beitrags von der anteilsmässig in die Beitragsrechnung einbezogenen Anstosslänge und der Grundstücksfläche ist aber nicht derart gross, dass sie als willkürlich erscheint. Aus diesen Gründen ist die angefochtene Beitragsverfügung der Gemeinde Muttenz auch in ihrer Höhe zu schützen.


Dennoch ist festzuhalten, dass für die Beitragsbemessung des Vorteilsbeitrags grundsätzlich objektive Kriterien festzulegen sind, und die Berechnung nach der effektiven Anzahl Wohnungen, welche vorwiegend auf subjektiven Kriterien beruht, vom Gericht als ungeeignetes Kriterium angesehen wird.


9. Die Rüge des Beschwerdeführers, die Y. AG benutze die Strasse übermässig häufig und stark, kann vor Steuer- und Enteignungsgericht nicht gehört werden. Zwischen dem Beschwerdeführer und der Y. AG besteht ein privatrechtlicher Vertrag betreffend Wegrecht, welches der Beschwerdeführer der Firma Y. AG eingeräumt hat. Sollte er mit den Konditionen des Vertrages nicht mehr einverstanden sein, müsste er seine Forderungen auf privatrechtlichem Weg geltend machen.


Aus all diesen Erwägungen kommt das Gericht zum Schluss, dass die Beitragsverfügung der Einwohnergemeinde Muttenz gerechtfertigt und die dagegen erhobene Beschwerde abzuweisen ist.


Entscheid Nr. 2003/16 vom 6. November 2003



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