03-05 Strassenbeitrag für Grundstücke in der Zone für öffentliche Werke und Anlagen

Auch wenn Grundstücke des Verwaltungsvermögens der Gemeinde nicht verkauft werden können, müssen sie für den Publikumsverkehrs erschlossen werden. Die öffentlichrechtliche Körperschaft zieht in einem solchen Fall aus der strassenmässigen Erschliessung ebenso Nutzen, wie eine Privatperson (E. 5c).


Grundstücke der Zone für öffentliche Werke und Anlagen, die durch eine Strasse erschlossen werden, nehmen an Wert zu und sind in den Beitragsperimeter einzubeziehen (E. 5c).



Aus dem Sachverhalt:

Die X. AG ist Eigentümerin von fünf Parzellen des Gruchbuchs (GB) Bubendorf. Mit Rechnungen vom 1. Februar 2002 hat die Einwohnergemeinde Bubendorf gegenüber der X. AG im Zusammenhang mit dem "Ausbau Wendeplatz Y.-strasse" für die fünf Parzellen Strassenbeiträge in der Gesamthöhe von Fr. 78'625.60 verfügt. Mit Schreiben vom 13. Februar 2002 erhebt die X. AG dagegen Beschwerde beim Steuer- und Enteignungsgericht und beantragt die Aufhebung der Beitragsverfügungen mitsamt dem diesen zugrunde liegenden "definitiven Kostenverteiler" Ausbau Wendeplatz Y.-strasse. Sie rügt unter anderem den Nichteinbezug der gemeindeeigenen Parzelle Nr. 255 in den Kostenverteiler "Ausbau Wendeplatz Y.-strasse" mit der Begründung, diese Parzelle stosse innerhalb des Baugebietsperimeters an die Y.-strasse bzw. an den Wendeplatz an und verfüge über eine Ausfahrt auf diesen. Ferner rügt die X. AG die unzutreffende Anwendung des Wohn- und Gewerbezonenschlüssels und den Einbezug beider Strassenseiten in den Perimter des Wendeplatzes, obwohl nur die eine Strassenseite überbaubar sei.


Die Beschwerdegegnerin beantragt vollumfängliche Abweisung der Beschwerde, soweit darauf zufolge "res iudicata" überhaupt eingetreten werden könne.



Aus den Erwägungen:

(…)


4. a) Soweit die Beschwerdeführerin beantragt, Parzelle Nr. 255 sei in den Kostenverteiler einzubeziehen und die Beschwerdegegnerin geltend macht, dass diesbezüglich "res iudicata" vorliege, ist zu prüfen, ob auf die Beschwerde vollumfänglich eingetreten werden kann.


4. b) Der Grundsatz der "res iudicata" besagt, dass ein Streitgegenstand, über den ein Gericht bereits rechtskräftig entschieden hat, nicht erneut einer gerichtlichen Beurteilung zugeführt werden darf. Die sogenannte materielle Rechtskraft eines Urteils verhindert, dass eine erledigte Streitsache erneut aufgegriffen werden kann.


Die materielle Rechtskraft eines Urteils erstreckt sich in persönlicher Hinsicht auf die Parteien des früheren Verfahrens und in sachlicher Hinsicht beschränkt sie sich auf den beurteilten Streitgegenstand. Grundsätzlich erwächst nur das Dispositiv des Entscheids in Rechtskraft, jedoch nicht dessen Begründung. Das öffentliche Verfahrensrecht kennt jedoch keine dem Zivilprozess vergleichbare materielle Rechtskraft und der Einwand der abgeurteilten Sache geht in aller Regel ins Leere (Markus Metz /Felix Uhlmann, Besonderheiten der Prozessführung im öffentlichen Recht, AJP 3/2004, S. 343 ff., S. 351 mit Verweisen).


4. c) Festzustellen ist, dass im Verfahren A 1996/82, welches mit Urteil des Enteignungsgerichts vom 19. Juni 1997 seinen rechtskräftigen Abschluss gefunden hat, die Parteien dieselbe Parteistellung inne gehabt haben, wie im vorliegenden Verfahren. In sachlicher Hinsicht ist zu beurteilen, ob das Gericht früher bereits über den Einbezug von Parzelle Nr. 255 in den Perimeter "Ausbau Wendeplatz Y.-strasse", welcher Grundlage der vorliegenden Beitragsverfügung bildet, entschieden hat.


Die X. AG hatte im damaligen Verfahren das Rechtsbegehren gestellt, die Kostenverteilerverfügung des Gemeinderats Bubendorf vom 7. Februar 1996 betreffend Y.-strasse sei aufzuheben. In diesem Zusammenhang hatte sie auch gerügt, dass die der Einwohnergemeinde Bubendorf gehörende Parzelle Nr. 255 nicht in den Kostenverteiler einbezogen worden sei, obwohl sie über die Y.-strasse erschlossen sei. Ferner machte sie geltend, die Bevorschussung und Verzinsung der Kosten für die Erschliessung Y.-strasse sei für sie untragbar geworden und die aufgelaufene Zinsbelastung müsse in die definitive Kostenabrechnung einbezogen werden. Aus den Erwägungen des Urteils ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass das Gericht die Frage des Vorteils zuungunsten der Beschwerdeführerin beurteilt hat. Die Ausführungen im Urteil beschränken sich auf die Frage der Zinstragungspflicht hinsichtlich der Bevorschussung durch die Beschwerdeführerin. Sachverhaltsmässig ist festzuhalten, dass im früheren Urteil der Kostenverteiler Y.-strasse zu beurteilen war, heute der Kostenverteiler Ausbau Wendeplatz Y.-strasse, und somit der Kostenverteiler für ein neues Bauprojekt. Die gestützt auf den Kostenverteiler Ausbau Wendeplatz Y.-strasse erlassenen Beitragsverfügungen regeln ein neues Rechtsverhältnis, das vom Gericht noch nicht beurteilt worden ist. Zum Zeitpunkt, als über die Beitragsverfügungen betreffend Y.-strasse entschieden wurde, lag das heute zu beurteilende Projekt noch nicht vor und wurden noch verschiedene Varianten der strassenmässigen Fortsetzung der Y.-strasse diskutiert.


Damit wird klar, dass über den Umfang des Perimeters für den Wendeplatz Y.-strasse noch nicht entschieden worden ist und dass das Gericht auch die diesbezügliche Rüge der Beschwerdeführerin prüfen kann. Das Begehren der Beschwerdeführerin um Überprüfung des den Beitragsverfügungen zugrunde liegenden Kostenverteilers ist zwar erst in der Replik gestellt worden, doch aus dem für den Verwaltungsprozess massgeblich geltenden Untersuchungsgrundsatz und der Rechtsanwendung von Amtes wegen folgt, dass verspätete Vorbringen zu berücksichtigen sind, wenn sie ausschlaggebend erscheinen (Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Auflage, Zürich 1998, N 325, 615; vgl. auch VPB 1978 Nr. 98 E. 4). Auf die Beschwerde ist vollumfänglich einzutreten.


5. a) (…)


5. b) Vorliegend ist strittig, ob Parzelle Nr. 255 in den Perimeter und somit in den Kostenverteiler "Ausbau Wendeplatz Y.-strasse" einzubeziehen ist. Die angefochtenen Beitragsverfügungen basieren auf dem "Definitiven Kostenverteiler Ausbau Wendeplatz Y.-strasse" vom 12. Dezember 2001 (…). Bei Parzelle Nr. 255 handelt es sich um eine Parzelle, welche gemäss dem gültigen Zonenplan Siedlung vom 14. Juni 1993/22. September 1993, Nachführungsplan 1998, respektive dem gültigen Zonenplan Landschaft vom 16. Oktober 2001/


22. November 2001, Mutation 2001/1 und 2001/2, nur zum Teil im Baugebietsperimeter liegt. Derjenige Teil, welcher innerhalb des Baugebietsperimeters liegt, gehört im Nordosten, angrenzend an den Wendeplatz Y.-strasse, der Zone WG2 an und im Südosten sowie im Süden der OeW-Zone. Dieser letzte Teil ist im Zonenplan Siedlung mit "Werkhof Entsorgung" bezeichnet und mit dem Werkhof der Gemeinde Bubendorf überbaut. Derjenige Teil von Parzelle Nr. 255, welcher ausserhalb des Baugebietsperimeters liegt, gehört einerseits ebenfalls der OeW-Zone an und ist gemäss Zonenplan Landschaft mit "Werkhof Kompostierung" betitelt. Der westlichste Teil der Parzelle Nr. 255 liegt bis zum Bachlauf der Hinteren Frenke in der Landwirtschaftszone respektive in der Landwirtschaftsschutzzone. (…)


5. c) Gestützt auf § 34 Abs. 1 StrR setzt die Beitragspflicht einen Sondervorteil voraus. Die Erschliessung muss den Wert des Grundstücks erhöht haben. Der Mehrwert muss realisierbar sein. Gemäss § 20 Abs. 1 lit. g des Raumplanungs- und Baugesetzes (RBG) vom 8. Januar 1998 ist die Zone für Öffentliche Werke und Anlagen (OeW-Zone) eine Unterart der Bauzone. Sie umfasst Gebiete, welche zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben benötigt werden (§ 24 Abs. 1 RBG) und ermöglicht somit bedeutende bauliche Nutzungen. Auch wenn Grundstücke des Verwaltungsvermögens der Gemeinde nicht verkauft werden können, müssen sie für den Publikumsverkehr erschlossen werden (Bernhard Staehelin, Erschliessungsbeiträge, Diessenhofen 1980, S. 159), weshalb auch für die öffentlichrechtliche Körperschaft die strassenmässige Erschliessung ein Entgelt wert ist. Sie zieht daraus insbesondere bei einem Gebäude mit Publikumsverkehr ebenso Nutzen aus der Erschliessung, wie ein Grundstück irgendeiner Privatperson. Auf einem Werkhof beispielsweise befinden sich regelmässig öffentliche Sammelstellen für Sonderabfälle, die während bestimmten Öffnungszeiten der Bevölkerung zugänglich sind. Zudem wird ein Verwaltungsträger durch ein auf Kosten eines andern Verwaltungsträgers errichtetes Werk bevorteilt, weil er damit praktisch mehr Mittel erhält, als ihm zur Erreichung seines Zieles zur Verfügung gestellt wird (Alfred Bühler, Der Mehrwertsbeitrag an öffentlich-rechtliche Erschliessungsbauwerke unter besonderer Berücksichtigung des schaffhauserischen Rechts, Zürich 1979, S. 58). Deshalb nehmen Grundstücke der Zone für öffentliche Werke und Anlagen, die durch Strassen erschlossen werden, an Wert zu (vgl. auch BVR 1979, S. 161). Diese sind demnach in den Perimeter einzubeziehen und der Perimeterbeitrag für solche Parzellen respektive Parzellenteile hat sich vorliegend ebenfalls nach § 34 Abs. 1 StrR zu richten.


5. d) Der durchgeführte Augenschein hat gezeigt, dass die Parzelle Nr. 255 über einen teilweise noch innerhalb der Zone WG2 (Wohn- und Geschäftszone mit zwei zulässigen Vollgeschossen), und damit noch innerhalb der Bauzone, verlaufenden Mergelweg (mit Schranke auf den Wendeplatz Y.-strasse hin) intern erschlossen ist, und die Erschliessung aktuell genutzt wird. Gestützt auf den Augenschein, sowie die Zonenpläne Siedlung und Landschaft der Einwohnergemeinde Bubendorf und den Strassennetzplan vom 27. April 1993/22. September 1993, Nachführungsplan 1998, steht fest, dass derjenige Teil von Parzelle Nr. 255, welcher in der Zone WG2 und somit innerhalb des Baugebietsperimeters liegt, baureif ist und baulich genutzt werden kann. Folglich ist dieser Teil, gestützt auf § 33 Abs. 3 StrR - wonach Strassenbeiträge innerhalb des Baugebietsperimeters erhoben werden - i.Verb.m. § 34 Abs. 1 StrR in den Kostenverteiler "Ausbau Wendeplatz Y.-strasse" einzubeziehen.


Der Teil von Parzelle Nr. 255, der mit "Werkhof Entsorgung" im Zonenplan Siedlung betitelt ist und innerhalb des Baugebietsperimeters in der OeW-Zone liegt, wird an seinem südöstlichen Ende, wo der Werkhof steht, von der Hauptstrasse her erschlossen. Der nordöstlichere Teil, etwa ab der Höhe der kleinen Brücke über die Hintere Frenke, ist aber wie der nördlich davon in der Zone WG2 liegende Teil über den Wendeplatz Y.-strasse erschlossen, weshalb auch dieser Teil gestützt auf § 33 Abs. 3 i.Verb.m. § 34 Abs. 1 StrR in den Kostenverteiler "Ausbau Wendeplatz Y.-strasse" einzubeziehen ist.


Zu prüfen bleibt, wie es sich mit demjenigen Teil von Parzelle Nr. 255 verhält, der zwar in der OeW-Zone, aber ausserhalb des Baugebietsperimeters liegt. OeW-Zonen können auch ausserhalb der Bauzonen errichtet werden, wenn ihre spezielle Nutzung beispielsweise wegen der damit verbundenen Emissionen (Lärm, Geruch etc.) einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordern (Daniel Gsponer, Die Zone für öffentliche Bauten und Anlagen, Zürich 2000, S. 20). Im vorliegenden Fall dürften Geruchsemissionen für einen Standort der Kompostieranlage ausserhalb des Baugebietsperimeters gesprochen haben. Es handelt sich jedoch auch hier um eine OeW-Zone, die definitionsgemäss der Allgemeinheit zu dienen hat, und deshalb führt die strassenmässige Erschliessung durch den Wendeplatz Y.-strasse auch für diesen Parzellenteil zu einem Sondervorteil, der realisiert werden kann. Auch dieser Teil ist bis zur Höhe der Brücke über die Hintere Frenke und unter Berücksichtigung der Bachbaulinie in den Kostenverteiler "Ausbau Wendeplatz Y.-strasse" einzubeziehen.


6. (…)


7. (…)


8. a) Die Beschwerdeführerin rügt auch, die Beschwerdegegnerin habe im Zusammenhang mit dem Kostenverteilschlüssel § 36 Abs. 4 StrR zu Unrecht angewandt. § 36 Abs. 4 Satz 2 StrR normiert, dass bei Verkehrsflächen, die durch die Gewerbe- und Wohnzone führen, oder die an beide Zonen grenzen, die Baukosten nach dem Wohn- und Gewerbezonenschlüssel verteilt werden. Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, dass diese Bestimmung hier nicht anzuwenden sei, weil der Wendeplatz auf der einen Seite ausschliesslich an die Wohn- und auf der andern ausschliesslich an die Gewerbezone grenze.


Den beigezogenen Zonenplänen Siedlung und Landschaft der Einwohnergemeinde Bubendorf kann entnommen werden, dass keine der vom definitiven Perimeterplan vom 22. Oktober 2001 erfassten Parzellen, der reinen Wohnzone zugehören, sondern entweder der Wohn- und Geschäftszone oder der reinen Geschäftszone. Das Vorgehen der Beschwerdegegnerin, den Kostenverteiler entsprechend der Zonenzugehörigkeit zu verlegen, ist demnach nicht zu beanstanden.


8. b) Überdies vertritt die Beschwerdeführerin die Ansicht, dass vorliegend nur auf einer Seite des Wendeplatzes gebaut werden könne, und daher der Perimeter nur auf der überbauten Seite festzulegen sei. § 34 Abs. 3 StrR besagt, dass an Strassenabschnitten, an die nur einseitig gebaut werden kann, der Perimeter nur auf der überbauten Seite festgelegt wird. In diesen Abschnitten werden nur die halben Baukosten für die Berechnung der Anwänderbeiträge zu Grunde gelegt. Die auf die unüberbaubare Seite fallenden Beiträge gehen zu Lasten der Gemeinde und können bei Einzonungen weiterverrechnet werden. Da das Gericht, wie ausgeführt, der Auffassung ist, dass an den Wendeplatz Y.-strasse nicht nur einseitig gebaut werden kann, sondern auch Teile von Parzelle Nr. 255 von der neuen Erschliessung profitieren, dadurch baureif sind und überbaut werden können, liegt keine Situation vor, welche unter § 34 Abs. 3 StrR subsumiert werden kann.


(…)


Entscheid Nr. 2002/22-26 vom 18. Dezember 2003



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