03-09 Verteilung der Verfahrens- und Parteikosten bei Prozessabschluss infolge Gegenstandslosigkeit

In Fällen des Prozessabschlusses infolge Gegenstandslosigkeit wird die Verteilung der Kosten nach dem mutmasslichen Verfahrensausgang vorgenommen. Dabei sind die Parteikosten nach den Prinzip der Verursachung zu verlegen, wenn die Gegenstandslosigkeit offensichtlich durch das Verhalten einer Partei verursacht worden ist (E. 3).



Aus dem Sachverhalt:

Am 18. Juni 2002 verfügte die Einwohnergemeinde Zunzgen gegen die X. AG für die Parzelle Nr. Y des Grundbuchs (GB) Zunzgen einen Anschlussbeitrag Wasser sowie einen Anschlussbeitrag Abwasser. Diese Beitragsrechnung basierte auf der Revisionsschätzung der Basellandschaftlichen Gebäudeversicherung (BGV) die von einem effektiven Mehrwert durch Investitionen ausging.


Hiergegen erhebt der Vertreter der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 21. Juni 2002 Beschwerde beim Kantonalen Steuer- und Enteignungsgericht, Abteilung Enteignungsgericht, und beantragt, die Beitragsverfügung sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass keine Anschlussbeiträge geschuldet seien. Er begründet seine Anträge damit, dass es unzulässig sei, für den teilweisen Neuaufbau Anschlussgebühren zu verlangen, da gemäss Art. 6.5 Abs. 1 des Wasserreglements der Gemeinde Zunzgen vom 28. Januar 1993 und § 25 Abs. 1 des Reglements über die Abwasseranlagen der Gemeinde Zunzgen vom 16. August 1962 nur effektive Mehrwerte beitragspflichtig seien. Wie aus dem Schreiben der BGV vom 2. Mai 2002 hervorgehe, liege der neue Gesamtwert unter dem Gesamtwert vor den Umbau- und Renovationsarbeiten, weshalb kein beitragspflichtiger Mehrwert bestehe.


Mit Schreiben vom 17. November 2003 teilt der Vertreter der Beschwerdegegnerin dem Gericht drei Tage vor der angesetzten Hauptverhandlung mit, dass die Beschwerdegegnerin ihre Beitragsverfügung zurückgezogen habe und ersucht darum, den Fall als erledigt abzuschreiben.



Aus den Erwägungen:

1. (…) Da die Einwohnergemeinde Zunzgen zwischenzeitlich die angefochtene Verfügung aufgehoben hat, ist im Folgenden zu beurteilen, ob das Verfahren als gegenstandslos abgeschrieben werden kann.


2. Es ist zu prüfen, ob der Rückzug der Beitragsverfügung durch die Beschwerdegegnerin dazu führt, dass das Verfahren als gegenstandslos abgeschrieben werden kann. Ein Verfahren kann, wie es in Art. 72 des Bundesgesetzes über den Bundeszivilprozess vom 4. Dezember 1947 (BZP, SR 273) ausdrücklich festgehalten wird, gegenstandslos werden. Das BZP ist sinngemäss auf das Verwaltungsrechtspflegeverfahren anwendbar, weshalb auch für den vorliegenden Fall davon ausgegangen werden kann, dass ein Rechtsstreit entweder gegenstandslos werden oder das rechtliche Interesse an der Beurteilung dahinfallen kann. Ausschlaggebend für diese Art der Verfahrenserledigung ist stets, dass im Verlaufe des Verfahrens eine Sachlage eintritt, angesichts derer ein Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses an der Entscheidung der Streitsache nicht mehr anerkannt werden kann (vgl. Fritz Gygi, Verwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, Bern 1983, S. 326).


Fällt das Interesse an einem Sachurteil nachträglich dahin, ist es angebracht, den Streit durch Beschluss abzuschreiben. Dadurch wird verhindert, dass die angefochtene (allenfalls unrichtige) Verfügung in materielle Rechtskraft erwächst. Durch einen Nichteintretensentscheid mangels Rechtsschutzinteresse könnte diese Folge nicht verhindert werden.


Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen erfüllt, das Verfahren mangels Rechtsschutzinteresse als gegenstandslos abzuschreiben, da dem Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin entsprochen wurde.


3. Wird ein gerichtliches Verfahren ohne Urteil abgeschlossen, wird die Abschreibungsgebühr durch das Gericht festgesetzt, wenn die Erledigung durch dieses erfolgt (§ 2 der Verordnung über die Gebühren der Gerichte und der Strafverfolgungsbehörden vom 21. Dezember 1999, SGS 170.31). In den Fällen des Prozessabschlusses infolge Gegenstandslosigkeit wird die Verteilung der Kosten aufgrund einer summarischen Prüfung und Würdigung des aktenkundigen Sach- und Streitgegenstandes zum Zeitpunkt des Eintritts des Erledigungsgrundes vorgenommen. In den Fällen, bei denen die Gegenstandslosigkeit klar durch das Verhalten einer Partei verursacht wird, werden die Kosten nach dem Prinzip der Verursachung der Gegenstandslosigkeit verlegt. Somit sind sie der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen.


Eine summarische Prüfung zeigt, dass gemäss Art. 6.5 Abs. 1 des Wasserreglements der Gemeinde Zunzgen vom 28. Januar 1993 Veränderungen, die durch Um- oder Erweiterungsbauten vorgenommen wurden, nach Massgabe dieses Reglements beitragspflichtig werden. Die entsprechende Bestimmung ist in § 25 Abs. 1 des Reglements über die Abwasseranlagen der Gemeinde Zunzgen vom 16. August 1962, in Kraft seit dem 1. Januar 1964, enthalten. Beitragspflichtig ist eine durch Um- oder Erweiterungsbauten bewirkte Veränderung des Gebäudeversicherungswerts. Diese Veränderung besteht in der Differenz des Werts vor Beginn und nach Beendigung des Umbaus. Im vorliegenden Fall ist keine beitragspflichtige Veränderung und mithin kein beitragspflichtiger Mehrwert vorhanden. Der Gebäudeversicherungswert, der durch die Basellandschaftliche Gebäudeversicherung während des Umbaus ermittelt worden ist, ist für das Beitragsverfahren irrelevant. Grundsätzlich ist somit auch nach dem Prinzip des mutmasslichen Prozessausgangs von einem Obsiegen der Beschwerdeführerin auszugehen.


4. Verfahrenskosten werden von den Gemeinden keine erhoben (§ 20 Abs. 3 des Gesetzes über die Verfassungs- und Verwaltungsprozessordnung vom 16. Dezember 1993 [VPO, SGS 271]). Der ganz oder teilweise obsiegenden Partei kann gemäss § 21 Abs. 1 VPO für den Beizug eines Anwalts eine angemessene Parteientschädigung zu Lasten der Gegenpartei zugesprochen werden. Anwendbar für die Bemessung der Höhe der Parteientschädigung ist § 3 der Tarifordnung für Advokaten vom 27. November 1977 (TO, SGS 178.112), in der heute geltenden Fassung noch in Kraft bis zum 31. Dezember 2003. Gemäss § 3 Abs. 1 beträgt das Honorar Fr. 100.00 bis 200.00 pro Stunde, je nach Schwierigkeit der Sache. Ein Zuschlag ist gemäss § 4 Abs. 1 nur bei Dringlichkeit des Auftrags und Arbeit ausserhalb der üblichen Bürozeiten oder ausserhalb des Büros, bei besonderer Schwierigkeit oder Bedeutung der Sache möglich. Die beispielhaft aufgeführten Fälle wie umfangreiches oder fremdsprachliches Aktenmaterial aber auch komplizierte rechtliche oder tatsächliche Verhältnisse entsprechen nicht den vorliegenden Gegebenheiten. Die Verrechnung von Fr. 250.00 pro Stunde ist deshalb nicht gerechtfertigt. Der Stundenansatz im vorliegenden Fall wird deshalb auf Fr. 200.00 gekürzt (…).


Entscheid Nr. 650 02 71 / 650 02 72 vom 20. November 2003



Back to Top