06-02 Rechtsnatur des Beitragsplans

Der Beitragsplan stellt einen Verwaltungsakt dar, der aus einer Summe von Einzelverfügungen besteht, mit denen die Beitragsforderungen der Gemeinde geltend gemacht werden (E. 3.2)


Mit der Beschwerde gegen die provisorische Beitragsverfügung kann einerseits der Bestand und die Höhe der eigenen Beitragspflicht gerügt werden, anderseits kann der Einbezug oder Nichteinbezug eines Dritten in den Beitragsperimeter oder dessen Beitrag angefochten werden (E. 3.2).


Die Pflicht zur Leistung eines Vorteilsbeitrags kann ausnahmsweise auch für Grundstücke im Nichtbaugebiet bestehen, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage besteht und die Grundstücke durch den Bau der Erschliessungsanlage einen Sondervorteil erfahren (E. 6.2).



Aus dem Sachverhalt:

Am 15. Dezember 2003 genehmigte der Gemeinderat Röschenz den Perimeter-Beitragsplan für den Ausbau der X.-strasse. Während der Planauflage erhob A. Beschwerde gegen die provisorische Beitragsverfügung. Sie stellt den Antrag, die Beitragspflicht der Parzellen Nr. 1631 und Nr. 760, die in der Landwirtschaftszone liegen, sei auf 100% zu erhöhen.



Aus den Erwägungen:

(…)


Gesetzliche Grundlage


(…)


3.2 Mit der im Rahmen der Planauflage eröffneten provisorischen Beitragsverfügung sind die Grundsatzfragen, die mit der Beitragspflicht zusammenhängen, namentlich der Umfang des Beitragsperimeters sowie die Gewichtung der Vorteile, zu klären. Die detaillierte Berechnung der Beiträge erfolgt in einem zweiten Schritt im Rahmen der definitiven Beitragsverfügung (vgl. Urteil des Steuer- und Enteignungsgerichts [A 2002/91 S] vom 27. Oktober 2003, E. 2a). Der Beitragsplan stellt einen Verwaltungsakt dar, der - anders als beispielsweise der Zonenplan - aus einer Summe von Einzelverfügungen besteht, mit denen die Beitragsforderungen der Gemeinde geltend gemacht werden (vgl. Ernst Kistler/René Müller, Baugesetz des Kantons Aargau, Brugg 2002, S. 85). Der Plan im technischen Sinn zeigt die räumliche Ausdehnung der beitragspflichtigen Fläche auf, während der mutmassliche Beitrag aus dem Kostenverteiler hervorgeht und mit der provisorischen Verfügung geltend gemacht wird. Mit der Beschwerde gegen die provisorische Beitragsverfügung kann einerseits der Bestand und die Höhe der eigenen Beitragspflicht gerügt werden, anderseits kann der Einbezug oder Nichteinbezug eines Dritten in den Beitragsperimeter oder dessen Beitrag angefochten werden. Letzteres ergibt sich aus dem Umstand, dass Bestand und Höhe der Beitragspflicht von Dritten unmittelbare Auswirkungen auf die Beitragspflicht des Beschwerde führenden Beitragspflichtigen haben (vgl. Urteil des Enteignungsgerichts [A 98/59 S, A 98/65 S] vom 11. Februar 1999, E. 3). Umgekehrt kann sich auch der Entscheid des Steuer- und Enteignungsgerichts auf beitragspflichtige Dritte auswirken, weshalb Letzteren gegebenenfalls mittels Neuauflage des bereinigten Beitragsplans sowie des Kostenverteilers unter neuerlicher Beschwerdemöglichkeit das rechtliche Gehör zu gewähren ist.


(…)


Vorteilsbemessung


6. Im Weiteren stellen die Beschwerdeführenden den Antrag, es sei die Beitragspflicht der Parzellen Nr. 1631 und Nr. 760 zu erhöhen. So hätten diese beiden Parzellen mit der Erstellung der X.-strasse erstmals eine rechtlich gesicherte Zufahrt erhalten. Der einzige Grund, weshalb die Strasse bis zum Ende der Parzelle Nr. 1896 geführt worden sei, liege zudem in der Erschliessung der genannten Parzellen.


Zu prüfen ist nachfolgend, in welchem Umfang die beitragsberechtigten Flächen der Parzellen Nr. 1631 und Nr. 760 in den Beitragsperimeter einzubeziehen sind.


6.1 Hinsichtlich der Parzelle Nr. 760 ist festzustellen, dass die zur Hälfte in den Beitragsperimeter einbezogene beitragsberechtigte Fläche dieser Parzelle nicht direkt an die X.-strasse grenzt, sondern eine hinterliegende bzw. innerhalb des Beitragsperimeters liegende, aber nicht an die Verkehrsanlage angrenzende Grundstücksfläche darstellt. Gemäss § 26 Abs. 3 Strassenreglement, welcher auf innerhalb des Baugebiets liegende Grundstücke Anwendung findet, wird die Fläche von hinterliegenden Parzellen zur Hälfte in den Beitragsperimeter einbezogen. Sofern die betreffende Grundstücksfläche von Parzelle Nr. 760 innerhalb des Baugebiets liegen würde, hätte sie gemäss § 26 Abs. 3 Strassenreglement somit in jedem Fall lediglich zur Hälfte in den Beitragsperimeter einbezogen werden können. Würde man diese Fläche nun vorliegend zu mehr als 50% in den Beitragsperimeter einbeziehen, so wäre die Beitragspflicht höher, als wenn sich die Parzelle im Baugebiet befinden würde. Eine Ungleichbehandlung zwischen hinterliegenden Grundstücksflächen innerhalb und ausserhalb des Baugebiets lässt sich sachlich nicht rechtfertigen, der Einbezug der beitragspflichtigen Fläche von Parzelle Nr. 1631 zu mehr als 50% widerspräche somit dem Rechtsgleichheitsgebot und die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen.


6.2 Im Fall der Parzelle Nr. 1631 ist insofern von einem unterschiedlichen Sachverhalt auszugehen, als diese Parzelle direkt an die X.-strasse angrenzt. Zu prüfen ist, ob die Parzelle Nr. 1631 zu Recht aufgrund ihrer Lage im Nichtbaugebiet sowie der vom Grundeigentümer der Parzelle an die ehemalige Privatstrasse geleisteten Aufwendungen lediglich zu 50% in den Beitragsperimeter einbezogen wurde.


Die Parzelle Nr. 1631 liegt ausserhalb des Baugebietsperimeters. Die Pflicht zur Leistung eines Vorteilsbeitrags kann ausnahmsweise auch für Grundstücke im Nichtbaugebiet bestehen, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage besteht und die Grundstücke durch den Bau der Erschliessungsanlage einen Sondervorteil erfahren. Anlässlich des gerichtlichen Augenscheins wurde deutlich, dass der Parzelle Nr. 1631 durch den Bau der X.-strasse ein ganz erheblicher Vorteil zukommt. Der Sondervorteil bzw. der wirtschaftliche Vorteil ist grundsätzlich dort am grössten, wo durch die beitragsauslösende Strasse eine Parzelle - wie im Fall der Parzelle Nr. 1631 - unmittelbar erschlossen wird (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden [A 01 42] vom 11. Dezember 2001, E. 2a). Trotz ihrer Lage im Nichtbaugebiet ist die Parzelle Nr. 1631 mit einem zwei Wohnungen umfassenden Wohnhaus überbaut, für welches die Bestandesgarantie gemäss Art. 24c Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG) vom 22. Juni 1979 gilt. Die Parzelle kann einzig über die neu erstellte X.-strasse erreicht werden. Eine andere Erschliessung, namentlich von Westen her, ist nicht vorhanden. Im Übrigen ist fraglich, ob eine solche zweckmässig wäre, soll die verkehrsmässige Erschliessung doch grundsätzlich durch das Siedlungsgebiet führen und nicht Land im übrigen Gemeindegebiet bzw. in der Landwirtschaftszone beanspruchen (vgl. BGE 118 Ib 497, E. 4a). Durch den Bau der X.-strasse erhält die Parzelle Nr. 1631 erstmals eine rechtlich gesicherte Zufahrt. Eine solche bestand im Rahmen der vorbestehenden Erschliessung nicht, verfügte die Parzelle Nr. 1631 doch über keinerlei privatrechtliche Dienstbarkeit, welche den Zugang zum Strassennetz der Beschwerdegegnerin rechtlich gesichert hätte. Die Tatsache, dass sich die Errichtung privatrechtlicher Dienstbarkeiten zulasten der vorderen Parzellen mit dem Bau der X.-strasse erübrigt hat, ist als erheblicher Vorteil zu gewichten (vgl. Hans Heinrich Meyer, Mehrwertsbeiträge der Grundeigentümer nach zürcherischem Recht, Zürich 1960, S. 33). Mit dem Bau der X.-strasse besteht nicht zuletzt eine Verkehrsanlage gemäss Strassennetzplan bzw. Bau- und Strassenlinienplan im Sinne von § 22 Abs. 2 Strassenreglement, einschliesslich der damit verbundenen Vorteile wie beispielsweise der Tragung der Unterhaltskosten durch das Gemeinwesen (vgl. Peter J. Blumer, Abgaben für Erschliessungsanlagen nach dem Thurgauer Baugesetz, Zürich 1989, S. 68; siehe auch Germann Mathier, Mehrwertsbeiträge an die Kosten öffentlicher Strassen, Bern 1974, S. 102). Gestützt auf diese Erwägungen ist festzustellen, dass die Reduktion der beitragspflichtigen Fläche der Parzelle Nr. 1631 um die Hälfte nicht gerechtfertigt ist.


Entscheid 650 04 23 vom 31. März 2006



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