07-01 Formvorschriften für die Eröffnung von Verfügungen

Es besteht keine Pflicht des Gemeinwesens, eine Verfügung mittels eingeschriebener Post zu eröffnen, wenn das kommunale Recht keine entsprechenden Formvorschriften enthält (E. 3.2).


Die grosse zeitliche Belastung von Verfügungsadressaten stellt keinen objektiven Grund dar, welcher die Wiederherstellung der Beschwerdefrist zu rechtfertigen vermag (E. 3.3).



Aus dem Sachverhalt:

A. und B. sind Gesamteigentümer der Parzelle Nr. X, Grundbuch Niederdorf. Am 21. Februar 2007 verfügte die Einwohnergemeinde Niederdorf für die Parzelle Nr. X, Grundbuch Niederdorf, Anschlussbeiträge für Kanalisation und Wasserversorgung von Fr. 5'100.00 respektive Fr. 3'400.00. Mit Eingabe vom 16. März 2007 erhoben A. und B. gegen die Beitragsverfügungen der Gemeinde Beschwerde beim Steuer- und Enteignungsgericht, Abteilung Enteignungsgericht (nachfolgend Steuer- und Enteignungsgericht). Sie machten geltend, die Beschwerdefrist sei eingehalten, da sie die Rechnung zufolge Ferienzeit und beruflicher Belastung erst am 6. März 2007 wahrgenommen hätten und die Zustellung der Verfügungen im Übrigen eingeschrieben hätte erfolgen müssen.



Aus den Erwägungen:

(…)


3. Form und Eröffnung der Verfügung


Verfügungen sind den Parteien zu eröffnen. Aus einer mangelhaften Eröffnung darf dem Betroffenen keinerlei Rechtsnachteil erwachsen. Eine Rechtsmittelfrist beginnt somit erst im Zeitpunkt zu laufen, in welchem der Betroffene von der Verfügung Kenntnis nehmen konnte (vgl. Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, Zürich 2006, N 1638 ff.). Die Eröffnung der Verfügung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Rechtshandlung des Verwaltungsträgers. Als zugestellt gilt die Verfügung, wenn sie vom Verfügungsadressaten oder einer dazu ermächtigten Person entgegengenommen oder in den Briefkasten des Adressaten eingeworfen wurde (vgl. Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, a.a.O., N 886).


3.1 Vorliegend ist unbestritten, dass die Beschwerdeführenden die Verfügung erhalten haben. Die Beschwerdeführenden bestreiten auch nicht, dass sie ihre Beschwerde erst nach Ablauf der 10-tägigen Beschwerdefrist und damit verspätet eingereicht haben. Sie machen jedoch sinngemäss geltend, dass die Verfügungen der Gemeinde mangelhaft eröffnet worden seien, weil der "Warneffekt", welcher mit einer Zustellung per Einschreiben verbunden sei, vorliegend nicht gegeben war. Es sei somit trotz verspäteter Eingabe auf ihre Beschwerde einzutreten.


3.2 Hinsichtlich der Form und der Eröffnung von Verfügungen bestehen in der Regel gesetzliche Formvorschriften. Die Form, in welcher eine Verfügung erlassen und gegenüber den betroffenen Personen eröffnet wird, bestimmt sich nach dem massgeblichen Verfahrensrecht (vgl. Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, a.a.O., N 884). Gemäss § 19 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes Basel-Landschaft (VwVG BL) vom 13. Juni 1988, welches in Verfahren vor Gemeindebehörden anwendbar ist, werden Verfügungen den Parteien schriftlich eröffnet. Das kommunale Recht der Beschwerdegegnerin enthält in § 38 des Kanalisationsreglements (KaR) vom 7. Juli 1956 eine analoge Bestimmung. Die Verfügungen der Beschwerdegegnerin mussten den Beschwerdeführenden somit schriftlich eröffnet werden. Die Schriftform dient der Rechtssicherheit und ist aus praktischer Sicht unabdingbare Voraussetzung der Anfechtbarkeit (vgl. Pierre Tschannen/Ulrich Zimmerli, Allgemeines Verwaltungsrecht, Bern 2005, S. 236). Weitere Formvorschriften, beispielsweise die Publikation im Amtsblatt oder die Eröffnung mittels eingeschriebener Post, können weder dem VwVG BL noch den Reglementen der Gemeinde entnommen werden. Enthalten die massgeblichen Gesetze keine weitergehenden Erfordernisse an die Eröffnung, dann kommt der Grundsatz der freien Wahl der Form zum Tragen (vgl. Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, a.a.O., N 885). Das bedeutet, dass die Gemeinde entgegen der Ansicht der Beschwerdeführenden nicht verpflichtet war, die angefochtenen Verfügungen mittels eingeschriebener Post zu versenden. Hat die Beschwerdegegnerin die Verfügungen mit uneingeschriebener Post versandt, so hat sie die rechtlichen Anforderungen an die Form der Eröffnung eingehalten.


3.3 Zu prüfen ist noch, ob die Beschwerdeführenden Entschuldigungsgründe objektiver Art vorbringen, die es ihnen verunmöglichten, rechtzeitig Beschwerde einzulegen. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er zufolge vorangegangener Ferien zeitlich belastet gewesen sei und deshalb die Briefe der Gemeinde als nicht dringlich zu taxierende Steuerrechnungen auf die Seite gelegt habe. Die Wiederherstellung einer Frist ist möglich, wenn die betroffene Person unverschuldet nicht innert Frist gehandelt hat. In Frage kommen Fälle schwerer Krankheit, während blosse Ferienabwesenheit oder Arbeitsüberlastung nicht genügen (vgl. Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, Zürich 1998, N 345). Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte zeitliche Belastung stellt keinen objektiven Grund dar, welcher die Wiederherstellung der Beschwerdefrist zu rechtfertigen vermag. Gestützt auf die obigen Erwägungen erfolgte die Beschwerde der Beschwerdeführenden somit verspätet und es kann darauf nicht eingetreten werden.


Entscheid Nr. 650 07 28 vom 11. Juni 2007



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