07-02 Abgrenzung von Vorteilsbeitrag und Gebühr / Frage der Zuständigkeit

Die Abteilung Enteignungsgericht ist zuständig für Beschwerden gegen Vorteilsbeiträge. Der Vorteilsbeitrag ist eine öffentlich-rechtliche Abgabe, die eine beitragspflichtige Person für den ihr aus der öffentlichen Einrichtung erwachsenden wirtschaftlichen Sondervorteil zu entrichten hat, während die Gebühr ein Entgelt für eine bestimmte, vom Pflichtigen veranlasste Amtshandlung oder für die Benutzung einer öffentlichen Sache ist (E. 1).


Die Frage nach der rechtlichen Natur einer umstrittenen öffentlich-rechtlichen Abgabe ist nicht einfach aufgrund der im betreffenden Erlass dafür gewählten Bezeichnung zu beantworten, sondern nach der tatsächlichen Ausgestaltung der Abgabe (E. 4).


Die Kanalisationsbewilligungsgebühr wird zur Abgeltung der Kosten des Bewilligungsverfahrens erhoben und ist damit als reine Verwaltungsgebühr zu qualifizieren (E. 4.1).



Aus dem Sachverhalt:

Mit Verfügung der Einwohnergemeinde Diegten vom 3. Mai 2007 wurde A. für die Parzelle Nr. 2675, Grundbuch Diegten, eine Kanalisationsbewilligungsgebühr von Fr. 2'449.00 in Rechnung gestellt. Die Verfügung ist mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, wonach innert 10 Tagen seit Zustellung die Beschwerde beim Steuer- und Enteignungsgericht, Abteilung Enteignungsgericht (nachfolgend Steuer- und Enteignungsgericht), zulässig ist. Am 7. Mai 2007 erhob A. gegen die Verfügung der Gemeinde Beschwerde beim Steuer- und Enteignungsgericht. Er macht geltend, die Kanalisationsbewilligungsgebühr sei in der Baubewilligungsgebühr bereits enthalten. Falls dies nicht der Fall sei, dann sei die Bewilligungsgebühr als unverhältnismässig hoch anzusehen. Mit Schreiben des Steuer- und Enteignungsgerichts vom 14. Mai 2007 wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass zunächst die Frage zu prüfen sei, ob es sich bei der strittigen Abgabe um eine Gebühr oder um einen Vorteilsbeitrag handelt. Gegebenenfalls sei die Beschwerde an den Regierungsrat als zuständige Beschwerdeinstanz weiterzuleiten.



Aus den Erwägungen:

1.
Die Abteilung Enteignungsgericht ist gestützt auf § 96 Abs. 2 des Gesetzes über die Enteignung (EntG) vom 19. Juni 1950 zuständig für Beschwerden gegen Vorteilsbeiträge im Sinne von § 90 EntG. Vorteilsbeiträge sind öffentlich-rechtliche Abgaben, die eine beitragspflichtige Person für den ihr aus der öffentlichen Einrichtung erwachsenden wirtschaftlichen Sondervorteil zu entrichten hat. Der Beitrag wird einerseits nach den zu deckenden Kosten der Einrichtung, andererseits nach dem Sondervorteil bemessen, der dem Einzelnen aus der öffentlichen Einrichtung zukommt. Die Gebühr dagegen ist ein Entgelt für eine bestimmte, vom Pflichtigen veranlasste Amtshandlung oder für die Benutzung einer öffentlichen Sache (vgl. zum Ganzen BGE 90 I 81 mit Verweisungen). Sie soll den Aufwand decken, der dem Gemeinwesen durch die veranlasste Tätigkeit oder die Bereitstellung einer Einrichtung erwächst (vgl. Pierre Tschannen/Ulrich Zimmerli, Allgemeines Verwaltungsrecht, Bern 2005, S. 490).


2.
Die vorliegend strittige Abgabe wird von der Beschwerdegegnerin als "Kanalisationsbewilligungsgebühr" bezeichnet. Zu prüfen ist, ob es sich bei der fraglichen Abgabe um einen Vorteilsbeitrag handelt, für welchen die Zuständigkeit des Steuer- und Enteignungsgerichts gegeben ist.


3.
In § 13 Abs. 4 des Gesetzes über den Gewässerschutz (GSchG) vom 5. Juni 2003 ist einerseits geregelt, dass die Gemeinden die Kosten für die Erschliessung von Grundstücken durch die öffentliche Kanalisation in Form von Erschliessungsbeiträgen und Anschlussgebühren auf die Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer überwälzen können. Anderseits statuiert § 7 Abs. 1 GSchG, dass die Gemeinden die Bewilligungen zum Anschluss an die Ableitsysteme für Abwasser erteilen. Sie legen darin die bautechnischen Auflagen und Bedingungen fest. Nach § 14 Abs. 1 GSchG überbinden die kommunalen Behörden die Kosten für Bewilligungen den Verursachenden oder Bestellenden, wobei die nach kommunalem Recht zuständige Behörde die Gebührenansätze bestimmt (Abs. 2). Analoge Regelungen enthielt bereits das alte Gewässerschutzgesetz.


3.1 In Konkretisierung der genannten Bestimmungen erhebt die Beschwerdegegnerin als Gegenleistung für den Mehrwert, den ein Grundstück durch die Anschlussmöglichkeit an die Abwasseranlagen erlangt, von den Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern gestützt auf § 22 des Kanalisationsreglements (nachfolgend KR) vom 11. April 1988 Vorteilsbeiträge. Die Bemessung dieser Beiträge erfolgt aufgrund der Grundstücksfläche und des Brandversicherungswerts des Gebäudes. Gemäss § 12 KR wird sodann für die Bewilligung von Abwasseranlagen eine Gebühr erhoben.


4.
Die Frage nach der rechtlichen Natur einer umstrittenen öffentlich-rechtlichen Abgabe ist nicht einfach aufgrund der im betreffenden Erlass dafür gewählten Bezeichnung zu beantworten. Massgeblich ist vielmehr die tatsächliche Ausgestaltung der Abgabe (vgl. BGE 92 I 450).


4.1 Zunächst ist festzustellen, dass die vorliegend strittige Abgabe gemäss Reglement der Beschwerdegegnerin zusätzlich zum Vorteilsbeitrag gemäss § 22 KR erhoben wird. Dies spricht gegen die Qualifikation der Abgabe als Vorteilsbeitrag, ist doch aus systematischer Sicht nicht ersichtlich, weshalb die Erhebung des Vorteilsbeitrags für die Kanalisation unter zwei verschiedenen Titeln desselben Reglements geregelt werden sollte. Die fragliche Abgabe wird ferner gestützt auf § 12 KR ausdrücklich für die Bewilligung von Abwasseranlagen erhoben, wobei es sich bei letzteren gemäss Titel C des Kanalisationsreglements um Abwasseranlagen von Wohnbauten und damit der Privaten handelt. Demgegenüber dienen die Vorteilsbeiträge im Sinne von Titel D des Kanalisationsreglements der Finanzierung der Abwasseranlagen der Gemeinde bzw. der Deckung der Investitionskosten dieser Anlagen. Dass die strittige Abgabe mit der Erteilung der Baubewilligung erhoben wird, spricht ebenfalls gegen ihre Qualifikation als Vorteilsbeitrag. So handelt es sich bei der Baubewilligungsgebühr unbestrittenermassen um eine Verwaltungsgebühr, die den Aufwand deckt, der dem Gemeinwesen durch die veranlasste Tätigkeit erwächst (vgl. Tschannen/Zimmerli, a.a.O., S. 490 f.). Im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens umfasst dies die Aufwendungen, welche der Baubewilligungsbehörde im Rahmen der Überprüfung der Gesuchsunterlagen und der Bewilligung oder Nichtbewilligung des Gesuchs entstehen. Analog dazu fallen im Rahmen der Erteilung der Kanalisationsbewilligung Kosten an, beispielsweise im Zusammenhang mit der Festsetzung der bautechnischen Auflagen und Bedingungen. Es ist davon auszugehen, dass die Kanalisationsbewilligungsgebühr der Beschwerdegegnerin zur Abgeltung dieser Kosten vorgesehen ist und damit als reine Verwaltungsgebühr zu qualifizieren ist. Ob die pauschale Bemessung der Gebühr mit 40% der Baubewilligungsgebühr zulässig ist respektive zum tatsächlichen Aufwand der Gemeinde in einem angemessenen Verhältnis steht, ist eine materielle Frage, auf die vorliegend zufolge Unzuständigkeit nicht eingegangen werden kann.


Entscheid Nr. 650 07 42 vom 18. Juni 2007



Back to Top