Strafprozessrecht

Einstellung des Verfahrens in Anwendung von Art. 319 Abs. 1 lit. b StPO


Steht ohne begründete Zweifel eine natürliche innere Ursache als Todesursache der verstorbenen Person fest, so kann auf weitere Untersuchungshandlungen (vorliegend eine zusätzliche Untersuchung von Organproben) verzichtet werden (E. 2.3-2.4).



Sachverhalt

Text



Erwägungen

1. ( … )


2.1 Gemäss Art. 319 Abs. 1 StPO verfügt die Staatsanwaltschaft die vollständige oder teilweise Einstellung des Verfahrens unter anderem, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt (lit. a) oder kein Straftatbestand erfüllt ist (lit. b). In diesen Fällen ist die Einstellung des Verfahrens zwingend (vgl. BSK-StPO-Rolf Gradel / Matthias Heiniger, Art. 319 N 6).


2.2 Die Beschwerdeführerin ist überzeugt, dass ihre Mutter nicht eines natürlichen Todes gestorben sei und somit die Staatsanwaltschaft die Strafuntersuchung hinsichtlich eines möglichen Tötungsdelikts zum Nachteil von Y. M.-A. zu Unrecht eingestellt habe. Zur Begründung ihrer Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 18. Januar 2011 bringt sie zunächst vor, die Organproben der Verstorbenen seien nicht untersucht worden, so dass relevante Untersuchungsresultate fehlten.


Die Staatsanwaltschaft führt in ihrer Stellungnahme vom 10. Februar 2011 hierzu im Wesentlichen aus, dass die Untersuchung der entnommenen Organproben entbehrlich gewesen sei, da keinerlei Barbiturate im Blut der Verstorbenen festgestellt werden konnten. Zudem habe sich die Demenzerkrankung, unter welcher die Verstorbene in fortgeschrittenem Stadium litt, auf ihre natürlichen Schutzreflexe ausgewirkt und deren Funktion herabgesetzt. Diese verminderte Funktion habe dazu geführt, dass im Gegensatz zu einem gesunden Menschen die Verstorbene den Speisebrei "verschluckte" und einatmete, ohne diesen wieder aushusten zu können.


2.3 Nach dem Dafürhalten des Kantonsgerichts, Abteilung Strafrecht, wurden von der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Todesfalls von Y. M.-A. vom 30. März 2010 und dessen Ursache sehr umfassende Abklärungen getroffen. Am Todestag eröffnete das Bezirksstatthalteramt F. eine Untersuchung und ordnete eine Obduktion an. Für die Untersuchungshandlungen wurden der kriminaltechnische Dienst der Polizei Basel-Landschaft sowie die Pikettärztin des IRM beigezogen. Am 31. März 2010 wurde vom IRM ein Bericht über den Lokalaugenschein, ein Sektionsprotokoll sowie ein vorläufiges Gutachten erstellt. Die Todesursache von Y. M.-A. erklärte das vorläufige Gutachten durch Ersticken bei Verlegung der Atemwege durch Speisebrei. Als Zeichen einer solchen Speisebreiaspiration sei - analog zum Mageninhalt - faseriges, orange-rotes Material bis weit in die tiefen Atemwege nachweisbar gewesen. Aus der Vorgeschichte sei bei der Verstorbenen eine Demenzerkrankung bekannt, im Rahmen welcher es ohne weiteres zu einer relevanten Herabsetzung der Schutzreflexe kommen könne. Hinweise für eine Intoxination seien keine gefunden worden.


In der Folge wurde seitens des IRM am 6. Mai 2010 ein forensisch-toxikologisches Gutachten erstellt. Zusammenfassend wurde in diesem festgehalten, dass Y. M.-A. aus forensisch-toxikologischer Sicht zum Zeitpunkt ihres Todes unter dem Einfluss der therapeutischen Wirkung des Nuroleptikums Quetiapin stand. Es lägen keine Hinweise auf die Beibringung von nicht verordneten Psychopharmaka, weiteren Arzneistoffen, die zu einer Vergiftung hätten führen können, oder Betäubungsmitteln vor.


Auch das forensische Abschlussgutachten des IRM vom 12. Mai 2010 bestätigte die Diagnose des vorläufigen Gutachtens vom 31. März 2010, wonach Y. M.-A. durch Ersticken bei Verlegung der Atemwege durch Speisebrei (Aspiration) verstarb. Eine solche Aspiration werde häufig bei einer Beeinträchtigung der natürlichen Schluckreflexe im Rahmen einer Störung des Zentralnervensystems beobachtet. Mikroskopisch könnten in der Herzmuskulatur herdförmig frische Gewebeuntergänge nachgewiesen werden, die auf eine Durchblutungsstörung mit entsprechendem Sauerstoffmangel der Muskulatur zurückzuführen seien. Diese Veränderungen erklärten zwanglos einen plötzlich auftretenden Kreislaufkollaps, der wiederum als Auslöser für die letztlich todesursächliche Aspiration angesehen werden könne. Eine zusätzlich begünstigende Herabsetzung der Schutzreflexe (z.B. Hustenreflex) durch die Demenzerkrankung sei denkbar. In der Zusammenschau aller Befunde könne im vorliegenden Fall somit von einem Tod aus natürlicher innerer Ursache ausgegangen werden.


Nachdem der Beweisantrag von X. T. bezüglich weiteren Abklärungen betreffend das Medikament Phenobarbital im Zusammenhang mit dem Todesfall ihrer Mutter mit Verfügung vom 25. Juni 2010 des Bezirksstatthalteramts F. abgelehnt wurde, erhob X. T. Beschwerde an das Verfahrensgericht in Strafsachen, welches ihre Beschwerde mit Beschluss vom 25. August 2010 abwies. Im vom Verfahrensgericht in Strafsachen angeordneten Ergänzungsgutachten hielt das IRM am 27. Juli 2010 explizit fest, dass eine todesursächliche Intoxination mit Barbituraten - insbesondere mit Phenobarbital - ausgeschlossen werden könne.


2.4 In Würdigung aller Umstände stellt das Kantonsgericht, Abteilung Strafrecht, fest, dass alle genannten Gutachten sowie die übrigen Untersuchungsergebnisse ein eindeutiges Bild über die Todesart und Todesursache von Y. M.-A. zeichnen. Demnach steht ohne begründete Zweifel fest, dass der Tod von Y. M.-A. aus natürlicher innerer Ursache ohne Fremdeinwirkung eingetreten ist. Aufgrund der mehrfach durchgeführten Untersuchungen des IRM, insbesondere der forensisch-toxikologischen Untersuchung von Mageninhalt, Urin und Blut der Verstorbenen, erscheint die von der Beschwerdeführerin geforderte zusätzliche Untersuchung von Organproben als entbehrlich.


2.5 (…)


2.6 Im Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass als Todesursache von Y. M.-A. durch das IRM zweifelsfrei ein Ersticken bei Verlegung der Atemwege durch Speisebrei eruiert wurde und somit von einer natürlichen inneren Ursache ausgegangen werden muss. Es ist daher niemandem ein Vorwurf hinsichtlich des Todeseintritts von Y. M.-A. zu machen. Da demzufolge kein Straftatbestand erfüllt ist, hat die Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens in Anwendung von Art. 319 Abs. 1 lit. b StPO zu Recht verfügt, weswegen die Beschwerde abzuweisen ist.


3. ( … )


Beschluss der Dreierkammer des Kantonsgerichts, Abteilung Strafrecht, vom 8. März 2011 (470 11 5/VOM)


Mit Urteil vom 13. Juli 2011 (1B_253/2011) hat das Bundesgericht die Beschwerde der Privatklägerin X. T. gegen diesen Entscheid abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.


Einstellung des Verfahrens


Voraussetzungen


SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007


Art. 319 Abs. 1 lit. b Einstellung des Verfahrens mangels Erfüllung eines Straftatbestands



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