Alle Zuschlagskriterien sind bereits im abstrakten Stadium des Verfahrens - solange die einzelnen Bewerber und deren Offerten noch nicht bekannt sind - festzulegen. Der Detaillierungsgrad der Kriterien ergibt sich aus den Erfordernissen, die das betreffende Projekt an den Unternehmer stellt. Im Interesse der Rechtssicherheit und der Transparenz sind die Zuschlagskriterien unter Einschluss ihrer Gewichtung und allfälliger Subkriterien möglichst präzise zu definieren (E. 6a).

Es gilt der Grundsatz, dass alles Zuschlagsrelevante zum Voraus mit der Ausschreibung festgelegt und den Offerenten zur Kenntnis gebracht werden soll. Damit die Gewähr für eine willkürfreie Vergabe im öffentlichen Beschaffungswesen besteht, darf die Auswahl und die verbindliche Festlegung von vergaberechtlich zulässigen Kriterien nach der Ausschreibung nicht mehr geändert werden (§§ 1 lit. d, 9 lit. a und 21 BeG; E. 6b - 8).



Sachverhalt

Mit Schreiben vom 23. Juli 2003 lud die Einwohnergemeinde I. (Beschwerdegegnerin) unter anderem die K. AG (Beschwerdeführerin) sowie die A. AG (Beigeladene) zur Einreichung einer Offerte betreffend den Kanalunterhalt der Einwohnergemeinde I. ein. Bei den beigelegten Ausschreibungsunterlagen befanden sich die "Allgemeinen Bedingungen für Kanalreinigungen" sowie detaillierte Leistungsbeschriebe für das Reinigen der Kanalisationsleitungen und das Saugen der Strassensammler und Einlaufschächte, wobei das Angebot gestützt auf das jeweils vorgegebene Ausmass ("Vorausmass") - berechnet durch die Bauingenieure + Planer B. AG - zu erfolgen hatte. Die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung in Prozenten wurden nicht bekannt gegeben. Mit Beschluss vom 10. Februar 2004 erteilte die Einwohnergemeinde I. den Zuschlag an die A. AG zum Preis von Fr. 15'273.00 (exkl. MWST; Unternehmervariante). Weiter wurde festgehalten, dass gemäss Ausschreibung als Zuschlagskriterium der bereinigte Angebotspreis mit einer summarischen Bewertung von 100% gewichtet worden sei. Gegen diesen Vergabebeschluss erhob die K. AG mit Eingabe vom 20. Februar 2004 beim Kantonsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht (Kantonsgericht), Beschwerde. Diese wird unter anderem damit begründet, dass die von der Vergabestelle berücksichtigte Unternehmervariante auf einer Pauschale basiere, obwohl die Ausschreibung klar auf Stundenbasis beruht habe. Aufgrund der hohen Reserven in der Ausschreibung (Vorausmasse) wäre es problemlos möglich gewesen, die Offerte des den Zuschlag erhaltenden Mitbewerbers zu unterbieten. Die Einwohnergemeinde I. liess sich mit Eingabe vom 22. April 2004 zur Beschwerde vernehmen. Sie wies im Wesentlichen darauf hin, dass die von der Vergabebehörde festgesetzten Mengen durch die Offertstellerin nie in Frage gestellt worden seien und den Gegebenheiten entsprechen würden.



Erwägungen

1. (…)


2. (…)


3. (…)


4. (…)


5. (…)


6.a) Im Einzelnen ist zunächst einmal erforderlich, dass alle Zuschlagskriterien bereits im sozusagen abstrakten Stadium des Verfahrens festgelegt werden, solange die einzelnen Bewerber und deren Offerten noch nicht bekannt sind. Der Detaillierungsgrad dieser Kriterien ergibt sich aus den Erfordernissen, die das betreffende Projekt an den Unternehmer stellt. Im Interesse der Rechtssicherheit und der Transparenz ist es geboten, dass die Zuschlagskriterien für die konkrete Vergabe unter Einschluss ihrer Gewichtung und allfälliger Subkriterien bereits in den Ausschreibungsunterlagen präzise definiert werden. Soll eine Beurteilungsmatrix verwendet werden, ist auch diese vorab bekannt zu geben. Da sich der Auftraggeber über seine Beschaffungsbedürfnisse ohnehin schon vor der Ausschreibung im Klaren sein muss, dürften diese Erfordernisse keine grösseren Probleme aufwerfen (Peter Gauch/Hubert Stöckli, Thesen zum neuen Vergaberecht des Bundes, Freiburg 1999, S. 23 Ziff. 11.2, Fn. 89; zum Zusammenhang von Ermessensspielraum des Auftraggebers und Auftragsbezogenheit der Zuschlagskriterien vgl. Renate Scherrer-Jost, Öffentliches Beschaffungswesen, in: Koller/Müller/Rhinow/Zimmerli [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Basel 1999, S. 29 N 54).


b) Es gilt somit der Grundsatz, dass alles Zuschlagsrelevante zum Voraus mit der Ausschreibung festgelegt und den Offerenten zur Kenntnis gebracht werden soll. Die Spielregeln dürfen danach nicht mehr geändert werden, damit Gewähr für eine willkürfreie Vergabe im öffentlichen Beschaffungswesen besteht (vgl. Gauch/Stöckli, a.a.O., S. 24, Ziff. 11.3). Dies bedeutet, dass es im Submissionsverfahren grundsätzlich nur Tatbestandsermessen in Gestalt einer Auswahl und verbindlichen Festlegung von vergaberechtlich zulässigen Kriterien gibt, das bei der Ausschreibung abschliessend wahrzunehmen ist; die Anwendung von Rechtsfolgeermessen beim Zuschlag ist dementsprechend praktisch ausgeschlossen (zum Tatbestandsermessen vgl. René Rhinow, Vom Ermessen im Verwaltungsrecht: eine Einladung zum Nach- und Umdenken, in: recht 1983 S. 47 f.; derselbe, Verwaltungsermessen im modernen Staat. Landesbericht Schweiz, in: Bullinger [Hrsg.], Verwaltungsermessen im modernen Staat, Baden-Baden 1986, S. 63 ff.; Max Imboden, Grundsätze des administrativen Ermessens [1966], in: Staat und Recht, Basel 1971, S. 421 ff.). Was die ausschreibende Behörde bei der Ausschreibung an Ermessensausübung unterlassen hat, kann sie bei der Vergabe nicht mehr nachholen. Gerade wenn die Offertevaluation kein "klares" Ergebnis bringt in dem Sinne, dass sich keines der Angebote deutlich von den Konkurrenzofferten abzusetzen vermag, sind diese Grundsätze mit Blick auf die Zielsetzungen des Submissionsrechts von grosser Bedeutung. Denn ein ordnungsgemäss, d.h. in vollständiger Übereinstimmung mit den en détail und einschliesslich der Gewichtung publizierten Ausschreibungskriterien erzieltes Resultat ist klar, auch wenn es knapp ausfällt. Sofern also das der Behörde zustehende Ermessen mit der Bezeichnung von auf das konkrete Projekt massgeschneiderten Vergabekriterien ausgeschöpft ist, gibt es nach der Anwendung des im Voraus entwickelten Kriterienrasters gar keinen Bedarf an Ermessensausübung und damit kein Einfallstor für mögliche submissionsfremde Zuschlagsmotive mehr.


c) Gleichzeitig ist zu betonen, dass die Vergabebehörde bei der Auswertung und Bewertung der eingegangenen Offerten notwendigerweise einen auf Fachkenntnis beruhenden Beurteilungs spielraum auszufüllen hat, in den das Gericht nicht eingreifen kann (vgl. dazu Francesco D.A. Bertossa, Der Beurteilungsspielraum, Bern 1984, insbesondere S. 83 ff.; Rhinow, recht 1983, S. 88 f.). Auch diese Wertungen ("Benotungen") müssen in der Begründung des Vergabeentscheids möglichst transparent gemacht werden (zur Begründungspflicht bei Vergabeverfügungen vgl. den Entscheid des Verwaltungsgerichts Aargau vom 18. Juni 1998, in: Baurecht 1999, S. 58 f., S14). Dieser Einschränkung der Beurteilungsbefugnis der Rechtsmittelbehörde ist Rechnung zu tragen. Ein wirksamer Rechtsschutz ist daher stark von einem im beschriebenen Sinne formalisierten - und damit eben der gerichtlichen Kontrolle zugänglichen - Verfahren abhängig. Streng formalisierte Anforderungen an die Definition der Zuschlagskriterien bereits in der Ausschreibung fördern die Justitiabilität eines Vergabeentscheides.


7. Vorab ist festzuhalten, dass der Kanton den Gemeinden eine Vorlage für eine Submission für den Kanalunterhalt in der Gemeinde zur Verfügung stellte. Diese Vorlage enthielt eine Bewertungsmatrix, welche eine Gewichtung wie folgt vorsah: für die Preisofferte 40%, die FZ/Leistung 30%, die Ausbildung und Ausrüstung 15% sowie für das Unternehmensprofil ebenfalls 15%. Obwohl die den Anbieterinnen und Anbietern zugestellten Unterlagen im Wesentlichen mit der obgenannten Vorlage übereinstimmten, verzichtete die Vergabebehörde auf die Zustellung von Bewertungskriterien, hielt im Protokollauszug vom 12. Februar 2004 aber dennoch fest, dass gemäss Ausschreibung als Zuschlageskriterium der bereinigte Angebotspreis mit einer summarischen Bewertung von 100 % gewichtet worden sei. Entgegen diesem Protokollauszug geht dies aus den zugestellten Ausschreibungsunterlagen jedoch nicht klar hervor. Obwohl dieser Punkt von der Beschwerdeführerin nicht ausdrücklich gerügt worden ist, liegt damit ein klarer Verstoss gegen das Gesetz - insbesondere den Transparenzgrundsatz - vor, welcher bereits zur Aufhebung des Vergabeentscheides führen müsste.


8.a) Die Beschwerdeführerin rügt dagegen, dass die Unternehmervariante, für welche der Zuschlag erteilt worden sei, auf einer Pauschale beruhe, obwohl die Ausschreibung detailliert nach Zeit und gestützt auf das vorgegebene Vorausmass erfolgte.


b) Wie bereits dargelegt kommt der Vergabestelle nicht nur bei der Auswahl und Gewichtung der Eignungs- und Zuschlagskriterien, sondern auch bei der konkreten Ausgestaltung der Ausschreibungsunterlagen ein erheblicher Ermessensspielraum zu; was heisst, dass es grundsätzlich ihr überlassen ist, zu entscheiden, wieviel Frei- oder Spielraum sie den Anbietenden bei der Ausgestaltung des Angebots einräumen will (vgl. Entscheid des Verwaltungsgerichts Aargau vom 19. November 1998, a.a.O., S. 414). Die Ausschreibungsunterlagen müssen jedoch eine Umschreibung der geforderten Leistungen enthalten, wobei der jeweilige Leistungsbeschrieb klar und vollständig sein muss, da ein unklarer oder unvollständiger Leistungsbeschrieb nicht nur das Gebot der Transparenz verletzt, sondern auch den Vergleich der Offerten erschwert (vgl. § 21 BeG; § 12 BeVO; Gauch/Stöckli, a.a.O. S. 14, Ziff. 8.1). Nach § 9 lit. a BeG muss das Verfahren transparent gestaltet sein, damit unter den Anbieterinnen und Anbietern ein wirksamer Wettbewerb stattfinden kann. Die Grundsätze des Gleichbehandlungs- und Transparenzgebots ermöglichen ein faires Verfahren, wonach alle Anbietenden gleich zu behandeln sind und alle aufgrund derselben Vorgaben ihre Offerte einreichen können (Renate Scherrer-Jost, a.a.O., N. 24 f.; Peter Galli/Daniel Lehmann/Peter Rechsteiner, a.a.O., N. 218 ff.). Der Sicherstellung der Transparenz eines Vergabeverfahrens dienen die Liste der Mindestangaben für die öffentliche Ausschreibung, die rechtliche Strukturierung der Verfahrensschritte, die Vorschriften über die Bekanntmachung und die Begründung des Zuschlags sowie die Vorgaben betreffend die technische Spezifikation (Galli/Lehmann/Rechsteiner, a.a.O., N. 221; Scherrer, a.a.O., N. 25). Was die ausschreibende Behörde bei der Ausschreibung an Ermessensausübung unterlassen hat, kann sie jedoch bei der Vergabe nicht mehr nachholen.


c) Den Ausschreibungsunterlagen ist vorliegendenfalls zu entnehmen, dass die Ausschreibungsbedingungen klar umschrieben worden sind und die Offerten - wie dies die Beschwerdeführerin zu Recht vorbringt - detailliert nach Zeit entsprechend den von der Vergabebehörde festgelegten Vorgaben (Vorausmass) zu erfolgen hatten. Ein Hinweis, dass nebst einer Offerte nach Zeitaufwand auch eine Pauschale zulässig sei, fehlte. Dennoch wurde beim Zuschlag eine Offerte berücksichtigt, welche auf einer Pauschale beruht, obwohl der Zuschlag damit nach anderen als den im Voraus festgelegten Ausschreibungsbedingungen erfolgte und somit die Vergleichbarkeit der Offerten nicht sichergestellt war.


Dadurch sind die Grundsätze des Gleichbehandlungs- und Transparenzgebots verletzt worden, welche ein faires Verfahren ermöglichen sollten, indem alle Anbietenden gleich behandelt werden und aufgrund derselben Vorgaben ihre Offerte einreichen können. Das Gleichbehandlungsgebot gemäss § 1 lit. d BeG und das Verbot der Diskriminierung von Anbietern stehen jedoch im Zentrum der öffentlichen Beschaffung und bilden die Grundlage jeglicher Marktöffnung (Peter Gauch, Das öffentliche Beschaffungsrecht der Schweiz. Ein Beitrag zum neuen Vergaberecht, in: recht 1997, S. 169). Sie sind Richtschnur des gesamten öffentlichen Beschaffungsrechts. Keinem Anbieter dürfen Nachteile auferlegt werden, die für andere Anbieter nicht gelten, und keinem Anbieter dürfen umgekehrt Vorteile gewährt werden, die anderen Anbietern nicht gewährt werden (Peter Galli/Daniel Lehmann/Peter Rechsteiner, a.a.O., N. 194; vgl. auch BLVGE 1998/1999, S. 316 ff., E. 5). Der Zuschlag an die Beigeladene ist aus diesem Grund aufzuheben.


d) Der Vollständigkeit halber sei jedoch darauf hingewiesen, dass gemäss § 23 BeG auch vorliegendenfalls Teilangebote und Varianten durchaus hätten berücksichtigt werden können, zumal keine anderslautenden Bestimmungen in den Ausschreibungsunterlagen zu finden sind. Vorausgesetzt, dass diese separat und deutlich gekennzeichnet eingegeben werden und zwar von Anbietenden, die bereits ein vollständiges, den Ausschreibungsunterlagen entsprechendes Hauptangebot eingereicht haben (vgl. dazu § 22 der BeVO). Die Vergleichbarkeit der Offerten muss jedoch auch in diesem Fall sichergestellt sein.


KGE VV vom 25. 8. 2004 i.S. K. AG (810 04 60)/JEB



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