Bei der Prüfung der Geringfügigkeit eines Vermögensdelikts kommt es auf die Gesamtheit der Vermögenswerte und Schäden an, so dass bei einem Einbruchdiebstahl der Wert der Beute und der angerichtete Schaden zu addieren sind. Entscheidend ist, ob das Delikt als Ganzes noch geringfügig, d.h. als Bagatellfall erscheint, so dass eine Strafverfolgung von Amtes wegen nicht geboten ist (Art. 172ter StGB; E. V.3.3)

Bei Einbruchdiebstählen ist ohne konkrete Gegenanzeichen grundsätzlich davon auszugehen, dass der Täter möglichst viel erbeuten wollte und einen Deliktsbetrag von über 300 Franken zumindest in Kauf nahm (Art. 17ter StGB; E. V.3.3)



Erwägungen

(…)


V.3. Fall 5 bzw. AS 1 Fall IV


(…)


3.3 Geringfügigkeit des Vermögensdelikts


Das Strafgericht hielt in diesem Fall fest, dass gemäss den Akten (act. 1989, 1995.2) und Aussagen an der Hauptverhandlung (Prot. HV S. 31) die Deliktsbeute Fr. 200.-- bis Fr. 300.-- betragen habe, weshalb Art. 172ter StGB zur Anwendung gelange. (…) Das Strafgericht ist aufgrund der Aussagen der Angeschuldigten somit in dubio von einem Vermögenswert von Fr. 200.-- ausgegangen. Von der Vorinstanz nicht erwähnt wird der Umstand, dass auch die Geldkassette aufgebrochen und weggeworfen wurde, wodurch zusätzlich ein Sachschaden von ca. Fr. 180.-- entstanden ist.


Richtet sich die Tat nur auf einen geringen Vermögenswert oder auf einen geringen Schaden, so wird der Täter auf Antrag, mit Haft oder mit Busse bestraft (Art. 172ter StGB). Das Bundesgericht hat die objektive Grenze für den geringen Vermögenswert oder Schaden auf je Fr. 300.- festgesetzt, und zwar einheitlich für die ganze Schweiz und unabhängig von der Person und den Verhältnissen des jeweiligen Opfers.


Das Gesetz spricht von einem geringen Vermögenswert oder einem geringen Schaden. Zu prüfen ist deshalb, ob bei einer Kombination eines geringen Vermögenswerts und eines geringen Schadens die Geringfügigkeit entfallen kann, ob also die beiden Werte addiert werden dürfen. Die Literaturmeinungen dazu gehen auseinander (vgl. Basler Kommentar, Weissenberger, Art. 172ter StGB, Rz. 17f.; mit Verweisen auf Stratenwerth, BT I, § 25 N 18; a.A. Arzt, recht 1998, 232 Fn 43; Albrecht, FS-Gauthier, 141; Trechsel, Kurzkommentar, Art. 172ter, N 4) und das Bundesgericht hat sich bisher noch nicht dazu geäussert.


Das Kantonsgericht geht mit Stratenwerth und Weissenberger (a.a.O.) von einem weiten Begriff aus. Danach sollte es auf die Gesamtheit der Vermögenswerte und Schäden ankommen, so dass etwa bei einem Einbruchdiebstahl der Wert der Beute und der angerichtete Schaden zu addieren sind. Entscheidend ist, ob das Delikt als Ganzes noch geringfügig, d.h. als Bagatellfall erscheint, so dass eine Strafverfolgung von Amtes wegen nicht geboten ist. Es erscheint deshalb richtig, Vermögenswert und Schaden zu addieren. Voraussetzung ist, dass beides vom Vorsatz gedeckt ist.


Der Vorsatz bzw. die Absicht des Täters muss sich von Anfang an auf den Wert der Sache bzw. die Höhe des Schadens erstrecken, wobei Eventualvorsatz genügt. Bei Einbruchdiebstählen ist ohne konkrete Gegenanzeichen grundsätzlich davon auszugehen, dass der Täter möglichst viel erbeuten wollte und einen Deliktsbetrag von über 300 Franken zumindest in Kauf nahm (Basler Kommentar, Weissenberger, zu Art. 172ter StGB, Rz. 25ff. mit Verweis auf BGE 123 IV 197). Art. 172ter StGB kann bei Einbruchdiebstählen dann zur Anwendung gelangen, wenn der Täter weiss, dass das Opfer weniger als Fr. 300.-- auf sich trägt, oder wenn er nur einen bestimmten Gegenstand von geringem Wert aus einer Wohnung entwenden will (vgl. BGE 123 IV 155; Wiprächtiger, AJP 1999, 388 Fn. 47). Die Privilegierung entfällt regelmässig, wenn der Täter sich keine Gedanken darüber macht oder es ihm gleichgültig ist, wie hoch der Schaden oder wie gross der Vermögenswert ist (Basler Kommentar, Weissenberger, zu Art. 172ter StGB, Rz. 29 mit weiteren Hinweisen). Entscheidend für die Privilegierung ist nicht der Taterfolg, sondern die Vorstellung des Täters (Basler Kommentar, Weissenberger, Art. 172ter N 25; Stratenwerth, BT I, § 25 N 17).


Diesem Aspekt hat die Vorinstanz keine Rechnung getragen. Es gilt somit zu prüfen, ob ein entsprechender Vorsatz bei den beiden Tätern anzunehmen ist. Bei der Befragung vor dem Kantonsgericht sagte S. S. aus, sie hätten mit einem wesentlich höheren Betrag gerechnet, da sich ein Einbruch sonst ja nicht gelohnt hätte (Prot. KG S. 8 "Wer macht das schon für ein paar Fränkli.."). Genaueres hätten sie aber nicht gewusst. Vor diesem Hintergrund scheidet Art. 172ter StGB zumindest für S. S. von vornherein aus, da sich der direkte Vorsatz des Täters auf eine höhere Beute gerichtet hat. Ferner ist auf die nach Ansicht des Kantonsgerichts korrekte Lehrmeinung zu verweisen, wonach bei Einbruchdiebstählen ohne konkrete Gegenanzeichen grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der Täter möglichst viel erbeuten wollte und einen Deliktsbetrag von über 300 Franken zumindest in Kauf nahm. Somit ist auch bei B.M. zumindest von einem Eventualvorsatz auszugehen. Das Kantonsgericht stellt fest, dass sich der Vorsatz der Täter nicht auf einen geringfügigen Vermögenswert im Sinn von Art. 172ter StGB gerichtet hat, weshalb die Appellation der Staatsanwaltschaft in diesem Punkt gutzuheissen ist.


(…)


KGE ZS vom 7.6.2004 Staatsanwaltschaft gegen A.A., B.C., F.C., G.C., B.M., M.M., S.S und S.S. (61-03/667/AFS)



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