13 Strafprozessrecht

Zulässigkeit von Beweismitteln


Bei vorschriftswidrig beschafften Beweismitteln ist hinsichtlich der Frage der Verwertung eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Staates an der Abklärung des Verbrechens einerseits und den Persönlichkeitsrechten des Angeklagten andererseits vorzunehmen. Der EGMR lässt grundsätzlich auch die Verwertbarkeit eines rechtswidrig erlangten Beweismittels zu, wenn das Strafverfahren insgesamt fair ist, die Rechte der Verteidigung gewahrt bleiben und die Verurteilung nicht ausschliesslich auf dem rechtswidrig erlangten Beweismittel beruht (§ 41 Abs. 1 StPO, Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 29 Abs. 1 BV; E. 3.4 und E. 3.6).


Die Verwertung des auf unzulässige Weise erlangten Beweismittels führt nicht zu einer Strafminderung (E. 5.1).


Hinsichtlich der Anordnung einer stationären Behandlung ist seitens des Betroffenen lediglich ein Minimum an Willen vorauszusetzen, sich einer Therapie zu unterziehen und diese nicht von vornherein kategorisch abzulehnen (Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB, E. 6.3).



Sachverhalt

Mit Urteil des Strafgerichts Basel-Landschaft vom 5. August 2004 wurde A. N. der Brandstiftung, der einfachen Körperverletzung, der Sachbeschädigung, der Nötigung, des mehrfachen Hausfriedensbruchs sowie der Entwendung eines Personenwagens zum Gebrauch schuldig erklärt und zu einer Gefängnisstrafe von 2 3/4 Jahren verurteilt, unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft von 403 Tagen; dies in Anwendung von Art. 123 Ziff. 1, Art. 144 Abs. 1, Art. 181 sowie Art. 221 Abs. 1 StGB, Art. 94 Ziff. 1 SVG, Art. 68 Ziff. 1, Art. 11 sowie Art. 69 StGB. Dem Verfahren wegen geringfügigen Diebstahls wurde zufolge Rückzugs des Strafantrages keine Folge gegeben. Der Strafvollzug wurde gemäss Art. 43 Ziff. 2 Abs. 1 StGB aufgeschoben und der Beurteilte wurde gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in eine Heil- oder Pflegeanstalt eingewiesen. Des Weiteren wurde der Angeklagte dabei behaftet, der H. P. den Betrag von CHF 1'675.-- und dem Opfer denjenigen von CHF 4'662.20 (Schadenersatz) bzw. CHF 1'500.-- (Genugtuung) zu schulden. Die Genugtuungsforderung der M. AG wurde abgewiesen, die Mehrforderung der H. P. sowie die Schadenersatzforderungen der M. AG, der S. AG, der B. G. und der A. S. wurden auf den Zivilweg verwiesen. Schliesslich wurden dem Beurteilten die Verfahrenskosten samt einer Urteilsgebühr von CHF 9'500.-- auferlegt, die Kosten der Offizialverteidigung gingen zu Lasten des Staates.


Gegen dieses Urteil erklärte A. N. mit Datum vom 19. August 2004 die Appellation. In der Appellationsbegründung vom 1. November 2004 wurden folgende Rechtsbegehren gestellt: Der Angeklagte sei in Abänderung des Urteils des Strafgerichts Basel-Landschaft vom 5. August 2004 vom Vorwurf der Brandstiftung vollumfänglich freizusprechen und zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe zu verurteilen (Ziff. 1). Eventualiter sei eine allfällig unbedingt ausgesprochene Strafe gegen den Angeklagten in Anwendung von Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2 StGB zu Gunsten einer ambulanten Massnahme aufzuschieben (Ziff. 2). Dies alles unter o/e Kostenfolge zu Lasten des Staates. Im Falle des Unterliegens sei dem Angeklagten die unentgeltliche Prozessführung und Verteidigung zu bewilligen (Ziff. 3).


In ihrer Appellationsantwort vom 24. November 2004 beantragte die Staatsanwaltschaft die vollumfängliche Abweisung der Appellation und die Bestätigung des Urteils des Strafgerichts vom 5. August 2004 bezüglich Schuldspruch und Sanktion.



Erwägungen

1. (…)


2. (…)


3.1-3.2 (..)


3.3 (…) Das Bundesgericht hat in BGE 128 II 259 ff. erkannt, dass es sich nicht als willkürlich erweise, die Abnahme des Wangenschleimhautabstrichs (WSA) zur Erstellung eines DNA-Profils im kantonalen Recht auf die Bestimmungen zur erkennungsdienstlichen Behandlung und nicht auf diejenigen zur körperlichen Untersuchung zu stützen. Zudem erachte Art. 4 der Verordnung über das DNA-Profil-Informationssystem (EDNA-Verordnung) vom 31. Mai 2000 (SR 361.1) die Abnahme eines WSA zur Erstellung eines DNA-Profils als Massnahme des Erkennungsdienstes (BGE 128 II 272 f. E. 3.4.1). Ebenfalls eher für die Qualifizierung eines WSA als erkennungsdienstliche Massnahme spricht Art. 7 Abs. 1 lit. a des am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über die Verwendung von DNA-Profilen im Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten oder vermissten Personen (DNA-Profil-Gesetz) vom 20. Juni 2003 (SR 363), wonach auch die Polizei die nicht invasive Probenahme bei Personen sowie die Analyse der Probe zur Erstellung eines DNA-Profils anordnen kann. Gegen diese Qualifizierung kann ins Feld geführt werden, dass bei der Abnahme des WSA im Gegensatz zu anderen erkennungsdienstlichen Massnahmen immerhin menschliche Zellen entnommen werden. Im vorliegenden Fall braucht diese Frage jedoch nicht abschliessend geklärt zu werden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Abnahme des WSA lediglich eine erkennungsdienstliche Massnahme darstellt, hätte die entsprechende Anordnung gemäss § 90 Abs. 1 StPO durch das Statthalteramt als Verfahrensleitung (§ 26 Abs. 1 lit. a StPO) erfolgen müssen. § 90 Abs. 1 StPO bestimmt, dass sich die angeschuldigte Person den von der Verfahrensleitung angeordneten erkennungsdienstlichen Massnahmen zu unterziehen hat, soweit es für die Durchführung des Strafverfahrens nötig ist. Wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, ergab sich im vorliegenden Fall weder aus § 122 Abs. 1 StPO noch aus den Bestimmungen des Polizeigesetzes (PolG) vom 28. November 1996 (SGS 700) eine Legitimation der Polizei, die Abnahme des WSA anzuordnen und durchzuführen, vielmehr enthalten die §§ 1 Abs. 3 bzw. 23 Abs. 2 lit. c PolG einen Vorbehalt zu Gunsten der StPO. Nachdem der am 27. September 2002 im Zusammenhang mit einem Einbruchsdiebstahl in W. durchgeführte WSA nicht durch die zuständige Verfahrensleitung angeordnet worden war, ist er unrechtmässig erfolgt. Nicht gefolgt werden kann jedoch der Ansicht der Vorinstanz, wonach das DNA-Profil des Angeklagten gemäss Art. 15 Abs. 1 lit. a EDNA-Verordnung hätte gelöscht werden müssen. Nach Art. 15 Abs. 1 lit. a EDNA-Verordnung löschen die AFIS Services die DNA-Profile auf Verlangen der auftraggebenden Behörde, wobei diese die Löschung der nach Art. 5 erhobenen DNA-Profile anordnen muss, wenn die betroffene Person im Verlaufe des Verfahrens als Täter ausgeschlossen werden konnte. Gemäss Art. 16 Abs. 1 lit. b EDNA-Verordnung wird auf Gesuch der betroffenen Person das DNA-Profil fünf Jahre nach Einstellung des Verfahrens gelöscht, sofern dieses mangels Beweisen nicht zu einer Verurteilung wegen einer Straftat nach Art. 5 Abs. 1 führte. Demnach macht die EDNA-Verordnung hinsichtlich der Löschung des DNA-Profils eine Unterscheidung zwischen dem Ausschluss als Täter und der Einstellung des Verfahrens mangels Beweisen. Ob diese Unterscheidung aus strafprozessualer Hinsicht tatsächlich zweckmässig ist, kann zwar angezweifelt werden, ist aber vorliegend nicht zu beurteilen. In Nachachtung der gesetzlichen Unterscheidung ist im vorliegenden Fall der Polizeibericht vom 14. Oktober 2002 (act. 477) entscheidend, wonach lediglich festgehalten wird, dass keinerlei Hinweise gefunden worden seien, dass der Appellant mit dem Einbruch in das Lebensmittelgeschäft etwas zu tun habe, was keinen expliziten Ausschluss der Täterschaft des Angeklagten darstellt, sondern nur die Feststellung beinhaltet, dass zum damaligen Zeitpunkt der Angeklagte (mangels Beweisen) vorerst als Täter nicht in Frage kam. Demnach ist gestützt auf Art. 16 Abs. 1 lit. b EDNA-Verordnung der Verbleib des DNA-Profils des Appellanten im Informationssystem nicht zu beanstanden. Im Ergebnis ist damit allerdings zu konstatieren, dass das DNA-Profil des Angeschuldigten auf unzulässige Weise erlangt worden ist. Die Rüge des Appellanten, dass mangels Tatverdachts gegen ihn sein DNA-Profil zur Überprüfung der Tatortspuren gar nie auf legalem Weg erhältlich hätte gemacht werden können, ist indes unzutreffend. Im Polizeibericht vom 10. September 2003 (act. 595) ist auf S. 2 unten vermerkt, dass der Filialleiter der M. AG bereits am Brandort zu Protokoll gegeben hat, es sei immer wieder mit seinem Nachbarn, dem Angeklagten, zu Auseinandersetzungen gekommen. Es ist somit davon auszugehen, dass es nur eine Frage der Zeit gewesen wäre, bis der Appellant Gegenstand der Ermittlungen geworden wäre, wenn nicht bereits der DNA-Vergleich im Informationssystem zu einem Ergebnis geführt hätte. Ebenfalls nicht begründet ist der Vorwurf, die Einspeisung und der Vergleich des auf dem Kieselstein isolierten DNA-Profils mit anderen Daten sei gesetzeswidrig. Gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. a und Art. 4 Abs. 2 EDNA-Verordnung besteht in dieser Vorgehensweise gerade der Zweck der genannten Verordnung.


3.4 Nicht jedes vorschriftswidrig beschaffte Beweismittel darf indessen zu einem Verbot der Verwertung führen, weil sonst eine Überspitzung der Formvorschriften auf Kosten der Verbrechensaufklärung vorläge. Die neuere schweizerische Rechtsprechung hält das Gericht an, eine Interessenabwägung vorzunehmen, d.h. die Interessen des Staates an der Abklärung des Verbrechens einerseits und die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten andererseits gegeneinander abzuwägen (Robert Hauser/Erhard Schweri/Karl Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Auflage, Basel 2005, § 60 N 6; mit Hinweisen). In diesem Sinne normiert § 41 Abs. 1 StPO, dass auf unzulässige Weise erlangte Beweismittel nicht verwertet werden dürfen, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung überwiege die rechtlich geschützten Interessen der angeschuldigten Person. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) garantiert Art. 6 EMRK das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, enthält aber keine grundsätzlichen Bestimmungen über die Zulässigkeit von Beweismitteln. Dies ist in erster Linie eine Angelegenheit nationaler Gesetzgebung. Der Gerichtshof schliesst daher nicht grundsätzlich und abstrakt aus, dass rechtswidrig erlangte Beweismittel im Einzelfall zulässig sein können. Der EGMR lässt grundsätzlich auch die Verwertbarkeit eines rechtswidrig erlangten Beweismittels zu, wenn das Strafverfahren insgesamt fair ist, die Rechte der Verteidigung gewahrt bleiben und die Verurteilung nicht ausschliesslich auf dem rechtswidrig erlangten Beweismittel beruht (EuGRZ 1988 S. 390 ff.; ZBl 90/1989 S. 418 ff.). Das Gebot des fairen Verfahrens wird von der Rechtsprechung aus Art. 29 Abs. 1 BV bzw. Art. 6 Ziff. 1 EMRK abgeleitet. Als Teilgehalt dieses Gebots anerkennt das Bundesgericht ein grundsätzliches Verwertungsverbot für widerrechtliche Beweise (BGE 129 I 88 E. 4.1). Allerdings ist die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel verfassungsrechtlich nicht in jedem Fall ausgeschlossen, sondern lediglich dem Grundsatz nach (BGE 130 I 132 E. 3.2, mit Hinweisen). Der Umstand allein, dass der rechtswidrig beschaffte Beweis nicht an sich verboten ist, genügt nicht, um dessen Verwertbarkeit zuzulassen. Vielmehr ist folgende Interessenabwägung anzustellen: Je schwerer die zu beurteilende Straftat ist, umso eher überwiegt das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung das private Interesse des Angeklagten daran, dass der fragliche Beweis unverwertet bleibt (BGE 130 I 132 E. 3.2, mit Hinweisen). Demgegenüber ist das Beweismittel dann nicht verwertbar, wenn bei seiner Beschaffung ein Rechtsgut verletzt wurde, das im konkreten Fall den Vorrang vor dem Interesse an der Durchsetzung des Strafrechts verdient (ZBl 90/1989 S. 420). Zu würdigen sind mit anderen Worten ebenso das Gewicht und das Ausmass der Rechtsgüterverletzung bei der Beweisbeschaffung. Ist das Beweismittel nicht an sich verboten, so genügt eine Interessenabwägung zur Sicherstellung des verfassungsrechtlich gebotenen fairen Verfahrens. In derartigen Fällen kann nicht bereits aus dem verfahrensrechtlichen Verstoss bei der Beweisbeschaffung eine absolute Unverwertbarkeit gefolgert werden.


Im vorliegenden Fall wurde durch die unrechtmässige Entnahme des WSA zwar die körperliche Integrität des Angeklagten verletzt, dieser Vorgang stellt jedoch nur einen marginalen Eingriff in dessen Grundrechte dar und wäre ohne Weiteres durch die Anordnung der Verfahrensleitung zulässig gewesen. Demgegenüber geht es bei der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat um eine Brandstiftung. Nach der systematischen Einordnung und dem Strafrahmen handelt es sich bei der Brandstiftung gemäss Art. 221 Abs. 1 StGB um ein gemeingefährliches Delikt, das sich von der abstrakten Strafdrohung her als Verbrechen (Art. 9 Abs. 1 StGB) erweist. Unter Berücksichtigung des entstandenen grossen Sachschadens im Umfang von ca. CHF 200'000.-- am Gebäude und von weiteren ca. CHF 476'000.-- am Inventar und der Nähe des vorliegend massgeblichen Sachverhalts zur qualifizierten Brandstiftung, welche im Übrigen auch von der Staatsanwaltschaft angeklagt worden ist und nach Art. 221 Abs. 2 StGB mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren zu ahnden wäre, überwiegt das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung klarerweise die rechtlich geschützten Interessen des Angeklagten, weshalb das DNA-Profil des Appellanten zu verwerten ist, umso mehr, als dieses nicht das einzige Beweismittel bzw. Indiz darstellt (vgl. dazu unten E. 3.6).


3.5 (…)


3.6 Nicht zutreffend ist die Behauptung des Appellanten, die Verurteilung wegen Brandstiftung durch die Vorinstanz beruhe ausschliesslich auf dem rechtswidrig erlangten Beweismittel. Obwohl nicht in Abrede zu stellen ist, dass das DNA-Profil den Hauptbeweis im vorliegenden Fall darstellt, hat die Vorinstanz im angefochtenen Urteil (E. 1.6.4, S. 16-19) diverse weitere Indizien aufgeführt, welche ebenfalls mehr oder minder für eine Täterschaft des Angeklagten sprechen. Es sind dies die nachfolgenden: Der Stein stammt aus einem Bereich, in welchem er sich bis wenige Wochen vor der Tat regelmässig aufgehalten hat. Das Opfer hat ausgesagt, dass der Angeklagte schon einmal mit einem Stein aus dieser Rabatte eine Fensterscheibe in der von ihnen beiden bewohnten Liegenschaft eingeschlagen hat (act. 1067). Erst gut eine Woche vor dem Brand hatte der Appellant in einem Moment der Erregung einen Stein in Richtung des Opfers geworfen (act. 565). Nach Angaben des Opfers sei einmal der Verbindungssteg zwischen den Beinen ihres Schreibtisches angebrannt gewesen; daneben habe es Tücher und Zeitungen gehabt, die schwarz angefackelt gewesen seien (act. 1007). Einmal habe der Angeklagte ihre Papiere im Ofen verbrannt (act. 1067 f.). Der Vater des Opfers hat ausgesagt, seine Tochter habe einmal bei ihm geschlafen, weil der Angeklagte alle Scheiben der Wohnung am W. herausgeschlagen habe. Nach einem Wortwechsel habe der Angeklagte gesagt, dann gehe er es halt anzünden (act. 567, 1051). Der Angeklagte war am Abend und der Nacht vor der Tat emotional sehr angespannt. So hat er das Opfer an der Party vom 31. Mai 2003 zum ersten Mal wieder gesehen, seit er es am 23. Mai 2003 in W. gedemütigt und verletzt hatte (Fall IV der Anklageschrift). Nachdem sein Wunsch, den Rest der Nacht gemeinsam in der Liegenschaft am W. zu verbringen, vom Opfer abgelehnt wurde, schlug der Angeklagte den unbeteiligten L. R. nieder (Fall V der Anklageschrift). Das Feuer wurde am W. gelegt, wo das Opfer mit Wissen und gegen den Willen des Angeklagten die Nacht verbrachte. L. R. sagte aus, der Appellant habe die Party wenige Minuten nach dem Opfer ca. um 03:30 Uhr verlassen, als dieses am Ende der Strasse um die Ecke verschwunden sei; er sei in die gleiche Richtung gegangen (act. 985). Der Angeklagte hat kein Alibi; gemäss seinen Aussagen anlässlich der Verhandlung vor dem Strafgericht hat er gleich neben dem Tatort am W. die Nacht verbracht. Schliesslich bestehen keinerlei Hinweise auf eine andere, unbekannte Täterschaft. Nach Gesagtem ist aufgrund der Tatsache, dass auf dem im Ladeninneren gefundenen Stein DNA-Spuren des Angeklagten - und nur von ihm - sichergestellt worden sind und unter Berücksichtigung der vorgängig ausgeführten Indizien für das Kantonsgericht erstellt, dass der Appellant mit dem genannten Stein die Schaufensterscheibe eingeschlagen und anschliessend das Feuer gelegt hat.


Es ist nicht ersichtlich, inwiefern das Verfahren insgesamt nicht mehr als fair bezeichnet werden kann, wie dies vom Appellanten gerügt wird. Wie bereits ausgeführt (oben E. 3.4), genügt eine Interessenabwägung zur Sicherstellung des verfassungsrechtlich gebotenen fairen Verfahrens, wenn das unrechtmässig erlangte Beweismittel nicht an sich verboten ist. Wie der Angeklagte selbst zugeben muss, ist das aufgrund der fehlenden Anordnung durch die Verfahrensleitung unbestrittenermassen widerrechtlich erlangte Beweismittel des DNA-Profils an sich zulässig und in der StPO vorgesehen. Bezüglich des vom EGMR vorausgesetzten weiteren Kriteriums, um ein widerrechtlich erlangtes Beweismittel verwerten zu können, der Wahrung der Verteidigungsrechte, wird vom Angeklagten zu Recht nicht beanstandet, dass diese im vorliegenden Fall eingeschränkt worden seien. Das vom Appellanten bemängelte psychiatrische Gutachten von Dr. K. hat entgegen dessen Ansicht keinen Einfluss auf die Frage der Verwertbarkeit des auf unzulässige Weise erlangten Beweismittels. Die Würdigung dieses Gutachtens sowie der weiteren medizinischen Berichte erfolgt demgemäss nachfolgend (unten E. 6.3) anlässlich der Prüfung, ob die Vorinstanz den Angeklagten zu Recht in eine Heil- oder Pflegeanstalt eingewiesen hat.


4.1-4.2 (…)


5.1 Nach Ansicht des Appellanten müsse sich bei Verwertung des widerrechtlich erlangten Beweismittels das gesetzes- und verfassungswidrige Verhalten der Strafverfolgungsbehörden bei der Strafzumessung zu seinen Gunsten strafmildernd auswirken. Demgegenüber kenne nach der Meinung der Staatsanwaltschaft das Bundesrecht keine ausdrückliche Bestimmung, die vorschreibe, dass die Verwendung eines rechtswidrig erlangten Beweismittels im Rahmen der Strafzumessung strafmildernd berücksichtigt werden müsse. Sei ein Beweismittel unrechtmässig erlangt worden, müsse dies entweder zu einem Verwertungsverbot oder ausnahmsweise zu einer Verwertbarkeit aufgrund einer Interessenabwägung führen. Hingegen bleibe das Verschulden des Appellanten in jedem Fall unberührt. Daher dürfe die ausnahmsweise zulässige Verwertung auch nicht zu einer Strafmilderung führen.


Der Ansicht der Staatsanwaltschaft ist zu folgen. Zunächst kann den Strafverfolgungsbehörden kein verfassungswidriges Verhalten vorgeworfen werden. Zwar hat die Polizei beim Appellanten zu Unrecht einen WSA vorgenommen; allerdings hat dies im vorliegenden Fall lediglich die Konsequenz, dass nach § 41 Abs. 1 StPO - welcher gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts und des EGMR vor der Verfassung und der EMRK standhält - eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Staates an der Strafverfolgung und den privaten Interessen des Angeschuldigten vorzunehmen ist. Führt die Interessenabwägung nach § 41 Abs. 1 StPO dazu, dass das auf unzulässige Weise erlangte Beweismittel verwertet werden darf, wie vorliegend geschehen, hat dies keinen Einfluss auf das individuelle Verschulden des Täters bzw. die Strafzumessungskriterien. Eine anderslautende gesetzliche Bestimmung oder entsprechende Praxis existiert nicht. Nicht zu vergleichen ist der vorliegende Fall mit demjenigen, bei welchem Straftaten durch aktives Verhalten von verdeckten Ermittlern gefördert oder zumindest durch passives Verhalten geprägt werden (vgl. dazu Hans Wiprächtiger, in: Basler Kommentar, Strafgesetzbuch I, Basel 2003, N 119 ff. zu Art. 63 StGB; mit Hinweisen). Somit bringt die Verwertung des auf unzulässige Weise erlangten Beweismittels keine Strafminderung (und schon gar keine Strafmilderung) mit sich.


5.2-5.3 (…)


6.1-6.2 (…)


6.3 Nach Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB kann der Richter die Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt anordnen, wenn der Geisteszustand des Täters, der eine vom Gesetz mit Zuchthaus oder mit Gefängnis bedrohte Tat begangen hat, die damit in Zusammenhang steht, ärztliche Behandlung oder besondere Pflege erfordert und anzunehmen ist, dadurch lasse sich die Gefahr weiterer mit Strafe bedrohter Taten verhindern oder vermindern. Eine ambulante Behandlung ist möglich, sofern der Täter für Dritte nicht gefährlich ist. Dem Kantonsgericht drängen sich keine Zweifel auf, dass der Appellant psychiatrischer Betreuung bedarf. Ebenso unzweifelhaft ist, dass zwischen der psychischen Störung des Appellanten und seinen Taten ein Zusammenhang besteht. Es ist des Weiteren davon auszugehen, dass durch eine geeignete therapeutische Massnahme die Rückfallgefahr bzw. die Wahrscheinlichkeit weiterer Straftaten zumindest vermindert werden kann, was vom Appellanten auch nicht ernsthaft bestritten wird, wobei er sich allerdings eine ambulante Therapie wünscht. Zur Klärung der Frage, ob einer ambulanten oder einer stationären Therapie der Vorzug zu geben ist, liegen dem Kantonsgericht ein Gutachten vom 6. November 2003 und ein ergänzender Bericht vom 7. März 2005 von Frau Dr. med. G. K., Externe Psychiatrische Dienste (EPD) Liestal, ihre Ausführungen anlässlich der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht sowie Berichte vom 20. Dezember 2004, vom 20. Januar 2005 und vom 19. März 2005 von Dr. med. R. S., FMH Psychiatrie und Psychotherapie in M., vor. Das Gericht würdigt grundsätzlich ein psychiatrisches Gutachten frei, darf aber in Fachfragen nicht ohne triftige Gründe davon abweichen und muss Abweichungen begründen. Das Kantonsgericht erachtet das Gutachten von Dr. K. vom 6. November 2003 in Verbindung mit ihren Ausführungen vor dem Strafgericht und dem ergänzenden Bericht vom 7. März 2005 im Gegensatz zu den Berichten von Dr. S. als schlüssig, überzeugend und stringent. Dr. S. stellt zwar fest, dass er keine pathologischen Symptome habe feststellen können, welche die Diagnose einer paranoiden Persönlichkeitsstörung erklären würden. Seiner Meinung nach wäre aus medizinisch-therapeutischer Sicht eine stationäre Massnahme kontraindiziert. Eine (nachvollziehbare) Begründung dieser Ansicht lässt Dr. S. im Folgenden aber vermissen. Des Weiteren stützt sich Dr. S. in seinen (kurzen) Berichten in erster Linie bloss auf subjektive Angaben des Appellanten ab, welche zumindest teilweise nicht entscheidrelevant sind oder nicht der Wahrheit entsprechen. So seien z.B. die Straftaten in engem Zusammenhang mit dem Zusammenleben des Angeklagten mit dem Opfer zu sehen, in seinem sonstigen Lebenslauf seien keine körperlichen oder aggressiven Übergriffe auf andere Personen vorgekommen. Dies entspricht offenkundig nicht den Tatsachen, hat der Angeklagte doch am 31. Mai 2003 den völlig unbeteiligten L. R. grundlos niedergeschlagen und getreten (Fall V der Anklageschrift). Insgesamt vermögen die Berichte von Dr. S. nicht zu überzeugen. Demgegenüber begründete Dr. K. entgegen der Ansicht des Angeklagten ihre Einschätzung, dass die Indikation für eine stationäre Massnahme gegeben sei, im Gutachten vom 6. November 2003 ausführlich und nachvollziehbar. So führte sie im Wesentlichen aus, aufgrund der bewegten Biografie mit schulischem Leistungsknick in der Oberstufe, schweren Motivationsproblemen während der Lehre und späterem inkonstantem Lebenswandel mit Temporäreinsätzen und häufigem Wohnungswechsel sowie bei jahrelangem Cannabiskonsum sei von der Entwicklung einer in der Jugend einsetzenden, tiefgreifenden psycho-pathologischen Störung auszugehen. Aufgrund des aktuellen klinischen Befundes müsse beim Appellanten das Vorliegen einer mittelschweren bis schweren Persönlichkeitsstörung angenommen werden. Dabei fänden sich bei ihm verschiedene gravierende Störungsmuster, was die Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F61.0) nahe lege. Er zeige Züge einer paranoiden Persönlichkeitsstörung, einer schizoiden Persönlichkeitsstörung sowie einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ. Zwar sprächen die testpsychologischen Resultate gegen das Vorliegen einer schwereren Persönlichkeitsstörung. Dabei sei jedoch zu bedenken, dass die testpsychologischen Verfahren mehrheitlich auf der Eigenbeurteilung des Appellanten basierten. Die gut durchschnittliche Intelligenz sowie das hohe Kontrollbedürfnis könnten hier zu einer überhöhten Selbsteinschätzung beitragen. Zudem scheine die Reizabschirmung im Untersuchungsgefängnis zu einer deutlichen Stabilisierung der psychischen Situation geführt zu haben. Trotz dieser potenziell verfälschenden Faktoren bleibe der klinische Befund einer psychopathologisch auffälligen, kontrollierenden und misstrauischen Person bestehen. Ohne entsprechende therapeutische Massnahmen könne nicht mit einer Besserung in Bezug auf die Grundstörung gerechnet werden. Die Rückfallgefahr sei als hoch einzustufen, weshalb auch eine ambulante Massnahme nicht angezeigt sei. Auch eine haftbegleitende ambulante Massnahme sei aufgrund des schweren Störungsbildes nicht Erfolg versprechend. Die räumliche Trennung vom Opfer und die allgemeine Reizabschirmung im Untersuchungsgefängnis habe zu einer spürbaren Entlastung und Entspannung des Appellanten geführt, was die Indikation für eine stationäre Massnahme bekräftige. Die Persönlichkeitsstörung, wie sie mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliege, bedürfe einer intensiven psychotherapeutischen und teilweise auch medikamentösen Behandlung mit ausreichender Reizabschirmung. Ein vorheriger oder gleichzeitiger Strafvollzug würde die notwendigen therapeutischen Schritte behindern oder gar verunmöglichen, was einen entsprechenden therapeutischen Misserfolg nach sich ziehen würde. Des Weiteren hat Dr. K. ihre Einschätzung sowohl anlässlich der vorinstanzlichen Hauptverhandlung als auch in ihrem aktuellen Bericht vom 7. März 2005 - wenngleich nicht zu übersehen ist, dass sich dieser hauptsächlich nur auf ein einmaliges Explorationsgespräch sowie die vorhandenen Krankenunterlagen stützt - noch einmal im Wesentlichen bestätigt. So wird im Bericht vom 7. März 2005 insbesondere an der Diagnose der kombinierten Persönlichkeitsstörung festgehalten. Wie bereits festgestellt, neige der Appellant vornehmlich in Beziehungssituationen mit Frauen zu impulsiven und gewalttätigen Durchbrüchen. Er sei weit davon entfernt, über eine adäquate Problemeinsicht zu verfügen, womit auch seine Beteuerungen, in Zukunft keine Gewalt mehr ausüben zu wollen, auf äusserst unsicherem Boden stünden. Er sei nicht in der Lage, einen einzigen nachvollziehbaren Grund zu nennen, weshalb die Rückfallgefahr in Zukunft vermindert sein sollte. Da sich keine Veränderungen in Bezug auf die Psychopathologie, die Problemeinsicht oder die Therapiemotivation des Appellanten ableiten liessen, ergebe sich aus psychiatrischer Sicht kein einsichtiger Grund, den im Gutachten genannten Prozederevorschlag zu verwerfen. Es handle sich um eine schwere, potenziell weiterhin gefährliche Störung bei einer kaum problembewussten, wenig veränderungswilligen Person. Die Indikation für eine stationäre Massnahme bestehe somit weiterhin. Nochmals sei zu erwähnen, dass die Reizabschirmung im Rahmen der Inhaftierung zu einer Beruhigung geführt habe, was die Unterbringung in einem vom Alltag abgeschirmten, konstanten Rahmen rechtfertige.


Für das Kantonsgericht ist nicht ersichtlich, inwiefern der angefochtene Entscheid in mehrfacher Hinsicht bundesrechts- und verfassungswidrig sein soll, wie dies vom Appellanten gerügt wird. Die Gutachterin hat ihre Einschätzung nicht auf der Prämisse aufgebaut, dass der Appellant die Brandstiftung begangen habe, sie hat vielmehr diese Möglichkeit miteinbezogen; insofern kann ihr Gutachten nicht als präjudizierend bezeichnet werden. Dass die Anordnung einer ambulanten Therapie im Gutachten eine untergeordnete Rolle spielt, ist ohne Weiteres dadurch zu erklären, dass die Gutachterin der Anordnung einer stationären Therapie klarerweise den Vorzug gibt und dies ausführlich begründet; daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, das Gutachten sei fehlerhaft. Des Weiteren ist nicht zu bemängeln, dass sich die medizinische Diagnose der mittelschweren bis schweren Persönlichkeitsstörung bzw. der kombinierten Persönlichkeitsstörung nicht auf die testpsychologischen Resultate, welche auf einer Selbsteinschätzung durch den Appellanten beruhen, sondern auf den klinischen Befund der Gutachterin abstützt. Abgesehen von einer Beruhigung des Appellanten infolge der Reizabschirmung in der Untersuchungshaft hat er gemäss dem Bericht vom 7. März 2005 bisher gerade keine positive Entwicklung durchlaufen, was wiederum eine stationäre Therapie indiziert. Auch das Kantonsgericht hat anlässlich der Hauptverhandlung vom Appellanten den Eindruck gewonnen, dass dieser sich zwar grosse Mühe gibt, kontrolliert aufzutreten, aber nicht die Bereitschaft vermittelt, die Dimension seiner psychischen Probleme tatsächlich anzuerkennen; bezeichnend ist in dieser Hinsicht seine Aussage vor dem Kantonsgericht, er habe fast Angst, zu normal zu sein (Protokoll Kantonsgericht).


Gemäss der Praxis des Bundesgerichts ist die Anordnung einer stationären Behandlung auch möglich, wenn die Strafe zum Urteilszeitpunkt schon fast vollständig verbüsst ist. Hinsichtlich des Aspekts der Zweckmässigkeit einer Massnahme ist seitens des Betroffenen lediglich ein Minimum an Willen vorauszusetzen, sich einer Therapie zu unterziehen und diese nicht von vornherein kategorisch abzulehnen. An Kooperationsbereitschaft darf somit nicht allzu viel erwartet werden. Dies ergibt sich auch aus der Tatsache, dass es psychisch kranke Menschen gibt, die wegen ihrer Erkrankung nicht in der Lage sind, die Notwendigkeit und das Wesen einer Behandlung abzuschätzen (nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofs vom 14. August 2003 i.S. I. N., E. 9.4 [6S.248/2003]). Da der Appellant das Interesse bekundet, seine persönlichen Konflikte aufzuarbeiten und weiteren impulsiven Durchbrüchen und Gewaltanwendungen vorzubeugen, ist grundsätzlich von einer zumindest minimalen Kooperationsbereitschaft seinerseits bei der Durchführung der Therapie auszugehen. Nach Ausgeführtem folgt das Kantonsgericht der Einschätzung der Gutachterin, wonach im vorliegenden Fall eine ambulante Therapie zu wenig Aussicht auf Erfolg hat, vielmehr eine Behandlung im geschützten Rahmen angezeigt ist, und bestätigt demgemäss den Entscheid der Vorinstanz, die Strafe zu Gunsten einer stationären Therapie nach Art. 43 Ziff. 2 Abs. 1 StGB aufzuschieben und den Appellanten gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in eine Heil- oder Pflegeanstalt einzuweisen. Der Umstand, dass der Angeschuldigte nur noch eine verhältnismässig kurze Reststrafe zu verbüssen hat, muss bei dieser Beurteilung unmassgeblich bleiben.


7.1-7.2 (…)


8. (…)


KGE ZS vom 22. März 2005 i. S. A. N. (100 04 686 [A 161]/NEP)


Sowohl die gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde (6S.273/2005) als auch die staatsrechtliche Beschwerde (6P.96/2005) hat das Bundesgericht mit Urteil vom 10. Februar 2006 abgewiesen, soweit es darauf eingetreten ist.



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