15 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht

Aufhebung der Konkurseröffnung wegen Verfahrensmängeln


Die Konkurseröffnung setzt die rechtgültige Zustellung einer Vorladung zur Konkursverhandlung voraus. Für die Zustellung der Konkursverhandlungsanzeige ist kantonales Recht massgebend (E. 2).


Der um Eröffnung des Konkurses ersuchte Richter hat von Amtes wegen zu prüfen, ob der Zahlungsbefehl und die Konkursandrohung dem Schuldner zugegangen sind. Die fehlerhafte Zustellung eines Zahlungsbefehls bzw. einer Konkursandrohung stellt eine nichtige Betreibungshandlung dar, die von Amtes wegen jederzeit festgestellt werden kann und muss (E. 3).



Sachverhalt

Auf Konkursbegehren von X. eröffnete die Präsidentin des Bezirksgerichts Arlesheim in Betreibung Nr. … des Betreibungsamtes Arlesheim mit Urteil vom 26. April 2005 um 10.30 Uhr gegen A. den Konkurs. Mit Schreiben vom 23. Mai 2005 erklärte die Schuldnerin beim Bezirksgericht Arlesheim die Appellation gegen die Konkurseröffnung. Anlässlich der heutigen Verhandlung beantragt die Appellantin sinngemäss die Aufhebung des Konkursdekrets. Im Rahmen der Parteibefragung führt sie aus, dass sie durch das Konkursamt Arlesheim von der Konkurseröffnung erfahren und anschliessend dagegen appelliert habe. Zuvor sei sie in den Ferien gewesen und habe keine Kenntnis von der Konkursverhandlung vom 26. April 2005 gehabt. Sie könne nicht sagen, ob sie die Konkursandrohung in der fraglichen Betreibung erhalten habe.



Erwägungen

1. (...)


2. Der Entscheid über das Konkursbegehren erfolgt gemäss § 263 Ziff. 5 ZPO im summarischen Verfahren, wobei das Gericht die konkurshindernden Tatsachen in Anwendung der Untersuchungsmaxime von Amtes wegen zu beachten hat (BGE 102 Ia 155 a.E.). Als Gründe für die Aufhebung des Konkursdekrets fallen Verfahrensmängel, die rechtlich unrichtige Beurteilung des Konkursbegehrens oder, sofern die Voraussetzungen gemäss Art. 174 SchKG erfüllt sind, nachträglich eingetretene Konkursablehnungsgründe in Betracht. Als Verfahrensmängel zu werten sind z.B. die verspätete bzw. nicht formgerechte Zustellung oder gar die Unterlassung der Vorladung zur Konkursverhandlung (vgl. Rutz, Weiterziehung des Konkursdekretes, in: Schuldbetreibung und Konkurs im Wandel: FS 75 Jahre Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz, Basel 2000, S. 353). Ist eine Partei nicht bzw. nicht rechtzeitig vorgeladen worden, so kann sie auf dem Rechtsmittelweg bei der oberen Instanz die Aufhebung des Konkursdekrets verlangen; denn bei der Vorladung handelt es sich um ein Formalerfordernis der Konkurseröffnung. Für die Zustellung der Konkursverhandlungsanzeige ist nach herrschender Lehre und Rechtsprechung kantonales Recht massgebend (vgl. SchKG-Nordmann, N 8 und N 16 zu Art. 168, je mit Nachweisen). Gemäss § 64 ZPO werden die Vorladungen in doppelter Ausfertigung der Post übergeben, die eine Ausfertigung dem Adressaten aushändigt und die andere dem Gericht zurücksendet. Wenn die Postzustellung nicht möglich oder zweckmässig ist, so werden die Vorladungen nach Gerichtsgebrauch durch die Polizeiorgane zugestellt. Gemäss § 65 ZPO hat der Richter in Fällen, in welchen die Zustellung der Vorladung auf dem ordentlichen Weg nicht möglich ist, eine öffentliche Vorladung zu erlassen. Damit schliesst das kantonale Recht die Annahme einer Zustellungsfiktion bezogen auf den letzten Tag der Abholungsfrist bei der gerichtlichen Vorladung grundsätzlich aus, selbst wenn der Adressat von der Hängigkeit des Verfahrens Kenntnis hat. Allenfalls davon ausgenommen sind ausschliesslich Fälle, in welchen der Adressat die normale Zustellung nachweisbar absichtlich verhindert (vgl. Hasenböhler, Säumnis und Säumnisfolgen im basellandschaftlichen Zivilprozess, in: BJM 1973, S. 10). Nach dem Wortlaut von § 66 ZPO zeitigen mangelhafte Vorladungen grundsätzlich keine rechtliche Wirkung.


Im vorliegenden Falle trägt die Appellantin vor, von der Konkursverhandlung vom 26. April 2005 keine Kenntnis gehabt zu haben. Aus den Akten ergibt sich, dass die Gläubigerin am 31. März 2005 in Betreibung Nr. … des Betreibungsamtes Arlesheim das Konkursbegehren stellte. Das Bezirksgericht Arlesheim lud die Schuldnerin in der Folge mit Vorladung vom 5. April 2005 zur Konkursverhandlung. Nachdem die entsprechende Vorladung der Schuldnerin nicht zugestellt werden konnte, retournierte die Post die Gerichtsurkunde an das Bezirksgericht Arlesheim. Weitere Zustellversuche der Konkursverhandlungsanzeige sind nicht dokumentiert. Es liegt mithin auch kein Nachweis vor, dass die Appellantin die Zustellung der Vorladung zur erstinstanzlichen Hauptverhandlung absichtlich verhindert hätte. Das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, gelangt nach Einsichtnahme in die vorliegenden Akten und gestützt auf die heutigen Ausführungen der Appellantin zum Schluss, dass das Konkursdekret der Bezirksgerichtspräsidentin Arlesheim vom 26. April 2005 in Betreibung Nr. … des Betreibungsamtes Arlesheim ungültig und daher aufzuheben ist. Der Umstand, dass die Vorinstanz weitere allenfalls auch polizeiliche Zustellungsversuche und - als ultima ratio - die Vorladung auf dem Ediktalweg unterlassen hat, ist als klare Verletzung prozessrechtlicher Vorschriften und somit als wesentlicher Verfahrensfehler zu qualifizieren.


3. Selbst wenn die Vorladung zur Konkursverhandlung ordentlich zugestellt worden wäre, erweist sich die Konkurseröffnung über die Appellantin vom 26. April 2005 auch aus einem anderen Grunde als ungerechtfertigt. Gemäss Art. 166 Abs. 1 SchKG kann der Gläubiger nach Ablauf von 20 Tagen seit der Zustellung der Konkursandrohung unter Vorlegung dieser Urkunde und des Zahlungsbefehls beim Konkursgerichte das Konkursbegehren stellen. Der um Eröffnung des Konkurses ersuchte Richter hat von Amtes wegen zu prüfen, ob der Zahlungsbefehl und die Konkursandrohung dem Schuldner zugegangen sind. Findet das Gericht von sich aus, dass im vorangegangenen Verfahren eine nichtige Verfügung erlassen wurde, so setzt es den Entscheid in Anwendung von Art. 173 Abs. 2 SchKG aus und überweist den Fall der Aufsichtsbehörde. Liegt offensichtlich Nichtigkeit vor, so kann sie das Konkursgericht selbst vorfrageweise feststellen und das Konkursbegehren abweisen (vgl. Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 7. Aufl. 2003, § 36 Rz. 40).


Im vorliegenden Falle hat das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, mit Verfügung vom 27. Mai 2005 eine amtliche Erkundigung beim Betreibungsamt Arlesheim veranlasst, ob und wann der Schuldnerin die Konkursandrohung in der fraglichen Betreibung zugestellt worden sei. Das Betreibungsamt Arlesheim teilte dem Gericht mit Antwort vom 9. Juni 2005 im Wesentlichen mit, dass man am 13. Januar 2005 die Konkursandrohung ausgefertigt und der Post zur Zustellung übergeben habe. Nach erfolglosem Zustellversuch sei die Konkursandrohung nochmals der Post ausgehändigt worden. Nachdem auch dieser Versuch gescheitert sei, sei die Schuldnerin am 8. Februar 2005 aufgefordert worden, die Konkursandrohung auf dem Amt abzuholen. Auch diese Aufforderung sei ergebnislos geblieben, so dass am 25. Februar 2005 ein Auftrag an die Polizei zur polizeilichen Zuführung erfolgt sei. Am 8. März 2005 sei über die Schuldnerin der Konkurs eröffnet worden. Da die Konkursandrohung bis zu diesem Zeitpunkt nicht habe zugestellt werden können, sei das Gläubigerdoppel mit dem Hinweis „keine Zustellung, Konkurseröffnung 8.3.05" an den Gläubiger verschickt worden. Im Ergebnis bleibt auf Grund der amtlichen Erkundigung festzustellen, dass die Konkursandrohung vom 13. Januar 2005 in der Betreibung Nr. … der Schuldnerin und heutigen Appellantin nie zugestellt wurde. Zumal die fehlerhafte Zustellung eines Zahlungsbefehls bzw. einer Konkursandrohung eine nichtige Betreibungshandlung darstellt, die von Amtes wegen jederzeit festgestellt werden kann und muss (BGE 120 III 117 mit Hinweis auf BGE 117 III 7), hätte das Bezirksgericht Arlesheim am 26. April 2005 den Konkurs über die Schuldnerin nicht aussprechen dürfen.


4. (Kosten)


KGE ZS vom 12.7.2005 i.S. C. V. gegen A. C. (100 05 444 / LIA)



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