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Wiedererwägung der Eingrenzung


Wiedererwägungsgesuch: Voraussetzungen, in denen eine Behörde sich damit befassen muss (§ 40 VwVG, Art. 8 BV; E. 5).


Eine Ein- oder Ausgrenzung kann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht auf strafbare Handlungen bestehen oder der Betroffene die öffentliche Sicherheit und Ordnung stört oder/und fremdenpolizeiliche Vorschriften und Anordnungen missachtet (Art. 13e ANAG; E. 6 und 7).



Sachverhalt

Der aus Armenien stammende, 1978 geborene X. und die ebenfalls aus Armenien stammende, 1983 geborene Y. reisten am 23. September 2003 illegal in die Schweiz ein. Das Bundesamt für Flüchtlinge lehnte ihre Asylgesuche am 10. März 2004 ab und wies die Gesuchsteller weg. Das Beschwerdeverfahren hiergegen ist bei der Schweizerischen Asylrekurskommission hängig. Am 29. April 2004 wurde ihnen gestattet, den Entscheid in der Schweiz abzuwarten. Am 6. April 2004 grenzte das AfM X. und Y. auf das Gebiet des Bezirks Liestal ein, nachdem sie am 1. April 2004 im Zusammenhang mit zwei Ladendiebstählen in Muttenz angehalten worden waren; mit Strafbefehl vom 13. September 2004 wurden sie in diesem Zusammenhang zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 15 Tagen verurteilt. Am 19. April 2005 lehnte das AfM es ab, auf die Eingrenzung wiedererwägungsweise zurückzukommen.



Erwägungen

5. Die Verwaltungsbehörden können unter bestimmten Voraussetzungen ihre Verfügungen in Wiedererwägung ziehen. Sie sind dazu aber nur gehalten, soweit sich eine entsprechende Pflicht auf einer gesetzlichen Regelung oder einer konstanten Verwaltungspraxis ergibt (BGE 120 I b 46). Nach § 40 Abs. 1 VwVG tritt die erstinstanzlich zuständige Behörde auf ein Wiedererwägungsbegehren ein, wenn die der Verfügung zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage sich nachträglich zugunsten einer Partei wesentlich geändert hat (lit. a) oder ein Revisionsgrund gemäss Abs. 2 vorliegt (lit. b). Ein Revisionsgrund liegt vor, wenn "a. ein Verbrechen oder Vergehen den Erlass der Verfügung beeinflusst hat; b. bei Erlass der Verfügung wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt oder aktenkundig erhebliche Tatsachen nicht berücksichtigt worden sind und eine Rüge dieser Mängel im früheren Verfahren nicht möglich gewesen ist; c. erhebliche Tatsachen oder Beweismittel aufgetaucht sind, an deren Geltendmachung die Partei im früheren Verfahren ohne Verschulden verhindert gewesen ist; d. die Verfügung mit einem schweren und offensichtlichen Rechtsmangel behaftet ist" (§ 40 Abs. 2 VwVG). Überdies steht dem Einzelnen gestützt auf Art. 8 BV nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein Anspruch auf Wiedererwägung zu, wenn sich die Verhältnisse seit dem ersten Entscheid erheblich geändert haben oder wenn der Gesuchsteller Tatsachen und Beweismittel anführt, die in früheren Verfahren nicht bekannt waren oder die schon damals geltend zu machen für ihn rechtlich oder tatsächlich unmöglich war oder keine Veranlassung bestand (BGE 120 I b 42, 113 I a 151 f.). Dieser verfassungsrechtlich garantierte Wiedererwägungsanspruch hat Vorrang gegenüber entsprechenden kantonalen Vorschriften, welche die Wiedererwägung nur unter engeren Voraussetzungen zulassen (vgl. BGE 100 I b 371).


6. Gemäss Art. 13 e Abs. 1 ANAG kann die zuständige kantonale Behörde einem Ausländer, der keine Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligung besitzt und die öffentliche Sicherheit und Ordnung stört oder gefährdet, insbesondere zur Bekämpfung des widerrechtlichen Betäubungsmittelhandels, die Auflage machen, ein ihm zugewiesenes Gebiet nicht zu verlassen oder ein bestimmtes Gebiet nicht zu betreten. Für die Eingrenzungs- bzw. Ausgrenzungsmassnahmen zuständig ist grundsätzlich die Fremdenpolizei jenes Kantones, dem der Gesuchsteller für die Dauer des Asylverfahrens von den Bundesbehörden zugewiesen worden ist. Den Anwendungsbereich des hier in Frage stehenden so genannten Rayonverbots zieht das Bundesgericht weit. Die Massnahme versteht sich als disziplinarisch präventive und nicht als Sanktion für begangenes Unrecht (vgl. Botschaft zum ANAG, BBl 1994 I 327). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung können nicht nur deliktisches Verhalten und konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht der Begehung von Straftaten, sondern auch die Missachtung fremdenpolizeilicher Anordnungen als Verstoss gegen die öffentliche Ordnung der Schweiz qualifiziert werden (andreas zünd, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: ZbJV 1996, S. 94 f.).


Nach Art. 13 e Abs. 3 ANAG in Verbindung mit § 15 Abs. 2 EG ZWAR kann innert zehn Tagen gegen die Anordnung solcher Ausgrenzungs- bzw. Eingrenzungsmassnahmen vor dem Präsidium der Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht des Kantonsgerichtes Beschwerde geführt werden. Gestützt auf dieselben Bestimmungen muss für die Beurteilung der Beschwerde gegen die Anordnung der Ausgrenzung nicht zwingend eine mündliche Verhandlung angesetzt werden.


7. Es gilt im Folgenden nun zu prüfen, ob die Fremdenpolizei die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung zu Recht verneint hat. Die Beschwerdeführer machen als Rückkommensgrund geltend, dass sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Schweiz nicht gefährden würden und die gute Prognose sich in Bezug auf sie beide seit Erlass der Eingrenzungsverfügung vom 06. April 2004 bestätigt habe. Da keine anderen Rückkommensgründe dargetan werden und gestützt auf die Akten auch nicht ersichtlich sind, ist lediglich zu untersuchen, ob sich eine Wiedererwägung wegen rechtserheblicher Veränderung des Sachverhaltes rechtfertigt. Diesbezüglich muss festgehalten werden, dass die Beschwerdeführer seit Erlass der rechtskräftigen Verfügung vom 26. April 2005 wiederholt wegen Diebstahls angehalten werden mussten und sie sich auch nicht an die verhängte Ausgrenzungsmassnahme gehalten haben. Aufgrund der bisher bekannt gewordenen Delikte der Beschwerdeführer muss angenommen werden, dass der Tatbestand der Störung bzw. Gefährdung der öffentlichen Ordnung auch heute noch als erfüllt zu betrachten ist. Die verfügte Eingrenzung ist durchaus geeignet, die Gefahr von Delikten von der Art, wie sie den Beschwerdeführern zu Last gelegt werden, zu mindern, dies einerseits deswegen, weil mit der Eingrenzung ihr Bewegungsraum und damit auch der Raum, in der sie Delikte begehen können, eingeschränkt wird, und andererseits deswegen, weil ihr Verhalten im Rahmen des beschränkten Bewegungsraumes besser kontrolliert werden kann und die grössere Gefahr, erwischt zu werden, regelmässig abschreckend wirkt. Dies gilt umso mehr, als das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung zu den Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht den Anwendungsbereich für die Erfüllung des obigen Tatbestandes sehr weit auslegt. In dieser Rechtsprechung kommt auch der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, nach welchem die Schwelle für die Verhängung einer Ein- bzw. Ausgrenzungsmassnahme nicht sehr hoch anzusetzen ist. Im Übrigen erweist sich auch die Eingrenzung auf das Gebiet des Bezirks Liestal als verhältnismässig.


Zusammenfassend lässt sich nach dem Gesagten mit den Ausführungen des Amtes für Migration feststellen, dass zu Recht das Bestehen von Wiedererwägungsgründen verneint wurden, da sich seit der rechtskräftigen Eingrenzungsverfügung vom 06. April 2004 die tatsächlichen Verhältnisse überhaupt nicht verändert haben. Mithin ist die Beschwerde abzuweisen.


KGE VV vom 1.6.2005 i.S. X. und Y. (860 05 163/147)/FAM


Eine gegen dieses Urteil erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat das Bundesgericht am 8. Juli 2005 abgewiesen (2A.408/2005).



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