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Bereinigung unterschiedlich ausgestalteter Offerten


Im öffentlichen Vergabeverfahren gelten primäre Verfügungsadressaten als formell beschwert (Art. 9 BGBM; E. 1a).


Da die Beschwerdeführerin den Zuschlag erhalten würde, wenn ihrer Auffassung gefolgt würde, ist sie materiell beschwert (E. 1b).


Eine Überprüfung der Angemessenheit der Verfügung durch das Kantonsgericht ist nicht möglich (§ 45 VPO; E. 2).


Im vorliegenden Verfahren ist das kantonale Beschaffungsgesetz, nicht hingegen die Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen anwendbar (§ 7 IVöB; E. 3).


Im Zusammenhang mit der Bereinigung der Offerte zur Herstellung der Vergleichbarkeit ist der Vergabebehörde ein gewisses Ermessen zuzugestehen und dieses Ermessen kann vom Gericht grundsätzlich nicht überprüft werden. Erst wenn eine solche Bereinigung mit einer sachlich nicht haltbaren Begründung erfolgt, also Willkür vorliegt, liegt eine Rechtsverletzung vor, bei der das Gericht eingreifen kann (E. 2 und 4.a)


Es ist zulässig, eine ungewisse Kostenposition, die von einer Anbieterin nicht offeriert wurde, im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Offerten dahingehend zu bereinigen, dass diese Position nicht berücksichtigt wird (E. 4. b - d).



Sachverhalt

Die Submission für die Kontrollstichproben in den Waldungen der Gemeinden Burg, Röschenz, und Dittingen wurde von der Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion Basel-Landschaft im Amtsblatt Nr. 48 vom 25. November 2004 öffentlich ausgeschrieben. Mit Vergabeentscheid vom 20. Dezember 2004 wurden die "Einrichtung, Aufnahme und Kontrollen der Kontrollstrichproben (KSP) in den Waldungen der Gemeinden Burg, Röschenz und


Dittingen" an die Arbeitsgemeinschaft K. zum Nettopreis von Fr. 88'130.-- ohne MWST, Unvorhergesehenes und Nebenkosten vergeben. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2004 erhob das Ingenieurbüro P. Brügger gegen diesen Entscheid Beschwerde beim Kantonsgericht, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht (Kantonsgericht), und beantragte den Vergabeentscheid zu prüfen und eine Neuberechnung der Vergabe auf der Basis des "Totals der Offerte" zu veranlassen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass zur Berechnung der Punktzahl, welche die Grundlage für den Vergabeentscheid gebildet habe, beim Kriterium "Offertpreis" nicht das "Total der Offerte" zur Berechnung beigezogen worden sei, sondern das "Subtotal". Diese Berechnungsweise ändere die Punktzahl erheblich und führe zu einem falschen Vergabeentscheid. Die Differenz zwischen den beiden Beträgen "Subtotal" und "Total der Offerte" basiere im Wesentlichen auf der Addition eines Betrages "Unvorhergesehenes". Dieser Betrag sei aber rein willkürlich. Der Betrag "Unvorhergesehenes" ermögliche es dem Auftragnehmer, eine Aufbesserung des Rechnungsbetrages um einige Prozente zu erwirken, die bei der Auftragsvergabe nicht vorgesehen und somit nicht einberechnet worden seien.



Erwägungen

1. a) Gemäss § 30 in Verbindung mit § 31 lit. f BeG kann gegen eine Zuschlagsverfügung an das Verwaltungsgericht (nunmehr Kantonsgericht, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht) Beschwerde erhoben werden. Soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht, richtet sich das Verfahren nach der Verwaltungsprozessordnung (§ 30 Abs. 5 BeG). Demgemäss ist gestützt auf § 47 Abs. 1 VPO zur Beschwerde befugt, wer durch die angefochtene Verfügung oder den angefochtenen Entscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an der Änderung oder Aufhebung hat (lit. a) und jede andere Person, Organisation oder Behörde, die durch besondere Vorschrift zur Beschwerde ermächtigt ist (lit.b). Zu den sogenannt primären Verfügungsadressaten, welche formell beschwert sind, gehören bei einem öffentlichen Vergabeverfahren nach Art. 9 BGBM unter anderem die nicht berücksichtigten Mitbewerber (Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission für das öffentliche Beschaffungswesen vom 4. August 1998, in: Baurecht 1999, S. 54, S4). Die formelle Beschwer ist bei der Beschwerdeführerin folgedessen gegeben. Zu untersuchen bleibt jedoch, ob die Beschwerdeführerin materiell beschwert ist, das heisst, ob sie aus einer allfälligen Aufhebung des Zuschlags überhaupt einen praktischen Nutzen ziehen könnte (VGE vom 4. Juli 2001 [Nr. 120]).


b) Einen praktischen Nutzen aus einer Aufhebung des Zuschlags könnte die Beschwerdeführerin nur ziehen, wenn die Bewertung der Offertpreise nach ihrer Auffassung und gestützt auf die im Übrigen nicht angefochtene Bewertungsmatrix vorgenommen und sie in diesem Fall auch den Zuschlag erhalten würde. Bewertet man nun nicht das Subtotal der Offerten, sondern deren Total, so ergibt sich - unter Berücksichtigung aller übrigen Zuschlagskriterien - tatsächlich, dass die Beschwerdeführerin die meisten Punkte erhalten hätte und deshalb auch den Zuschlag beanspruchen könnte. Setzt man die Offerttotale der Beigeladenen und der Beschwerdeführerin in die Preisbewertungsformel ein, so erhielte die Beigeladene beim Preis 0,9 und die Beschwerdeführerin 1,1017 Punkte. Das Punkteverfahren würde bei der Beigeladenen gesamthaft 3,0 und bei der Beschwerdeführerin rund 3,06 Punkte ergeben, womit die Beschwerdeführerin obsiegen würde. Die Beschwerdeführerin ist somit materiell beschwert. Da auch die übrigen, formellen Beschwerdevoraussetzungen erfüllt sind, ist auf deren Beschwerden einzutreten.


2. Gemäss § 45 VPO können mit der verwaltungsgerichtlichen Beschwerde Rechtsverletzungen einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens (lit. a) sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts (lit. b) gerügt werden. Die


Überprüfung der Angemessenheit einer Verfügung ist hingegen nur in Ausnahmefällen vorgesehen, die vorliegend nicht gegeben sind (§ 45 lit. c VPO).


3. Bevor die Streitsache einer materiellen Beurteilung unterzogen werden kann, ist zu prüfen, welches Recht anwendbar ist. Insbesondere ist zu entscheiden, ob nebst dem kantonalen BeG auch die IVöB, welcher der Kanton Basel-Landschaft am 25. Januar 2000 beigetreten ist, massgebend ist. Der Anwendungsbereich dieses Konkordats ist unter anderem nach Schwellenwerten geregelt. Nach Art. 7 IVöB beträgt bei Lieferungen und Dienstleistungen der Schwellenwert, der periodisch gemäss den Vorgaben des GATT-Übereinkommens angepasst wird (vgl. Art. 4 Abs. 2 lit. c IVöB), zur Zeit Fr. 383'000.-- (vgl. Mitteilung des Interkantonalen Organs vom 4. Dezember 2000, in: Institut für Schweizerisches und Internationales Baurecht, Das Vergaberecht der Schweiz: Rechtsgrundlagen mit Rechtsprechung, Freiburg 2001, S.188). Die Offerten sämtlicher Anbieter blieben deutlich unter diesem Schwellenwert, weshalb die vorliegende Submission nicht unter deren Geltungsbereich fällt und ausschliesslich nach kantonalem Recht zu beurteilen ist. Dadurch dürfte sich aber keine wesentliche andere Rechtslage ergeben, da es sich bei der Interkantonalen Vereinbarung um eine klassische Grundsatzvereinbarung handelt, die auf kantonaler Ebene umzusetzen ist. Das kantonale Beschaffungsgesetz und die IVöB bildeten Bestandteil einer gemeinsamen Vorlage an den Landrat und bei der Ausarbeitung der Gesetzesvorlage wurde der Übereinstimmung mit den Grundsätzen der IVöB Rechnung getragen. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass die Regelungen im BeG in Übereinstimmung mit den übergeordneten Bestimmungen der IVöB stehen.


4. Im vorliegenden Verfahren ist einzig strittig, ob die Vergabebehörde zu Recht die gemäss Offertschema grundsätzlich ebenfalls zu offerierende Position "Unvorhergesehenes" bei der Preisbewertung ausgeklammert und nur die Preise für die tatsächlich feststehenden Leistungsinhalte in die Preisbewertung einbezogen hat. Nach Auffassung der Vergabebehörde und der Beigeladenen soll die Position "Unvorhergesehenes" offenbar weniger Bestandteil der zu offerierenden Leistungen, sondern vielmehr eine prophylaktische Stützung des Kostendachs für den Vertragsabschluss darstellen. Diesbezüglich sind die Submissionsunterlagen allerdings keineswegs völlig klar.


a) Die zu offerierenden Leistungen waren gemäss Ziff. 7 der Informationen zum Vorhaben netto pauschal anzubieten und entsprechen dem Kostendach. Sodann wird ausdrücklich festgehalten, dass allfällige zusätzliche Arbeiten, die sich im Verlauf der Projektbearbeitung ergeben können und nicht im Leistungsbeschrieb aufgeführt sind, vorgängig separat zu offerieren sind. Damit ist offensichtlich gemeint, dass im Zeitpunkt der Erkenntnis der Notwendigkeit von zusätzlichen Arbeiten eine separate Offerte zu erstellen ist. Die Auffassung der Vergabebehörden, wonach die von ihr schlussendlich vorgenommene Bereinigung der Offerten bereits klar in den Submissionsunterlagen vorgesehen gewesen sei, kann nach dem Gesagten nicht vollends überzeugen. Andererseits ist es wohl grundsätzlich nicht unhaltbar, unter dem Aspekt der Selektion des wirtschaftlich günstigsten Angebots, nur diejenigen Positionen in den Preisvergleich einzubeziehen, die sich gestützt auf das Vergabevorhaben auch wirklich erfüllen werden. Ob man jetzt die Ausklammerung der Position "Unvorhergesehenes" in Anbetracht des Fehlens dieser Position in der Offerte der Beschwerdeführerin als Bereinigung der Offerten im Hinblick auf deren Vergleichbarkeit erachtet oder schlechthin die Streichung einer Position im Leistungsverzeichnis annimmt, ist unbedeutend. Im Zusammenhang mit der Bereinigung der Offerte zur Herstellung der Vergleichbarkeit ist der Vergabebehörde ein gewisses Ermessen zuzugestehen und dieses Ermessen kann vom Gericht grundsätzlich nicht überprüft werden. Erst wenn eine solche Bereinigung mit einer sachlich nicht haltbaren Begründung erfolgt, also Willkür vorliegt, liegt eine Rechtsverletzung vor, bei der das Gericht eingreifen kann.


b) Das Bundesgericht hat schon festgestellt, dass das Leistungsverzeichnis Teil der Ausschreibungsunterlagen bildet und für den Auftraggeber verbindlich ist. Eine nachträgliche Änderung des Leistungsverzeichnisses, etwa durch den einseitigen Verzicht auf eine ausgeschriebene Position, sei deshalb grundsätzlich unzulässig. Dies ergebe sich - auch ohne ausdrückliche Submissionsvorschrift - schon aus den vergaberechtlichen Grundsätzen der Gleichbehandlung der Anbieter und der Transparenz des Vergabeverfahrens (BGE vom 30. Mai 2000 [2P.151/1999] mit Verweis auf BGE 125 II 100 ff. E. 7c). Ein Abänderungsverbot sei auch deshalb gerechtfertigt, weil der Submittent bei der Erstellung seines Angebots eine interne Kalkulationsfreiheit besitzen müsse. Insbesondere bei komplexen Gesamtbauwerken sei letztlich der offerierte Gesamtpreis entscheidend, während einzelne Positionen von den Anbietern rechnerisch sehr unterschiedlich beurteilt werden könnten und insofern nicht direkt miteinander vergleichbar seien. Durch den nachträglichen Verzicht auf Positionen einer gewissen Grössenordnung würde deshalb ein objektiver Gesamtpreisvergleich zwischen den in Frage kommenden Offerten verunmöglicht oder verfälscht (BGE vom 30. Mai 2000 [2P.151/1999] E. 4c).


Andererseits hat das Bundesgericht im Urteil 2P.282/2002 vom 11. Juni 2003 in E. 4.2 ebenfalls im Fall einer Streichung von zwei Positionen aus den Offerten festgehalten, es könne nicht von einem Verstoss gegen das Willkürverbot oder das Gleichbehandlungsgebot gesprochen werden. Inwieweit das Transparenzgebot berührt sein soll, sei nicht ersichtlich, weil nicht behauptet werde, dass die Bereinigung der Offerten in einer nicht voraussehbaren Weise vorgenommen worden sein soll.


Im vorliegend zu beurteilenden Fall wurde keine Streichung von Positionen im Leistungsverzeichnis vorgenommen, so dass die erwähnten Bundesgerichtsentscheide nur bedingt als Richtschnur für die Beurteilung des Falls herangezogen werden können.


c) Die Position "Unvorhergesehenes" soll nach Auffassung der Vergabebehörde nicht voraussehbaren Zusatzaufwand durch längere Schlechtwetterperioden, den Ausfall des GPS-Systems oder schlicht die Notwendigkeit der Aufnahme von weiteren Stichproben abdecken. Die bei der Ausführung einer jeden Leistungsgattung auch sonst grundsätzlich bestehenden Unwägbarkeiten und Risiken sollen offenbar ohnehin bereits im für die einzelne Leistungsgattung offerierten Preis mit enthalten sein. So jedenfalls führt dies die Beigeladene aus. Die Beschwerdeführerin macht ihrerseits geltend, sie habe bei der Position "Unvorhergesehenes" keinen Betrag eingesetzt, weil diese unvorhergesehenen Zusatzaufwände bereits in den Zwischentotalen der einzelnen Leistungsgattungen mit einkalkuliert worden seien. Relativ unwahrscheinlich ist aber, dass über die allgemeinen Risikofaktoren hinaus, die nach den Ausführungen der Beigeladenen auch von ihr in die Zwischentotale der einzelnen Leistungsgattungen einkalkuliert worden seien, die Beschwerdeführerin tatsächlich auch noch Risiken, wie etwa Ausfall des Navigationssystems oder die behördenseitige Erhöhung der zu entnehmenden Stichproben, einkalkuliert hat.


Nach dem Gesagten stellt sich die Frage, ob es sachlich noch vertretbar ist, die gestützt auf ein von der Vergabebehörde kreiertes Offertformular eingegebenen Offerten in Bezug auf eine ausdrücklich vorgesehene Position, die aber von einer Anbieterin nicht offeriert wurde bzw. nicht in Anspruch genommen wurde, im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Offerten dahingehend zu bereinigen, dass diese Position nicht berücksichtigt wird. Es hat im vorliegenden Fall somit keine Streichung einer Position stattgefunden, vielmehr hat die Vergabebehörde eine schlechthin noch ungewisse Kostenposition bei der Preisbewertung nicht berücksichtigt. Es stellt sich damit die Frage, ob es sachlich haltbar ist, im Zuge einer Bereinigung von unterschiedlich ausgestalteten Offerten nur diejenigen Leistungspositionen miteinander zu vergleichen, die auch sicher zur Ausführung gelangen und eine Position, deren Inanspruchnahme noch gar nicht feststeht, beim Preisvergleich ausser Acht zu lassen.


Unter dem Aspekt der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots, des Gleichbehandlungsgebots, des Transparenzgebots sowie des Willkürverbots erscheint das Vorgehen der Vergabebehörde sicherlich nicht unhaltbar. Es lässt sich sachlich begründen, dass Positionen, die lediglich als Sicherheitsmargen für das Kostendach geplant sind und deren Verwirklichung noch völlig ungewiss ist, beim Preisvergleich nicht berücksichtigt werden und der Vergleich sich nur auf die wirklich feststehenden und vergleichbaren Leistungsteile beschränkt. Vielmehr müsste das Abstellen auf das "Total der Offerte" - mit Einbezug der Position "Unvorhergesehenes" wie dies die Beschwerdeführerin verlangt - als unhaltbar bezeichnet werden. Dies schon allein deshalb, weil Unvorhergesehenes streng genommen gar nicht verlässlich offeriert werden und deshalb auch beim Preisvergleich nicht berücksichtigt werden kann.


d) Es wäre zwar durchaus wünschbar, dass sowohl in den Ausschreibungsunterlagen allgemein als auch im Offertformular im Speziellen klar auf die Bedeutung der Position "Unvorhergesehenes" hingewiesen wird. Diesbezüglich besteht ein gewisses Transparenzdefizit, namentlich für einen erstmalig Offerierenden. Ein willkürliches Verhalten kann in der Art und Weise, wie die Vergleichbarkeit der Offerten unter Ausklammerung der Position "Unvorhergesehenes" hergestellt wurde, jedoch nicht erblickt werden. Es gibt sachliche Gründe dafür, dass namentlich unter dem Aspekt der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots nur diejenigen Kostenpositionen miteinander verglichen werden, die auch sicher anfallen. Demzufolge ergibt sich, dass die Nichtberücksichtigung der Position "Unvorhergesehenes" beim Preisvergleich sachlich vertretbar ist, weshalb die vorliegende Beschwerde abzuweisen ist.


KGE VV vom 1. Juni 2005 i.S. P. (810 04 542)/GFD



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