1 Alters- und Hinterlassenenversicherung

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AHV-rechtliche Qualifikation der Erwerbstätigkeit von im Rahmen der Kinder- und Jugendzahnpflege tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte


Erlässt eine Ausgleichskasse auf dem Gebiet der paritätischen Beiträge eine Verfügung, so ist diese gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich im Hinblick auf die Wahrung des rechtlichen Gehörs sowohl Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu eröffnen. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind zuzulassen, wenn der Ausgleichskasse die Zustellung von Verfügungen an die Arbeitnehmer nicht mehr zugemutet werden kann. Bei einer Anzahl von 94 betroffenen Arbeitnehmern ist dieser Ausnahmetatbestand erfüllt (Art. 4, 5, 12 und 13 AHVG; E. 2).


Die im Rahmen der Kinder- und Jugendzahnpflege tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte im Kanton Basel-Landschaft üben eine selbstständige Erwerbstätigkeit im Sinne der AHV aus (Art. 5 Abs. 1 und 2, Art. Art. 9 Abs. 1 AHVG; E. 3 und 4).



Sachverhalt

Mit Verfügung vom 24. September 2004 verpflichtete die Ausgleichskasse die Einwohnergemeinde Allschwil zur nachträglichen Zahlung für die vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2003 nicht abgerechneten "Entgelte an die Schulzahnärzte". Die gegen diese Verfügung erhobene Einsprache wies die Ausgleichskasse ab. Dagegen erhob die Einwohnergemeinde Allschwil Beschwerde.



Erwägungen

1. (…)


2.a) Erlässt eine Ausgleichskasse auf dem Gebiet der paritätischen Beiträge eine Verfügung, so stellt sie eine Beitragsschuld sowohl des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers fest (Art. 4 und 5 sowie Art. 12 und 13 AHVG). Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind in gleicher Weise betroffen, weshalb die Verfügung im Hinblick auf die Wahrung des rechtlichen Gehörs grundsätzlich beiden zu eröffnen ist. Ausnahmen von diesem Grundsatz hat das EVG nur dort zugelassen, wo der Ausgleichskasse aus praktischen Gründen die Zustellung von Verfügungen an die Arbeitnehmer nicht zugemutet werden kann. Dies trifft beispielsweise zu, wenn es sich um eine grosse Anzahl von Arbeitnehmern handelt, wenn sich der Wohnsitz der Arbeitnehmer im Ausland befindet oder wenn es sich lediglich um geringfügige Beiträge handelt. Diese Grundsätze gelten nicht nur, wenn das Beitragsstatut oder die Natur einzelner Zahlungen streitig ist, sondern auch bei nachträglichen Lohnerfassungen, wenn umstritten ist, ob bestimmte Vergütungen zum massgebenden Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG gehören (BGE 113 V 4 E. 3a mit Hinweisen; Urteil A. und S. des EVG vom 19. April 2005 [H 4/05 und H 7/05] E. 3.1, Urteil S. des EVG vom 7. Februar 2003 [H 56/01] E. 4.2).


b) Hat die Ausgleichskasse die Beitragsverfügung nur dem Arbeitgeber eröffnet und hat dieser Beschwerde erhoben, so hat das kantonale Versicherungsgericht - ausser in den genannten Ausnahmefällen - entweder den Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin beizuladen oder die Sache an die Verwaltung zurückzuweisen, damit diese durch Zustellung der Beitragsverfügung an den oder die betroffenen Arbeitnehmer deren Verfahrensrechte wahrt (BGE 113 V 5 E. 4a). Eine Pflicht zur Beiladung besteht jedoch nicht (Christian Zünd, Die Beiladung im Sozialversicherungsprozess, in: Sozialversicherungsrechtstagung 2004, herausgegeben von René Schaffhauser/Franz Schlauri, St. Gallen 2004, S. 40; Kranken- und Unfallversicherung, Rechtsprechung und Verwaltungspraxis [RKUV] 2003 S. 257 E. 3.2).


c) Vorliegend hat die Ausgleichskasse die angefochtene Verfügung nur der Einwohnergemeinde Allschwil eröffnet. Gemäss den ergänzenden Abklärungen des Gerichts beim Gemeinderat Allschwil vom 26. Mai 2005 sind im hier massgebenden Zeitraum 94 Zahnärztinnen und Zahnärzte im Rahmen der Jugend- und Schulzahnpflege tätig gewesen. Es stellt sich hiermit die Frage, ob bei dieser Anzahl von betroffenen Personen ein Ausnahmefall im Sinne der Rechtsprechung vorliegt, wonach von der Zustellung der Nachforderungsverfügung an jede einzelne Zahnärztin bzw. jeden einzelnen Zahnarzt abgesehen werden darf.


Das EVG befasste sich in seinem Urteil vom 7. Februar 2003 (H 56/01) mit der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Danach erachtete es den Versand der Verfügungen an 45 Arbeitnehmer angesichts der Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung für die Ausgleichskasse als zumutbar. Es legte jedoch nicht fest, bei welcher Anzahl von Personen die Zustellung der Verfügungen an jede betroffene Person nicht mehr als zumutbar betrachtet werden kann. Vorliegend kommt das Gericht zum Schluss, dass die Grenze der Zumutbarkeit bei knapp 100 betroffenen Personen überschritten wird. Das Verschicken von 94 einzelnen Verfügungen wäre mit einem derart hohen Aufwand verbunden, welcher der Ausgleichskasse nicht mehr zuzumuten wäre. Es ist somit vom Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes auszugehen, welcher der Ausgleichskasse erlaubt, von einer Zustellung der Nachzahlungsverfügung an die betroffenen Zahnärztinnen und Zahnärzte abzusehen.


3. In materieller Hinsicht ist strittig, ob die Tätigkeiten, welche die Zahnärztinnen und Zahnärzte im Rahmen der Kinder- und Jugendzahnpflege in der Gemeinde Allschwil erbringen, als unselbstständige oder selbstständige Erwerbstätigkeit zu betrachten sind.


a) Die sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht erwerbstätiger Personen richtet sich unter anderem danach, ob das in einem bestimmten Zeitraum erzielte Erwerbseinkommen als solches aus selbstständiger oder aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit zu qualifizieren ist (Art. 5 und 9 AHVG sowie Art. 6 ff. AHVV). Nach Art. 5 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 AHVG werden vom Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit, dem massgebenden Lohn, Beiträge erhoben. Als massgebender Lohn gilt gemäss Art. 5 Abs. 2 AHVG jedes Entgelt für in unselbstständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit. Jedes Einkommen, das nicht Entgelt für in unselbstständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt, wird nach Art. 9 Abs. 1 AHVG als Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit betrachtet.


b/aa) Als unselbstständig erwerbstätig ist im Allgemeinen zu betrachten, wer von einem Arbeitgeber in betriebswirtschaftlicher bzw. organisatorischer Hinsicht abhängig ist und kein spezifisches Unternehmerrisiko trägt (vgl. BGE 110 V 78; Rechtsprechung und Verwaltungspraxis [AHI-Praxis] 5/1998 S. 230). Die Rechtsprechung umschreibt das wirtschaftliche oder arbeitsorganisatorische Abhängigkeitsverhältnis im Einzelnen wie folgt: Von unselbstständiger Erwerbstätigkeit ist auszugehen, wenn unter anderem die für den Arbeitsvertrag typischen Merkmale vorliegen, d.h. wenn die versicherte Person Dienst auf Zeit zu leisten hat, wirtschaftlich und weisungsmässig vom Arbeitgeber abhängig und während der Arbeitszeit auch in dessen Betrieb eingeordnet ist, praktisch also keine andere Erwerbstätigkeit ausüben kann. Indizien dafür sind die Pflicht zur persönlichen Arbeitserfüllung, das Vorliegen eines bestimmten Arbeitsplans, die Notwendigkeit, über den Stand der Arbeiten Bericht zu erstatten, sowie das Angewiesensein auf die Infrastruktur am Arbeitsort. Das wirtschaftliche Risiko erschöpft sich diesfalls in der alleinigen Abhängigkeit vom persönlichen Arbeitserfolg oder, bei einer regelmässig ausgeübten Tätigkeit, darin, dass bei Dahinfallen des Erwerbsverhältnisses eine ähnliche Situation einritt, wie dies beim Stellenverlust eines Arbeitnehmers der Fall ist (Rudolf Rüedi, Die Abgrenzung zwischen selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit, in: Aktuelle Fragen aus dem Beitragsrecht der AHV, herausgeben von René Schaffhauser/Ueli Kieser, St. Gallen 1998, S. 13; BGE 122 V 172 E. 3b = AHI-Praxis 1996 S. 240, 122 V 284 E. 2b).


bb) Das Hauptmerkmal der selbstständigen Erwerbstätigkeit ist das Unternehmerrisiko. Das spezifische Unternehmerrisiko wird mit der Gefahr umschrieben, die eine Person eingeht, wenn sie als Folge möglicher beruflicher Fehleinschätzungen oder von möglichem beruflichem Fehlverhalten in der Zukunft mit wirtschaftlichen Substanzverlusten beim Geschäftsvermögen rechnen muss (Hanspeter Käser, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV,


2. Auflage, Bern 1998, S. 115). Die Rechtsprechung verwendet dafür folgende Kriterien: die Tätigung von erheblichen Investitionen (Einsatz von eigenem oder fremdem Kapital), das Handeln in eigenem Namen und auf eigene Rechnung (u.a. das Tragen der Folgen von Fehlverhalten, z.B. Produktehaftung), die frei gewählte Organisation, das wirtschaftliche Risiko, die Benützung eigener Geschäftsräumlichkeiten, die Beschäftigung von Personal, das Verlustrisiko sowie das Inkasso- und Delkredererisiko. Für eine selbstständige Erwerbstätigkeit spricht sodann das gleichzeitige Tätigwerden für mehrere Kunden in eigenem Namen, ohne jedoch von ihnen abhängig zu sein (BGE 122 V 173 E. 3c, 283 E. 2b).


c) Aus diesen Grundsätzen allein lassen sich indes noch keine einheitlichen, schematisch anwendbaren Lösungen ableiten. Die Vielfalt der im wirtschaftlichen Leben anzutreffenden Sachverhalte zwingt dazu, die beitragsrechtliche Stellung eines Erwerbstätigen jeweils unter Würdigung der gesamten Umstände zu beurteilen. Weil vielfach Merkmale beider Erwerbsarten zutage treten, muss sich der Entscheid oft danach richten, welche dieser Merkmale im konkreten Fall überwiegen (vgl. BGE 123 V 163 E. 1, 122 V 283 E. 2a = AHI-Praxis 1997 S. 104, 119 V 162 E. 2 mit Hinweisen = AHI 1993 S. 217, 115 V 1, 110 V 78).


d) Die ärztliche Tätigkeit kann sowohl in selbstständiger als auch in unselbstständiger Stellung erfolgen. Die beitragsrechtliche Qualifikation bestimmt sich nach den wirtschaftlichen Gegebenheiten, unter welchen ein Arzt ein Entgelt erzielt (Zeitschrift für die Ausgleichskassen [ZAK] 1976 S. 222). Nach der Rechtsprechung gehören zum massgebenden Lohn sämtliche Vergütungen, die ein Arzt haupt- oder nebenberuflich in abhängiger Stellung erzielt. Unabhängig vom Umstand, ob die Entlöhnung als Fixum oder variabel nach Tarif erfolgt (Käser, a.a.O., S. 126). Zum Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit zählen dagegen die Einkünfte aus der eigenen Praxis. Abgrenzungsprobleme zwischen selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit stellen sich vor allem dort, wo gleichzeitig beide Tätigkeiten in einem räumlich und arbeitsorganisatorisch engen Rahmen ausgeübt werden (z.B. Behandlung stationärer Allgemein- und Privatpatienten, schulzahnärztliche Tätigkeit in der Praxis des Zahnarztes usw.). Honorare der Schulzahnärzte können Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit darstellen, etwa wenn keine Behandlungspflicht besteht und das Inkasso nicht durch die Gemeinden überwacht wird (Käser, a.a.O., S. 127).


4. Die Ausgleichskasse bezieht sich in ihrer Argumentation im Wesentlichen auf die Rz 4082 ff. der Wegleitung über den massgebenden Lohn (WML), um den unselbstständigen Charakter der Erwerbstätigkeit der für die Kinder- und Jugendzahnpflege tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte darzutun.


a) Gemäss Rz 4082 und 4083 WML gehört das Einkommen, das ein Arzt in abhängiger Stellung erzielt, zum massgebenden Lohn. Darunter fallen unter anderem Entgelte für eine aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses ausgeübte Funktion wie Schularzt und Schulzahnarzt. Ohne Bedeutung ist, ob der Arzt das Entgelt im Haupt- oder Nebenberuf (neben einer freien Praxis) erzielt, womit auch die Entgelte von nebenberuflichen Schulzahnärzten, die diese für die in amtlicher Tätigkeit vorgenommenen Reihenuntersuchungen erzielen, zum massgebenden Lohn gehören (Rz 4104 WML). Die Entgelte für eine daran anschliessende Behandlung gehören dann zum massgebenden Lohn, wenn der Schulzahnarzt verpflichtet ist, weitere Behandlungen vorzunehmen. Besteht keine solche Pflicht, ist grundsätzlich von Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit auszugehen. Im Einzelfall sprechen gemäss Rz 4105 WML folgende Merkmale für massgebenden Lohn: die direkte Bezahlung durch die Gemeinde, welche auch das Inkasso besorgt, die Oberaufsicht durch die Schulbehörde in reglementarischer und disziplinarischer Hinsicht, ein spezieller Tarif für die Schulzahnarztpflege sowie das fehlende Risiko für den Eingang der Behandlungskosten, weil das Gemeinwesen dafür haftet.


b) Bezüglich der Rechtsverbindlichkeit dieser Bestimmungen ist darauf hinzuweisen, dass die WML eine Verwaltungsweisung des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) darstellt, welche für die dem BSV unterstellte Ausgleichskasse generell verbindlich ist und den gleichmässigen Vollzug des Sozialversicherungsrechts sicher stellen soll. Sie hat aber keinen Rechtssatzcharakter, ist also für das Kantonsgericht nicht verbindlich (vgl. Thomas Locher, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 3. Auflage, Bern 2003, § 4 N 49 ff.). Das Gericht soll sie bei seiner Entscheidung aber mitberücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Es weicht aber insoweit davon ab, als sie mit diesen nicht vereinbar sind (BGE 129 V 427 f. E. 4.1).


5.a) Die Grundlage für die Beurteilung des vorliegenden Falles bildet das seit 1. Januar 1997 in Kraft stehende Kinder- und Jugendzahnpflegegesetz vom 19. September 1996. Die hier massgebenden Bestimmungen lauten wie folgt:


§ 4 Zahnärzte und Zahnärztinnen


1 Alle im Kanton praxisberechtigten Zahnärzte und Zahnärztinnen können für die Kinder- und Jugendzahnpflege tätig werden. Wollen sie dies nicht, so haben sie es dem Kantonszahnarzt oder der Kantonszahnärztin und der Standort-Gemeinde zu melden.


2 Der Regierungsrat kann Zahnärzte und Zahnärztinnen bei Bedarf verpflichten, angemessen bei der Kinder- und Jugendzahnpflege mitzuwirken.


§5 Aufsicht


1 Die Kinder- und Jugendzahnpflege steht unter der Aufsicht der Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion.


2 Die Direktion übt ihre Aufsicht durch den Kantonszahnarzt oder die Kantonszahnärztin aus.


§7 Freie Zahnarztwahl


1 Die freie Wahl unter den im Kanton niedergelassenen, der Kinder- und Jugendzahnpflege angeschlossenen Zahnärzte und Zahnärztinnen ist gewährleistet.


§8 Verantwortlichkeit und Haftpflicht


1


2 Für Behandlungsfehler haften der Zahnarzt oder die Zahnärztin. Die Gemeinden, die Schulheime und der Kanton können nicht belangt werden.


3 Die Zahnärzte oder Zahnärztinnen haben für ihre Tätigkeit in der Kinder- und Jugendzahnpflege eine ausreichende Haftpflichtversicherung abzuschliessen.


§13 Tarif


1 Die Zahnärztinnen und Zahnärzte rechnen - unter Vorbehalt von Abs. 3 - nach dem eidgenössischen Schulzahnpflege-Tarif ab.


§14 Rechnungsstellung, Rechnungskontrolle


1 Die Rechnungsstellung für subventionsberechtigte Massnahmen (§ 10) erfolgt detailliert an die Gemeinde oder an das Schulheim, wobei mehrere kleine Rechnungen nach Möglichkeit gleichzeitig einzureichen sind.


2


3 Nicht-subventionierte Massnahmen (§ 10) werden den Eltern direkt in Rechnung gestellt.


§16 Subventionsbeitrag


1 Die Eltern bleiben Schuldner für die Behandlung ihrer Kinder.


b) Aufgrund dieser Rechtslage und der von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien für die Abgrenzung zwischen selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit kommt das Gericht zum Schluss, dass bei den in der basellandschaftlichen Kinder- und Jugendzahnpflege tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte die Elemente für das Vorliegen einer selbstständigen Erwerbstätigkeit überwiegen. Das Hauptmerkmal der unselbstständigen Erwerbstätigkeit, das Untergeordneten- bzw. Abhängigkeitsverhältnis, liegt nicht vor. Die Zahnärztinnen und Zahnärzte sind weder in fachlicher noch in administrativer Hinsicht der Einwohnergemeinde Allschwil untergeordnet. Sie arbeiten in ihren eigenen Praxisräumlichkeiten, sind nicht an vorgegebene Arbeitszeiten gebunden und sind frei in der Arbeitsorganisation sowie in ihrem Arbeitsablauf. Gemäss § 5 des Kinder- und Jugendzahnpflegegesetzes besteht zwar eine Oberaufsicht über die Kinder- und Jugendzahnpflege durch die Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion bzw. die Kantonszahnärztin oder den Kantonszahnarzt. Die Bestimmung beinhaltet jedoch keine Weisungsbefugnis gegenüber den für die Einwohnergemeinde Allschwil tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte. Ein Abhängigkeitsverhältnis zur Einwohnergemeinde Allschwil ist auch deshalb zu verneinen, weil die Zahnärztinnen und Zahnärzte nicht verpflichtet sind, für die Kinder- und Jugendzahnpflege tätig zu sein. Sie können somit frei entscheiden, ob sie subventionierte Behandlungen bei der Schülerschaft vornehmen wollen. Die Ernennung eines oder mehrerer Schulzahnärzte durch einen öffentlich-rechtlichen Wahlakt, welche auf ein Abhängigkeitsverhältnis hinweisen könnte, erübrigt sich aufgrund der freien Zahnarztwahl. Die betroffenen Zahnärztinnen und Zahnärzte üben daher auch keine amtliche Funktion aus. Die Frage, wie es sich verhält, wenn der Regierungsrat ausnahmsweise Zahnärztinnen und Zahnärzte zur Mitwirkung bei der Kinder- und Jugendzahnpflege verpflichten müsste (vgl. § 4 Abs. 2 des Kinder- und Jugendzahnpflegegesetzes), kann offen gelassen werden, weil bis anhin eine solche Verpflichtung nicht ausgesprochen worden ist. Da Beanstandungen der Eltern gemäss § 14 des Kinder- und Jugendzahnpflegegesetzes direkt bei den behandelnden Zahnärztinnen und Zahnärzte vorzubringen sind und nicht etwa bei der Einwohnergemeinde, müssen jene auch keine Rechenschaft über ihre Behandlungen gegenüber der Einwohnergemeinde Allschwil ablegen. Eine gewisse Rechenschaftspflicht besteht zwar bezüglich der Rechnungsstellung (§ 14 Abs. 1 des Kinder- und Jugendzahnpflegegesetzes). Deren Bedeutung ist jedoch als derart marginal zu bezeichnen, dass daraus kein Hinweis auf das Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses abgeleitet werden kann.


Dagegen tragen die betroffenen Zahnärztinnen und Zahnärzte ein erhebliches Unternehmerrisiko. Sie verfügen über eigene Geschäftsräumlichkeiten und beschäftigen in der Regel auch Personal, welches sie in eigener Verantwortung führen. Das Risiko für finanzielle Fehldispositionen liegt in jeder Hinsicht bei ihnen. Für die Praxistätigkeit müssen sie bedeutende Investitionen tätigen und für die Fixkosten - unabhängig vom Arbeitserfolg - selbst aufkommen. Die in § 7 des Kinder- und Jugendzahnpflegegesetzes stipulierte freie Zahnarztwahl der Eltern führt dazu, dass sie nicht mit regelmässigen Behandlungen rechnen können, weshalb ihr Einkommen von der Zahl der Patientinnen und Patienten abhängt und der Art der Behandlung. Die Zahnärztinnen und Zahnärzte sind des Weiteren für Fehlbehandlungen alleine haftbar; die Behörden können von Gesetzes wegen nicht belangt werden (vgl. § 8 Abs. 2 des Kinder- und Jugendzahnpflegegesetzes).


Es ist zwar der Vorinstanz zuzustimmen, dass das wirtschaftliche Risiko der Betroffenen insofern eingeschränkt ist, als dass diese kein Inkassorisiko für ihre Behandlungen im Rahmen der Kinder- und Jugendzahnpflege tragen. Die Gemeinde zahlt die subventionierten Leistungen direkt an die Zahnärztin oder den Zahnarzt und tritt somit als Garant für die Honorare auf (vgl. dazu auch Vorlage an den Landrat vom 23. Januar 1996, S. 13 zu § 14). Das fehlende Risiko für den Eingang der Behandlungskosten beschränkt sich jedoch nur auf die subventionierten Leistungen. Das Inkasso- und Delkredererisiko für die entstandenen Unkosten und die nicht subventionierten Behandlungen liegt weiterhin bei den Zahnärztinnen und Zahnärzten.


Aufgrund dieser Sachlage rücken die Merkmale für eine unselbstständige Tätigkeit in den Hintergrund. Dieses Ergebnis stimmt auch mit den massgebenden Bestimmungen der WML überein. Bei fehlender Behandlungspflicht und Amtsfunktion ist grundsätzlich von einer selbstständigen Erwerbstätigkeit auszugehen. Es folgt daraus, dass die Honorare, welche die betroffenen Zahnärztinnen und Zahnärzte im Rahmen der Kinder- und Jugendzahnpflege beziehen, Entgelt für eine selbstständige Erwerbstätigkeit darstellen.


c) Daran vermag auch das in ZAK 1987 zitierte Urteil des EVG vom 3. März 1987 i.S. Einwohnergemeinde R. nichts zu ändern. In jenem Entscheid hatte das EVG einen Fall zu beurteilen, in welchem die Gemeinde für Entschädigungen, die sie an ein Zahnärzte-Ehepaar für schulzahnärztliche Untersuchungen und Behandlungen ausrichtete, keine Sozialversicherungsbeiträge abgerechnet hatte. Im Unterschied zur basellandschaftlichen Rechtslage wurde das Zahnärzte-Ehepaar gemäss dem kantonalen Dekret über die Schulzahnpflege von der Gemeindebehörde zu Schulzahnärzten ernannt. Sie mussten sich gegenüber der Gemeinde verpflichten, die schulzahnärztlichen Reihenuntersuchungen durchzuführen, wodurch sie eine amtliche Funktion im Rahmen der Gemeindeverwaltung ausführten. Sie unterstanden zusätzlich der Aufsicht der Schulkommission, welche ihnen Auflagen organisatorischer und administrativer Natur erteilen konnte. Da keine freie Zahnarztwahl bestand, durfte das Ehepaar zusätzlich mit regelmässigen Einnahmen aus den schulzahnärztlichen Behandlungen rechnen, womit ihr wirtschaftliches Risiko geschmälert wurde. Jener Fall ist aufgrund dieser Sachlage nicht mit dem vorliegenden zu vergleichen, weshalb die Vorinstanz daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten kann.


Der angefochtene Entscheid ist somit aufzuheben und es ist festzustellen, dass die Einwohnergemeinde Allschwil vertreten durch den Gemeinderat Allschwil für die Entgelte an die Zahnärzte für Tätigkeiten im Rahmen der Kinder- und Jugendzahnpflege keine Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen hat. Die Beschwerde ist somit gutzuheissen.


6. (…)


KGE SV vom 01.06.2005 i.S. G. (710 05 64)


Gegen diesen Entscheid hat der Beschwerdegegnerin am 8. August 2005 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Eidgenössischen Versicherungsgericht erhoben.



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