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Pflichtleistungen aus der obligatorischen Krankenversicherung


Die als Pflichtleistung von der Krankenkasse zu übernehmende intrauterine künstliche Insemination umfasst sämtliche mit der Sterilitätsbehandlung in Zusammenhang stehenden Kosten insbesondere auch diejenigen für die begleitenden Hormonbehandlungen (Anhang 1 Ziffer 3 KLV, E. 2-3).


Für die Leistungsabrechung und die darauf folgende Kostenbeteiligung sind im Entschädigungssystem nach Zeittarif abweichende Pauschalabgeltungen ohne vertragliche Vereinbarung nicht vorgesehen (E. 4a).


Damit Dritte keine Kenntnis von einer Betreibung erhalten, die aufgrund eines Urteils aufgehoben wird, kann das Betreibungsamt angewiesen werden die entsprechende Betreibung aus dem Register zu streichen (vgl. Art. 8a Abs. 3 lit. a SchKG, E. 6b).



Sachverhalt

Das Kantonsspital stellte der Krankenkasse eine Rechnung für eine bei ihm durchgeführte intrauterine künstliche Insemination. Daraufhin nahm die Krankenkasse gegenüber der Versicherten eine Leistungsabrechnung vor und verpflichtete die Versicherte Fr. 1'192.80 der sich auf insgesamt Fr. 2'690.-- belaufenden Rechnung zu begleichen. Mit dem der Behandlung zu Grunde gelegten Betrag von Fr. 250.-- seien alle drei Behandlungszyklen abgegolten. Den abweisenden Einsprachentscheid zog die Versicherte an das Kantonsgericht weiter.



Erwägungen

1. (…)


2. Die KLV regelt die Leistungen, welche von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommen bzw. nicht übernommen werden. Im Anhang 1 wird unter Ziffer 3 die künstliche Insemination als Pflichtleistung aufgeführt. Damit die künstliche Insemination als Pflichtleistung gilt, muss sie intrauterin durchgeführt werden und kann höchstens drei Behandlungszyklen pro Schwangerschaft umfassen (vgl. Art. 1 lit. b KLV). Diese Regelung gilt seit dem 1. Januar 2001.


Die grundsätzliche Leistungspflicht für die durchgeführte künstliche Insemination wird von der Beschwerdegegnerin zu Recht nicht bestritten, sodass sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen.


Strittig ist im vorliegenden Fall aber die Frage, in welcher Höhe die Kosten im Zusammenhang mit der durchgeführten künstlichen Insemination im Rahmen der Sterilitätsbehandlung zu übernehmen sind.


3.a) Das Bundesgericht hat sich im BGE 121 V 289 und 121 V 307 (Pra 85 Nr. 195) unter der Geltung des alten Rechts - d.h. vor Aufnahme der künstlichen Insemination in den Pflichtleistungskatalog - mit der Frage der Übernahme von Kosten für die künstliche Insemination auseinandergesetzt und festgestellt, dass diese im konkreten Fall eine therapeutische Massnahme des bis Ende 1995 geltenden KUVG darstelle, die Kriterien der Wissenschaftlichkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit erfülle und die Leistungspflicht sämtliche in Zusammenhang mit der Sterilitätsbehandlung (Hormonbehandlung, Kontrolluntersuchungen und künstliche Insemination) entstandenen Kosten, abzüglich Franchise und Selbstbehalt, umfasse (BGE 121 V 301 E. 8). In BGE 121 V 289 hatte das Bundesgericht Gesamtkosten in der Höhe von Fr. 4'693.35 zu beurteilen, welche sowohl die indizierte Hormonstimulation als auch die künstliche Insemination umfassten. Es kam zum Schluss, dass die Gesamtkosten von der Krankenkasse zu übernehmen seien.


b) In dem an die Beschwerdegegnerin gerichteten Bericht von Prof. Dr. med. Ch. D. G. vom 3. November 2003 wurde ausgeführt, dass im Zeitraum vom 28. Mai 2003 bis zum 25. Juni 2003 sowie im Zeitraum vom 24. August 2003 bis zum 23. September 2003 eine Behandlung mittels homologer intrauteriner Insemination durchgeführt worden sei. Die erste Insemination habe am 11. Juni 2003 (vorliegend nicht strittig) und die zweite am 5. September 2003 stattgefunden. Beide Inseminationsbehandlungen seien im Rahmen einer Gonadotropin-(Hormon)-stimulation erfolgt. Hierfür sei das Medikament Gonal-F sowie das Medikament Decapeptyl Retard eingesetzt worden. Die Überwachung sei mit Ultraschall sowie mit wiederholten Oestradiol- und Progesteronbestimmungen erfolgt. Bei der begleitenden Behandlung mit Gonal-F handle es sich um eine Pflichtleistung der Krankenkasse, die als getrennt von der intrauterinen Inseminationsbehandlung anzusehen sei.


4. Die Beschwerdegegnerin bestreitet, dass im Rahmen einer wirtschaftlichen Behandlung die den Betrag von Fr. 250.-- (exkl. Medikamente) übersteigenden Kosten nach dem KVG zu übernehmen seien.


a) Es stellt sich demnach die Frage, ob die Behandlung im vorliegenden Fall mittels einer "Pauschale" vergütet werden kann, wie dies die Beschwerdegegnerin beantragt. Der Leistungserbringer hat seiner Rechnung Taxpunkte zu Grunde gelegt, welche die Beschwerdegegnerin im System des Tiers payant übernommen hat. Es ergeben sich gestützt auf diese Umstände und die Akten keine Anhaltspunkte für eine Abweichung vom Entschädigungssystem nach Zeittarif (Art. 43 Abs. 2 lit. a KVG; vgl. zum Abrechnungssystem nach Einzelleistungstarifen Gebhard Eugster, in: Rhinow/Koller/Müller/Zimmerli [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Soziale Sicherheit, Teil Krankenversicherung, Basel/Genf/München 1998, Rz. 216, Fn. 464 und Rz. 285) bzw. darauf, dass eine Kopf-, Tages- oder Fallpauschale vereinbart worden ist. Daraus folgt, dass auch die Leistungsabrechnungen und Kostenbeteiligungen nach den Einzelleistungstarifen zu erfolgen haben.


Soweit sich die Beschwerdegegnerin somit auf den Standpunkt stellt, mit der von ihr pro Behandlung anerkannten Pauschale seien die geschuldeten Pflichtleistungen gedeckt, fehlt es an einer gesetzlichen oder vertraglichen Grundlage.


Ferner kann auch der BGE 121 V 289, welcher an dieser Stelle den Bericht Expertenkommission Humangenetik und Reproduktionsmedizin vom 19. August 1989, BBL 1989 III, S. 1042 zitiert - wonach die Kosten der künstlichen Insemination bei homologer Anwendung rund Fr. 200.-- betragen würden - nicht als Grundlage für einen Pauschalansatz dienen. Im dort genannten Zusammenhang ging es einzig um die Frage, ob die künstliche Insemination als Behandlung an sich dem Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht. Die pauschale Abgeltung der Leistung in Abweichung vom Entschädigungssystem nach Zeittarif war demgegenüber nicht Streitgegenstand, sodass die Beschwerdegegnerin aus diesem Bundesgerichtsentscheid nichts zu ihren Gunsten ableiten kann.


b) Hinsichtlich der Frage der Wirtschaftlichkeit der durchgeführten Behandlung führt Art. 56 Abs. 1 KVG aus, dass Leistungen wirtschaftlich sind, wenn sich der Leistungserbringer auf das Mass beschränkt, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist. Das Bundesgericht hat in BGE 121 V 289 festgehalten, dass die künstliche Insemination grundsätzlich dem Wirtschaftlichkeitsgebot standhält. Im konkreten Fall geht nichts anderes für die vorliegend strittige Behandlung vom 5. September 2003 hervor. So hält der behandelnde Arzt diesen Umstand in seinem Bericht vom 3. November 2003 fest, indem er ausführt, die künstliche Insemination sei im Rahmen der von der Krankenkasse festgelegten "Pauschale" von Fr. 250.--, d.h. innerhalb dieses Kostendaches, durchgeführt worden, was sich bei der Überprüfung der Taxpunktabrechnung als korrekt erweist. Die Wirtschaftlichkeit der weiteren im Zusammenhang mit der Sterilitätsbehandlung stehenden Behandlungen wurde im Übrigen nicht substantiiert bestritten.


Abgesehen davon hätte die Beschwerdegegnerin - sofern sie Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der durchgeführten Behandlung gehabt hätte - gemäss Art. 56 Abs. 2 KVG im Rahmen des Tiers payant dem Leistungserbringer die Vergütung verweigern müssen. Auf weitere Ausführungen kann daher im vorliegenden Verfahren verzichtet werden.


c) Im Weiteren machte die Beschwerdegegnerin nicht geltend, dass es sich bei der begleitenden Hormonbehandlung nicht um eine Pflichtleistung handle.


5. Der Einzelrichter kommt in Würdigung dieser Erwägungen, der vorliegenden Unterlagen und der Rechtslage zum Schluss, dass sich keine Gründe für ein Abweichen von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum alten Recht ergeben (vgl. E. 3a). Da die Behandlungen gemäss dem Bericht von Prof. Dr. med. Ch. D. G. vom 3. November 2003 ferner medizinisch indiziert waren, besteht die Leistungspflicht auch unter der neuen Rechtslage für sämtliche Kosten im Zusammenhang mit der Sterilitätsbehandlung (unter Berücksichtigung von Franchise und Selbstbehalt). Darunter fallen alle vom Kantonsspital in Rechnung gestellten Posten, insbesondere auch die neben der künstlichen Insemination erfolgten Hormonbehandlungen, welche - wie dies der behandelnde Arzt in seiner Stellungnahme ausführt - die künstliche Insemination begleitend stattgefunden haben. Die von der Krankenkasse gegenüber der Beschwerdeführerin geltend gemachten Forderung besteht demnach nicht, weshalb die Beschwerde gutzuheissen ist.


6. Die Krankenkasse hat sowohl über den materiellen Anspruch entschieden als auch ausdrücklich den Rechtsvorschlag aufgehoben.


a) Grundsätzlich dürfen Krankenkassen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts einen den Rechtsvorschlag beseitigenden Anerkennungsentscheid im Sinne von Art. 79 SchKG fällen (vgl. BGE 128 III 41 E. 2/3.1.), was im Übrigen einer langjährigen Praxis entspricht (vgl. zum Ganzen BGE 107 III 60 ff. in: Pra 70, 1981, Nr. 252 S. 678; vgl. dazu auch Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, Zürich 2003, Rz. 14 zu Art. 54).


b) Nachdem das Kantonsgericht als zuständige Beschwerdeinstanz zum Schluss gekommen ist, dass die von der Krankenkasse geltend gemachte Forderung gegenüber der Beschwerdeführerin nicht besteht, wird der vorinstanzliche Entscheid auch insofern aufgehoben als dieser den Rechtsvorschlag beseitigt hat, womit die definitive Rechtsöffnung nicht erteilt wird.


Die Beschwerdeführerin beantragte in diesem Zusammenhang, es sei die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, die Betreibung gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. c SchKG zurückzuziehen. Gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. c SchKG geben die Ämter Dritten von einer Betreibung keine Kenntnis, wenn der Gläubiger die Betreibung zurückgezogen hat. Ein Anspruch den Gläubiger zum Rückzug einer Betreibung zu verpflichten, kann aus dieser Bestimmung nicht abgeleitet werden, sodass diesem Antrag keine Folge geleistet werden kann.


Die gleiche Wirkung - nämlich dass die betreffende Betreibung im Register gestrichen wird, so dass Dritte keine Kenntnis dieser Betreibung erhalten - wird dann erzielt, wenn die Betreibung aufgrund eines Urteils aufgehoben wird (vgl. Art. 8a Abs. 3 lit. a SchKG; vgl. dazu KGSV vom 12. Januar 2005 Nr. 8 E. 6). Da der Präsident der Abteilung Sozialversicherungsrecht des Kantonsgerichts im vorliegenden Fall die Betreibung aufgehoben hat, weist er das Betreibungsamt Liestal an, die Betreibung Nr. 20501282 vom 7. März 2005 aus dem Betreibungsregister zu streichen.


7. (…)


KGE SV vom 10. November 2005 i.S. C. (730 05 152)



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