Schuldbetreibungs- und Konkursrecht

Pfändbarkeit einer zedierten Forderung


Die Pfändung von Vermögenswerten, an denen Rechte Dritter geltend gemacht werden, erfordert die einwandfreie Klärung der Rechtslage. Diesem Bedürfnis entspricht in der laufenden Vollstreckung das Widerspruchsverfahren nach Art. 106 ff SchKG. Ausnahmsweise findet kein Widerspruchsverfahren statt, wenn der Drittschuldner den Bestand oder die Höhe der Forderung, also seine Zahlungspflicht, bestreitet (E. 2.1).


Indem das Betreibungsamt Arlesheim die Abtretung der schuldnerischen Versicherungsansprüche an die Beschwerdeführerin als für das Pfändungsverfahren unbeachtlich beurteilt und die Pfändung vorbehaltlos vorgenommen hat, hat es sich über die gesetzliche Ordnung zur Klärung der Ansprüche Dritter an gepfändeten Vermögenswerten hinweggesetzt. Richtigerweise ist das Widerspruchsverfahren durchzuführen (E. 2.2).


Bei Forderungen, die nicht in ein Wertpapier gekleidet sind, wird für das einzuschlagende Widerspruchsverfahren nicht auf den Gewahrsam, sondern auf die grössere Wahrscheinlichkeit der materiellen Berechtigung des Schuldners oder des Dritten abgestellt. Dabei haben die Betreibungsbehörden aufgrund einer summarischen Prüfung der Akten zu entscheiden (E. 3).



Sachverhalt

Das Betreibungsamt Arlesheim pfändete die Altersrente des Schuldners aus der beruflichen Vorsorge. Die Drittschuldnerin teilte dem Betreibungsamt Arlesheim mit, dass die gepfändete Altersrente bereits an einen Dritten abgetreten worden sei. Das Betreibungsamt Arlesheim verfügte, dass Art. 325 OR sinngemäss auf die Abtretung von Altersrenten Anwendung finde, die Zession der Altersrente daher nicht zulässig und somit im Rahmen des Pfändungsverfahrens unbeachtlich sei. Gegen diese Verfügung erhob der Drittansprecher Beschwerde an die Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs.



Erwägungen

1. (…)


2.1 Die Pfändung von Vermögenswerten, an denen Rechte Dritter geltend gemacht werden, erfordert die einwandfreie Klärung der Rechtslage. Diesem Bedürfnis entspricht in der laufenden Vollstreckung das Widerspruchsverfahren nach Art. 106 ff SchKG. Im Widerspruchsverfahren ist es der Richter, der über die Frage entscheidet, wem der gepfändete Vermögenswert zusteht, nicht der Betreibungsbeamte. Das Widerspruchsverfahren ist von Amtes wegen in Gang zu setzen, sobald das Betreibungsamt von einer Drittansprache an dem zu pfändenden oder schon gepfändeten Vermögenswert Kenntnis erhält (vgl. Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 7. Aufl., Bern 2003, § 24 N  4 ff). Die Anmeldung des Drittanspruchs kann von einem Dritten oder vom Schuldner ausgehen; als anmeldender Dritter kommt der Drittansprecher selber oder sonst ein Dritter in Betracht, der die Sache besitzt und die Berechtigung eines anderen daran behauptet (vgl. Amonn/Walther, a.a.O., § 24 N 20).


Der Drittanspruch kann sich auch auf das Gläubiger- oder Pfandrecht an der gepfändeten Forderung beziehen (vgl. Amonn/Walther, a.a.O., § 24 N 13). Das Widerspruchsverfahren bezieht sich hier nur auf die Frage, ob die gepfändete Forderung dem Schuldner oder einem Dritten zusteht, jedoch nicht auf den Bestand und den Umfang der gepfändeten Forderung. Ausnahmsweise findet kein Widerspruchsverfahren statt, wenn der Drittschuldner den Bestand oder die Höhe der Forderung, also seine Zahlungspflicht, bestreitet. Ebenso fand nach der Praxis des Bundesgerichts zu alt Art. 325 OR (in der Fassung bis 30.06.1990) kein Widerspruchsverfahren statt bei gepfändeten Lohnguthaben, wenn der Dritte sich auf eine vom Pfändungsschuldner vorgenommene Lohnzession stützte. Diesfalls hatte das Betreibungsamt zuerst abzuklären, ob die Gläubiger die Gültigkeit der Abtretung bestritten. Traf dies zu, so pfändete es die Lohnforderung als bestrittenes Guthaben (vgl. SchKG-Staehelin, Art. 106 N 13 und 14; BGE 120 III 20 E. 4, 88 III 116 E. 1).


2.2 Im vorliegenden Fall hat die Versicherungskasse als Drittschuldnerin ihre Zahlungspflicht nicht bestritten. Bei der gepfändeten Forderung handelt es sich überdies nicht um ein Lohnguthaben im Sinne von Art. 322 ff OR. Eine Konstellation, die ausnahmsweise den Verzicht auf die Durchführung des Widerspruchsverfahrens rechtfertigt, ist nicht gegeben. Indem das Betreibungsamt Arlesheim die Abtretung der schuldnerischen Versicherungsansprüche an den Beschwerdeführer als für das Pfändungsverfahren unbeachtlich beurteilt und die Pfändung vorbehaltlos vorgenommen hat, hat es sich über die gesetzliche Ordnung zur Klärung der Ansprüche Dritter an gepfändeten Vermögenswerten hinweggesetzt. Richtigerweise ist das Widerspruchsverfahren durchzuführen.


3. Nach Art. 106 Abs. 1 SchKG ist der Anspruch des Drittansprechers in der Pfändungsurkunde vorzumerken und den Parteien des Betreibungsverfahrens besonders anzuzeigen. Bei Forderungen, die nicht in ein Wertpapier gekleidet sind, wird für das einzuschlagende Widerspruchsverfahren und insbes. für die Parteirollenverteilung im Widerspruchsprozess nicht auf den Gewahrsam, sondern auf die grössere Wahrscheinlichkeit der materiellen Berechtigung des Schuldners oder des Dritten abgestellt. Dabei haben sich die Betreibungsbehörden nicht in eine nähere Untersuchung der materiellen Rechtslage einzulassen, sondern aufgrund einer summarischen Prüfung der Akten zu entscheiden (vgl. SchKG-Staehelin, Art. 107 N 12 und 13). Im vorliegenden Fall muss für sie massgebend sein, dass der Drittansprecher eine zu seinen Gunsten ausgestellte schriftliche Verpfändungserklärung vom 14.08.2000 vorzulegen vermag, die sich nicht schon auf den ersten Blick als ungültig erweist (vgl. SchKG-Staehelin, Art. 108 N 4; BGE 88 III 57 E. 1). Damit wäre in Anwendung von Art. 108 Abs. 1 Ziff. 2 und Abs. 2 SchKG den betreibenden Gläubigern und dem Schuldner eine Frist von 20 Tagen zur Klage auf Aberkennung des Anspruchs der Beschwerdeführerin zu setzen. Die Entscheidung hierüber obliegt jedoch dem Betreibungsamt und ist im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nicht von der Aufsichtsbehörde zu treffen.


4. (…)



Entscheid AB SchKG vom 05.09.2006 i.S. R. (200 06 638/ZWH)



Back to Top