Kinderzulagen - Kinderzulagen bei Anspruchskonkurrenz

Rechtliche Grundlage für die Ausrichtung von Kinderzulagen bildet vorliegend das Kinderzulagengesetz (KZG) vom 5. Juni 1978 (§ 26 KZG; E. 2).


Anspruch auf Kinderzulagen haben alle Arbeitnehmenden, deren Arbeitgeber oder Arbeitgeberin dem KZG unterstehen (§ 4 Abs. 1 und 3 KZG; E. 3).


Das KZG bestimmt, wem bei Anspruchskonkurrenz die Kinderzulage ausbezahlt wird. Die gesetzliche Regelung ist nach konstanter Praxis des kantonalen Gerichts nicht zwingend und findet lediglich dann Anwendung, wenn es zur kollidierenden Geltendmachung einer Zulagen für dasselbe Kind durch beide Elternteile kommt (§ 5 Abs. 2 KZG; E. 4).


Erklären getrennt lebende Eltern, welche beide grundsätzlich anspruchsberechtigt wären, dass sie am bisherigen Auszahlungsmodus festhalten wollen, bleibt kein Raum für die Anwendung der kollisionsrechtlichen Bestimmungen (E.5).



Sachverhalt

Mit Verfügung vom 14. November 2005 teilte die FAK Chemie X. mit, dass er ab 1. Oktober 2005 keinen Anspruch mehr auf Kinderzulagen für seine 1986 und 1989 geborenen Kinder habe. Begründet wurde dieser Entscheid mit der Tatsache, dass X. seit 1997 von seiner Ehefrau getrennt lebe und die Kinder unter deren Obhut leben würden. Innert Frist erhob X. gegen diesen Entscheid Beschwerde beim Kantonsgericht und beantragte dessen Aufhebung. In ihrer Vernehmlassung hielt die FAK Chemie an den Ausführungen in der Verfügung fest. Weiter führte sie aus, dass die Ehefrau von X. in einem 60 % Pensum arbeite und daher selber Anspruch auf Kinderzulagen habe. Am 3. Januar 2006 wurde die Ehefrau von X. zum Verfahren beigeladen.



Erwägungen

1. (...)


2. Es ist vorliegend zu prüfen, ob der Vater oder die Mutter Anspruch auf Kinderzulagen hat.


2.1 In § 2 KGZ wird der Geltungsbereich des Gesetzes umschrieben. Darnach unterstehen alle Arbeitgeber beziehungsweise Arbeitgeberinnen mit Wohn- oder Geschäftssitz, Zweigniederlassung oder Betriebsstätte im Kanton Basel-Landschaft, sowie alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die von ihnen beschäftigt werden, dem Gesetz (§ 5 Abs. 1 lit. a und d KZG).


2.2 Der Beschwerdeführer arbeitet bei der Y. AG, welche ihren Sitz in B. hat. Die beigeladene Ehefrau ist im Alters- und Pflegeheim Z. in R. angestellt. Weil beide Arbeitgeber ihren Sitz im Kanton Basel-Landschaft haben, sind die Bestimmungen des KGZ für die Beurteilung der vorliegenden Streitsache anwendbar.


3. Gemäss § 4 Abs. 1 KZG haben alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, deren Arbeitgebende diesem Gesetz unterstehen, Anspruch auf Kinderzulagen für ihre in der Schweiz und im Ausland wohnenden Kinder. Der Doppelbezug von Kinderzulagen für das gleiche Kind ist nach § 4 Abs. 3 KZG nicht zulässig, was nicht nur innerkantonal, sondern auch im Verhältnis zu ausserkantonalen und ausländischen Gesetzgebungen zu berücksichtigen ist (vgl. KGE SV vom 6. November 2000 Nr. 444 mit Hinweis auf KGE SV vom 22. April 1992 Nr. 70).


4.1 Sind mehrere Personen für das gleiche Kind anspruchsberechtigt, so steht der Anspruch in erster Linie jener Person zu, der aufgrund gesetzlicher Bestimmungen, durch richterlichen Entscheid oder durch Vertrag zwischen den Ehegatten die Verantwortung und Fürsorge für das Kind obliegt, in zweiter Linie dem Inhaber der elterlichen Gewalt, in dritter Linie der Mutter und in vierter Linie dem Vater (§ 5 Abs. 2 KZG).


4.2 Die Bestimmung von § 5 Abs. 2 KZG entscheidet unter dem Titel Anspruchskonkurrenz, welcher von mehreren grundsätzlich berechtigten Personen die Zulage ausbezahlt wird. Sie dient damit als Entscheidgrundlage, wenn mehrere Anspruchsberechtigte für dasselbe Kind eine Zulage beanspruchen wollen. Das kantonale Gericht hat in konstanter Rechtssprechung festgehalten, dass diese Regel nicht zwingend ist, sondern lediglich dann Anwendung findet, wenn es zur kollidierenden Geltendmachung einer Zulage für dasselbe Kind durch beide Elternteile kommt. Wenn mehrere grundsätzlich Berechtigte sich über den Bezug einigen, steht es der Kasse nicht zu, vom dahingehenden gemeinsamen Antrag abzuweichen. Es entspricht dem Sinn und Zweck des Kinderzulagengesetzes, den anspruchsberechtigten Personen ein freies gemeinsames Wahlrecht einzuräumen (vgl. KGE SV vom 22. April 1992 Nr. 70; KGE SV vom 19. November 1999 Nr. 393 E. 3b).


4.3 Vor dem Hintergrund dieser Rechtssprechung ist im vorliegenden Fall zu entscheiden, was zu gelten hat, wenn Eltern, welche beide grundsätzlich zulagenberechtigt sind, ihren gemeinsamen Haushalt aufheben. Mit diesem Schritt kann sich zwar auch eine Änderung in der Rangfolge gemäss § 5 Abs. 2 KZG ergeben. Indes bleibt auch dann die Anwendung der gesetzlichen Bestimmung auf den Kollisionsfall beschränkt. Es fehlt mit anderen Worten an einer gesetzlichen Grundlage, die es der Kasse erlauben würde, von sich aus eine laufende Auszahlung an einen Elternteil einzustellen, ohne dass die Eltern gemeinsam bzw. der neu Zulagen beanspruchende Elternteil allein dies beantragt. Oft entspricht eine Weiterausrichtung an denjenigen Elternteil, der bis anhin die Zulagen bezog, dem Willen und den Interessen aller Beteiligten. So orientieren sich die Eltern bei der Regelung der Trennungsmodalitäten - insbesondere der Unterhaltsregelung - an der bisherigen Auszahlungsregelung. Gegen ein Tätigwerden der Kasse von Amtes wegen spricht neben Gründen der Privatautonomie auch der Umstand, dass der Kasse die Aufhebung des gemeinsamen Haushalts von Eltern, die Zulagen beziehen, nicht systematisch zur Kenntnis gelangt. Sie ist deshalb aus praktischen Gründen gar nicht in der Lage, für eine Ausrichtung der Zulagen zu sorgen, die stets der Rangfolge von § 5 Abs. 2 KZG entspricht.


5. Im vorliegenden Fall leben der Beschwerdeführer und die Beigeladene seit August 1997 in getrennten Haushalten und beide sind aufgrund ihrer Anstellungsverhältnisse für die Kinder A. und B. anspruchsberechtigt. Bis Ende September 2005 wurden die Kinderzulagen dem Beschwerdeführer ausgerichtet. Die Kasse hat im Rahmen ihrer Anspruchsüberprüfung im Oktober 2005 festgestellt, dass die Voraussetzungen erfüllt sind und kein Doppelbezug besteht, da die Beigeladene unbestrittenermassen nie Kinderzulagen für die Kinder A. und B. bezogen hat. Weder der Beschwerdeführer noch die Beigeladene haben einen Antrag auf Änderung des bereits seit vielen Jahren bestehenden Auszahlungsmodus gestellt. Die Kasse hätte daher, nachdem sie festgestellt hatte, dass der Anspruch des Beschwerdeführers grundsätzlich zu bejahen ist und kein Doppelbezug erfolgt, die Kinderzulagen weiterhin dem Beschwerdeführer ausrichten müssen. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gutzuheissen und die Verfügung der Kasse vom 14. November 2005 aufzuheben.


6. (...)



KGE SV vom 24.3.2006 i.S. F. (760 05 329).


Der Entscheid ist in Rechtskraft erwachen.



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