Pfändungsvollzug bei Verdienst aus selbständiger Tätigkeit

Der Betreibungsbeamte soll sich beim Pfändungsvollzug nicht nur an die Angaben des Schuldners bzw. des betreibenden Gläubigers halten, sondern zusätzlich auch persönlich nach allenfalls verwertbaren Vermögensstücken Ausschau halten. Der Schuldner kann nicht unter Hinweis auf den Schutz seiner Persönlichkeitssphäre dem Betreibungsbeamten die Auskunft verweigern (Art. 91 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG; E. 2).


Bei der Ermittlung des pfändbaren Einkommens haben die Betreibungsbehörden die massgebenden tatsächlichen Verhältnisse von Amtes wegen abzuklären. Im Rahmen der Bestimmung des Verdienstes aus selbständiger Erwerbstätigkeit ist zu prüfen, welchen Ertrag das vom Schuldner betriebene Geschäft abwirft. Das Betreibungsamt hat sich dazu die Buchhaltung


oder andere Aufzeichnungen über den Geschäftsbetrieb vorlegen zu lassen. Sollte der Schuldner keine geordnete Buchhaltung führen, so ist der Ertrag durch Vergleich mit andern, ähnlichen Geschäften, nötigenfalls durch Schätzung zu ermitteln (Art. 93 Abs. 1 SchKG; E. 3).



Erwägungen

1. ( … )


2.1 Gemäss Art. 93 Abs. 1 SchKG kann Erwerbseinkommen so weit gepfändet werden, als es nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig ist. Unter dem Begriff Erwerbseinkommen im Sinne von Art. 93 SchKG fällt jedes Einkommen, das im wesentlichen das Entgelt für persönliche Arbeit des Schuldners darstellt, gleichgültig, ob es sich dabei um eine selbständige oder um eine unselbständige Erwerbstätigkeit handelt. Zwischen der Pfändung eines aus selbständiger Erwerbstätigkeit herrührenden „Verdienstes" und der Pfändung eines durch eine unselbständige Erwerbstätigkeit verdienten „Lohnes" besteht also hinsichtlich der rechtlichen Natur des gepfändeten Gegenstandes kein Unterschied. Aber auch im Vollzug unterscheiden sich diese Massnahmen nicht grundsätzlich. Entscheidend ist in beiden Fällen die Erklärung des Betreibungsbeamten gegenüber dem Schuldner, dass ein bestimmter Betrag des Erwerbseinkommens gepfändet sei, verbunden mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass sich der Schuldner bei Straffolge jeder vom Betreibungsbeamten nicht bewilligten Verfügung über diesen Betrag zu enthalten habe (Art. 96 Abs. 1 SchKG).


2.2 Nach Art. 91 SchKG ist der Schuldner verpflichtet, der Pfändung beizuwohnen oder sich bei derselben vertreten zu lassen; ferner hat er soweit dies zu einer genügenden Pfändung nötig ist, seine Vermögensgegenstände anzugeben mit Einschluss derjenigen, welche sich nicht in seinem Gewahrsam befinden sowie seiner Forderungen und Rechte gegenüber Dritten. Die Auskunftspflicht erstreckt sich auf alle Vermögenswerte des Schuldners einschliesslich Forderungen, auch solche auf periodische Leistungen, wie Lohn- oder Rentenforderungen. Der Zweck der Auskunftspflicht besteht darin, dem Betreibungsbeamten die nötigen Grundlagen für den Pfändungsvollzug, d.h. insbesondere für die Bestimmung der pfändbaren Einkommens- und Vermögenswerte zur Verfügung zu stellen. Sofern dies zur Schätzung unbekannten künftigen Einkommens erforderlich ist, darf das Betreibungsamt auch Auskunft über das in unmittelbarer Vergangenheit erzielte Einkommen verlangen, da dies durch den Pfändungszweck gedeckt ist (vgl. Amtsbericht 1999, S. 53). Der Betreibungsbeamte soll sich beim Pfändungsvollzug daher nicht nur an die Angaben des Schuldners bzw. des betreibenden Gläubigers halten, sondern zusätzlich auch persönlich nach allenfalls verwertbaren Vermögensstücken Ausschau halten. Der Schuldner kann nicht unter Hinweis auf den Schutz seiner Persönlichkeitssphäre dem Betreibungsbeamten die Auskunft verweigern. Ein mit der Offenlegung allenfalls verbundener Eingriff in die Persönlichkeitssphäre ist vom Schuldner als Nebenwirkung eines ordnungsgemässen Pfändungsvollzugs in Kauf zu nehmen (vgl. SchKG-Lebrecht, Art. 91 N 13 f.).


3. Die Gläubiger lassen beantragen, dass der durch das Betreibungsamt A. ausgestellte Verlustschein Nr. 0 aufzuheben und die Lage des Schuldners neu zu beurteilen sei. Sie rügen sinngemäss, das Betreibungsamt A. habe sich bei der Feststellung des Einkommens des Schuldners mit dessen vagen Angaben begnügt und seine Einkommensverhältnisse nicht sorgfältig genug abgeklärt. Das Betreibungsamt A. räumt in der Vernehmlassung ein, der zuständige Pfändungsbeamte habe beim Pfändungsvollzug auf die Einkommensdeklaration des Schuldners gegenüber den Steuerbehörden über jährlich CHF 20'000.00 bzw. monatlich CHF 1'670.00 abgestellt. Bei der Ermittlung des pfändbaren Einkommens haben die Betreibungsbehörden die massgebenden tatsächlichen Verhältnisse von Amtes wegen abzuklären. Dieser Pflicht ist das Betreibungsamt A. nach dem Dafürhalten der Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs nur ungenügend nachgekommen. Gewiss wird sich das Betreibungsamt bei einer Lohnpfändung in der Regel mit der Einholung eines Lohnausweises beim Arbeitgeber des Schuldners begnügen dürfen. Im vorliegenden Fall gilt es indessen den aus selbständiger Erwerbstätigkeit herrührenden Verdienst zu bestimmen. Dabei ist zu prüfen, welchen Ertrag das vom Schuldner betriebene Geschäft abwirft. Das Betreibungsamt hat sich dazu die Buchhaltung oder andere Aufzeichnungen über den Geschäftsbetrieb, wie z. B. Auszüge aller Konti der letzten Monate, vorlegen zu lassen. Sollte der Schuldner keine geordnete Buchhaltung führen, so ist der Ertrag durch Vergleich mit andern, ähnlichen Geschäften, nötigenfalls durch Schätzung zu ermitteln. Vom Reinertrag des Geschäftes ist sodann der das Existenzminimum des Schuldners übersteigende Betrag zu pfänden. Das blosse Abstellen auf die Einkommensdeklaration gegenüber den Steuerbehörden erfüllt nach Ansicht der Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs die verlangten Voraussetzungen an eine Verdienstpfändung bei selbständiger Tätigkeit klarerweise nicht. Auch die Nachpfändung bezüglich der beiden von den Gläubigern angegebenen Postkonti am 11. Mai 2006 vermag daran nichts zu ändern, zumal das Betreibungsamt sich lediglich für das eine Konto einen Auszug für den Monat April 2006 hat vorlegen lassen. Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und der Verlustschein Nr. 0 sowie die Gebührenrechnung Nr. 0 in der Betreibung Nr. 0 sind aufzuheben. Die Sache ist zur nochmaligen, vertieften Abklärung der Einkommensverhältnisse des Schuldners an das Betreibungsamt zurückzuweisen. Das Betreibungsamt A. ist dabei insbesondere anzuweisen, nochmals einlässlich zu prüfen, welchen Ertrag das vom Schuldner betriebene Geschäft abwirft und von einem allfälligen Reinertrag des Geschäftes den das Existenzminimum des Schuldners übersteigenden Betrag zu pfänden.


4. ( … )


Entscheid der AB SchKG vom 4. Juli 2006 i.S. P. (200 06 470/LIA)



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