Fortsetzung der Betreibung

Voraussetzung für eine direkte Fortsetzung der Betreibung ohne Rechtsöffnungsverfahren nach Art. 80 SchKG ist, dass das Dispositiv der Verwaltungsverfügung mit Bestimmtheit auf die hängige Betreibung Bezug nimmt und den Rechtsvorschlag ausdrücklich als aufgehoben erklärt (Art. 79 Abs. 1 SchKG; E. 3).


Die Betreibung von Prämien der obligatorischen Unfallversicherung ist in jedem Falle auf dem Wege der Pfändung fortzusetzen, auch wenn der Gläubiger ein privates Versicherungsunternehmen ist (Art. 43 Ziff. 1 bis SchKG; E. 4).



Sachverhalt

Am 19. April 2005 erliess das Betreibungsamt S. in Betreibung Nr. 0 auf Begehren der W. mit Sitz in L. einen Zahlungsbefehl gegen die M. GmbH für eine Prämienforderung von CHF 1'700.00 nebst Zins und Kosten. Der Geschäftsführer der Schuldnerin erhob am 3. Juni 2005 rechzeitig Rechtsvorschlag. In der Folge verfügte die Gläubigerin am 29. August 2005, dass die Forderungssumme von CHF 1'790.00 zuzüglich Zinsen mit Einzahlungsschein bis 28. September 2005 zu überweisen sei. Innerhalb von 30 Tagen nach Empfang dieser Verfügung könne begründete Einsprache erhoben werden. Erfolge innert festgesetzter Frist keine Einsprache, so würden weitere Inkassoschritte eingeleitet werden. Gestützt auf diese Verfügung verlangte die Gläubigerin am 28. September 2005 die Fortsetzung der Betreibung beim Betreibungsamt S. Am 7. November 2005 stellte das Betreibungsamt S. die Konkursandrohung aus, welche am 16. November 2005 der Schuldnerschaft zugestellt wurde.



Erwägungen

1. ( … )


2. Mit der Beschwerde gemäss Art. 17 SchKG können funktionsgemäss nur Verfahrensfehler des Betreibungsamtes gerügt werden. Das Betreibungsamt ist verpflichtet, die Konkursandrohung entsprechend dem Fortsetzungsbegehren zu erlassen, wenn sich dieses auf einen unbestrittenen Zahlungsbefehl oder ein richterliches Urteil stützt und bei der Einreichung des Fortsetzungsbegehrens die Fristen gemäss Art. 88 SchKG eingehalten wurden. In der auf Geldzahlung gerichteten Zwangsvollstreckung gemäss Art. 38 Abs. 1 SchKG bildet denn auch weder die Forderung selbst noch der sie allenfalls verkörpernde Titel den Vollstreckungstitel, sondern einzig der in Rechtskraft erwachsene Zahlungsbefehl (vgl. BGE 113 III 3). Ein Verfahrensfehler läge z.B. dann vor, wenn die Konkursandrohung aufgrund eines verfrühten oder eines verspäteten Fortsetzungsbegehrens oder für einen höheren Betrag ausgestellt würde als denjenigen, der im Zahlungsbefehl verlangt worden ist, oder wenn gegen einen nicht der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldner eine Konkursandrohung erlassen würde. Hingegen bleibt die Entscheidung über den materiellrechtlichen Bestand der Forderung dem ordentlichen Richter vorbehalten.


3.1 Die Beschwerdeführerin rügt sinngemäss, dass die Konkursandrohung ausgestellt worden sei, ohne dass der Rechtsvorschlag durch ein Gericht beseitigt worden sei. Gemäss Art. 79 Abs. 1 SchKG hat ein Gläubiger, gegen dessen Betreibung Rechtsvorschlag erhoben worden ist, den Anspruch im ordentlichen Prozess oder im Verwaltungsverfahren geltend zu machen. Er kann die Fortsetzung der Betreibung nur aufgrund eines rechtskräftigen Entscheids erwirken, der den Rechtsvorschlag ausdrücklich beseitigt. Nach dem mit der Revision von 1994 eingefügten Wortlaut, welcher einer langjährigen Praxis entspricht, kann die Verwaltungsbehörde, welche für die Beurteilung von in Betreibung gesetzten Ansprüchen des öffentlichen Rechts zuständig ist, mit ihrem materiellen Entscheid zugleich den Rechtsvorschlag beseitigen, wobei Verwaltungsbehörde auch die erstinstanzlich verfügende Behörde ist (vgl. Bundesrätliche Botschaft über die Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs [SchKG] vom 8. Mai 1991, BBl 1991 III S. 64; SchKG-Staehelin, N 14 zu Art. 79 SchKG). Auf dem Gebiet der Sozialversicherung ergibt sich daraus, dass die Unfallversicherer für ihre Prämienrechnungen auch ohne rechtskräftigen Rechtsöffnungstitel die Betreibung einleiten, im Falle des Rechtsvorschlags nachträglich eine formelle Verfügung erlassen und nach Eintritt der Rechtskraft derselben die Betreibung fortsetzen können. Voraussetzung für eine direkte Fortsetzung der Betreibung ohne Rechtsöffnungsverfahren nach Art. 80 SchKG ist allerdings, dass das Dispositiv der Verwaltungsverfügung mit Bestimmtheit auf die hängige Betreibung Bezug nimmt und den Rechtsvorschlag ausdrücklich als aufgehoben erklärt (BGE 119 V 331 mit Hinweisen).


3.2 Die Schuldnerin hat in der Betreibung Nr. 0 des Betreibungsamtes S. am 3. Juni 2005 rechtzeitig Rechtsvorschlag erhoben. Am 29. August 2005 erliess die Gläubigerin eine Verfügung mit folgendem Inhalt: „Die Forderungssumme von CHF 1'790.00 ist uns mit beiliegendem Einzahlungsschein bis am 28.09.2005 zzgl. Zinsen zu überweisen. Innerhalb von 30 Tagen nach Empfang dieser Verfügung können Sie bei dem Vertreter des Gläubigers Einsprache erheben; sie ist zu begründen (UVG 105, Abs. 1). Erfolgt in der festgesetzten Frist keine begründete Einsprache, werden wir weitere Inkassoschritte gegen Sie einleiten". Aus dem dargestellten Text der Verfügung geht nicht hervor, dass der Rechtsvorschlag der Schuldnerin ausdrücklich als beseitigt erklärt wird, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und nach Art. 79 SchKG unabdingbare Voraussetzung für die direkte Fortsetzung der Betreibung ohne Rechtsöffnungsverfahren ist. Es ist deshalb festzustellen, dass der Rechtsvorschlag der Schuldnerin in der Betreibung Nr. 0 nicht beseitigt wurde und infolgedessen keine formal korrekte Verfügung vorlag. Das Betreibungsamt S. hätte mithin das Fortsetzungsbegehren vom 28. September 2005 zurückweisen müssen. In Gutheissung der Beschwerde der Schuldnerin ist daher die Konkursandrohung vom 7. November 2005 aufzuheben.


4. Gemäss Art. 43 Ziff. 1 bis SchKG ist die Konkursbetreibung in jedem Fall ausgeschlossen für Prämien der obligatorischen Unfallversicherung. Diese Ergänzung von Art. 43 SchKG wurde auf den 1. Juli 2004 in Kraft gesetzt und bezweckte die rechtsgleiche Behandlung der Unfallversicherer. Weil die obligatorische Unfallversicherung nicht nur von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt und den öffentlichen Unfallversicherungskassen, sondern auch von Privatversicherungen angeboten werden (Art. 58 UVG), entstand bezüglich der anwendbaren Betreibungsart eine Ungleichbehandlung, die es zu beseitigen galt. Nunmehr ist die Betreibung von Prämien der obligatorischen Unfallversicherung auch dann in jedem Falle auf dem Wege der Pfändung fortzusetzen, wenn der Gläubiger ein privates Versicherungsunternehmen ist (vgl. BBl 2002; S. 7107 ff.) Die Gläubigerin W. ist als privates Versicherungsunternehmen zum Betrieb der Unfallversicherung zugelassen und ist zur Durchsetzung ihrer Prämienforderungen nicht mehr auf den Weg der Konkursbetreibung zu verweisen. Die Fortsetzung der Betreibung Nr. 0 auf dem Wege des Konkurses erweist sich daher auch aus diesem Grunde als falsch und die Konkursandrohung vom 7. November 2005 ist aufzuheben.


5. ( … )


Entscheid der AB SchKG vom 21. Februar 2006 i.S. S. (200 05 1055/LIA)



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