Strafrecht

Alternativen zum Vollzug der aufgeschobenen Freiheitsstrafe nach Aufhebung einer ambulanten Massnahme


Die vollständige Verbüssung der ausgefällten Zuchthausstrafe durch den Beurteilten bedeutet nicht, dass damit jeder Massnahme die Grundlage entzogen wäre. Massnahmen im Sinne von Art. 56 ff StGB werden auf unbestimmte Dauer angeordnet und können den Strafvollzug überdauern. Ihre Dauer hängt einzig vom Zustand des Täters und der Gefahr weiterer strafbarer Handlungen ab. Art. 63b Abs. 5 StGB sieht nach seinem Wortlaut einzig vor, dass anstelle des Strafvollzugs eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59-61 StGB angeordnet werden kann. Bereits die Rechtsprechung zum bisherigen Recht hat anerkannt, dass es möglich ist, bei erfolglos stationär oder ambulant durchgeführten Massnahmen eine andere oder erneut auch eine gleichartige Massnahme anzuordnen. Diese Rechtsprechung ist für das neue Recht zu bestätigen (E. 2).


Fehlt es an geeigneten Vollzugseinrichtungen, ist von einer stationären Massnahme abzusehen (E. 3).



Erwägungen

1. Gemäss Ziff. 2 Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderungen des StGB vom 13.12.2002 sind die Bestimmungen des neuen Rechts über die Massnahmen und über den Massnahmenvollzug auch auf die Täter anwendbar, die vor deren Inkrafttreten eine Tat begangen haben oder beurteilt worden sind. Gemäss Art. 63b Abs. 5 StGB kann das Gericht nach der Aufhebung einer ambulanten Massnahme wegen Erfolglosigkeit an Stelle des Strafvollzugs eine stationäre therapeutische Massnahme nach den Art. 59-61 StGB anordnen, wenn zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer, mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnen. Zuständig ist dasjenige Gericht, das die Massnahme angeordnet hat. Zufolge des am 20.08.2002 durch die Fünferkammer des Kantonsgerichts Basel-Landschaft gesprochenen Sachurteils ist die Zuständigkeit zu bejahen.


2. Das Kantonsgericht hat im Folgenden zu prüfen, ob die aufgehobene ambulante psychiatrische Behandlung durch eine andere Massnahme zu ersetzen ist oder ob die Behandlung des Beurteilten nicht mehr weiter zu führen ist. Die vollständige Verbüssung der ausgefällten Zuchthausstrafe durch den Beurteilten bedeutet nicht, dass damit jeder Massnahme die Grundlage entzogen wäre. Massnahmen im Sinne von Art. 56 ff StGB werden auf unbestimmte Dauer angeordnet und können den Strafvollzug überdauern. Ihre Dauer hängt einzig vom Zustand des Täters und der Gefahr weiterer strafbarer Handlungen ab. Sie werden somit ohne Rücksicht auf Art und Dauer der ausgesprochenen Strafe durchgeführt (vgl. BGE 6S.314/2006 E. 2.2, 128 I 189 E. 2.3.2, 123 IV 105 E. 3.c, BSK StGB I-Heer Art. 43 N 205).


Eine Massnahme ist gemäss Art. 56 Abs. 1 StGB anzuordnen, wenn eine Strafe allein nicht geeignet ist, der Gefahr weiterer Straftaten des Täters zu begegnen, ein Behandlungsbedürfnis des Täters besteht oder die öffentliche Sicherheit dies erfordert, und die Voraussetzungen der Art. 59-61, 63 oder 64 StGB erfüllt sind. Weiter fordert das Gesetz in Art. 56 Abs. 3 StGB eine sachverständige Begutachtung hinsichtlich der Notwendigkeit und der Erfolgsaussichten einer Behandlung des Täters, der Art und der Wahrscheinlichkeit weiterer möglicher Straftaten und der Möglichkeiten des Vollzugs der in Betracht kommenden Massnahme. Das setzt eine Expertise neueren Datums voraus (vgl. Stratenwerth, Handkommentar StGB, Art. 56 N 6). Ferner darf die Anordnung oder Fortführung einer Massnahme laut Art. 56 Abs. 2 StGB im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit und Schwere weiterer Straftaten nicht unverhältnismässig sein (vgl. Stratenwerth, Handkommentar StGB, Art. 56 N 8).


Art. 63b Abs. 5 StGB sieht nach seinem Wortlaut einzig vor, dass anstelle des Strafvollzugs eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59-61 StGB angeordnet werden kann. Gemäss konstanter Rechtsprechung zum bisherigen Recht war es möglich, bei erfolglos stationär oder ambulant durchgeführten Massnahmen eine andere oder erneut auch eine gleichartige Massnahme anzuordnen. Begründet wurde diese Rechtsprechung mit dem Ziel einer einzelfall- und situationsgerechten Anwendung des komplexen Massnahmenrechts, gefolgert aus dem Sinn und Zweck der ganzen Regelung, die flexibel sein soll (vgl. BGE 123 IV 105 E. 3.c und dort zit. Urteile). Die neuen Bestimmungen des allgemeinen Teils des StGB haben am genannten Zweck des Massnahmenrechts nichts geändert. Zudem erscheint es auch nach dem Grundsatz "a maiore ad minus" zulässig, anstelle der stärker in die Persönlichkeit des Betroffenen eingreifenden stationären therapeutischen Massnahme erneut eine ambulante therapeutische Massnahme anzuordnen.


Die besonderen Voraussetzungen einer therapeutischen Massnahme sind, dass der Täter u.a. psychisch schwer gestört ist und ein Verbrechen oder Vergehen (Art. 59 StGB) bzw. eine mit Strafe bedrohte Tat (Art. 63 StGB) verübt hat, die mit seinem Zustand in Zusammenhang steht, und dass zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Taten begegnen.


3. Gestützt auf die heutigen Ausführungen des Sachverständigen geht das Kantonsgericht davon aus, dass trotz leichter Entspannung der Situation weiterhin eine erhebliche Gefahr weiterer gleichartiger Straftaten besteht. Diese ist namentlich hinsichtlich der Ehefrau des Beurteilten vorhanden und muss ernst genommen werden. Im Gutachten vom 24.04.2001 wurde eine somatoforme Schmerzstörung F 45.4 nach ICD 10, der eine psychische Instabilität zugrunde lag, diagnostiziert und festgestellt, dass die Anlasstat mit dieser psychischen Störung in Zusammenhang stand (vgl. Verfahrensakten Nr. 60-01/595 S. 69f/11 ff). Die Behandlungsbedürftigkeit hat der Gutachter nachvollziehbar mit dem Andauern dieser geistig mangelhaften Entwicklung des Beurteilten und mit dem Fortbestehen des Konfliktfelds mit der Ehefrau sowie mit dem kaum veränderten Konfliktverhalten des Beurteilten begründet.


Die Empfehlung des Gutachters, trotz begrenzter Therapierbarkeit und Therapiewilligkeit des Beurteilten eine therapeutische Behandlung mit dem ersten Ziel der Motivationsbeschaffung weiter zu führen, wird vom Gericht geteilt. Der Beurteilte hat im Vorfeld der heutigen Verhandlung an mehreren Gesprächen bei den Externen Psychiatrischen Diensten teilgenommen, so dass seine heute geäusserte Bereitschaft zur Kooperation glaubhaft ist. Die den Strafvollzug begleitende ambulante psychiatrische Therapie hat bloss während rund 6 Monaten stattgefunden, womit die bestehenden Therapiemöglichkeiten beim Beurteilten nicht voll ausgeschöpft worden sind.


Für eine stationäre therapeutische Massnahme fehlt es an geeigneten Vollzugseinrichtungen. Hingegen hat der Gutachter aufgezeigt, dass eine ambulante therapeutische Massnahme z.B. in den Externen Psychiatrischen Diensten durchführbar ist. Gemäss seinen Empfehlungen sind in die Gesprächstherapie mit einer forensisch erfahrenen Fachperson neben dem Beurteilten auch dessen Ehefrau und allenfalls die Kinder einzubeziehen. Das Gericht schliesst sich auch der Einschätzung des Gutachters, dass durch diese Erfassung des Kontaktes zwischen ihm und seinen Familienmitgliedern am ehesten die Gefahr weiterer gleichartiger Straftaten reduziert werden kann, an. Angesichts der geringen Eingriffsintensität einer ambulanten therapeutischen Massnahme ist deren Verhältnismässigkeit ohne weiteres zu bejahen.


Daher ist bis zum Vollzug der Ausweisung des Beurteilten aus der Schweiz anstelle der mit Verfügung der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion vom 26.05.2005 aufgehobenen ambulanten psychiatrischen Behandlung eine ambulante therapeutische Massnahme nach Art. 63 StGB im obigen Sinne anzuordnen. Weiter ist hier der Wunsch und die dringliche Empfehlung des Kantonsgerichts anzubringen, dass der Beurteilte nach seiner vollzogenen Ausweisung eine therapeutische Behandlung im Ausland auf freiwilliger Basis weiter führt.


4. ( … )


KGE ZS vom 26. Oktober 2007 i.S. Staatsanwaltschaft gegen H.A. (200 05 928/ZWH)



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