Zivilprozessrecht

Verzicht auf Rechtsmittel


Ein Rechtsmittelverzicht ist grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar. In analoger Anwendung von § 219 Abs. 1 ZPO, der die Rückziehung der Appellation regelt, schliesst der Rechtsmittelverzicht die Appellation aus. Im Kanton Basel-Landschaft ist in Eheschutzsachen im Anschluss an die mündliche Urteilseröffnung ein sofortiger Verzicht auf die Appellation üblich und zulässig (§ 219 ZPO; E. 2).



Erwägungen

1. ( ... )


2.1 Anlässlich der Eheschutzverhandlung vom 10. Juli 2007 wurde den Parteien durch das Präsidium des Bezirksgerichts Arlesheim die Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes bewilligt und wurden die Modalitäten des Getrenntlebens geregelt. Der entsprechende Entscheid wurde den Parteien mündlich eröffnet und diese verzichteten im Anschluss ausdrücklich auf das ordentliche Rechtsmittel der Appellation. Das Kantonsgericht, Abteilung Zivil- und Strafrecht, hat vorfrageweise von Amtes wegen zu prüfen, ob die trotz erklärten Rechtsmittelverzichts eingelegte Appellation zulässig ist und auf das Rechtsmittel eingetreten werden kann.


2.2 Als Rechtsmittelverzicht wird die Erklärung eines Prozessbeteiligten bezeichnet, auf die Einlegung von Rechtsmitteln gegen eine gerichtliche Entscheidung zu verzichten. Erklären alle Beteiligten einen Rechtsmittelverzicht, erwächst das in Rede stehende Urteil sofort in Rechtskraft und der ergangene Entscheid wird rechtskräftig. Im Kanton Basel-Landschaft ist in Eheschutzsachen im Anschluss an die mündliche Urteilseröffnung ein sofortiger Verzicht auf die Appellation üblich und zulässig. Ein Rechtsmittelverzicht ist grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar. In analoger Anwendung von § 219 Abs. 1 ZPO, der die Rückziehung der Appellation regelt, schliesst der Rechtsmittelverzicht die Appellation grundsätzlich aus (vgl. Weibel/Rutz, Gerichtspraxis zur basellandschaftlichen Zivilprozessordnung, 4. Aufl., 1986, S. 258; Staehelin/Sutter, Zivilprozessrecht, Zürich 1992, S. 246). Nur ausnahmsweise kann der Rechtsmittelverzicht wegen unzulässiger Willensbeeinflussung unwirksam sein. Im Sinne eines allgemeinen Grundsatzes wird der Verzicht auf ein Rechtsmittel jedenfalls dann als unwirksam betrachtet, wenn nicht vorausgesetzt werden darf, dass die Partei dabei in voller Sachkenntnis gehandelt hat (BGE 86 I 150 E. 2).


2.3 Die Klägerin hält in ihrer Appellation vom 13. Juli 2007 dafür, dass sie sich anlässlich der Verhandlung vor dem Bezirksgerichtspräsidium Arlesheim in einer psychischen Ausnahmesituation befunden habe, in der sie sich der Bedeutung eines Rechtsmittelverzichts nicht bewusst gewesen sei, womit ein Willensmangel vorliege. Heute lässt sie ergänzen, sie sei an der Verhandlung bei der Vorinstanz sehr aufgewühlt gewesen und habe den Rechtsmittelverzicht gar nicht erfasst. Es könne noch ein entsprechendes Arztzeugnis nachgereicht werden. Der Appellat hält dagegen, seine Ehefrau habe der Verhandlung vor dem Bezirksgericht Arlesheim sehr wohl folgen können. Sinngemäss behauptet die Appellantin, sie sei im Zeitpunkt des Rechtsmittelverzichts nicht urteilsfähig gewesen. Urteilsfähig ist ein jeder, dem nicht wegen seines Kindesalters oder infolge von Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunkenheit oder ähnlichen Zuständen die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln (Art. 16 ZGB). Die Urteilsfähigkeit wird vermutet. Wer sie bestreitet, hat die Urteilsunfähigkeit zu beweisen. Dieser Beweis ist an sich nicht in Bezug auf die Urteilsfähigkeit einer Person im Allgemeinen, sondern in einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen. Das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, kann dem Protokoll der Audienz vom 10. Juli 2007 entnehmen, dass an der entsprechenden Verhandlung die Folgen des Getrenntlebens der Parteien geregelt wurden. Das Protokoll lässt nicht erkennen, dass sich die Ehefrau in einer aussergewöhnlichen Gemütslage befand, welche ihre Fähigkeit zu kritischem und selbstreflektierendem Denken wesentlich beeinträchtigt haben könnte. Es finden sich keine Hinweise darauf, dass die Erklärung des Rechtsmittelverzichts ohne Verständnis der Bedeutung und Tragweite derselben abgegeben worden ist. Die beurteilten Fragen umfassten verhältnismässig einfache Angelegenheiten (Kinderbelange und Unterhalt) und die entsprechenden Entscheide des Gerichts wurden den Parteien dargelegt. Es ist mithin zu vermuten, dass die Klägerin im Moment des Rechtsmittelverzichts urteilsfähig war. Die Appellantin hat nicht nachgewiesen, dass ihr zum massgeblichen Zeitpunkt die Fähigkeit vernunftgemässen Handels gefehlt hat. Soweit sie sich sinngemäss auf einen Irrtum über die Tragweite des Appellationsverzichts beruft, so steht ihr nach hiesigen Prozessrecht das Rechtsmittelverfahren für die Geltendmachung von Willensmängeln bei der Abgabe einer Parteierklärung ohnehin nicht zur Verfügung (vgl. Weibel/Rutz, a.a.O., S. 128). Im Ergebnis ist die Klägerin daher bei ihrem Rechtmittelverzicht zu behaften und kann auf die Appellation vom 13. Juli 2007 nicht eingetreten werden.


3. ( … )


KGE ZS vom 18. September 2007 i.S. A. gegen A. (100 07 627/LIA)



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