Zivilprozessrecht

Unentgeltliche Prozessführung: Bedürftigkeit


Nach ständiger Praxis ist der Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung subsidiär zur familienrechtlichen Unterhaltspflicht der Ehegatten. Aus den eherechtlichen Pflichten ergibt sich, dass der leistungsfähige Ehegatte seinem bedürftigen Partner im Rahmen des Möglichen Prozesskostenvorschüsse leisten muss (§ 71 Abs. 1 ZPO; E. 2.2).


Die Novenbestimmung gemäss § 130 ZPO findet auch im Beschwerdeverfahren gegen die Abweisung der unentgeltlichen Prozessführung Anwendung. Mit der Beschwerde können grundsätzlich keine Tatsachen und Beweismittel sowie keine rechtlichen Argumente vorgebracht werden, welche nicht bereits im vorinstanzlichen Verfahren geltend gemacht wurden (§ 71 Abs. 1 ZPO, § 130 ZPO; E. 2.3).


Lebt eine Partei, welche um Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung ersucht, im Ausland, so ist bei der Berechnung des zivilprozessualen Bedarfs das allenfalls tiefere oder höhere Niveau der dortigen Lebenshaltungskosten angemessen zu berücksichtigen (§ 71 Abs. 1 ZPO; E. 3.2).



Erwägungen

1. ( ... )


2.1 ( … )


2.2 Nach ständiger Praxis ist der Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung subsidiär zur familienrechtlichen Unterhaltspflicht der Ehegatten. Aus den eherechtlichen Pflichten ergibt sich nämlich, dass der leistungsfähige Ehegatte seinem bedürftigen Partner im Rahmen des Möglichen Prozesskostenvorschüsse (sog. provisio ad litem) leisten muss (zur Streitfrage, ob sich der Anspruch aus der Beistandspflicht gemäss Art. 159 ZGB oder der Unterhaltspflicht gemäss Art. 163 ZGB herleitet, vgl. Bräm, Zürcher Kommentar, N. 130 ff. zu Art. 159 ZGB, sowie Hausheer/Reusser/Geiser, Berner Kommentar, N. 38 u. 38a zu Art. 159 ZGB). Damit soll sichergestellt werden, dass der Staat nicht einen Eheprozess finanzieren muss, obwohl mindestens eine der Parteien über ausreichende finanzielle Mittel für die Prozesskosten verfügt. Wenn Gewissheit besteht, dass der Gesuchsteller einen Prozesskostenvorschuss erhältlich machen kann, gilt er demnach nicht als bedürftig. Beim Prozesskostenvorschuss eines Ehegatten an den anderen handelt es sich um eine vorläufige Leistung. Der Ehegatte, der den Vorschuss geleistet hat, hat grundsätzlich Anspruch auf Rückerstattung des Geleisteten oder dessen Anrechnung auf güterrechtliche und/oder zivilprozessuale Gegenforderungen des anderen Teils.


2.3 Im Verfahren betreffend die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gilt ein beschränkter Untersuchungsgrundsatz. Es obliegt grundsätzlich dem Gesuchsteller, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen und soweit möglich auch zu belegen. Dabei dürfen umso höhere Anforderungen an eine umfassende und klare Darstellung der finanziellen Situation gestellt werden, je komplexer die finanziellen Verhältnisse sind (vgl. BGE 120 Ia 179 E. 3a). Aus den eingereichten Belegen muss auf jeden Fall der aktuelle Grundbedarf des Gesuchstellers hervorgehen. Die Belege haben zudem über sämtliche finanzielle Verpflichtungen des Gesuchstellers sowie über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse Aufschluss zu geben. Die Verletzung dieser sog. Mitwirkungspflicht kann die Abweisung eines Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege rechtfertigen (vgl. BLKGE 2005, S. 36). Die Novenbestimmung gemäss § 130 ZPO findet auch im Beschwerdeverfahren gegen die Abweisung der unentgeltlichen Prozessführung Anwendung. Mit der Beschwerde können grundsätzlich keine Tatsachen und Beweismittel sowie keine rechtlichen Argumente vorgebracht werden, welche nicht bereits im vorinstanzlichen Verfahren geltend gemacht wurden.


3.1 Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für die Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung erwog das Bezirksgericht L. im Entscheid vom 2. April 2007 es sei davon auszugehen, dass mit einem Unterhaltsbeitrag von CHF 3'478.00 in Brasilien ein Überschuss entstehe, der die Bezahlung der ordentlichen und ausserordentlichen Kosten ermögliche. Ferner könne sich die Ehefrau Ferien bzw. ein Ferienhaus leisten. Ihre Bedürftigkeit sei daher zu verneinen. Darüber hinaus sei das Gesuch auch aussichtslos, habe sie dem Ehemann doch zu Unrecht über Monate hinweg die Auskunft verweigert. Der Ehemann sei so gezwungen gewesen, an das Gericht zu gelangen. Die Beschwerdeführerin lässt in der Rechtsschrift vom 13. April 2007 im Wesentlichen rügen, die bei der Vorinstanz eingereichten Belege würden zeigen, dass die Beschwerdeführerin insbesondere aufgrund der Schulkosten für die Kinder die Voraussetzung der Bedürftigkeit erfülle. Im Weiteren sei auch der Hinweis, die Ehefrau hätte ein Ferienhaus bzw. könne sich Ferien leisten, nicht gerechtfertigt.


3.2 Das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, hält mit der Vorinstanz dafür, dass die Voraussetzungen für eine Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung bei der Gesuchstellerin und heutigen Beschwerdeführerin nicht erfüllt sind. Lebt eine Partei, welche um Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung ersucht, - wie hier die Beschwerdeführerin - im Ausland, so ist bei der Berechnung des zivilprozessualen Bedarfs das allenfalls tiefere oder höhere Niveau der dortigen Lebenshaltungskosten angemessen zu berücksichtigen. Das Bezirksgericht L. verzichtete im angefochtenen Entscheid vom 2. April 2007 auf eine quantitative Feststellung der Lebenshaltungskosten der Gesuchstellerin an ihrem aktuellen Wohnort in Vitória, Hauptstadt des brasilianischen Bundeslandes Espírito Santo, und begnügte sich mit der Aussage, dass mit einem Unterhaltsbeitrag von rund CHF 3'500.00 ein Überschuss entstehe, welche die Tragung der Kosten erlaube. Diese Begründung der Vorinstanz erscheint zwar tatsächlich etwas knapp; die Erhebungen des Bundesamtes für Migration über die Lebenskosten in Brasilien weisen jedoch für einen urbanen Lebensstil einer Familie mit westeuropäischem Konsumverhalten (lediglich) einen Wert von 60.3 aus (Basis: Schweiz = 100). Es wäre Obliegenheit der Gesuchstellerin gewesen, dem Bezirksgerichtspräsidium L. die notwendigen Entscheidgrundlagen in ihrem Begehren vom 31. Januar 2007 zu unterbreiten. Sie begnügte sich im Wesentlichen mit der Eingabe diverser Belege, welche im Übrigen nicht in die deutsche Sprache übersetzt wurden. Mithin versäumte sie es, in der Begründung des Gesuchs ihre finanzielle Situation umfassend und klar darzulegen. So blieben insbesondere die Gründe für die auffallend hohen Schulungskosten samt Verpflegung der Kinder ungeklärt. Die Gesuchstellerin verkennt das im Beschwerdeverfahren geltende Novenverbot, wenn sie die fehlende Begründung ihres Gesuchs erst im Rechtsmittelverfahren nachschiebt. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht ist daher nicht von der Hand zu weisen, wenn auch das Bezirksgericht L. das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht explizit wegen einer Verletzung derselben abgewiesen hat. Obendrein mutet die vom Ehemann beigebrachte Ermächtigung der Beschwerdeführerin seltsam an, wonach künftige Honorare ihres Parteivertreters für dessen Bemühungen während ihrer Landesabwesenheit durch Verrechnung mit deren Unterhaltsbeitrag im Umfange von maximal CHF 1'000.00 getilgt werden können. Sofern die Beschwerdeführerin effektiv nicht in der Lage sein sollte, dereinst anfallende Verfahrenskosten zu bestreiten, hat sie sich mit einem Gesuch um Leistung eines Prozesskostenvorschusses durch ihren Ehemann neuerlich an den Sachrichter zu wenden. Im Ergebnis erweist sich die Auffassung des Bezirksgerichtspräsidenten L. vom 2. April 2007, dass der Antrag der Ehefrau um Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung abzuweisen ist, somit als zutreffend. Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen.


4. (…)


KGE ZS vom 25. Juni 2007 i.S. J.K. gegen BGP L. und L.K. (200 07 330/LIA)



Back to Top