Zivilrecht

Prozesskostenvorschuss


Wenn ein Ehegatte nicht über die notwendigen Mittel verfügt, kann er von seinem Ehepartner einen Kostenvorschuss für den Scheidungsprozess verlangen, um seine Interessen wahren zu können. Die Bedürftigkeit beurteilt sich einerseits aufgrund sämtlicher finanziellen Verpflichtungen, anderseits aufgrund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Ein allfälliger Überschuss zwischen dem zur Verfügung stehenden Einkommen und dem Zwangsbedarf der Gesuch stellenden Partei ist mit den für den konkreten Fall zu erwartenden Gerichts- und Anwaltskosten in Beziehung zu setzen; dabei sollte es der monatliche Überschuss ihr ermöglichen, die Prozesskosten bei weniger aufwendigen Prozessen innert eines Jahres, bei anderen innert zweier Jahre zu tilgen. Entscheidend ist zudem, ob die Gesuch stellende Partei mit dem ihr verbleibenden Überschuss in der Lage ist, die anfallenden Gerichts- und Anwaltskostenvorschüsse innert absehbarer Zeit zu leisten (Art. 159 Abs. 3 und 163 ZGB; E. 3.1).


Rückzahlungsraten für ein Auto, welches nicht beruflichen Zwecken dient, sind im Grundbedarf nicht zu berücksichtigen. Radio- und Fernsehgebühren sowie Kosten für einen Hund sind nicht separat zu berücksichtigen, da solche Kosten für Kulturelles und Freizeit bereits mit dem Grundbetrag abgedeckt (E. 3.2).



Sachverhalt

A. Im Rahmen des vom Beschwerdegegner 2 am 10. Februar 2006 bei der Präsidentin des Bezirksgerichts I. anhängig gemachten Scheidungsverfahrens ersuchte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 4. Januar 2007 unter anderem, der Ehemann sei aufzufordern, an ihre Anwaltskosten im Scheidungsverfahren einen Kostenvorschuss von CHF 6'000.-- zu bezahlen; eventualiter sei ihr der Kostenerlass mit ihrem Rechtsvertreter als Armenanwalt zu bewilligen


( … ).


B. Mit Verfügung vom 24. April 2007 wies die Präsidentin des Bezirksgerichts I. den Antrag um Zusprechung eines Prozesskostenvorschusses, Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung ( … ) ab (Disp.-Ziff. 2).


C. Mit Beschwerde vom 4. Mai 2007 begehrte die Beschwerdeführerin, ( … ) es sei in Aufhebung von Ziffer 2 der Verfügung vom 24. April 2007 der Präsidentin des Bezirksgerichts I. der Ehemann zu verpflichten, ihr einen Vorschuss von CHF 6'000.-- an ihre Anwaltskosten zu leisten (Ziff. 2); eventualiter sei ihr die unentgeltliche Prozessführung für das beim Bezirksgericht I. anhängige Scheidungsverfahren mit ihrem Rechtsvertreter als Armenanwalt zu gewähren (Ziff. 3) ( … ).


D. Die Präsidentin des Bezirksgerichts I. begehrte in ihrer Vernehmlassung vom 8. Mai 2007 sinngemäss, ( … ) Ziff. 2 der Beschwerde sei abzuweisen. In seiner Vernehmlassung vom 18. Mai 2007 beantragte der Beschwerdegegner 2, die Rechtsbegehren gemäss Ziff. 1 bis 4 der Beschwerde vom 4. Mai 2007 seien abzuweisen ( … ).



Erwägungen

1. Die vorinstanzliche Präsidialverfügung vom 24. April 2007 stellt, was ( … ) den Prozesskostenvorschuss anbetrifft, einen Entscheid über vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 137 ZGB dar. Dagegen kann gestützt auf § 233 Abs. 6 Satz 2 ZPO Beschwerde erhoben werden.


( … )


2. ( … )


3. Im Weiteren ist zu prüfen, ob der Beschwerdegegner 2 zu verpflichten sei, der Beschwerdeführerin einen Vorschuss von CHF 6'000.-- an ihre Anwaltskosten zu leisten bzw. eventualiter ob der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Prozessführung für das beim Bezirksgericht I. anhängige Scheidungsverfahren mit ihrem Rechtsvertreter als Armenanwalt zu gewähren sei.


3.1 Wenn ein Ehegatte nicht über die notwendigen Mittel verfügt, kann er gestützt auf Art. 159 Abs. 3 und 163 ZGB von seinem Ehepartner einen Kostenvorschuss für den Scheidungsprozess verlangen, um seine Interessen wahren zu können (BGer. 5P.150/2005 vom 13. September 2005, E. 2.2). Die Pflicht zur Leistung eines Prozess- bzw. Anwaltskostenvorschusses hängt in erster Linie von der Bedürftigkeit der Antrag stellenden Partei ab.


Als bedürftig gilt, wer die Kosten eines Prozesses nicht aufzubringen vermag, ohne die Mittel anzugreifen, deren er zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes für sich und seine Familie bedarf. Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt sich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs. Dazu gehören einerseits sämtliche finanziellen Verpflichtungen, anderseits die Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Bei der Ermittlung des notwendigen Lebensunterhaltes soll nicht schematisch auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abgestellt, sondern den individuellen Umständen Rechnung getragen werden. Auch wenn das Einkommen wenig über dem für den Lebensunterhalt notwendigen Betrag liegt, kann Bedürftigkeit angenommen werden (BGer. 5P.295/2005 vom 4. Oktober 2005, E. 2.2). So ist prozessuale Bedürftigkeit nur anzunehmen, wenn das Einkommen nicht höher liegt als das durch einen Zuschlag von 15 % des Grundbetrags erweiterte Existenzminimum und das Vermögen nicht mehr als etwa CHF 20'000.-- bis CHF 25'000.-- beträgt (KGE vom 26. Oktober 2004 E. 2c, in: Entscheide des Kantonsgerichts 2004, S. 115). Ein allfälliger Überschuss zwischen dem zur Verfügung stehenden Einkommen und dem Zwangsbedarf der Gesuch stellenden Partei ist mit den für den konkreten Fall zu erwartenden Gerichts- und Anwaltskosten in Beziehung zu setzen; dabei sollte es der monatliche Überschuss ihr ermöglichen, die Prozesskosten bei weniger aufwendigen Prozessen innert eines Jahres, bei anderen innert zweier Jahre zu tilgen. Entscheidend ist zudem, ob die Gesuch stellende Partei mit dem ihr verbleibenden Überschuss in der Lage ist, die anfallenden Gerichts- und Anwaltskostenvorschüsse innert absehbarer Zeit zu leisten (BGer. 5P.295/2005 vom 4. Oktober 2005, E. 2.2).


3.2 Die Beschwerdeführerin erhält ein Einkommen inkl. 13. Monatslohn von CHF 3'637.25 pro Monat, Kinderzulagen von CHF 200.-- pro Monat und einen Unterhaltsbeitrag für die gemeinsame Tochter von CHF 1'000.-- pro Monat. Gesamthaft hat sie somit monatlich verfügbare Mittel von CHF 4'837.25.


( … )


Die Vorinstanz berücksichtigte monatliche Rückzahlungsraten von CHF 200.-- aus einem Darlehen. Beim fraglichen Darlehen handelt es sich um ein zinsfreies Privatdarlehen von C. und D. N. Das Darlehen ist für die Anzahlung/Leasing eines Neuwagens (…), sowie dringende, laufende Zahlungen bestimmt und in monatlichen Raten von CHF 200.-- zurückzubezahlen. Ein Prozesskostenvorschuss soll der ersuchenden Person einen Prozess ermöglichen, ohne dass sie das Notwendige entbehren muss, jedoch soll dadurch niemandem ermöglicht werden, alte Schulden zu begleichen, die in keinem Zusammenhang mit seinen aktuellen Bedürfnissen stehen (vgl. Kreisschreiben der Zivilabteilung des Obergerichts des Kantons Bern Nr. 18 vom 21. Januar 2002). Dass das fragliche Darlehen laufenden Bedürfnissen des notwendigen Lebensunterhalts der Beschwerdeführerin dient, ist nicht ersichtlich, zumal die Beschwerdeführerin beruflich nicht auf das Auto angewiesen ist. Die Amortisationen des fraglichen Darlehens sind deshalb nicht anzurechnen.


Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Radio- und Fernsehgebühren und Kosten für den Hund sind nicht separat zu berücksichtigen, da solche Kosten für Kulturelles und Freizeit bereits mit dem Grundbetrag abgedeckt sind (vgl. BGer. 7B.68/2002 vom 25. Juni 2002, E. 3c).


( … )


Gemäss den vorstehenden Ausführungen beträgt der monatliche Grundbedarf der Beschwerdeführerin gesamthaft CHF 3'932.60.


Ausgehend von verfügbaren Mitteln von CHF 4'837.25 pro Monat und einem Grundbedarf von CHF 3'932.60 pro Monat, ergibt sich ein monatlicher Überschuss von CHF 904.65. Die Beschwerdeführerin verfügt demnach über ausreichende Mittel, um im vor der Vorinstanz hängigen Scheidungsprozess die Gerichtskosten und ihren Anwalt zumindest ratenweise zu bezahlen. Der Antrag auf Ausrichtung eines Prozesskostenvorschusses erweist sich demnach als unbegründet und ist abzuweisen.


4. Für den Eventualantrag der Beschwerdeführerin auf unentgeltliche Prozessführung gilt, was unter Erw. 3 aufgeführt wurde, sinngemäss. Auch dieser Antrag ist mangels hinreichenden Nachweises der Bedürftigkeit abzuweisen.


5. ( … )


6. ( … )


KGE ZS vom 24. Juli 2007 i.S. R. R.-M. gegen H. R. (200 07 399/STS)



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