Familienzulagen

Anspruch auf und Höhe der Erziehungszulage gemäss § 29 PD in einer Doppelverdienerehe


Der Anspruch auf die vom Kanton Basel-Landschaft zusätzlich ausgerichtete Erziehungszulage ist abhängig vom Bestand eines Kindsverhältnisses (einschliesslich Stief- und Pflegekinderverhältnisse). Sie ist deshalb als Familienzulage i.S.v. § 1 FaZG bzw. als Familienleistung i.S.v. Art. 1 lit. u EWG Vo 1408/71 zu qualifizieren (E. 3.1 und 4.3).


Ein Kanton ist nicht befugt, in den Kompetenzbereich eines anderen Kantons einzugreifen, indem er mittels Konkurrenznormen bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der andere Kanton Familienzulagen zu leisten hat. Liegt im Familienzulagenrecht ein Fall vor, der zu mehreren Kantonen Bezüge hat und stellt sich die Frage, welchem Gemeinwesen die Erfüllung des Anspruchs auf Familienzulagen zuzuordnen ist, muss diese auf jeden Fall unter Beizug einer, dem kantonalen Recht übergeordneten Regelung beantwortet werden, sofern die Anwendung der jeweiligen Bestimmungen der betroffenen Kantone zu grundrechtswidrigen Ergebnissen führt (E. 3.2).


Die Anwendung des auf innerkantonale Sachverhalte ausgerichteten und mit der analogen baselstädtischen Regelung nicht harmonierenden § 29 Abs. 4 PD führt im Resultat zu einem sachwidrigen, zumindest partiellen Doppelausschluss, was überdies das Rechtsgleichheitsgebot verletzt (E. 3.3).


Aufgrund des Fehlens einer dem kantonalen Recht übergeordneten Kollisionsregel, ist auf die für das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU aufgrund des EU-Freizügigkeitsabkommens geltenden, in Art. 76 EWG Vo 1408/71 statuierten Prioritätenregelung abzustellen (E. 4 und 5).



Sachverhalt

S.W. erhält als Mitarbeiter des Kantons Basel-Landschaft für seine Tochter L.W. seit dem 1. Februar 2004 Kinder- und Erziehungszulagen ausbezahlt. Mit Schreiben vom 8. Mai 2007 teilte ihm die Justizverwaltung des Kantonsgerichts Basel-Landschaft (Justizverwaltung) mit, dass die ihm ausgerichteten Erziehungszulagen zurückgefordert werden müssten. Seine beim Kanton Basel-Stadt angestellte Ehefrau beziehe seit Januar 2004 ebenfalls Erziehungszulagen und gemäss § 29 Abs. 4 des Personaldekrets sei ein solcher Doppelbezug unzulässig. Mit Verfügung vom 10. Juli 2007 forderte die Justizverwaltung die S.W. ab 1. Februar 2004 bis und mit 30. Juni 2007 ausgerichteten Erziehungszulagen in der Höhe von insgesamt Fr. 11'426.45 zurück. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass seine Ehefrau von ihrem Arbeitgeber während diesem Zeitraum die "…Differenz zur dort höheren Erziehungszulage bzw. Unterhaltszulage ausbezahlt…" erhalten habe. Da der Anspruch gegenüber dem Kanton Basel-Landschaft auf Ausrichtung einer Erziehungszulage gemäss § 29 Abs. 4 des Personaldekrets aber vollständig entfalle, wenn ein anderer Arbeitgeber für denselben Haushalt eine Erziehungszulage oder eine der gleichen Zielsetzung dienende Sozialzulage ausrichte, sei die Justizverwaltung zu dieser Rückforderung verpflichtet.


Gegen die Verfügung vom 10. Juli 2007 erhob S.W. beim Ausschuss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft (Ausschuss) Beschwerde und beantragte, diese sei vollumfänglich aufzuheben. Zur Begründung führte er insbesondere aus, dass die von der Justizverwaltung zur Anwendung gebrachte Konkurrenznorm des Personaldekrets prinzipiell zur Folge habe, dass der Kanton Basel-Stadt als Arbeitgeber der Ehefrau nicht nur die Differenz, sondern die gesamte Erziehungs- bzw. Unterhaltszulage ausrichten müsste. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sei aber kein Kanton befugt, mit dem Erlass solcher Regelungen in den Kompetenzbereich eines anderen Kantons einzugreifen und zu bestimmen, dass "…seine Pflicht zur Leistung von Familienzulagen stets hinter solchen Pflichten anderer Kantone zu stehen kommt." Der von der Justizverwaltung zur Begründung des strittigen Rückforderungsanspruchs angerufene § 29 Abs. 4 des Personaldekrets sei deshalb bundesrechtswidrig. Da die vorliegend relevanten kantonalen Gesetze nicht aufeinander abgestimmt seien, müsse in analoger Weise die im Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Freizügigkeitsabkommen) geltende Kollisionsregel zur Anwendung gelangen. Danach seien sämtliche Familienzulagen in erster Linie in dem Kanton zu beziehen, in dem die erwerbstätigen Eltern und ihre Kinder ihren Wohnsitz haben, sofern in diesem Kanton zugleich eine anspruchsauslösende Berufstätigkeit ausgeübt werde. Dies sei bei S.W. aber der Fall, weshalb der Kanton Basel-Landschaft die strittigen Erziehungszulagen auszurichten habe und die angefochtene Rückforderungsverfügung somit unrechtmässig sei.


In ihrer Vernehmlassung beantragte die Justizverwaltung dem Ausschuss die Abweisung der Beschwerde. Zur Begründung wurde zunächst ausgeführt, dass das Bundesgericht die von S.W. angerufenen, im Freizügigkeitsabkommen statuierten Prioritätenregeln bislang einzig im Zusammenhang mit der Anspruchskonkurrenz zwischen Familienzulagen im engeren Sinn nach der Familienzulagenordnung von zwei verschiedenen Kantonen zur Anwendung gebracht habe. Ob diese Kollisionsregel "…im interkantonalen Verhältnis auch auf andere als die Kinder- und Ausbildungszulagen anwendbar…" sei, habe es nicht entschieden. Im Weiteren weist die Justizverwaltung darauf hin, dass der Bundesgesetzgeber in dem am 1. Januar 2009 in Kraft tretenden Familienzulagengesetz einzig die Kinder- und Ausbildungszulagen einer bundesweiten Regelung unterstelle, obwohl erkannt worden sei, dass einzelne Kantone auch Familienzulagen i.w.S. ausrichten würden. Es stehe deshalb keineswegs mit Sicherheit fest, dass § 29 Abs. 4 des Personaldekrets bundesrechtswidrig sei. Der zum vorliegenden Verfahren beigeladene Zentrale Personaldienst des Kantons Basel-Stadt (Zentraler Personaldienst) beantragte dem Ausschuss in seiner Stellungnahme die Gutheissung der Beschwerde. Zur Begründung wurde unter anderem auf den Umstand hingewiesen, dass für den vorliegenden "…Fall eines Aufeinandertreffens von Familienzulagen im interkantonalen Verhältnis keine…" Kollisionsregeln bestünden. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht Basel-Stadt in dem von S.W. zitierten Entscheid im Zusammenhang mit einem grenzübergreifenden Sachverhalt entschieden, dass die baselstädtischen "…Unterhaltszulagen unter den Geltungsbereich des Freizügigkeitsabkommens fallen…" würden, weshalb die dort statuierten Kollisionsregelungen auch im vorliegenden Fall analog anzuwenden seien. Würde man im interkantonalen Verhältnis andere Regeln aufstellen, als sie für grenzüberschreitende Sachverhalte gelten, würden Mitarbeitende mit Wohnsitz im Ausland ohne ersichtlichen Grund anders behandelt, als solche mit Wohnsitz in anderen Kantonen.



Erwägungen

1. (Zuständigkeit und Zusammensetzung des Ausschusses)


2. Vorliegend ist zunächst unbestritten, dass der Beschwerdeführer als Mitarbeiter des Kantons Basel-Landschaft für seine Tochter L.W. seit dem 1. Februar 2004 nach Massgabe von § 29 Abs. 1 PD eine Erziehungszulage ausbezahlt erhält und seine Ehefrau als Mitarbeiterin des Kantons Basel-Stadt ab Januar 2004 bis zur Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit am 30. Juni 2007 gleichzeitig eine reduzierte Unterhaltszulage i.S.v. § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Ausrichtung von Kinder- und Unterhaltszulagen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kantons Basel-Stadt (Vo KiZu) vom 27. Juni 2005 bezogen hat. Unbestritten ist überdies, dass die beiden Zulagen - trotz unterschiedlicher Bezeichnung - derselben Zielsetzung dienen. Strittig ist dagegen, ob die Justizverwaltung aufgrund dieser Sachlage mit ihrer Verfügung vom 10. Juli 2007 die dem Beschwerdeführer bis Ende Juni 2007 ausgerichteten Erziehungszulagen in der Höhe von insgesamt Fr. 11'426.45 zur Recht zurückgefordert hat.


Die Justizverwaltung begründet ihren Rückforderungsanspruch mit der in § 29 Abs. 4 PD statuierten Kollisionsregel. Danach entfällt der Anspruch auf eine Erziehungszulage ohne Weiteres, wenn ein anderer Arbeitgeber als der Kanton Basel-Landschaft für denselben Haushalt eine solche bzw. eine derselben Zielsetzung dienende Zulage ausrichtet. Die Höhe der anderen Zulage ist dabei irrelevant. Für den Wegfall des Anspruchs auf eine Erziehungszulage nach § 29 Abs. 1 PD ist ausschliesslich massgeblich, dass von einem anderen Arbeitgeber eine solche ausgerichtet wird.


3.1 Das Familienzulagenrecht bezweckt in erster Linie den einmaligen oder periodischen finanziellen Ausgleich derjenigen Lasten, welche durch die Begründung und den Bestand eines Kindesverhältnisses entstehen. Als einziger Sozialversicherungszweig wird es im Moment noch in wesentlichen Teilen durch das kantonale Recht geordnet. Der Bund hat die ihm gestützt auf Art. 116 Abs. 2 BV zustehende Kompetenz zur Regelung der Familienzulagen zwar mittlerweile im Bereich der Kinder- und Ausbildungszulagen zumindest teilweise ausgeschöpft. Sein Familienzulagengesetz vom 24. März 2006 tritt aber erst am 1. Januar 2009 in Kraft. Solange aber der Bund seine Regelungskompetenz noch nicht ausgeschöpft hat und soweit er sie auch künftig nicht ausschöpfen wird, können die Kantone auf dem Gebiet der Familienzulagen autonom legiferieren (vgl. Ulrich Kieser, Streifzug durch das Familienzulagenrecht in: SZS 1995, S. 276 f.).


So regelt der Kanton Basel-Landschaft im Familienzulagengesetz (FaZG) vom 9. Juni 2005 den grundsätzlichen Anspruch erwerbstätiger Eltern auf Kinder- und Ausbildungszulagen. Die Mitarbeitenden des Kantons Basel-Landschaft können gemäss §§ 26 und 29 PD zusätzlich zu den Kinder- und Ausbildungszulagen eine Erziehungszulage beanspruchen. Da der Anspruch auf diese zusätzliche Sozialzulage aber ebenfalls abhängig ist vom Bestand eines Kindsverhältnisses (einschliesslich Stief- und Pflegekinderverhältnisse), ist auch sie ohne Weiteres als Familienzulage zu qualifizieren (§ 29 Abs. 1 PD i.V.m. § 26 PD und § 6 Abs. 1 FaZG). Dass in Art. 3 Abs. 2 des künftigen Familienzulagengesetzes des Bundes nur die Kinder- und Ausbildungszulagen als Familienzulagen im engeren Sinne gelten, vermag - entgegen der seitens der Justizverwaltung in der Vernehmlassung vom 16. August 2007 vertretenen Ansicht - an diesem Schluss nichts zu ändern.


3.2 Normen betreffend allfällige Anspruchskonkurrenzen wie beispielsweise § 11 FaZG oder der vorliegend strittige § 29 Abs. 4 PD beantworten regelmässig die Frage, welche von mehreren grundsätzlich anspruchsberechtigten Personen den Anspruch auf eine Familienzulage effektiv geltend machen können. Sinn und Zweck derselben ist es insbesondere, Doppelbezüge zu vermeiden, wobei der kantonale Gesetzgeber auch hier über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügt. Wie das Bundesgericht in seinem, in der amtlichen Sammlung publizierten und in der Beschwerde vom 16. Juli 2007 wiederholt zitierten Urteil vom 11. Juli 2003 ausführt, können solche kantonalrechtlichen Bestimmungen aber immer nur im innerkantonalen Verhältnis Geltung beanspruchen. Ein Kanton sei nicht befugt, in "…den Kompetenzbereich eines anderen Kantons einzugreifen, indem er mittels Konkurrenznormen bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der andere Kanton Familienzulagen zu leisten…" hat (BGE 129 I 273 E. 4.2). Mit diesem Entscheid hat das Bundesgericht letztendlich dem im öffentlichen Recht geltenden Territorialitätsprinzip Rechnung getragen, wonach kantonales öffentliches Recht nur in dem Kanton Rechtswirkungen entfalten kann, in dem und für den es erlassen wurde (vgl. auch Ulrich Kieser, a.a.O., S. 287).


Liegt im Familienzulagenrecht nun ein Fall vor, der zu mehreren Kantonen Bezüge hat, stellt sich - sowohl zur Vermeidung von Doppelbezügen als auch von sachwidrigen Doppelausschlüssen - die Frage, welchem Gemeinwesen die Erfüllung des Anspruchs auf Familienzulagen zuzuordnen ist. Diese Frage muss auf jeden Fall durch eine dem kantonalen Recht übergeordnete Regelung beantwortet werden, sofern die jeweiligen Bestimmungen der betroffenen Kantone nicht miteinander harmonieren und deren Anwendung zu grundrechtswidrigen Ergebnissen führt (vgl. zum Ganzen Ulrich Kieser, a.a.O., S. 287; BGE 129 I 276 E. 5.2).


3.3 Im vorliegenden Fall gingen der Beschwerdeführer und seine Ehegattin im strittigen Zeitraum vom 1. Februar 2004 bis 30. Juni 2007 in den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt einer Erwerbstätigkeit nach. Entsprechend konnten sie beide die ihnen nach Massgabe der jeweiligen kantonalen Rechtsordnungen zustehenden Erziehungs- bzw. Unterhaltszulagen beanspruchen. In Anbetracht dieser Sachlage und mangels einer dem kantonalen Recht übergeordneten Regelung hat die Justizverwaltung die ihr vom Dekretsgeber für den Fall von Anspruchskonkurrenzen zur Verfügung gestellte Bestimmung zur Anwendung gebracht und den Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Erziehungszulage ohne Weiteres aberkannt. Wie der Beschwerdeführer richtig ausführt, müsste der Kanton Basel-Stadt als Arbeitgeber der Ehefrau dieser nun aber eine ungekürzte Unterhaltszulage ausrichten, da die Voraussetzungen für eine Anspruchsreduktion gemäss § 2 Abs. 2 Vo KiZu prinzipiell nicht mehr erfüllt sind. Dagegen setzt sich dieser unter Berufung auf die in Ziffer 3.2 hievor erläuterten Grundsätze zu Recht zur Wehr (…).


Der strittige, auf innerkantonale Sachverhalte ausgerichtete und mit der analogen baselstädtischen Regelung nicht harmonierende § 29 Abs. 4 des Personaldekrets führt somit im Resultat zu einem sachwidrigen, zumindest partiellen Doppelausschluss, indem der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Erziehungszulagen einbüsst, währenddem der Anspruch seiner Ehefrau auf Unterhaltszulagen im Ausmass der dem Beschwerdeführer nicht ausgerichteten Erziehungszulagen reduziert bleibt. Folge davon ist eine sachlich nicht haltbare Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin mit beispielsweise denjenigen Elternpaaren, welche beide beim Kanton Basel-Landschaft angestellt sind und ohne Weiteres Anspruch auf eine volle Erziehungszulage geltend machen können. Mit der Anwendung von § 29 Abs. 4 des Personaldekrets wird im vorliegenden Fall somit letztendlich der in Art. 8 Abs. 1 BV statuierte Grundsatz der Rechtsgleichheit verletzt, was bereits zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung vom 10. Juli 2007 führen muss.


4.1 Führt die Anwendung der kantonalen Gesetzgebung im interkantonalen Verhältnis zu einem verfassungswidrigen Ergebnis und wird die Frage der Anspruchsberechtigung im Konkurrenzfall wie vorliegend auch nicht durch eine dem kantonalen Recht übergeordnete Regelung beantwortet, hat das diesbezüglich angerufene Gericht anderweitig nach einer sachgerechten Lösung zu suchen.


In diesem Zusammenhang hat das Bundesgericht in seinem vorstehend bereits wiederholt erwähnten Urteil ausgeführt, dass für Konkurrenzsituationen im Bereich des Familienzulagenrechts sinnvollerweise auf die Kollisionsregelung zurückgegriffen werden sollte, die zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft gilt. Dabei verweist es auf Abschnitt A Ziffern 1 und 2 des Anhangs II zum EU-Freizügigkeitsabkommen, worin unter anderem Bezug genommen wird auf die Verordnung des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (EWG Vo 1408/71).


4.2 Art. 73 EWG Vo 1408/71 statuiert zunächst, dass ein Arbeitnehmer, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, grundsätzlich Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates beanspruchen kann, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten. Eine Person unterliegt gemäss Art. 13 Abs. 2 lit. a und b EWG Vo 1408/71 den Rechtsvorschriften desjenigen Staates, in dessen Gebiet sie abhängig beschäftigt ist bzw. ihre selbständige Tätigkeit ausübt, auch wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnt. Das bedeutet, dass Familienleistungen grundsätzlich in demjenigen Staat zu entrichten sind, in dem der Erwerbstätige beschäftigt ist (Beschäftigungsland).


Für den Fall der Kumulierung von Ansprüchen auf Familienleistungen gemäss den Rechtsvorschriften des nach Art. 73 EWG Vo 1408/71 zuständigen Staates und den Rechtsvorschriften des Staates, in dem die Familienangehörigen wohnen, statuiert das Freizügigkeitsabkommen in Art. 76 EWG Vo 1408/71 folgende Prioritätsregeln: Übt der andere Ehegatte in einem Mitgliedstaat, welcher zugleich Wohnsitzstaat der Kinder (Wohnland) ist, ebenfalls eine Erwerbstätigkeit aus und kann er nach dessen Rechtsvorschriften analoge Familienleistungen beanspruchen wie der andere, in einem anderen Mitgliedstaat erwerbstätige Ehepartner, so geht der Anspruch im Wohnland demjenigen im Beschäftigungsland vor. Ist der Leistungsanspruch im Beschäftigungsland aus irgendeinem Grund höher als derjenige im Wohnland, so kann dort die Differenz zwischen der im Wohnland geschuldeten und der im Beschäftigungsland vorgesehenen höheren Leistung verlangt werden (vgl. zum Ganzen auch BGE 129 I 277 f. E. 5.3.1 und 5.3.2 mit Hinweisen auf die Botschaft des Bundesrates vom 23. Juni 1999 zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG).


4.3 Zu prüfen bleibt nun, ob die in Art. 76 EWG Vo 1408/71 statuierten Kollisionsregeln im vorliegenden Fall in analoger Weise zur Anwendung gebracht werden können. Die Justizverwaltung weist diesbezüglich in ihrer Vernehmlassung vom 16. August 2007 daraufhin, dass das Bundesgericht in seinem Urteil vom 11. Juli 2003 nicht entschieden habe, ob diese Konkurrenznorm "…im interkantonalen Verhältnis auch auf andere als die Kinder- und Ausbildungszulagen anwendbar…" sei.


Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die fragliche Regel gemäss Art. 4 Abs. 1 lit. h i.V.m. Art. 1 lit. u EWG Vo 1408/71 für alle Sach- und Geldleistungen gilt, die zum Ausgleich von Familienlasten bestimmt sind. Wie der bundesrätlichen Botschaft vom


23. Juni 1999 entnommen werden kann, handelt es sich dabei um diejenigen Leistungen, welche Erwerbstätige für ihre Kinder beanspruchen können (vgl. Bundesblatt 1999, S. 6327 und 6357, Ziffern 273.222.36 und 274.45). Dass sowohl die vorliegend strittigen Erziehungszulagen als auch die der Ehefrau ausgerichteten, dieselbe Zielsetzung verfolgenden Unterhaltszulagen dem Ausgleich der durch Kinder verursachten finanziellen Belastung dienen, wurde in Ziffer 3.1 hievor bereits dargelegt. Damit sind sie aber ohne Weiteres als Familienleistungen i.S.v. Art. 1 lit. u EWG Vo 1408/71 zu qualifizieren, womit die seitens der Justizverwaltung geäusserten Bedenken betreffend die analoge Anwendbarkeit der fraglichen Kollisionsnormen ausgeräumt sind. Im Übrigen ist der Anspruch auf Erziehungszulagen klarerweise Gegenstand einer Rechtsvorschrift im Sinne der in Art. 1 lit. j EWG Vo 1408/71 enthaltenen Legaldefinition und wird vom Kanton Basel-Landschaft - entgegen der in der Verfügung vom 10. Juli 2007 gemachten Ausführungen - nicht "freiwillig" eingeräumt (vgl. dazu auch die analogen Ausführungen des Verwaltungsgerichts Basel-Stadt im aktenkundigen Urteil vom 10. Dezember 2004, E. 3c/d, publiziert in: Basler Juristische Mitteilungen [BJM] 2006, S. 45 f.). Einer Beurteilung der vorliegend strittigen, sich nach kantonalem Recht zumindest teilweise gegenseitig ausschliessenden Familienleistungen nach Massgabe der im Freizügigkeitsabkommen enthaltenen Konkurrenzvorschrift, steht somit auch in dieser Hinsicht nichts entgegen.


4.4 Eine Lösung der vorliegenden Streitfrage in analoger Anwendung dieser Kollisionsregeln erscheint aber auch deshalb angezeigt, weil das Freizügigkeitsabkommen - deren Bestandteil sie darstellen - im Verhältnis zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) seit dem 1. Juni 2002 unmittelbar Geltung beansprucht. Eine Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts nach Massgabe der im Freizügigkeitsabkommen statuierten Prioritätsregeln führt somit zu einer sachlich zufriedenstellenden Gleichbehandlung interkantonaler Anspruchskonkurrenzen mit analogen, die Schweiz und Mitgliedstaaten der EU berührenden Sachverhalten.


Die in Art. 76 EWG Vo 1408/71 vorgesehene Anknüpfung an den Wohnsitz der Kinder, das heisst die prioritäre Leistungspflicht des Wohnsitzstaates - in der analogen Anwendung des Freizügigkeitsabkommens auf den vorliegenden Sachverhalt diejenige des Wohnsitzkantons - ist schliesslich auch deshalb sachlich richtig, weil die Familie an ihrem Wohnsitz und Lebensmittelpunkt letztendlich die meisten ihrer Ausgaben tätigt und sich dort regelmässig auch das Hauptsteuerdomizil der erwerbstätigen Ehegatten befindet. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch Art. 7 lit. d des künftigen Familienzulagengesetzes des Bundes im Falle einer Anspruchskonkurrenz aufgrund der Erwerbstätigkeit beider Ehegatten in verschiedenen Kantonen an den Wohnsitzkanton des Kindes anknüpfen wird. Die im Freizügigkeitsabkommen für den Fall des Zusammentreffens mehrerer Familienleistungen statuierten Konkurrenzregeln stehen somit im Einklang mit der ab 1. Januar 2009 geltenden, bundesrechtlichen Kollisionsnorm.


5. Die analoge Anwendung der in Art. 76 EWG Vo 1408/71 formulierten Prioritätsregeln führt im vorliegenden Fall dazu, dass der Beschwerdeführer im Wohnsitzkanton seiner Kinder, mithin im Kanton Basel-Landschaft, und damit von seinem Arbeitgeber nach Massgabe von § 29 Abs. 1 des Personaldekrets seit dem 1. Februar 2004 die volle Ausrichtung der ihm zustehenden Erziehungszulagen beanspruchen kann. Gleichzeitig hat der Umstand, dass seine Ehefrau bis Ende Juni 2007 im Kanton Basel-Stadt einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist - und die ihr dort grundsätzlich zustehende Unterhaltszulage offenbar höher ist, als die dem Beschwerdeführer ausgerichtete Erziehungszulage - zur Folge, dass der Kanton Basel-Stadt der Ehegattin die Unterhaltszulage nur insoweit auszurichten hatte, wie sie die dem Beschwerdeführer zustehende Erziehungszulage überstieg.


Da mit den seitens des Kantons Basel-Landschaft dem Beschwerdeführer bis zum


30. Juni 2007 ausgerichteten Erziehungszulagen diesen Grundsätzen Rechnung getragen wurde, ist die Beschwerde ohne Weiteres gutzuheissen und die Rückforderungsverfügung der Justizverwaltung vom 10. Juli 2007 vollumfänglich aufzuheben.


Urteil des Ausschusses gemäss § 11 GOG vom 18.10.2007 i.S. S.W. (270 07 639)



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