Akontozahlungen im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege

Der unentgeltliche Rechtsbeistand hat gegen die Modalitäten seiner Entschädigung im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege stets in eigenem Namen und nicht in demjenigen seines Klienten Beschwerde zu erheben; formeller Beschwerdeführer ist in ständiger Praxis der Anwalt und nicht der Vertretene (E. 2).


Weder das Bundesrecht noch das kantonale Recht räumen grundsätzlich einen Anspruch auf Akontozahlungen im Rahmen der unentgeltlichen Verbeiständung durch das Gemeinwesen ein. Es besteht diesbezüglich weder eine Praxis der erstinstanzlichen Gerichte, noch eine solche des Kantonsgerichts. Allfällige Entscheide erster Instanzen, welche eine entsprechende Akontozahlung bewilligt haben, vermögen auch keine solche Praxis zu schaffen (Art. 12 lit. g BGFA, § 17 Abs. 1 AnwG, § 3 Abs. 2 TO; E. 3 und 4).



Sachverhalt

Advokat E. U. vertritt F. M. als unentgeltlicher Rechtsbeistand in einem vor dem Bezirksgericht Waldenburg hängigen Forderungsprozess. Am 10. November 2006 stellte Advokat E. U. das Gesuch, es sei ihm durch das Bezirksgericht Waldenburg zu Lasten der bewilligten unentgeltlichen Prozessführung eine Akontozahlung in der Höhe von CHF 10'000.00 zu überweisen.


Mit Verfügung vom 30. November 2006 wies das Bezirksgericht Waldenburg das Gesuch um Akontozahlung mit der Begründung ab, die unentgeltliche Prozessführung umfasse nicht den Anspruch des Parteivertreters auf Akontozahlungen, das kantonale Recht kenne Akontozahlungen zu Lasten der unentgeltlichen Prozessführung nicht und es bestehe gegenüber dem Staat seitens des Gesuchstellenden kein eigener Anspruch auf Akontozahlung.


Dagegen erhob Advokat E. U. im Namen seiner Mandantin sowie in eigenem Namen Beschwerde. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, der Entscheid der Vorinstanz verstosse gegen das Willkürverbot und gegen den grundsätzlichen Inhalt des Rechtes auf unentgeltliche Prozessführung.



Erwägungen

1. (…)


2. Die Beschwerden der Beschwerdeführerin und des Beschwerdeführers richten sich gegen die Verfügung des Bezirksgerichtspräsidenten Waldenburg vom 30. November 2006. Der Präsident entschied, dass das Gesuch um Gewährung einer Akontozahlung im Rahmen der unentgeltlichen Prozessführung abgewiesen werde. Fraglich ist vorab, ob die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer überhaupt beschwert sind. Das für jeden prozessualen Rechtsbehelf erforderliche Rechtsschutzinteresse wird als Voraussetzung eines Rechtsmittels Beschwer genannt. Die Beschwer ist Prozessvoraussetzung und daher von Amtes wegen zu prüfen. Fehlt sie, so hat dies ein Prozessurteil in Form eines Nichteintretensentscheids zur Folge. Es wird zwischen formeller und materieller Beschwer unterschieden. Als formelle Beschwer wird die Diskrepanz zwischen dem Parteiantrag und der im Dispositiv des Urteils enthaltenen Entscheidung verstanden. Die materielle Beschwer ist gegeben, wenn der Rechtsmittelkläger, auch wenn seinen Anträgen entsprochen wurde, durch das angefochtene Urteil in seiner Rechtsposition belastet wird und einen Rechtsnachteil erleidet (vgl. zum Ganzen A. Staehelin/Th. Sutter, Zivilprozessrecht, Zürich 1992, § 20 N 25 f. sowie O. Vogel/K. Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechts und des internationalen Zivilprozessrechts der Schweiz, Bern 2006, 13 N 58 - 62).


Im vorliegenden Fall ist die Beschwerdeführerin formell beschwert, jedoch fehlt es an einer materiellen Beschwer. Der Honoraranspruch des unentgeltlichen Rechtsvertreters, sowie damit im Zusammenhang stehende Modalitäten der unentgeltlichen Prozessführung, richten sich einzig gegen den Staat. Der Parteivertreter darf sich von der vertretenen Partei nicht entschädigen lassen und ist insbesondere nicht befugt, sich eine zusätzliche Entschädigung zu derjenigen auszahlen zu lassen, die sie vom Staat erhält. Der Vertreter der bedürftigen Partei ist insbesondere nicht befugt, während der Dauer des Verfahrens von der bedürftigen Partei Akontozahlungen einzufordern. Eine Bezahlung durch die vertretene Partei ist selbst dann ausgeschlossen, wenn die öffentlichrechtliche Entschädigung nicht einem vollen Honorar entspricht (BGE 122 I 322 E. 3b; 108 Ia 11 E. 1). Durch die Verweigerung einer Akontozahlung an den Parteivertreter erleidet die bedürftige Partei folglich keinen rechtsrelevanten Nachteil. Die Beschwerdeführerin ist durch die angefochtene Verfügung nicht beschwert und demnach auch nicht zur Beschwerde legitimiert, womit folglich auf die Beschwerde nicht einzutreten ist. Daraus erhellt, dass der betroffene Anwalt gegen die Modalitäten seiner Entschädigung im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege mithin stets in eigenem Namen und nicht etwa in demjenigen seines Klienten, der am Ausgang des Verfahrens nicht interessiert ist, Beschwerde zu erheben hat. Formeller Beschwerdeführer ist daher in ständiger Praxis der Anwalt und nicht der Vertretene (vgl. auch BJM 2002 S. 107, 1987 S. 189, 1962 S. 246). Der Beschwerdeführer ist formell und materiell durch die Verfügung vom 30. November 2006 beschwert, da seinem Antrag nicht entsprochen wurde, er in seiner Rechtsposition belastet wird und einen Rechtsnachteil erleidet. Demzufolge ist der Beschwerdeführer zur Beschwerde legitimiert und es ist auf seine Beschwerde einzutreten.


3. In Art. 12 lit. g BGFA wird bundesrechtlich regelt, dass sämtliche Anwältinnen und Anwälte verpflichten sind, in dem Kanton, in dessen Register sie eingetragen sind, amtliche Pflichtverteidigungen und im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege Rechtsvertretungen zu übernehmen. Die Regelung der entsprechenden Entschädigung für solche Mandate liegt in der Kompetenz der Kantone (W. Fellmann/G. Zindel, Kommentar zum Anwaltsgesetz, Zürich 2005, Art. 12 N 143). § 17 Abs. 1 des Anwaltgesetzes Basel-Landschaft statuiert, für Pflichtverteidigungen und Rechtsvertretungen im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege vor den Gerichten sei eine angemessene Entschädigung zuzusprechen. Bezüglich der Höhe dieser Entschädigung verweist Abs. 2 auf die Tarifordnung. § 3 Abs. 2 Tarifordnung für die Anwältinnen und Anwälte hält fest, bei unentgeltlicher Verbeiständung sowie bei amtlicher Verteidigung betrage das Honorar CHF 180.00 pro Stunde. In keinem dieser Erlasse wird die Leistung von Akontozahlungen im Rahmen der unentgeltlichen Verbeiständung durch das Gemeinwesen geregelt; weder das Bundesrecht noch das kantonale Recht räumen grundsätzlich einen solchen Anspruch ein.


4. Vom Beschwerdeführer wird geltend gemacht, es bestehe eine Praxis, wonach die Auszahlung einer Akontozahlung im Rahmen der unentgeltlichen Prozessführung möglich sei; zum Beweis legt der Beschwerdeführer mit seiner Eingabe vom 8. Dezember 2006 einen Entscheid des Bezirksgerichts Gelterkinden vom 18. Juli 2005 ins Recht, in welchem dem Beschwerdeführer in einem laufenden Verfahren eine Akontozahlung gewährt worden sei. Dem Kantonsgericht, Abteilung Zivil- und Strafrecht, ist weder eine Praxis der erstinstanzlichen Gerichte bekannt, wonach ein Vertreter Anspruch auf eine Akontozahlung habe, noch kennt es selbst eine solche. Allfällige Entscheide von Vorinstanzen, welche eine entsprechende Akontozahlung bewilligt haben, vermögen im Übrigen auch keine solche Praxis zu schaffen. Nach Ansicht des Kantonsgerichts, Abteilung Zivil- und Strafrecht, ist die Zusprechung einer solchen Akontozahlung zudem insofern problematisch, als es, wie bereits ausgeführt, an einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage fehlt. Im Weiteren würde die Bewilligung einer Akontozahlung im Rahmen der unentgeltlichen Prozessführung nach Ansicht des Kantonsgerichts, Abteilung Zivil- und Strafrecht, in Bezug auf die Handhabung und Durchführung diverse Unklarheiten mit sich bringen. So wäre etwa das Vorgehen bei einem späteren Entzug der unentgeltlichen Prozessführung im Sinne von § 71 Abs. 3 ZPO unklar. Spezielle Beachtung bedürfte auch § 76 ZPO. Danach wird einer Partei, welcher im Vorfeld die unentgeltliche Prozessführung bewilligt wurde, zugemutet die Prozesskosten nun doch selbst zu tragen, da sie durch Obsiegen im Verfahren zu entsprechendem Vermögen gekommen ist. Problematisch erscheint die Gewährung einer Akontozahlung ferner in Bezug auf die sachliche Zuständigkeit. Der Kostenentscheid wird je nach Zuständigkeit durch den Einzelrichter, das Dreiergericht oder das Fünfergericht im Urteil gefällt. Bei Verfahren mit Zuständigkeit des Dreiergerichts oder des Fünfergerichts würde eine Bewilligung der Akontozahlung durch den instruierenden Präsidenten erfolgen; dadurch würde der Entscheid über die ausserordentlichen Parteikosten, welcher in die Kompetenz des Dreiergerichts oder des Fünfergerichts liegt, durch den instruierenden Präsidenten präjudiziert. Ob Akontozahlungen im Rahmen der unentgeltlichen Prozessführung in Ausnahmesituationen bewilligt werden können, kann jedoch offen gelassen werden, da im vorliegenden Fall keine solche Situation geltend gemacht wurde. Eine solche Ausnahmesituation würde das Kantonsgericht, Abteilung Zivil- und Strafrecht, allenfalls als gegeben sehen, wenn einerseits die voraussichtliche Dauer des Verfahren erheblich ist, wobei hier von einer Dauer von mehreren Jahren auszugehen ist. Andererseits müsste das Verfahren ausserordentlich umfangreiche Aufwendungen erfordert haben, welche es dem Parteivertreter, ohne Leistung einer entsprechenden Akontozahlung, nicht mehr erlauben, seine Unkosten und Aufwendungen für eine sachgemässe Verteidigung zu decken (vgl. KG 30. Mai 2006 i.S. L. gegen Strafgerichtspräsident). Ob in einer derartigen Situation indes ein Anspruch auf eine entsprechende Akontozahlung besteht oder ob die Zusprechung einer solchen im Ermessen des Gerichts liegt, kann an dieser Stelle ebenfalls offen gelassen werden, da im vorliegenden Fall die obgenannten Voraussetzungen, wie in der Folge aufzuzeigen ist, ohnehin nicht gegeben sind.


5. Im vorliegenden Fall begründet der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Akontozahlung mit einer Fürsorgepflicht seitens des Staates. Ein einseitiger Rücktritt aus dem öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnis sei dem unentgeltlichen Rechtsvertreter nicht gestattet, vielmehr müsse er um Entlassung aus demselben ersuchen, was mittels einem begründeten Gesuch zu erfolgen habe. Aufgrund dieses Abhängigkeitsverhältnisses zum Gemeinwesen leite sich daher eine Fürsorgepflicht gegenüber dem unentgeltlichen Rechtsvertreter ab. So habe der Staat darauf Rücksicht zu nehmen, dass der unentgeltliche Rechtsvertreter nicht selbst in Not gerate, jedenfalls aber seine laufenden Ausgaben decken könne. Nach Ansicht des Beschwerdeführers leiste der unentgeltliche Rechtsvertreter ausserdem bereits durch seine entsprechende Tätigkeit genug Verzicht und soziales Engagement, auch ohne dass er für den Staat die Rolle des Kreditsgebers übernehme. Die Präsidien Sissach und Laufen hätten zudem bereits Akontozahlungen bei bewilligten Kostenerlass genehmigt, demnach sei dies praxisgemäss möglich. Nach Ansicht des Beschwerdeführers verstosse es denn auch gegen das Willkürverbot sowie den verfassungsrechtlich geschützten Inhalt der unentgeltlichen Prozessführung, wenn dem Parteivertreter zugemutet werde, auf lange Zeit Leistungen zu erbringen, während der Staat in dieser Zeit jede Vergütung samt Zins verweigern dürfe. Die Pflicht, amtliche Pflichtverteidigungen und im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege Rechtsvertretungen zu übernehmen, ist das Korrelat zur Befugnis des im Register eingetragenen Anwalts, den Anwaltsberuf (in der ganzen Schweiz) auszuüben (W. Fellmann/G. Zindel, a.a.O., Art. 12 N 142 - 143). Der unentgeltliche Rechtsvertreter hat bei diesen Mandaten als Anwalt das Monopol und trägt keinerlei Kosten- und Inkassorisiko. Die Entschädigung von CHF 180.-- pro Stunde ist gemäss Bundesgericht nicht nur kostendeckend, sondern erlaubt einen Verdienst im Bereich von CHF 60.00 bis CHF 70.00 pro Stunde, wobei diese Kürzung des Honorars im Vergleich zum ordentlichen Tarif zulässig ist (BGE 132 I 201, E. 8). Wie bereits ausgeführt, besteht kein Anspruch des unentgeltlichen Rechtsvertreters auf Akontozahlung und eine solche wäre ohnehin, wenn überhaupt, nach Ansicht des Kantonsgerichts, Abteilung Zivil- und Strafrecht, lediglich im Ausnahmefall zu bewilligen. Der Beschwerdeführer hat weder geltend gemacht, sich in einer solchen Ausnahmesituation zu befinden, noch ist eine solche ersichtlich. Die Klageanhebung im Haftpflichtfall war im August 2005, wobei dies unter Berücksichtigung der Zeit der Sistierung des Verfahrens eine Verfahrensdauer von zirka einem Jahr ergibt. Bei den in dieser Zeit durch den Beschwerdeführer getätigten Bemühungen in der Höhe von zirka 80 Stunden, kann jedoch von ausserordentlich umfangreichen Aufwendungen nicht die Rede sein. Somit liegen die Voraussetzungen für eine allfällige Gewährung einer Akontozahlung nicht vor.


6. (…)


7. (…)


KGE ZS vom 6.3.2007 i.S. E. U. und F. M. gegen BGP Waldenburg (200 06 1223/WAP)



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